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BGI 609 Stress am Arbeitsplatz VMBG Vereinigung der Metall- Berufsgenossenschaften BG-Information

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BGI 609Stressam Arbeitsplatz

VMBGVereinigung der Metall-Berufsgenossenschaften

BG-Information

InformationsschriftenAnschläger (BGI 556)Arbeiten an Bildschirmgeräten (BGI 742)Arbeiten an Gebäuden und Anlagen vorbereiten und durchführen (BGI 831)Arbeiten in engen Räumen (BGI 534)Arbeiten unter Hitzebelastung (BGI 579)Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Dächern (BGI 5074)Arbeitsschutz im Handwerksbetrieb (BGI 741)Arbeitsschutz will gelernt sein – Ein Leitfaden für den Sicherheitsbeauftragten (BGI 587)Arbeitssicherheit durch vorbeugenden Brandschutz (BGI 560)Auftreten von Dioxinen (PCDD/PCDF) bei der Metall-erzeugung und Metallbearbeitung (BGI 722)Belastungstabellen für Anschlagmittel (BGI 622)Beurteilung der Gesundheitsgefährdung durchSchweißrauche – Hilfestellung für die schweißtech-nische Praxis (BGI 616) – (als pdf unter www.vmbg.de)Damit Sie nicht ins Stolpern kommen (BGI 5013)Der erste Tag – Leitfaden für den Unternehmer als Organisationshilfe und zur Unterweisung von Neulingen (BGI 568)Der Familienbetrieb – Das Wichtigste für Sicherheit und Gesundheit in Kleinbetrieben (BGI 5030)Einsatz von Fremdfirmen im Rahmen von Werkverträgen (BGI 865)Elektrofachkräfte (BGI 548)Elektromagnetische Felder in Metallbetrieben (BGI 839)Elektrostatisches Beschichten (BGI 764)Fahrzeug-Instandhaltung (BGI 550)Gabelstaplerfahrer (BGI 545)Galvaniseure (BGI 552)Gasschweißer (BGI 554)Gebrauch von Hebebändern und Rundschlingen aus Chemiefasern (BGI 873)Gefährdungen in derKraftfahrzeug-Instandhaltung (BGI 808)Gefahren beim Umgang mit Blei und seinen anorganischen Verbindungen (BGI 843)Gefahren durch Sauerstoff (BGI 644)Gefahrstoffe in Gießereien (BGI 806)Gießereiarbeiter (BGI 549)Handwerker (BGI 547)Hautschutz in Metallbetrieben (BGI 658)Inhalt und Ablauf der Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit (BGI 838)Informationen zur Ausbildung der Fachkraft für Arbeitssicherheit (BGI 838-1)Instandhalter (BGI 577)Jugendliche (BGI 624)Keimbelastung wassergemischter Kühlschmierstoffe (BGI 762)Kranführer (BGI 555)Lackierer (BGI 557)Lärm am Arbeitsplatz in der Metall-Industrie (BGI 688)Leitern sicher benutzen (BGI 521)Lichtbogenschweißer (BGI 553)

Maschinen der Zerspanung (BGI 5003)Mensch und Arbeitsplatz (BGI 523)Metallbau-Montagearbeiten (BGI 544)Montage, Demontage und Instandsetzung von Aufzugsanlagen (BGI 779)Montage von Profiltafeln für Dach und Wand (BGI 5075)Nitrose Gase beim Schweißen und bei verwandten Verfahren (BGI 743)Praxishilfe für Unternehmer– Schlosserei (BGI 751-1)Praxishilfe für Unternehmer – Kfz-Instandhaltung (BGI 751-2)Praxishilfe für Unternehmer – Heizung, Klima, Lüftung (BGI 751-3)Praxishilfe für Unternehmer – Galvanik (BGI 751-4)Praxishilfe für Unternehmer – Stahlbau, Metallbau (BGI 751-5)Presseneinrichter (BGI 551)Pressenprüfung (BGI 724)Prüfung von Pfannen (BGI 601)Rückengerechtes Verhalten beim Gerüstbau (BGI 821)Schadstoffe beim Schweißenund bei verwandten Verfahren (BGI 593)Schleifer (BGI 543)Schutz gegen Absturz – Auffangsysteme sachkundig auswählen, anwenden und prüfen (BGI 826)Schweißtechnische Arbeiten mit chrom- und nickel-legierten Zusatz- und Grundwerkstoffen (BGI 855)Sichere Reifenmontage (BGI 884)Sichere Verwendung vonFlüssiggas in Metallbetrieben (BGI 645)Sicherer Umgang mit fahrbaren Hubarbeitsbühnen (BGI 720)Sicherheit bei der Blechverarbeitung (BGI 604)Sicherheit bei der Hydraulik-Instandhaltung (BGI 5100)Sicherheit beim Arbeiten mit Handwerkszeugen (BGI 533)Sicherheit beim Errichten und Betreiben von Batterieladeanlagen (BGI 5017)Sicherheit durch Betriebsanweisungen (BGI 578)Sicherheit durch Unterweisung (BGI 527)Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Transport- und Lagerarbeiten (BGI 582)Sicherheit und Gesundheitsschutz durch Koordinieren (BGI 528)Stress am Arbeitsplatz (BGI 609)Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der Metallindustrie (BGI 805)Überwachung von Metallschrott auf radioaktive Bestandteile (BGI 723)Umgang mit Gefahrstoffen (BGI 546)Verringerung von Autoabgasen in der Kfz-Werkstatt (BGI 894)Wenn die Seele streikt (BGI 5046)Wiederholungsprüfung ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel (BGI 5090)Wolfram-Inertgasschweißen (WIG) (BGI 746)

Auf CD-ROM erhältlich:„Prävention – Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz”

MMBGMaschinenbau-und Metall- Berufsgenossenschaft

Gudrun Harlfinger-WoitzikKarl WenchelDr. Martin ArningMaximilian AngermaierDr. Wolfgang Panter

Stress am Arbeitsplatz

Verantwortlich für den Inhalt:

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1 Stress – Motor und Risikofaktor der modernen Arbeitswelt . . . . . . . . 8

1.1 Gesundheitsschutz als Bestandteil moderner Unternehmenkultur . . . 8

1.2 Was ist Stress? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.3 Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.4 Herausforderungen an die Arbeitswelt im 21. Jahrhundert und die damit verbundenen Belastungen . . . . . . 10

1.5 Krankheitsarten-/Fehlzeitenanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.6 Einbeziehung psychischer Belastungen im nationalen und europäischen Arbeitsschutzrecht . . . . . . . . . . . 12

1.7 Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.7.1 Psychische Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.7.2 Psychische Beanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.8 Individuelles Stresserleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.9 Stressoren am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.10 Möglichkeiten zur Stressprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.11 Wege zum Stressabbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2 Stress als Unfallursache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3 Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren . . . . . . . . . . . . . 24

4 Stress aus Sicht der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

4.1 Welche Bedeutung hat Stress? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

4.2 Stress als Ursache von Erkrankungen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

4.3 Was kann und muss getan werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.3.1 Wie kann die Wahrnehmungvon Stressbelastungen erhöht werden? . . . . . . . . . . . . . 43

4.3.2 Welche Maßnahmen helfen, den Stress abzubauen? . . . . . . 47

4.4 Wo können Beschäftigte und ihre betrieblichen Interessenvertreter weitere Informationen und Hilfestellungfür den Abbau von psychischen Belastungen erhalten? . . . . . . . . . 50

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5 Stress aus Sicht eines Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

6 Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

6.1 Grundbedingungen für die Entwicklung von Checklisten für die Groberfassung . . . . . . . . . . . 58

6.2 Checklistenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

6.3 Checklisteneinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

6.4 Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

6.5 Hinweise zur Datenauswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Auswertung Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Kurzcheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Selbsthilfe Stress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Mögliche Stressoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

7 Literaturangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

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Arbeitsbedingter Stress entwickeltsich zu einem der größten Risikofaktorenunseres Industriezeitalters.

Wenn man bedenkt, dass vor ca. 50 Jah-ren dieser Begriff kaum jemandem be-kannt war, allenfalls Physiker beschriebenihn als „mechanische Spannung“, so ist er heute gar nicht mehr aus unseremSprachgebrauch wegzudenken.

Als der kanadische Mediziner Hans Selyeerstmals „Stress“ als Anpassungsreaktiondes Körpers auf alles, was die Balance lebenswichtiger Funktionen, wie Tem-peratur und Blutdruck, stört, definierte, schien es, als hätte die Gesellschaft auf ein Wort für ihre körperlichen und seelischen Schieflagen gewartet.

Mittlerweile sehen nicht nur Wissen-schaftler im „Stress“ ein zentrales Phäno-men unserer Leistungsgesellschaft. Ein-mütig attestieren Gewerkschaften, Arbeit-geber, die Unfallversicherungsträger undnicht zuletzt die Politik diesem PhänomenWachstumsraten, die bedenklich sind. Die Weltgesundheitsorganisation hatStress zu einer der größten Gesundheits-gefahren des 21. Jahrhunderts erklärt.

In der Europäischen Union ist arbeits-bedingter Stress nach Rückenschmerzendas zweithäufigste Gesundheitsproblemgeworden.

Man geht davon aus, dass arbeitsbe-dingte Stressursachen zu den aktuellenKrankheiten in der EU beitragen: 13 %der Arbeitnehmer klagen über Kopf-schmerzen, 17 % über Muskelschmerzen,

30 % über Rückenschmerzen, 20 % überMüdigkeit und 28 % über Stress. Die EUschätzt, dass Stresserkrankungen jährlichKosten in Höhe von ca. 20 Mrd. Euro verursachen. Es wird angenommen, dass50 bis 60 % aller Ausfalltage mit Stress-problemen im Zusammenhang stehen.

Stress am Arbeitsplatz ist nicht nur mitgroßem menschlichen Leid verbunden,sondern verursacht hohe Kosten und beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in erheblichem Maße.Neben den gesundheitlichen Auswir-kungen manifestiert sich Stress u. a. inhohen Fehlzeiten, Personalfluktuation,mangelnder Arbeitssicherheit, schlechterArbeitsmoral der Beschäftigten, man-gelnder Innovation und geringerer Pro-duktivität.

Infolgedessen weckt der arbeitsbe-dingte Stress in allen Industrieländern zu-nehmend das Interesse der Medien sowie der Öffentlichkeit.

Eine Frage stellt sich dabei immer wieder:Bestimmt der Charakter des Menschen,was ihn in Stress versetzt und ist der Einzelne vielleicht selbst Schuld anseinem Stress?

