BGB – Allgemeine Lehren - Uni Siegen...Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der...

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Universität Siegen Wintersemester 2018/2019 BGB – Allgemeine Lehren Jun.Prof. Dr. Christian Gomille

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Universität Siegen Wintersemester 2018/2019

BGB – Allgemeine Lehren

Jun.‐Prof. Dr. Christian Gomille

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§ 1Das BGB und sein Allgemeiner Teil in

der Gesamtrechtsordnung

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Der Begriff der Rechtsordnung

Man sagt: „Die Rechtsordnung ist die Gesamtheit der Vorschriften, diein bindender Weise das menschliche Gemeinschaftsleben regeln. Dabeiist die Rechtsordnung ein Produkt staatlicher Entscheidung.“

Staat (Hoheitsträger)

Bürger Bürger

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Der Begriff der Rechtsordnung

Fall 1 („Günstige Sondermüllentsorgung“)Bürger A betreibt eine Stahlhütte, die am Ufer einesFlusses gelegen ist. Bei der Stahlproduktion fallengiftige, dicyanhaltige Gaswaschwässer alsAbfallprodukt an. A entledigt sich dieser Abwässer,indem er sie kurzerhand in den Fluss einleitet.Wenige Kilometer flussabwärts liegt dieLandwirtschaft des Bürgers B, deren Böden durchdie Abwässer des A stark beeinträchtigt werden. Bverlangt von A, dass er aufhöre, die giftigenAbwässer in den Fluss einzuleiten. Zugleich wendeter sich an die zuständige staatliche Stelle, damitdiese gegen das Tun des A einschreite.Welche Interessen treffen in dieser Konstellationaufeinander?

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Der Begriff der Rechtsordnung 

• Interesse des A: Möglichst kostengünstige Entsorgung seiner giftigen Abfälle

• Interesse des B: Keine Kontamination seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche

• Eigenes Interesse des Staates:Reduzierung der Umweltverschmutzung als übergeordnetes Gemeinwohl

• Aufgabe der Rechtsordnung: Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen durch verbindliche Regelwerke

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Zweiteilung der Rechtsordnung

Rechtsordnung

PrivatrechtPrivatrecht liegt vor, wenn an demRechtsverhältnis kein Trägerhoheitlicher Gewalt beteiligt ist oderder Träger hoheitlicher Gewalt hierkeine hoheitlichen Befugnisse hat

Öffentliches Recht Öffentliches Recht liegt vor, wenn an demzu beurteilenden Rechtsverhältnis einTräger hoheitlicher Gewalt gerade indieser Eigenschaft tätig wird

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Zweiteilung der Rechtsordnung

Öffentliches Recht:  Privatrecht:

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Staatlicher Hoheitsträger

Privater

Privater Privater

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Zweiteilung der Rechtsordnung

Fortsetzung von Fall 1:

Der Staat leitet gegen Bürger A ein Strafverfahren aufgrund von § 324 IStGB ein. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mitGeldstrafe bestraft, wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt.

Gehört § 324 StGB zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht?

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Zweiteilung der Rechtsordnung

Weitere Fortsetzung von Fall 1: 

B verlangt von A, dass dieser für den an seinen Böden entstandenenSchaden aufkomme und beruft sich dabei auf § 823 I BGB. Danach gilt:Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen verletzt, istdem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadensverpflichtet.

Ist § 823 I BGB eine Norm des öffentlichen Rechts oder desPrivatrechts?

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Zweiteilung der Rechtsordnung

• Zum öffentlichen Recht gehören insbesondere: 

‐ Das Europarecht (z.B. AEUV)

‐ Das Völkerrecht (z.B. EMRK)

‐ Das Grundgesetz

‐ Die Verwaltungsgesetze (z.B. BauGB)

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Zweiteilung der Rechtsordnung

• Zum Privatrecht gehören insbesondere

‐ Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)

‐ Das Handelsgesetzbuch (HGB)

‐ Das Aktiengesetz (AktG)

‐ Das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)

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Wo steht das BGB innerhalb des Privatrechts? 

• Das Privatrecht setzt sich zusammen aus dem bürgerlichen Recht (synonym:Zivilrecht) und den sog. Sonderprivatrechten

• Das bürgerliche Recht hat sich historisch im Gegensatz zum kanonischen Rechtder römisch‐katholischen Kirche entwickelt und bezeichnet seit derfranzösischen Revolution das für alle geltende Recht einer ständelosenGesellschaft

• In Deutschland fällt darunter das BGB mit seinen fünf Büchern• Für einzelne Berufsgruppen und Lebensbereiche haben sich im Lauf der Zeit

sog. Sonderprivatrechte gebildet, die organisatorisch aus dem allgemeinenbürgerlichen Recht ausgegliedert sind (z.B. Handels‐ und Gesellschaftsrecht,Arbeitsrecht, Immaterialgüterrecht)

• Die Sonderprivatrechte sind vom allgemeinen bürgerlichen Recht nicht vollständig losgelöst, sondern ergänzen dieses lediglich

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Wo steht der Allgemeine Teil innerhalb des BGB?