Natürlich geht jeder Mensch anders mit Stress um, zeigt andere Symptomeund andere Stressreaktionen.

Aber es gibt in unserer modernen Indust-riegesellschaft ganz bestimmte äußereFaktoren, die mit großer Wahrscheinlich-keit Stress auslösen und damit diesesThema zu einem gesamtgesellschaft-

Vorwort

lichen Thema machen. Aus diesem Grundsind für eine gezielte Stresspräventionprimär „gesunde Organisationen“ und sekundär die individuelle Stresssymptom-bekämpfung von Bedeutung, denn Unkenntnis über effiziente und stressfreieOrganisationsformen der Arbeit ist die häufigste Ursache für ernste Stress-probleme.

Unsere Arbeitswelt ist von einem rasan-ten tief greifendem und kontinuierlichenWandel geprägt: Globalisierung, Technisierung, Flexibilisierung, Out-sourcing, Lean Management, Just-in-Time-Produktion ...

Die Arbeitsproduktivität steigt. Viele Arbeitnehmer arbeiten immer oder häufigunter enormen Zeitdruck.

Die Zukunft gehört Menschen mit „flexiblen Lebensläufen“, d. h. mit häu-figer wechselnden Aufgaben und Wohnsitzen und mit neuen Familien-modellen.

Während für die eine Gruppe von Berufs-tätigen Verantwortung und Entschei-dungsspielraum größer werden, steigtgleichzeitig die Zahl jener, die in Unsicherheit, Arbeitslosigkeit oder im unfreiwilligen Vorruhestand leben werden.

Aber auch die Arbeit selbst verändert sich radikal. Die Kopfarbeit löst weit-gehend die Muskelarbeit ab. Rund um die Uhr überfluten Informationen über Computer, Fax oder Telefon die Beschäftigten.

Die veränderten Aufgaben beanspruchenzwar weniger den Körper, verlangen aber oft bessere Nerven.

Zu diesem Wandel kommen einschnei-dende demografische Veränderungen in der Arbeitswelt, die zur Folge haben,dass es immer weniger jüngere Er-werbstätige und einen steigenden Anteilälterer Beschäftigter geben wird.

Der wirtschaftliche und soziale Umbruch,den wir zurzeit erleben, führt zwangs-läufig zu Anpassungsproblemen sowohlin der Gesellschaft wie im einzelnen Organismus.

Diese Veränderungen unterstreichen dieNotwendigkeit, sich der Bewältigung von arbeitsbedingtem Stress zunehmendwidmen zu müssen.

Grundsätzlich gilt: Ohne Stress kann der Mensch nicht leben. So wie ohne kör-perliche Anstrengung weder Muskelnnoch Ausdauer entwickelt werden können, so braucht jeder Mensch auchpsychische Belastungen, um sich derständig wandelnden Umwelt anzupassenund Neues lernen zu können.

„Angemessener“ Stress ist förderlich für Gesundheit, Leistungsfähigkeit undProduktivität , d. h. gesundheitsförder-licher Stress kann dazu führen, dassMenschen in richtigem Maße gefordertund gefördert werden. Und zwar immerdann, wenn sie, gemessen an ihren individuellen Möglichkeiten, die an siegestellten Forderungen hinreichend gut erfüllen können. Das setzt aber die

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notwendigen Fähigkeiten und Infor-mationen zur Bewältigung der an sie gestellten Aufgaben voraus.

Die „Stressantwort“ auf Herausforderungoder Bedrohung ist schnelle Handlungs-bereitschaft. Ist die Situation bewältigt,sind Zufriedenheit und Entspannung der Lohn – nicht aber, wenn das Problemüberfordert. Es geht also nicht darum,Stress völlig zu vermeiden, dies wäreunrealistisch, sondern lange Stress-perioden und chronischen Stress mög-lichst zu verhindern.

Mit In-Kraft-Treten des Arbeitsschutz-gesetzes und des Sozialgesetzbuches VII(SGB VII) rückt zunehmend die Stress-prävention ins Bewusstsein einer ganz-heitlichen Gesundheitsorientierung.

Seitdem bemühen sich verantwortungs-bewusste betriebliche und außerbetrieb-liche Akteure auf allen Ebenen zuneh-

mend darum, Stress als eine wesentlichearbeitsbedingte Gesundheitsgefahr zu erkennen, zu definieren, zu beschreiben,zu bewerten und präventiv wirkungsvollzu bekämpfen.

Mit dieser Broschüre soll sowohl ausberufsgenossenschaftlicher Sicht alsauch aus Sicht eines Betriebes sowie derIG Metall das Thema „Stress“ betrachtetund beleuchtet werden.

Bewusst ist hier auf eine wissenschaft-liche Abhandlung dieses sehr komplexenThemas verzichtet worden.

Diese Veröffentlichung soll vielmehr einepraxisnahe und hilfreiche Ergänzung der bereits vorhandenen Literatur sein,die dem psychologischen Laien den Zu-gang zu diesem Thema erleichtert.

Die Verfasser

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1 Stress – Motor und Risikofaktor der modernen Welt

1.1 Gesundheitsschutzals Bestandteil modernerUnternehmenskultur

Globalisierung, Wissensgesellschaft, Multimedia – die Arbeitswelt wandelt sichin einem noch nie da gewesenen rasan-ten Tempo. Durch diese Veränderungenhaben psychische Belastungen inner-halb der Gesamtarbeitsbelastung in denvergangenen Jahren einen wesentlichhöheren Stellenwert erhalten.

Eine Grundforderung in dieser sich rapideverändernden Arbeitswelt bleibt aber grundsätzlich weiterhin bestehen:Arbeitsplätze dürfen nicht gesundheits-schädlich sein.

Dafür setzen sich auch die Berufsgenos-senschaften im Rahmen der Umsetzungdes erweiterten Präventionsauftrages

gemäß § 14 SGB VII mit allen ihr zur Ver-fügung stehenden geeigneten Mitteln ein.Wenn aber sichergestellt werden soll, dassneue Arbeitsformen und Unternehmens-strukturen keine neuen Belastungen fürdie Arbeitnehmer bedeuten, müssen dieseEntwicklungen verstanden, erkannt und bewertet werden, um wirksame Maß-nahmen ableiten zu können.

Gesundheitsschutz muss daher als hoch-rangiges Unternehmensziel und alsFührungsaufgabe erkannt und durch entsprechendes Handeln in die betrieb-liche Praxis umgesetzt werden.

Die Optimierung psychischer Belas-tungen im Arbeitsleben ist eine unabding-bare Arbeitsschutzaufgabe der Füh-rungskräfte, um langfristig eine qualitativhochwertige Produktion von Gütern undDienstleistungen sicherzustellen.

Thesen zum Thema „Stress und Arbeitsschutz“

These 1 Bei den Arbeitsbelastungen spielen immer mehr psychische Faktoren eine Rolle.

These 2 Mehr als jeder zweite Beschäftigte steht unter Termin- und Leistungsdruck.

These 3 Stress ist eine Folge psychischer Belastungen und kann auf Dauer den Organismus schädigen.

These 4 Zum Arbeits- und Gesundheitsschutz gehört es auch, gesundheits-schädlichen Stress zu vermeiden.

These 5 Stress ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern hat auch objektive äußere Auslösefaktoren.

These 6 Neben einer verbesserten Arbeitsorganisation lassen sich auch die individuellen Ressourcen stärken.

Bild 1-1: Bildliche Darstellungen von Stress

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1.2 Was ist Stress?

Der Begriff „Stress“ wird umgangs-sprachlich am Arbeitsplatz mit Hektik,Zeit- und Termindruck, Angst um Arbeitsplatzverlust, wachsender Arbeits-verdichtung, eingeschränkten Ent-scheidungsspielräumen, schlechtem Betriebsklima bis hin zum Mobbing in Verbindung gebracht (Bild 1-1).

Gemeinsam ist dem Gebrauch dieses Begriffes, dass immer von einer schädigenden Wirkung von Stress aus-gegangen wird.

Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht istStress grundsätzlich eine zum Leben ge-hörende Reaktion des Körpers auf Umweltreize, die durchaus eine positiveWirkung auf den Organismus hat.

Die Stressreaktion war ursprünglich einesinnvolle Anpassung des Menschen an seine Umwelt mit dem Ziel, einen bedrohlichen Stressor (z. B. „wildes Tier“)anzugreifen, zu vernichten oder vor ihm zu fliehen. Diese aus grauen Vor-zeiten vererbte Reaktion bereitet vielen Menschen aber heute die häufigs-ten Stressprobleme.

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1.3 Begriffsbestimmung

Aus arbeitsmedizinischer und biolo-gischer Sicht ist Stress eine natürlicheReaktion des Organismus auf äußere Belastungen aller Art. Diese Reaktionäußert sich körperlich, im Erleben und im Verhalten. Belastungen, die beimMenschen Stress auslösen, werden als Stressoren bezeichnet.

Arbeitsbedingter Stress wird verstandenals „emotionale und psychophysiologi-sche Reaktion auf ungünstige und schäd-liche Aspekte der Arbeit, des Arbeitsum-feldes und der Arbeitsorganisation. Stress ist ein Zustand, der durch hoheAktivierungs- und Belastungsniveausgekennzeichnet ist und oft mit dem Gefühlverbunden ist, man könne die Situationnicht bewältigen“.(Europäische Kommission, General-direktion V, 1997)

1.4 Herausforderungen an die Arbeitswelt im 21. Jahr-hundert und die damit verbundenen Belastungen

Die Arbeitswelt im 21. Jahrhundertist u. a. gekennzeichnet durch:

● Globalisierung,

● Arbeitslosigkeit,

● wachsende Verbreitung neuer Informationstechnologien,

● Veränderungen der Beschäftigungsverhältnisse,

● älter werdende Belegschaften,

● wachsende Bedeutungdes Dienstleistungssektors,

● Personalabbau,

● wachsende Arbeit von Arbeitnehmern in Klein- und Mittelbetrieben,

● Kundenorientierung und Qualitätsmanagement.

Durch diesen technisch-organisato-rischen Wandel in der modernen Arbeits-welt, verbunden mit einem Struktur-wandel zur Dienstleistungsgesellschaft,nehmen die arbeitsbedingten Gefähr-dungen durch psychische Belastungenimmer mehr zu.

Dadurch kommt es zu einer charakte-ristischen Verschiebung des Belas-tungsprofils, was aber nicht heißt, dass die klassischen Belastungsfaktoren verschwunden oder unwichtig gewordenwären.

So verlieren z. B. klassische Belastungs-arten, wie schwere körperliche Arbeit und physikalische, chemische und bio-logische Belastungen, relativ an Be-deutung, während demgegenüber psychische Belastungsfaktoren aufgrundhoher Arbeitsintensität und ständigemLeistungsdruck immer mehr an Be-deutung gewinnen (Bild 1-2).

Bild 1-2: Psychische Belastungen durch Informations- und Papierflut

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1.5 Krankheitsarten-/Fehlzeitenanalysen

Bei einer Erhebung, welche die Euro-päische Stiftung zur Verbesserung derLebens- und Arbeitsbedingungen 1996 in den EU-Ländern durchführte, gaben 28 % der Beschäftigten gesund-heitliche Beschwerden durch Stress am Arbeitsplatz an.

Die Folgen der „modernen arbeitsbeding-ten Erkrankungen“ kosten die deutscheWirtschaft jährlich mehr als 40 Mrd. Euro.

Krankheiten, deren Entstehen durchStress begünstigt wird, wie Herzinfarkt,

Magengeschwüre, Bluthochdruck undSchlaflosigkeit, nehmen alarmierend zu.7 % der Vorruhestandsfälle in Deutsch-land gehen auf frühzeitige Arbeits-unfähigkeit aufgrund von Stresserkran-kungen zurück.

Die Arbeitsunfähigkeit aufgrund psy-chischer Erkrankungen dauert im Schnittzweieinhalbmal länger als bei anderen Erkrankungen. Dies spiegelt sich auch inden Krankheitsartenstatistiken der Kran-kenkassen wieder. Bemerkenswert ist indiesem Zusammenhang, dass erstmals1999 „psychiatrische Erkrankungen“ in der Liste der häufigsten Erkrankungen

© dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH

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nach den Arbeitsunfähigkeitstagen auf-tauchen und man davon ausgehen muss,dass diese Erkrankungen u. a. auch Folgevon psychischen Belastungen sind.

Der wirtschaftliche Wandel ist u. a. mitfolgenden psychischen Belastungsfaktorenverbunden:

● monotone Arbeitsbedingungen,

● Belastung der Stimmedurch ständiges Telefonieren,

● schwierige Kunden,

● ständige Überwachung,

● Isolation,

● Konkurrenz zwischen jüngerenund älteren Kollegen,

● Gruppendruck,

● schlechte Aufstiegschancen,

● steigende Arbeitsmenge,

● hohe Arbeitsanforderungen.

1.6 Einbeziehung psychischerBelastungen im natio-nalen und europäischen Arbeitsschutzrecht

Die Umsetzung europäischer Richtlinienschafft neue und bessere Vorausset-zungen für den Abbau bestehender Regelungslücken und Defizite im Hinblickauf die psychischen Belastungen.

Dies war notwendig, wenn man bedenkt,dass im Unterschied zu der vielfach hohenRegelungsdichte insbesondere bei Fragendes technischen Arbeitsschutzes in der

Bundesrepublik Deutschland für den Bereich der psychischen Belastungen eineRegelungslücke bestand.

Arbeitsschutzrahmenrichtlinie● Gesundheitsbegriff schließt psychische

Gesundheit mit ein● Berücksichtigung des Faktors

„Mensch“ bei der Arbeit

Arbeitsschutzgesetz● Berücksichtigung arbeits-

wissenschaftlicher Erkenntnisse● Gefährdungsbeurteilung

Sozialgesetzbuch VII● Erweiterung des Präventions-

auftrages um „arbeitsbedingte Gesund-heitsgefahren“

Maschinenrichtlinie● Reduzierung von psychischer Belas-

tung des Bedienpersonalsbei bestimmungsgemäßer Verwendungder Maschine

Bildschirmarbeitsverordnung● Gefährdungsbeurteilung psychischer

Belastungen

1.7 Ergonomische Grundlagenbezüglich psychischer ArbeitsbelastungDIN EN ISO 10 075

1.7.1 Psychische Belastung

ist eine Benennung für alle Einflüsse, dievon außen auf den Menschen zukommenund psychisch auf ihn einwirken. Psy-chische Belastung bewirkt Vorgänge des

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Anstiegs oder der Verminderung psy-chischer Beanspruchung im Menschen.Unmittelbare Folgen der psychischen Beanspruchung können einerseits Anregungseffekte und andererseits psychische Ermüdung und/oder ermüdungsähnliche Zustände sein.

1.7.2 Psychische Beanspruchung

ist definiert als die unmittelbare (nichtlangfristige) Auswirkung der psychischenBelastung im Individuum in Abhängigkeitvon seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen,einschließlich der individuellen Bewäl-tigungsstrategien.

1.8 Individuelles Stresserleben

In Abhängigkeit von ganz individuellen Eigenschaften des Menschen (z. B. Alter,Geschlecht, Gesundheitszustand, Er-fahrung, Anlagen) wirken sich Stressorenin Form von körperlichen, geistigen undemotionalen Beanspruchungen unter-schiedlich aus. Wann eine Person inStress gerät oder davon ermüdet, hängtvon deren persönlichen Leistungs-fähigkeit und den Erholungsmöglich-keiten ab. Was eine Person am Arbeits-platz hohen Belastungen entgegensetzenkann, ist, wie in dem von Lazarus be-schriebenen Stressmodell, von den zurVerfügung stehenden persönlichen und betrieblichen Ressourcen abhängig. Nach Lazarus spielen demnach Bewer-

Stressmodell nach Lazarus (1988)

1. Primäre Bewertung des WohlbefindensEin Ereignis/eine Situation betrachtenals● irrelevant● günstig/positiv● stressend

2. Sekundäre BewertungBezogen auf● Bewältigungsfähigkeiten● Bewältigungsmöglichkeiten

3. NeubewertungRückkopplung: Information über eigene Reaktion und über die Umwelt, anschließende Reflexion

Für Stressbewältigungstellt sich grundsätzlich die Frage:Gibt es Bewältigungsmöglichkeitenund sind Bewältigungsfähigkeiten vorhanden?

}Schädigung/VerlustBedrohungHerausforderung

tungsprozesse eine entscheidende Rolle. Dabei stehen Bewältigungs-möglichkeiten und Bewältigungsfähig-keiten im Vordergrund.

1.9 Stressoren am Arbeitsplatz

Stress ist grundsätzlich kein indivi-duelles, quasi privates Problem, sondernStress hat neben den individuellen Erwartungen und Bewältigungsstrategiender Person objektive äußere Auslöse-faktoren, die erfassbar sind und gestaltetwerden können.

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Stressoren

aus der Arbeitsaufgabe, wie

● unklare Aufgabenübertragung,widersprüchliche Anweisungen,

● unerwartete Störungen und zu hohe quantitative und qualitative Anforderungen,

● unvollständige Aufgaben,

● fehlende Eignung,mangelnde Berufserfahrung,

● Zeit- und Termindruck,

● Informationsüberlastung,

● Unterbrechungen.

aus der Arbeitsrolle, wie

● Verantwortung,

● Konkurrenzverhalten unter den Mitarbeitern (Mobbing),

● fehlende Unterstützungund Hilfeleistung,

● Enttäuschung und fehlende Anerkennung,

● Konflikte mit Vorgesetztenund Mitarbeitern.

aus der materiellen Umgebung, wie

● Umgebungseinflüsse, wie Lärm, Schwingungen, Kälte, Hitze,

● komplexe technische Systeme, die das menschliche Denk- und Urteilsvermögen überfordern bzw. die Informationsaufnahme- und Verarbeitungskapazität überschreiten.

Zeit-/Termindruck 45 %

zu viel Arbeit 35 %

Doppelbelastung Haushalt und Beruf 23 %

private/familiäre Probleme 28 %

schwierige Aufgaben 19 %

Angst vor Arbeitsplatzverlust 17 %

Probleme mit Vorgesetzten 17 %

Probleme mit Kollegen 17 %

neue Arbeitsmethoden/-techniken 14 %

Probleme mit Freunden/Bekannten 14 %

Schichtarbeit 12 %

Unterforderung am Arbeitsplatz 12 %

Überforderung an Schule/Universität 9 %

aus der sozialen Umgebung, wie

● Betriebsklima,

● Wechsel der Umgebung, der Mitarbeiter und des Aufgabenfeldes,

● strukturelle Veränderungen im Unternehmen,

● Informationsmangel.

aus der Arbeitsplatzeinbindung, wie

● Isolation (Einzelarbeitsplatz),

● Dichte (Großraumbüro).

aus dem Person-System, wie

● Angst vor Aufgaben, Misserfolg, Tadel und Sanktionen,

● familiäre Konflikte.

Die Ergebnisse einer „FORSA-Um-frage 2001“ verdeutlichen die Häufigkeitvon Stress auslösenden Faktoren:

Bild 1-3: Arbeitsorganisatorische Maßnahmen – Kommunikationskultur

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1.10 Möglichkeitenzur Stressprävention

Um Stress am Arbeitsplatz erfolgreichbekämpfen zu können, empfiehlt sich einzielgerichtetes und kontinuierliches Vor-gehen. Entscheidend für das betrieblicheVorgehen ist eine Enttabuisierung diesesThemas, da es sich erfahrungsgemäß bei „Stress“ nur vordergründig um einpersönliches, von den Arbeitsbedingun-gen losgelöstes Problem handelt.

Stress resultiert vielmehr aus der Verknüp-fung von technisch-organisatorischen

Gestaltungsdefiziten, überfordernden Arbeitssituationen und dem Verhalten derBeteiligten.

1.11 Wege zum Stressabbau

1. Verhältnisprävention

Reduzierung von Stressoren durcharbeitsorganisatorische Maßnahmen undArbeitstätigkeitsgestaltung (Bild 1-3):

● schaffen von Freiheitsgraden für individuelle Zielsetzungen bei der Aufgabenrealisierung,

Bild 1-4: Soziale Netze zum Stressabbau

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● Gestaltung von Arbeitstätig-keiten mit möglichst vollständigen Aufgabenstrukturen,

● soziale Unterstützung (Bild 1-4).

2. Verhaltensprävention

Steigerung der individuellenRessourcen zur Stressbewältigung:

● fachliche Aus- und Weiterbildung,

● Planung von Zeitreserven,

● Suche nach Kooperations-und Kommunikationspartnern,

● Erwerb von Methoden der Erregungs- undAngstkontrolle (Entspannungstraining),

● Bewusstmachen und Korrektur individueller konkurrenz- und leistungsorientierter Werthierarchien.