BGB Allgem

eine

r Teil

Schuldrecht

Sachenrecht

Familienrecht

Erbrecht13

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§ 2Regelungsgegenstand und

Regelungstechnik des Privatrechts

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Die Grundfrage des privatrechtlichen Falls 

• Im öffentlichen Recht geht es stets um die Frage, welche Maßnahmender Staat als Hoheitsträger gegenüber dem Bürger erlassen darf odermuss

• Im Privatrecht geht es demgegenüber beinahe stets um die Frage: Wer will was von wem und woraus?

• Das heißt: Sie haben bei einem Geschehen verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Interessen. Jeder von ihnen will erreichen, dass ein anderer sein Interesse befriedigt

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Erster Schritt: Interessenanalyse

Fall 2 („Gemäldediebstahl“)

Berthold stiehlt von Anton ein Gemälde im Wert von 200.000 Euro und veräußert es 250.000 Euro weiter an Cecilia. 

Welche Interessen haben die verschiedenen Beteiligten? 

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Erster Schritt: Interessenanalyse

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Anton Berthold

Cecilia

Diebstahl Gemälde; Wert: 200k €

WeiterveräußerungPreis: 250k €

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Zweiter Schritt: Die Ermittlung des Anspruchsziels • Gem. § 194 I BGB ist unter einem Anspruch das Recht zu verstehen, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. 

• Das Privatrecht bildet für die verschiedenen denkbaren Interessen der privatrechtlichen Akteure verschiedene Kategorien von sog. Anspruchszielen. Die wichtigsten dieser Kategorien sind: 

‐ Vertragserfüllung‐ Herausgabe‐ Schadensersatz‐ Aufwendungsersatz‐ Unterlassung

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Dritter Schritt: Die Ermittlung der Anspruchsgrundlage• Im nächsten Schritt ist eine Norm zu suchen, die darüber

entscheidet, ob der eine an dem Geschehen Beteiligte von einemanderen sein Interesse befriedigt bekommt oder nicht.

• Diese Normen bezeichnet man als Anspruchsgrundlagen

• Dabei sieht das bürgerliche Recht für jede der Kategorien vonAnspruchszielen verschiedene solcher Anspruchsgrundlagen vor.

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Dritter Schritt: Die Ermittlung der AnspruchsgrundlageKennzeichen der Anspruchsgrundlage: • § 985 BGB: „Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.“

• § 280 I BGB: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.“

• § 823 I BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, istdem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

• § 122 I BGB: „Ist eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder auf Grund der §§ 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem, andernfalls jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat.“

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Dritter Schritt: Die Ermittlung der AnspruchsgrundlageAnspruchsgrundlagen für Anspruchsziel Vertragserfüllung:

• Hier geht es um die Erfüllung vertraglich gegebener Versprechen • Anspruchsgrundlage ist hier deshalb an sich das vertraglich gegebene Versprechen selbst 

• § 433 BGB: (1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach‐ und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

• § 631 I BGB: Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

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Dritter Schritt: Die Ermittlung der AnspruchsgrundlageAnspruchsgrundlagen für das Anspruchsziel „Herausgabe“: 

• Herausgabeansprüche können sich aus Verträgen, aus vertragsähnlichen Verhältnissen und aus gesetzlich entstandenen Verhältnissen ergeben. 

• § 546 I BGB: „Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.“

• §§ 667, 681 S. 2 BGB: „Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.“

• § 985 BGB: „Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.“

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Dritter Schritt: Die Ermittlung der AnspruchsgrundlageAnspruchsgrundlagen für das Anspruchsziel „Schadensersatz“: 

• Schadensersatzansprüche können sich aus vertragsähnlichen Verhältnissen und aus gesetzlich entstandenen Verhältnissen ergeben.

• § 280 I BGB („positive Vertragsverletzung“): „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.“

• §§ 280 I, 241 II, 311 II Nr. 1 BGB („Verschulden bei den Vertragsverhandlungen“): „Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen.“

• § 823 I BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

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Dritter Schritt: Die Ermittlung der AnspruchsgrundlageAnspruchsgrundlagen für das Anspruchsziel „Aufwendungsersatz“: 

• Ansprüche auf Aufwendungsersatz können sich aus vertragsähnlichen Verhältnissen und aus gesetzlich entstandenen Verhältnissen ergeben.

• § 670 BGB: „Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.“

• §§ 670, 681 S. 2 BGB: „Im Übrigen finden auf die Verpflichtungen des Geschäftsführers die für einen Beauftragten geltenden Vorschriften der §§ 666 bis 668 entsprechende Anwendung.“

• § 994 I BGB: „Der Besitzer kann für die auf die Sache gemachten notwendigen Verwendungen von dem Eigentümer Ersatz verlangen. Die gewöhnlichen Erhaltungskosten sind ihm jedoch für die Zeit, für welche ihm die Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen.“

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Dritter Schritt: Die Ermittlung der AnspruchsgrundlageAnspruchsgrundlagen für das Anspruchsziel „Unterlassung“: 

• Ansprüche auf Unterlassung können sich aus vertragsähnlichen Verhältnissen und aus gesetzlich entstandenen Verhältnissen ergeben. 