Bild 2-1: Verkehrsstress

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2 Stress als Unfallursache

Nachdem die klassische Unfallpräventionerfolgreich zu einer Abnahme von insbe-sondere technisch bedingten Unfällen geführt hat, ist in der Folge davon eineumso größere Bedeutung den organisa-torischen und verhaltensbedingten Unfall-ursachen zuzuschreiben. Schätzungen gehen davon aus, dass sicherheitswidri-ges Verhalten, das häufig als eine Folgeorganisatorischer Mängel angesehen werden kann, mittlerweile den Löwenanteilder Unfallursachen ausmacht.

Fragt man nach den Ursachen sicherheits-widrigen Verhaltens, ist die Nennung derUrsachenkategorien Nicht-wissen, Nicht-wollen und Nicht-können nahe liegend. In Bezug auf Überforderung und Stress-erleben scheinen diese Kategorien auf unterschiedliche Weise einen Beitrag zuleisten. Stress kann die Folge mangelnderQualifikation, unzureichender Informationund vielleicht auch nicht vorhandener Motivation sein.

Stress kann arbeitsbedingt sein oder inder privaten Lebenssphäre verursachtwerden. Beide Stressquellen können sich in ihren Auswirkungen ergänzen odersogar wechselseitig verstärken.

Dass Stress als Folge von arbeitsbeding-ten Belastungen zugenommen hat, lässtsich durch empirische Erhebungen, z. B. die bereits erwähnte FORSA-Umfra-ge von 2001, belegen. Das Sozialminis-terium in Nordrhein-Westfalen führte eineähnliche Befragung bereits 1996 durchund kam zu dem Ergebnis, dass sich

über 30 % der Befragten von hohem Zeitdruck stark oder ziemlich stark belas-tet fühlen.

Stress als Folge hoher Belastungen kannals unfallförderliche Bedingung angesehenwerden, was in statistischen Erhebungenmehrfach bestätigt wurde (Bild 2-1). Diebeiden nachfolgend angeführten Studienbelegen diese Aussage.

Stress im Auto

Ergebnisse einer Befragung an über 1000Autofahrern:● Jeder dritte Verkehrsunfall in Deutschland

wird durch Stress verursacht.● 41 % der Befragten unter 26 Jahren

gaben an, oft oder immer gestresst zusein.

● In der Altersgruppe über 55 Jahren waren es nur 15 %.

● Jeder elfte Befragte gab an, nie Stressam Steuer zu haben.

Quelle: Direct-Versicherung, Psychonomics Institut, Köln

Bild 2-2: Stress – Ursachen und Auswirkungen – Rahmenbedingungen

18

Um den Zusammenhang von Stress alsUnfallursache plausibel zu machen, ist eine nähere Betrachtung des Stress-phänomens notwendig.

Stress stellt eine Beanspruchungsreaktiondes Organismus auf Belastungen bzw.Stressoren dar. Wie in Bild 2-2 dargestellt,führen Stressoren in Abhängigkeit ihrerArt, Intensität und Kombination vor demHintergrund der individuellen Leistungs-voraussetzungen zu Stressfolgen, die

auf mehreren Dimensionen differenziertwerden können. So können sie in ihrer kurz-, mittel- und langfristigen Wir-kung unterschieden werden.

Kurzfristige Stressfolgen sind dabeials Reaktionen auf kurzfristig wirkende undsich nicht häufig wiederholende Stress-expositionen zu verstehen. Arbeitsbeding-te Erkrankungen sind kaum zu erwarten,jedoch kann es aufgrund der Fehlbe-anspruchungen zu einer erhöhten Unfall-gefährdung kommen (Beispiele 1 und 3,Seite 20 ff.).

Mittel- bis langfristige Stressfolgen könnensich als Reaktionen auf langfristigeStressexpositionen zeigen und zu Gesund-heitsschäden, wie etwa stressbedingteHerz-Kreislauf-Erkrankungen, führen.

Dennoch dürfen Stressfolgen nichtzwangsläufig als gesundheitsschädigendund negativ eingeschätzt werden.

Einfluss von Stress aufArbeitsunfälle bei Pflegekräften

● Von 874 Befragten hatten 32 % in den vergangenen 12 Monateneinen Arbeitsunfall.

● Personen mit hohem Stressniveauhatten dabei eine mehr als doppelt so hohe Unfallhäufigkeit.

Studie BGW und DAK, 1998

individuelleVoraussetzungen

Stressoren/Belastungen Stressfolgen

Tätigkeitsanforderungen kurz-/mittel-/langfristig

positiv/negativStress

reversibel/irreversibel

Psyche/Soma/Verhalten

Umgebungseinflüsse

Soziale Einflüsse

Sonstige Einflüsse

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Stressoren können unter bestimmtenBedingungen auch als Herausforderungund Ansporn verstanden werden. Das ist dann der Fall, wenn sie vom Mitarbeitergehandhabt und überwunden werdenkönnen. Es können sich positive Stress-folgen im Sinne von Erfolgserlebnissen,von Lern- und Trainingseffekten ergeben.

Langfristig kann daraus auch eine höhereIdentifikation mit der Tätigkeit entstehen.Auf den Dimensionen des psychischen,des somatischen, also körperlichen, unddes verhaltensbedingten Erlebens ist mit deutlichen und vielfältigen Reaktionen zu rechnen. Bild 2-3 beinhaltet einigedieser Reaktionen.

Stressbedingte Veränderungen können zu bewusstem oder unbewusstem sicher-

heitswidrigen Verhalten führen. In Bezugauf Wahrnehmungs- und Handlungsfähig-keit lassen sich diese Veränderungen im Wesentlichen auf die vorübergehendeingeschränkten kognitiven, pezeptivenund vegetativen Fähigkeiten zurück-führen. In Verbindung mit einer erhöhtenRisikoneigung kann es zu inadäquatem,insbesondere sicherheitswidrigem Ver-halten kommen.

An drei Beispielen wird nachfolgend derZusammenhang zwischen Stress und Un-fällen veranschaulicht. Dabei wurde ganzbewusst von unterschiedlichen Stressvor-stellungen ausgegangen, die jedoch alleeinen gemeinsamen Nenner haben. Eshandelt sich um Situationen, in denen dieFähigkeit zu adäquater Handlungsre-gulation vorübergehend eingeschränkt ist.

Die folgenden Beispiele haben einmal

● Stress als Folge von Zeitdruck(quantitative Überforderung),

● Stress als Folge emotionalerBelastungenund

● Stress als Folge situativer Über-forderung (Informationsverdichtung)

zum Inhalt.

So verschieden diese Belastungsarten inBezug auf ihre Entstehung und Verursa-chung auch sein mögen, in ihren Auswir-kungen unterscheiden sie sich nicht mehrso deutlich. Vielleicht werden deswegenim allgemeinen Sprachgebrauch unter-schiedlichste Belastungssituationen unterdem Begriff „Stress“ zusammengefasst.

Bild 2-3: Reaktionen bei Stress

● negative Gedanken● Gedankenblockaden● Konzentrationsmangel

● Wahrnehmungs-einengung

● Tunnelblick

● negative Gefühle● Empfindungen● Aggressionen

● erhöhte Herzfrequenz● Blutdrucksteigerung● Stresshormone

● Streit● Konflikte● Rückzug

kognitiv

perzeptiv

emotional

vegetativ

sozial

20

Hektik

Improvisationkeine PSA

��

�� ��

Unfall als Folge quantitativer Überforderung(Zeitdruck)

Stress als Folge von Zeitdruck ist ein Zu-stand, der von jedem Menschen unseresKulturkreises mehr oder weniger häufigerlebt wird.

In diesen Situationen entsteht die Ten-denz zu sicherheitswidrigem Verhalten,das als kompensatorisches Verhaltendem Zeitdruck entgegenwirken soll. Da-durch steigt die Unfallgefährdung.

Der folgende Fall belegt diesen Zusam-menhang.

Beispiel 1

Ein Baustellenleiter ist verantwortlich fürdie fristgerechte Bauausführung. Dahersind für Teilabschnitte bis zur Endab-nahme feste Zeitvorgaben gegeben. Allerdings setzen diese Vorgaben einenstörungsfreien Baubetrieb voraus, der inWirklichkeit nicht zu erwarten ist. Störun-gen sind Unterbrechungen, die sich zueinem erheblichen Zeitverlust aufaddieren können. Je stärker der Zeitdruck (Über-gabetermin), desto stärker wird dasStresserleben.

Die Gefahr von hektischem und sicher-heitswidrigem Verhalten ist dann sowohlbeim Baustellenleiter als auch bei denBauarbeitern als erhöht anzusehen. DenZusammenhang verdeutlicht Bild 2-4.

dadurch entsteht kompensatorisches Verhalten –häufig in Form von sicherheitswidrigem Verhalten

es entstehen Unterbrechungen, die zu Zeitdruck führen

unvorhergesehene Störungen treten auf

Planung berücksichtigt keine Störungen

Bild 2-4: Wie sicherheitswidriges Verhalten entstehen kann

Beispiel 2

21

Das eigentliche Problem ist weniger im sicherheitswidrigen Verhalten des oderder Mitarbeiter zu sehen; das eigentlicheProblem liegt in der organisatorischen Arbeitsgestaltung.

Der Zusammenhang zwischen Unterlas-sungen bzw. Mängel in der Organisationund daraus resultierendem sicherheits-widrigen (kompensatorischen) Verhaltentritt hier deutlich zu Tage.

Präventionsmöglichkeiten

Wie aus Bild 2-4 zu entnehmen, könnenfolgende Präventionsansätze abgeleitetwerden:Planung muss Störungen, die aus Erfah-rung bekannt sind und die sich wiederho-

len können, ausdrücklich berücksichtigen.So sind Störungen auf Baustellen z. B.durch andere Gewerke oder Probleme mit der eigenen Terminhaltung infolgeschlechten Wetters eher realistisch als un-wahrscheinlich. Für unvorhergeseheneStörungen, die zu einem größeren Zeitver-lust führen können, ist ein entsprechendesReglement festzulegen, das jedem Mitar-beiter bekannt ist und von jedem akzep-tiert wird. Dazu gehören ansprechbare undentscheidungsbefugte Führungskräfte vorOrt, auf der Baustelle oder im Betrieb.

Muss dennoch unter Zeitdruck gearbeitetwerden, ist umso eindringlicher auf die Ein-haltung der entsprechenden berufsgenos-senschaftlichen Vorschriften zu achten.

Tödliche Verkehrsunfälle als Folgeemotionaler Belastungen

Wenn Stresserleben zu einer höheren Un-fallgefahr führt, müsste sich dies in erhöh-ten Unfallzahlen manifestieren. Werdenreale Unfälle zugrunde gelegt, kann dieseAussage über eine retrospektive Betrach-tung überprüft werden. Einem solchen An-satz wurde in einer amerikanischen Erhe-bung (Selzer, 1969) nachgegangen.

Dabei wurden 96 Autofahrer, die für töd-liche Unfälle mit insgesamt 117 Toten ver-antwortlich waren, zu ihrer Vorgeschichtebefragt. Es ging darum festzustellen, in-wieweit berufliche oder private Belas-tungen zu langfristigen Stressfolgen unddieser wiederum zu einer Einschränkung

der Fahrfähigkeit geführt hatten. Es wur-den dazu die überlebenden Autofahrer,Freunde, Ärzte, Kollegen, Arbeitgeber usw.befragt.

Auf der Grundlage dieser Datenbasiskonnte auch das Stressniveau der nichtüberlebenden Autofahrer berücksichtigtwerden. Es wurde der Zeitraum von 12Monaten vor dem Verkehrsunfall bezüglichStress auslösender und kritischer Ereig-nisse untersucht. Persönliche Krisen, tra-gische Ereignisse, Konflikte, Krankheit,Überforderung, Tod von nahen Angehöri-gen, finanzielle Belastungen standen da-bei im Mittelpunkt der Befragung.

Um einen Vergleich und eine Beurteilungzu ermöglichen, wurde eine ebenso

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Stress und emotionale Belastungen als Unfallursache

Gruppen Anzahl Personal- Persönliche Berufl. Stress, Ein oder mehrder Fahrer konflikte Tragödien Geldsorgen Stressoren

% % % % %

Unfallgruppe 96 32 9 36 52

Kontrollgruppe 96 7 5 8 18

Auszug aus einer Studie von Selzer, 1969

Beispiel 3

große Kontrollgruppe von 96 Autofahrern,die unfallfrei waren, gebildet. Wie der folgenden Tabelle zu entnehmen ist,

scheint dabei ein deutlicher Zusammen-hang zwischen Stressbelastung und Unfallhäufigkeit zu bestehen.

Präventionsmöglichkeiten

Liegen bei einem Mitarbeiter akute Belas-tungssituationen, z. B. emotionale Belas-tungen infolge kritischer Lebensereignissewie etwa Todesfall in der Familie, vor, stelltsich die Frage nach der momentanen Arbeitsfähigkeit. Je nach Einschätzungdes Vorgesetzten und je nach Wunsch desMitarbeiters sollte die Möglichkeit einerpersönlichen Freistellung für einige Tage,auch abweichend vom Urlaubsplan ge-geben sein.

Alleinarbeit und Nachtschichten sind zu vermeiden. Als eine Folge kritischer

Lebensereignisse können sich insbeson-dere nach Unfällen Traumatisierungeneinstellen, die sich, sofern keine Behand-lung stattfindet, zu einer posttrauma-tischen Belastungsstörung (PTSD) aus-weiten können. Berufsgenossenschaf-ten bieten zur Vermeidung von unfall-bedingten Traumatisierungen zuneh-mend Betreuungskonzepte an. Somitkönnen nicht nur die bereits erwähn-ten Belastungsstörungen mit langen Ausfallzeiten vermieden werden, auch die durch Traumatisierungen bedingten Unfallgefährdungen lassen sich so redu-zieren.

Unfallgefahr aufgrund situativer Überforderung (Informationsverdichtung)

Sowohl im Arbeitsleben als auch imStraßenverkehr kann es, wie bereits obenangedeutet, zu Situationen kommen, in

denen die Wahrnehmungs- und Reak-tionsfähigkeit überfordert ist, was wieder-um zu einer höheren Unfallgefährdungführt.

Situationen dieser Art ergeben sich häufigunvorhergesehen, womit eine adäquate

23

Handlungsregulation zusätzlich erschwertwird. Das folgende Beispiel beschreibt eine Situation aus dem Straßenverkehr,die jeder erfahrene Autofahrer in ähnlicherWeise sicherlich schon erlebt hat. Wie inder folgenden Abbildung ersichtlich, han-delt es sich um die hinweisende Beschil-derung unmittelbar vor einem Verkehrs-kreisel.

tionsverdichtung kann auch auf Arbeits-tätigkeiten übertragen werden, etwa wennunerfahrene Mitarbeiter Überwachungs-,Kontroll- und Steuertätigkeiten verrichtenund es dabei zu unvorhergesehenem Zeit-druck kommt.

Präventionsmöglichkeiten

Verhältnisprävention vor Verhaltensprä-vention ist ein Grundsatz, der insbe-sondere bei Gefährdungen dieser Art zubeachten ist. Verhaltensorientierte Maß-nahmen würden allein ohne nachhaltigeWirkung bleiben. Notwendig wäre hiereine rechtzeitige Beschilderung, welchedie relevanten Informationen in eindeuti-ger und nicht verwirrender Form beinhal-tet. Voraussetzung dazu ist die Kenntnisder notwendigen perzeptiven, kognitivenund motorischen Anforderungen, die sichan den Autofahrer stellen und die je-weils dazu notwendige Zeit. Dabei müss-ten die Verkehrsplaner, und das ist entscheidend, von ortsunkundigen Auto-fahrern ausgehen.

Überträgt man dieses Beispiel auf den be-trieblichen Alltag stellt sich die Frage,wann und wo von situativer Überforderungausgegangen werden kann. Diese Frageallerdings darf nicht dem erfahrenen Prak-tiker, sondern muss dem unerfahrenenund nicht routinierten Mitarbeiter gestelltwerden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dassdie Berufsgenossenschaften das Thema„Stress als Unfallursache“ aufgenommenhaben und in wirksamer Form Unter-stützung durch Beratung, Schulung undInformation anbieten.

Durch die dargestellte Verkehrssituation ist zumindest der ortsfremde Autofahrerüberfordert, da er in ca. 10 Sekunden oderinnerhalb 100 m die Information des Ver-kehrsschildes wahrnehmen und verarbei-ten muss, um eine Entscheidung bezüg-lich des Einordnens treffen zu können.Dabei muss er den Verkehr beachten.

Wie die Erfahrung der Verkehrsbehördezeigt, ereignen sich an dieser Stelle in derTat gehäuft kritische Situationen mit Unfäl-len, die nur deswegen nicht zu größerenSchäden führen, da die Geschwindigkeitin und vor dem Kreisel reduziert ist.

Die in diesem Beispiel dargestellte Fehl-beanspruchung als Folge einer Informa-

Bild 3-1: Stress-Ursachen

24

Der Zusammenhang zwischen Stress und Arbeitswelt ist vielfältig. So findensich in der Arbeitswelt diverse physischeStressoren, die aus ergonomischenFragestellungen im Zusammenhang mitUmgebungsbelastungen als auch mittätigkeitsspezifischen Belastungen be-kannt sind. Hinzu kommen psycho-mentale und psycho-soziale Stressorenaus der Arbeitsorganisation und demzwischenmenschlichen Bereich (Bild 3-1).

Dabei ist zu beachten, dass die diver-sen Stressoren selten einzeln auftretenund meist erst in Summe zu Erkrankun-gen führen. Dies macht die Erkenntnis-gewinnung auf Basis von Daten bereits Erkrankter so schwierig. Gesundheits-berichte der Krankenkassen handeln aus-schließlich von eingetretenen Erkran-kungsfällen, die wiederum in der Formkeine Schlüsse auf spezielle arbeits-

bedingte Gesundheitsgefahren zulassen.Trotz der Vielfältigkeit der Stressoren istdie Reaktion des menschlichen Organis-mus jedoch immer die gleiche.

Die Ausprägung der körperlichen Folgenhängt insbesondere von der Einwirkungs-zeit des Stressors und der Stressemp-findlichkeit des Individuums ab. Dahersind absolute Grenzwerte auch nicht zuermitteln.

Die Möglichkeiten der Prävention arbeits-bedingter Gesundheitsgefahren – alsoVorsorgemaßnahmen, die getroffen werden,wenn auch die Gefahr einer Berufskrank-heit noch nicht nachgewiesen ist – liegenim Bereich der Schaffung gesundheits-förderlicher Arbeitsbedingungen. Hierbeiist es zweckdienlich Probleme mehr-dimensional, sowohl von der individuellenund der institutionellen Seite als auch von der Seite der Belastungen, Beanspru-

3 Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren

physische Stressoren mentale und soziale Stressoren

● körperliche Schwerarbeit ● Konflikte mit Vorgesetzten● Hitze und Mitarbeitern● Nachtarbeit ● Zeitdruck● körperliche Zwangshaltungen ● Angst● Schwingungen ● widersprüchliche Arbeitsanweisungen● Kälte ● fehlende Fürsorge● Lärm ● Konkurrenzdruck● ungünstige Lichtverhältnisse ● soziale Isolierung● räumliche Enge ● Überforderung● Gase, Stäube, Dämpfe ● Unterforderung

● fehlende Entscheidungs-und Handlungsspielräume

Bild 3-2: Der Einfluss von Ressourcen und Belastungen auf die Beanspruchung des Menschen und deren mögliche Auswirkungen.

25

chungen und, und dies ist ein häufig vernachlässigter Ansatz, der Ressourcenanzugehen (siehe Bild 3-2).

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahrenkönnen das Individuum beanpruchen.Daher sollte der Einzelne die möglichen

Individuelle Ressourcen, z. B.● persönliche Bewertung● vorhandene Bewältigungsmöglichkeiten● Qualifikation● Persönlichkeitseigenschaften

Externe Ressourcen, z. B.● Tätigkeits- und Handlungsspielraum● Unterstützung● Partizipationsmöglichkeiten

Arbeitsbedinge Belastungen, z. B.● Klima, Lärm● Zeitdruck● hohe Verantwortung

„private“ Belastungen, z. B.● Krankheiten● familiäre Probleme● persönliche Sorgen● Nebentätigkeiten

Mögliche mittel- bis langfristigepositive Folgen, z. B.● Trainings- und Lerneffekte● Identifikation mit Tätigkeit● Motivationseffekte● Erfolgserlebnisse

Mögliche mittel- bis langfristigenegative Folgen, z. B.● Unzufriedenheit● Krankheiten● „Burnout“● Fluktuation● verringerte Leistungsfähigkeit● Konflikte● innere Kündigung● Suchtmittel

Beanspruchung als unmittelbareReaktion des Organismus auf Belastungen

Kurzfristige Folgen, z. B.● Monotoniegefühle● psychische Sättigung● Stresserleben● Ermüdung● Aktivierungseffekte● Anregungseffekte

Beanspruchungen und die Folgen

26

Belastungen kennen und wie man mög-lichen, aus der Belastung resultierenden,Überforderungen begegnet (Bild 3-3).