• Typisches Beispiel für ein vertragliches Unterlassungsversprechen ist die sog. strafbewehrte Unterlassungserklärung, die man unterzeichnet, wenn man beim Raubkopieren, beim illegalen Streaming oder beim illegalen File‐Sharing erwischt worden ist. 

• § 1004 I BGB: „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“ 

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Vierter Schritt: Die Prüfung der AnspruchsgrundlageDer Aufbau der Anspruchsgrundlagen:

• Anspruchsgrundlagen sind nach einem klassischen „Wenn‐Dann‐Schema“aufgebaut. Auf der „Dann‐Seite“ steht das verfolgte Anspruchsziel. Auf der„Wenn‐Seite“ stehen die Voraussetzungen, unter denen dieses Anspruchszielverwirklicht wird.

• Die Voraussetzungen, unter denen das verfolgte Anspruchsziel eintritt,bezeichnet man als den Tatbestand/die Tatbestandselemente einer Norm. Daseintretende Anspruchsziel heißt Rechtsfolge.

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Vierter Schritt: Die Prüfung der AnspruchsgrundlageBeispiel § 823 I BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

Rechtsgutsverletzung (Leben, Körper, Gesundheit etc.) +Ursächliche Verletzungshandlung (Wer verletzt) +Rechtswidrigkeit (widerrechtlich) + Verschulden (vorsätzlich oder fahrlässig)________________                                    = Schadensersatz 

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Vierter Schritt: Die Prüfung der AnspruchsgrundlageDer Begriff der Subsumtion 

• Hat man die zum verfolgten Anspruchsziel passende Anspruchsgrundlage gefunden, muss man schließlich prüfen, ob das vorliegende Geschehen alle Voraussetzungen für den Eintritt der gewünschten Rechtsfolge erfüllt. 

• Diesen Prüfungsvorgang bezeichnet man als Subsumtion. 

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Vierter Schritt: Die Prüfung der AnspruchsgrundlageEinfache Subsumtion: Fall 3 („Cordula Grün“) Beim leidenschaftlichen Mitsingen von „Cordula Grün“ auf dem Münchener Oktoberfest schlägt Anton versehentlich und aus Unachtsamkeit dem neben ihm auf der Bierbank stehenden Berthold den Maßkrug ins Gesicht und beschädigt dabei dessen Brille irreparabel. Kann Berthold von Anton Schadensersatz verlangen? 

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Vierter Schritt: Die Prüfung der AnspruchsgrundlageEinfache Subsumtion 

• Die Subsumtion des Sachverhalts unter die Norm ist also nicht immer schwierig 

• Früher waren die Tatbestände noch einfacher zu handhaben, da sie sehr viel konkreter gefasst waren 

• Beispiel: Sachsenspiegel• Moderne Zivilrechtsordnungen haben jedoch einen deutlich höheren Grad an Abstraktion erreicht, was den Umgang mit ihnen nicht in jeder Hinsicht vereinfacht 

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Vierter Schritt: Die Prüfung der Anspruchsgrundlage Fall 4 („Fleet‐Fall“; BGHZ 55, 153) K (K) ist Eigentümer des Binnen‐Transsportschiffs „MS Christel“. Die „MSChristel“ war in einem von einem größeren Fluss abgehenden Fleet an derVerladestelle einer Getreidemühle festgemacht, um dort Ladungaufzunehmen. Währenddessen stürzt ein 4m langes Stück der Ufermauer miteinem Teil der darauf ruhenden Außenwand eines Gebäudes in das Fleet. Umden weiteren Einsturz des Wohnhauses zu verhindern, ließ der Eigentümeres mit zwei Baumstämmen abstützen. Hierdurch wurde das Fleet für die „MSChristel“ unpassierbar. Während der Liegezeit erlitt ihr Eigentümer Einbußeni.H.v. 30.000 Euro. Diese verlangt er von dem Eigentümer des Fleets namensFriedrich (F), weil dieser die Ufermauer marode werden ließ.Besteht ein Anspruch auf Zahlung von 30.000 Euro? 

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Vierter Schritt: Die Prüfung der Anspruchsgrundlage• Eigentum ist das umfassende Herrschaftsrecht i.S.d. § 903 BGB 

• Es wird verletzt durch: Beschädigung/Zerstörung der Sachsubstanz, Entzug des Besitzes, Entzug des Rechts 

• Hier: Kein solcher Fall, sondern bloße Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit

• Kann auch das eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 I BGB sein? 

• Das ist durch Auslegung der Vorschrift zu ermitteln 

• Maßgeblich sind die grammatikalische, die historische, die systematische sowie die teleologische Auslegung 

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