Haben einwirkende Belastungen auf-grund der individuellen Konstitution oderauch durch permanente Einwirkung zueiner Beanspruchung geführt, kann dasIndividuum lernen mit der Beanspruchungumzugehen, z. B. durch mentales Trainingoder eine Optimierung des eigenenZeitmanagements. Eine weitere Mög-lichkeit besteht für den Einzelnen darin,seine Ressourcen zu erhöhen, z. B.

durch eine ausgleichende Freizeit-gestaltung oder, bezogen auf die Arbeits-welt, durch weitergehende Qualifizie-rung.

Gleichzeitig kann institutionell auf der Belastungsseite durch den Abbau vonBelastungen aus der Arbeitswelt entgegen-gewirkt werden. Da nicht alle Belas-tungen, die aus dem Fertigungsprozessentstehen, beseitigt werden können, gilt es in diesem Fall einseitige Be-anspruchungen abzufangen, z. B. durch die Erweiterung der Arbeitsinhalte.

Bild 3-3: Dieser Stress war zu viel

© dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH

27

Aus gleichem Grund ist es vorteilhaft, denMitarbeitern größere Handlungsspiel-räume zu geben, in denen sie auch ihrefortlaufende Qualifizierung einbringen kön-nen und somit einseitigen Belastungenund Beanspruchungen physischer alsauch psychischer Art entgegenwirken.

Die Berufsgenossenschaften sehen vor allem aus zeitlichen und personellen Grün-den und auch aus der Historie heraus diegrößten Einflussmöglichkeiten im Bereichdes Abbaus von zu hohen Arbeitsbelas-tungen. Auch die Verhinderung potenziel-ler Berufskrankheiten spielt hier eine Rolle.

Um der Vielzahl an Arbeitsbelastungen,die zu arbeitsbedingten Erkrankungenführen können, wirksam zu begegnen, isteine gefährdungsorientierte Steuerung der Präventionsarbeit notwendig.

Hierfür benötigen die Berufsgenossen-schaften aber auch die Betriebe ein Werk-zeug, welches ihnen zum einen Informa-tionen liefert, um den gesetzlichen Auftraggemäß Sozialgesetzbuch SGB VII und Ar-beitsschutzgesetz bezüglich der „Arbeits-bedingten Gesundheitsgefahren“ umzu-setzen, als auch ein Werkzeug, welcheshilft, Beratungs- und Präventionsschwer-punkte zu setzen und außerdem die betriebliche Gefährdungsbeurteilung um die arbeitsbedingten Gesundheitsgefahreneffektiv ergänzt.

Unter diesen Voraussetzungen ist bei den Metall-Berufsgenossenschaften einFachinformationssystem zur Identifikationund Prävention arbeitsbedingter Gesund-heitsgefahren (FIPAG) entstanden (Arning,

1999). Das Fachinformationssystem FIPAG ermittelt, ausgehend von Branchenund Berufen und deren spezifischen Tätig-keiten, die Häufigkeit des Auftretens vondiversen Belastungen und Gefährdungenund schlägt schließlich zu dieser Ver-bindung aus Branche, Tätigkeit und Ge-fährdung geeignete Präventionsmaß-nahmen vor. Die Vorkommenswahrschein-lichkeit wurde durch Befragung der Betroffenen und der Verantwortlichen er-mittelt und mögliche Präventionsmaß-nahmen wurden und werden von den be-trieblichen und überbetrieblichen Expertenzugeordnet.

In FIPAG sind über 130 Tätigkeiten aus 12 Branchen der Metallverarbeitung, -be-arbeitung und -erzeugung mit 30 Gefähr-dungen und Belastungen, die im Zusam-menhang mit arbeitsbedingten Gesund-heitsgefahren stehen, betrachtet worden.Die von FIPAG untersuchten Belastungenkönnen darüber hinaus in Abhängigkeitvon der Berufsangabe, der Betriebsgröße,dem Alter der Mitarbeiter und in der Sichtweise der Betroffenen und Verant-wortlichen betrachtet werden.

Das Bild 3-4 auf Seite 28 zeigt exempla-risch eine Auswahl an Belastungen bei derBedienung ortsfester Maschinen und ihre Abhängigkeit von der Betriebsgröße.

Zum Beispiel wird bei der Bedienung ortsfester Maschinen das lange Stehenvon 64 % der Befragten am häufigsten als Belastung genannt. Die Trendlinie zeigt eine mit zunehmender Betriebsgröße ab-nehmende Belastung.

28

An vierter Stelle folgt das Tragen der persönlichen Schutzausrüstungen. Insge-samt empfinden dies 46 % der Befragtenals belastend. Hier zeigt die Trendlinie eine starke Zunahme mit der Betriebs-größe. Eine Ursache könnte hier der oft vorkommende größere Handlungs-spielraum der Betroffenen in der Wahl ihrer persönlichen Schutzausrüstungen inKlein- und Mittelbetrieben sein. Eine andere Vermutung ist, dass in Klein- und

Mittelbetrieben die Tragequote geringerist, sodass mögliche Belastungen ausdem Tragen der persönlichen Schutzaus-rüstungen nicht wahrgenommen werden.

Abschließend hierzu wird an sechster Stelle die Belastung Heben und Tragenvon 39 % der Befragten angegeben.

Diese Belastung nimmt im Trend mit zunehmender Betriebsgröße ab. Insbe-sondere in Großbetrieben fällt hier die

bis 10 11bis 20

21bis 30

31bis 50

51bis 100

101bis 200

201bis 500

501bis 1000

mehrals 1000

Betriebsgröße

n = 2066

= langes Stehen

0 %

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

70 %

80 %

90 %

= Heben, Tragen= PSA

Bild 3-4: Die Belastungen „langes Stehen“, „persönliche Schutzausrüstungen (PSA)“ und „Heben und Tragen“ bei der Bedienung ortsfester Maschinen in Abhängigkeit von der Betriebsgröße. Die Linien zeigen den Betriebsgrößen abhängigen Trend an

(Quelle FIPAG, 2000)

Belastungen bei der Maschinenbedienung

29

Nennungshäufigheit auf unter 30 %, was z. B. auf den höheren Einsatz von Hebe- und Tragehilfen zurückzuführensein kann.

Auf diese und ähnliche Weise liefert dasInformationssystem FIPAG Auswertungenzu physischen arbeitsbedingten Ge-sundheitsgefahren, die oft psychische Be-anspruchungen zur Folge haben.

Weiterhin gibt FIPAG Hinweise aufunzureichende Kommunikations- undOrganisationsstrukturen.

Das Bild 3-5 betrachtet wiederum Belas-tungen im Zusammenhang mit der Tätig-keit „Bedienen ortsfester Maschinen“, eingeschränkt auf die Branche Maschi-nenbau, in Abhängigkeit der Angaben ausSicht der Mitarbeiter und aus Sicht derVorgesetzten, die in der Befragung die Belastungssituation ihrer Mitarbeiter aus ihrer Sicht angegeben haben.

Hier zeigt sich aus der Differenz zwischenden Angaben der Mitarbeiter und der Vor-gesetzten, dass die Vorgesetzten die auchim klassischen Arbeitsschutz relevantenThemen höher gewichten als die Mitarbei-

Bild 3-5: Differenzen und Ausprägungen der Belastungseinschätzung zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten

[%] 80 60 40 20 0 20 40 60 80 [%]

Differenz Mitarbeiter Vorgesetzte

Persönliche Schutzausrüstungen

Kühlschmiermittel

Lärm

langes Stehen

Heben und Tragen

Zugluft

Körperliche Zwangshaltungen

schlechte Beleuchtung

Stäube, Dämpfe, Gase

8

1

n = 710 n = 249

(Quelle FIPAG, 2000)

19

4

4

-8

-8

-10

-11

Bild 3-6: Psycho-soziale Belastungen in Metall verarbeitenden Unternehmen

30

0 % 20 % 40 % 60 % 80 %

Unterbrechungen

Zeit-/Leistungsdruck

Überstunden

Wochenendarbeit

keine Anerkennung

Spannungen zwischenVorgesetzten/Mitarbeitern

nicht ausgelastet

monoton/einseitig n = 8739

(Quelle FIPAG, 2000)

ter, während diese wiederum die im Be-reich der arbeitsbedingten Gesundheits-gefahren angesiedelten Belastungen häu-figer nennen. Dies lässt darauf schließen,dass ein Teil der Vorgesetzten ein Informa-tionsdefizit vom Belastungsempfinden ihrer Mitarbeiter haben, welches wiederumauf Kommunikationsprobleme hindeutet.

Um Stressoren aus der betrieblichen Organisation und dem menschlichen Mit-einander zu minimieren, treten für diePräventionsarbeit auf institutioneller Seiteneben beanspruchungsorientierten auch ressourcenorientierte Maßnahmen in den Vordergrund. Da FIPAG auf Daten einer überbetrieblichen Erhebungberuht, ist eine vertiefende Erfassung und Auswertung zu psycho-sozialen Be-lastungen nicht möglich.

Trotzdem kann das Ausmaß an poten-ziellen Belastungen aufgrund der Arbeits-organisation und des zwischenmensch-lichen Miteinanders auch mit FIPAG abge-schätzt werden (Bild 3-6).

So geben ca. 2⁄3 der Befragten häufige Unterbrechungen und Störungen des Arbeitsablaufs an, fast ebenso viele ste-hen unter Zeit- und Leistungsdruck und leisten Überstunden, ca. 1⁄3 arbeitetam Wochenende, jeder vierte gibt an, keine Anerkennung über geleistete Arbeitzu erhalten und ebenso viele klagen über Spannungen zwischen Vorgesetztenund Mitarbeitern.

Letztlich weisen diese Belastungen auf erhebliche organisatorische und kom-munikative Probleme hin.

31

Auf der Grundlage des in Bild 3-4 auf Seite 28 aufgezeigten Belastungs-Beanspruchungskonzeptes lassen sich fünf Präventionsstrategien ableiten:

Strategie 1

Arbeitsbedingte Belastungen erkennen,beurteilen und ggf. entschärfen

Arbeitsbedingte Belastungen (und Ge-fährdungen) können durch die Reali-sierung von Gefährdungsanalysen iden-tifiziert werden. Hilfreich hierzu ist die Gefährdungsbeurteilung der Vereinigung der Metall-Berufsgenossenschaftenund/oder die Befragung von Mitarbeitern,z. B. mit Hilfe eines erweiterten FIPAG-Fragebogens.

Strategie 2

Persönliche Ressourcen stärken

Handlungsmöglichkeiten ergeben sich durch Auswahl und Platzierung so-wie durch Qualifikationsmaßnahmen. Eine sinnvolle Hilfe stellt dabei die MELBA-Methode (www.melba.de) dar.

Betriebliche Gesundheitsförderung, unterstützt durch medizinische Vorsorge-untersuchungen, kann hier einen wei-teren Beitrag leisten.

Strategie 3

Schädliche Beanspruchungsfolgen frühzeitig erkennen

Folgen dieser Art sollten möglichst früh-zeitig erkannt werden, um rückwirkende

primär- und sekundärpräventive Maß-nahmen einleiten zu können. Dazu bietensich vielfältige Möglichkeiten: AU-Daten-analyse, Mitarbeitergespräche, Mitarbei-terbeurteilung usw.

Strategie 4

Externe Ressourcen schaffen

Externe Ressourcen stehen für die Möglichkeit der betrieblichen Einfluss-nahme, wie z. B. soziale Unterstützungdurch Vorgesetzte oder die Erweite-rung des Tätigkeits-, Handlungs- undEntscheidungsspielraumes.

In diesem Zusammenhang ist auch dasKonzept der vollständigen Tätigkeit (Richter und Hacker, 1991), das Demand-Control-Modell von Karasek (1978) sowie das Salutogenesekonzept von Antonovsky zu nennen.

Partizipationsmöglichkeiten der Mit-arbeiter spielen dabei eine große Rolle(Schubert, H.-J. & Zink, K.J., 1990).

Strategie 5

Gesunden Lebensstil unterstützen

Da sich Belastungen aus der Privat-sphäre auch auf die Arbeitsfähigkeit aus-wirken können, dürfen diese nicht unbeachtet bleiben. Das Unternehmenhat hier aber nur bedingt Einflussmög-lichkeiten.

Positive Effekte können allerdings durchdie Krankenkassen im Rahmen derbetrieblichen Gesundheitsförderung er-zielt werden.

32

Bild 3-7: Prozentuale Veränderung der Arbeitsunfälle je 1 Million geleisteter Arbeitsstunden nach erfolgter Unternehmensberatung durch die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft

Arbeitsunfälle/1 Mio. Arbeitsstunden

80 %

60 %

40 %

20 %

0 %1

Jahre nach Beratungsbeginn

2 3 4 5 6 7 8

Um diese Strategien im Unternehmeneinzuführen, haben einige Berufsgenos-senschaften Beraterteams für eine ganz-heitliche, systemische Unternehmens-beratung eingerichtet. Anfang der 90erJahre fokussierte sich der Beratungs-umfang auf die Arbeitssicherheit.

Hierbei wurde insbesondere auf dieUnternehmenskultur hinsichtlich der Im-plementierung von Arbeitssicherheit in die Unternehmensleitlinien, auf die Inte-gration der Arbeitssicherheit in die Ab-lauforganisation und auf die Motivation der

Führungskräfte zum Umgang mit demThema Arbeitssicherheit und kontinuier-liche Erfolgskontrollen hingewirkt.

Das Bild 3-7 zeigt anhand der Mess-größe „Arbeitsunfälle je 1 Mio. geleisteter Arbeitsstunden“ den Erfolg dieses Konzepts in Bezug auf das Unfallgesche-hen. Hier sind die Arbeitsunfalldaten von 25 Unternehmen der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft, die seit1992 beraten wurden, in Bezug zumUnfallgeschehen vor Beratungsbeginnausgewertet worden.

Prozentuale Veränderung der Arbeitsunfälle

33

Die Zahlen zeigen, dass die konsequenteund kontinuierliche Umsetzung der auf-gezeigten Arbeitssicherheitsstrategie zueiner nachhaltigen Reduzierung desUnfallgeschehens führt. Die Berufsgenos-senschaften stimmen bezüglich des erweiterten Präventionsauftrags überein,dass auf die Gesundheit der Versichertennur über den Weg der Beratung hinge-wirkt werden kann.

Das Ziel einer systemischen Unter-nehmensberatung (Ducki, 1998) ist es,sowohl arbeitsbedingte Erkrankungen alsauch Arbeitsunfälle zu verhüten. DieseZiele werden auch von Betrieben vor demHintergrund steigender Kosten aufgrundvon hohen Fehlzeiten genannt.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss ins-gesamt der Gesundheitszustand der Belegschaft verbessert werden, d. h.Belastungen und Beanspruchungen be-reits im Vorfeld von Erkrankungen zu reduzieren bzw. abzustellen oder zukompensieren.

Eine wichtige Voraussetzung hierfür istder Aufbau unternehmensinterner, funktionierender Strukturen im Arbeits-und Gesundheitsschutz. Dieses setzt wiederum eine Ablauforganisation mit klaren Verantwortlichkeiten, einher-gehend mit funktionierenden Kom-munikationsstrukturen und einer moti-vierenden Führungskräftekultur voraus(s. a. Kotter, 1996).

Ist dieses vorhanden, sind eine erhöhteArbeitszufriedenheit, Produktivität und Effizienz sowie Produktqualität und Liefertreue die Folge und damit wiederumdie Eingangsvoraussetzung für die obengenannten Ziele erfüllt.

Erkennt der Betrieb diese Eingangs-voraussetzungen als Motor für die Ge-sundheitserhaltung seiner Mitarbeiter, ergeben sich nicht nur direkte Kosten-vorteile aus reduzierten Fehlzeiten, son-dern auch indirekte Kostensenkun-gen durch einen Abbau von Betriebs-störungen.

34

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerhaben in den vergangenen Jahren einestetige Veränderung in ihren Arbeits- undLebensbedingungen erfahren. Diese Veränderungen erwachsen sowohl ausVeränderungen in den Tätigkeiten, derAufgaben und dem Arbeitsplatz als auchaus den arbeitsvertraglichen Bedingun-gen. Während die Tätigkeiten und die Arbeitsaufgaben in den letzten Jahren im-mer stärker durch einen rasanten Anstiegder geforderten Arbeitsleistungen geprägtwaren, sind es bei den arbeitsvertrag-lichen Veränderungen insbesondere die Auflösung der arbeitsvertraglichen Beziehungen, die massive Auswirkungen auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer haben.

Immer mehr Menschen arbeiten inprekären Arbeitsverhältnissen, d. h. siehaben nur einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag oder sind scheinbar selbst-ständig oder werden als Leiharbeitneh-mer in andere Betriebe geschickt. Für viele Beschäftigte besteht heute die Situation, dass sie ihre Arbeitsaufgabennicht mehr an einem festen Arbeitsplatzzu einer bestimmten Arbeitszeit erle-digen, sondern als Arbeitsmittel nur nocheinen PC und ein Telefon benötigen, um ihre Aufgaben erledigen zu können.Entsprechend löst sich damit auch dieTrennung zwischen Arbeitszeit und ar-beitsfreier Zeit zunehmend auf. Die per-sönliche Verfügbarkeit für die Erledigungbestimmter Arbeitsaufgaben wird immerweiter in die Freizeit hinein ausgedehnt.Ein Ergebnis dieser Entwicklung ist die

rapide Zunahme der psychischen Belas-tungen, also des Stresses.

4.1 Welche Bedeutung hat Stress?

Psychische Belastungen, die die geis-tige, die emotionale sowie die soziale Be-wältigung der Arbeitsaufgabe beein-flussen, ergeben sich aus bestimmtenBedingungen:

● Lage (Schichtarbeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit usw.) und Dauer (Überstunden, Sonderschichten usw.) der Arbeitszeit,

● Kommunikationsanforderungen zu (Verständlichkeit der Sprache und An-weisungen usw.) und Kooperations-beziehungen (Kooperationsbereitschaft, Umgangsformen usw.) mit anderen,

● betriebliche Hierarchie und betrieb-licher Führungsstil (Klarheit und Verständlichkeit von Anweisungen, Ein-deutigkeit von Verantwortungen usw.),

● Anforderungen an die eigene Quali-fikation zur Bewältigung der gestellten Arbeitsaufgaben (vorhandene Kennt-nisse und Erfahrungen, Unterweisungund Einarbeitung usw.),

● Arbeitsumgebung (Lärm, Blendung,Störung der Aufmerksamkeit usw.).

Die Folgen dieser Belastungen erlebenwir als körperliche, geistige und emo-tionale Beanspruchungen (Bild 4-1). Obman die psychischen Belastungen un-beschadet ertragen kann oder ob sie zu

4 Stress aus Sicht der Arbeitnehmer

Bild 4-1: Wechselwirkungen zwischen Arbeitnehmer und Umwelt

35

Stress und gesundheitlichen Schädenführen ist sehr unterschiedlich. So könnenbeispielsweise Belastungen durch die Arbeitszeit und die Arbeitsumgebung nurin einem sehr beschränkten Maß durchindividuelle Gegenmaßnahmen verringertwerden. Sie führen über kurz oder lang zu psychischen Beanspruchungen mitFolgen für die Gesundheit. Bei anderen

GesellschaftlicheBedingungen

(Arbeitsplatzsicherheit,ökonomische Situation,

soziale Sicherheit)

Arbeitsumwelt(Lärm, Klima,

Beleuchtung usw.)

Arbeitsorganisation(Hierarchie,

Verantwortung, Lage undDauer der Arbeitszeit,

Arbeitsvolumen)

Folgenfür die Gesundheit

(Herz-Kreislauferkrankungen, Muskel-Skeletterkrankungen,

psychische und physischeErschöpfung u. a.)

IndividuelleBedingungen

(Körperliche und geistigeVerfassung, soziale

Beziehungen,Qualifikation usw.)

Lebensumwelt(Wohnqualität,

Möglichkeit für Erholung,gesundheitliche

Versorgung)

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Belastungen besteht wiederum die Mög-lichkeit, durch Veränderungen im Ver-halten psychische Beanspruchungen undinsbesondere Stress zu vermindern. We-sentlich hierbei ist, welche Möglichkeitender Betrieb oder das Unternehmen demeinzelnen Beschäftigten bietet, um sichauf die Bewältigung der geforderten Leis-tungen vorzubereiten. Wesentlich wich-

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tiger ist aber, ob die betrieblichen Verhält-nisse so gestaltet sind, dass psychischeBelastungen und Stress überhaupt ver-mieden werden. Hierbei spielt vor allemeine Rolle, wie die betriebliche Kommuni-kation und Kooperation gestaltet ist, welche Arbeitsleistungen verlangt werdenusw. Leistungsanforderungen führendann nicht zu psychischen Belastungenund Stress, wenn die persönliche Leis-tungsfähigkeit, die fachlichen Qualifi-kationen, die beruflichen Erfahrungen, dieKompetenz mit anderen Menschen umzugehen sowie – und dies ist von ganzzentraler Bedeutung – die Möglich-keit, sich von den täglichen beruflichen Belastungen zu erholen, hinreichendberücksichtigt werden.

Einzelne vergleichbare Belastungssitua-tionen führen nicht nur bei verschiedenenPersonen zu unterschiedlichen Bean-spruchungen, sie führen bei ein und der-selben Person situationsabhängig zu unterschiedlichen Beanspruchungen undGesundheitsgefährdungen. Die persön-liche Beanspruchung hängt nicht nur vonder Art und der Höhe der Belastungen,sondern auch von der augenblicklichenBefindlichkeit der einzelnen Person ab.Jeder erlebt es bei sich selbst, dass ihngleiche Arbeitsbedingungen unterschied-lich stark beanspruchen. Besonders deut-lich wird dies immer dann, wenn man, gut erholt aus dem Urlaub kommend, diegleichen belastenden Arbeitsbedingun-gen wesentlich gelassener bewältigt alsnoch vor dem Urlaub. Ein ähnlicher Effektzeigt sich auch, wenn psychische Belas-

tungen von jüngeren wesentlich leichterbewältigt werden als von älteren Beschäf-tigten. Während jüngere Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer beruflichen Stressvielfach als Indiz dafür sehen, dass sie in ihrem Beruf voll gefordert werden, dasssie erfolgreich und wichtig sind, wandeltsich dieses Verständnis im Laufe des Arbeitslebens. Dies hängt nicht zuletztdamit zusammen, dass sich die körper-liche Leistungsfähigkeit mit steigendemLebensalter verringert und ältere Beschäf-tigte früher und längere Erholphasenbrauchen. Die Fähigkeit der Bewältigungvon beruflichem Stress sinkt mit höheremLebensalter. Hinzu kommt, dass mit zunehmendem Lebensalter der Arbeits-platz eine andere Bedeutung erhält. Fürältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer bedeutet der Verlust ihres Arbeits-platzes häufig nicht nur das vorzeitigeAusscheiden aus dem Arbeitsleben, son-dern gleichzeitig auch finanzielle Un-sicherheit und die Gefahr des sozialenAbstiegs der ganzen Familie. PsychischeBelastungen und beruflicher Stress werden von älteren Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmern dann nicht mehr alsberuflicher Erfolg und berufliche An-erkennung empfunden, wenn sie keineMöglichkeit haben, diese Belastungendurch Veränderungen in den Arbeits-bedingungen oder durch individuelleMaßnahmen abzubauen bzw. zu verringern.

Aber auch für jüngere, gesunde und voll leistungsfähige Menschen gilt: Wertäglich lange und intensiv arbeitet,

Bild 4-2: Stress im Büro

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braucht grundsätzlich auch mehr Zeit,sich wieder zu erholen. Wird der not-wendige Erholungsrhythmus vernachläs-sigt, führt dies zu einer Erholungsunfähig-keit, das heißt, es gelingt nicht mehr, in der Freizeit abzuschalten und sich tat-sächlich physisch wie psychisch zu regenerieren. Dies ist eine gesicherte wis-senschaftliche Erkenntnis.

Psychische Belastungen und Stress haben neben beruflichen auch individu-elle Komponenten und es ist nicht ein-fach, diese beiden voneinander zu tren-nen. Wichtig ist, dass beruflich bedingte

psychische Belastungen eine immerwichtigere Rolle spielen und von den Beschäftigten auch ganz ausdrücklich alsBelastungen empfunden und benanntwerden.

Die psychischen Belastungen aus der Arbeitswelt und damit auch der beruflicheStress haben in den vergangenen Jahrenganz erheblich zugenommen. Grund hier-für sind die technischen, organisatori-schen und personellen Rationalisierungs-maßnahmen der vergangenen Jahre.Arbeitsabläufe wurden weiter verdichtet,Informations- und Kommunikationspro-zesse weiter technisiert, die Arbeitszeitentrotz tariflicher Arbeitszeitverkürzung weiter ausgedehnt. Viele Beschäftigtesind auch in ihrer eigentlich arbeitsfreienZeit noch beruflichen Anforderungen ausgesetzt und können sich nicht erholen(Bild 4-2). Gerade durch die neuen In-formations- und Kommunikationsmittel,durch Mobiltelefone, durch privaten Zugriff auf dienstliche E-Mails, aber auchdurch organisatorische Öffnungen der arbeitsfreien Zeit für betriebliche Belange,wie etwa durch Rufbereitschaften, Arbeiten auf Abruf usw., sind Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer vielfach auchin ihrer Freizeit für betriebliche Belangemehr oder weniger ständig erreichbar.

Ein weiteres Moment für den Anstieg vonpsychischen Belastungen und von Stressergibt sich schließlich für viele Beschäf-tigte durch die Übertragung der Verantwor-tung für die Erbringung einer gleich-bleibend hohen und qualitativ einwand-

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freien Arbeitsleistung, allerdings ohne ihnen die Möglichkeiten zu geben, denArbeitsprozess nach ihren Bedürfnissenund Vorstellungen gestalten zu können.Dieser Mangel an Einflussmöglichkeitenbetrifft in der Regel vor allem die Leis-tungsvoraussetzungen, also die personel-len, organisatorischen und technischenArbeitsvoraussetzungen.

Die Quellen von psychischen Belastun-gen und von beruflichem Stress sind alsoaußerordentlich vielschichtig und in derRegel eine Kombination aus Umwelt-einflüssen (Lärm, Klima usw.), existenziel-len Schwierigkeiten und Bedrohungen(Angst um den Arbeitsplatz, finanzielleSchwierigkeiten usw.). Quelle kann aberauch das aktuelle körperliche Befinden(Unwohlsein, Krankheiten oder Schlaf-störungen) sein. Nicht zuletzt könnenpsychische Belastungen und Stress aberauch durch eigene Gedanken und Er-wartungen, die Art und Weise, wie manauf seine Umgebung oder auf Ereignissereagiert, wie viele Sorgen man sichmacht, welche negativen Erfahrungenund Erwartungen man hat, Auslöser fürStress sein.

Seit einigen Jahren spielen aber zweiFaktoren eine ganz besondere Rolle beider Entstehung von psychischen Be-lastungen und beruflichem Stress. Diesist zum einen der enorm gestiegene Termin- und Leistungsdruck und zum anderen, und hieraus resultierend, dieschwieriger zu bewältigenden kom-munikativen und sonstigen Arbeitsbe-

ziehungen zu anderen Beschäftigten, zuVorgesetzen und zu Untergebenen. Werkennt diese Situation nicht: Es bedarf eigentlich eines Abstimmungsgesprächs,doch hierzu ist nicht ausreichend Zeit. Dieverbesserten technischen Vorausset-zungen für eine engere kommunikativeVerbindung sind zwar gegeben, der gestiegene Zeit- und Leistungsdruckmacht eine ausreichende Abstimmungaber häufig unmöglich.

Diese enorm gestiegenen Belastungenlassen sich auch in Zahlen darstellen:Bei einer Umfrage des nordrhein-west-fälischen Arbeits- und Sozialministe-riums 1996 sagten von den befragten Beschäftigten

● 34 % durch hohen Zeitdruck,

● 32 % durch hohe Verantwortung

und

● 20 % durch die hohe Arbeitsmenge

immer oder häufig überfordert zu sein (siehe Bild 4-3). In einer anderen Unter-suchung, einer repräsentativen Um-frage des Instituts für Arbeitsmarkt undBerufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, gab 1998/1999 jede zweite beschäftigte Person an, unterTermin- und Leistungsdruck zu arbeiten.

39

4.2 Stress als Ursachevon Erkrankungen?

Die dargestellten Veränderungen in denArbeitsbedingungen haben bei den be-troffenen Beschäftigten nicht nur zuhöheren Belastungen und zu Stress, son-dern auch zu gesundheitlichen Schädi-gungen geführt. Die Statistiken der ge-setzlichen Krankenversicherungen weisenzwar nicht die Zahlen über psychischeoder psychosomatische Erkrankungenaus. Es sind aber die Zahlen der schwe-ren psychischen Erkrankungen, die alspsychiatrische Erkrankungen erfasst sind.

Der Bundesverband der Betriebskranken-kassen hat in der Statistik der Krankheits-arten für 1999/2000 eine Übersicht überdie Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstagepro 100 Versicherten veröffentlicht. Ausihr wird deutlich ersichtlich, dass die Zahlder Arbeitsunfähigkeitstage durch psy-chiatrische Erkrankungen seit Jahrensteigt (Bild 4-4 auf Seite 40).

1999 standen die psychiatrischen Erkran-kungen innerhalb der Diagnosehaupt-gruppen an sechster Stelle (Bild 4-5 aufSeite 40). Dieser Anstieg der psychiatri-schen Erkrankungen dürfte auch seine

Überforderungdurch komplizierte

Aufgaben

Überforderungdurch

Arbeitsmenge

hoheVerantwortung

hoher Zeitdruck

0 5 10 15 20 25 30 35 40

= Männer = Frauen = Alle

Bild 4-3: Umfrage des nordrhein-westfälischen Arbeits- und Sozialministeriums 1996

Bild 4-5: AU-Tage je 100 Mitglieder

Bild 4-4: Arbeitsunfähigkeitstage durch psychiatrische Erkrankungen

40

Ursachen in den veränderten Arbeits- undLebensbedingungen haben.

Bemerkenswert ist, dass die Arbeitsun-fähigkeitstage der Frauen wegen psychia-trischer Erkrankungen um 40 % höherlagen als die der Männer. Dies verwundertinsofern nicht, als sich die Arbeitsplätze,an denen Frauen häufig beschäftigt sind,dadurch auszeichnen, dass

● die Entscheidungsfreiheit bei der Erledi-gung ihrer Arbeiten besonders gering,

● die Leistungsanforderungen besonders hoch,

● die Möglichkeiten für eigen-ständige Gestaltung des Arbeitsablaufs besonders gering und

● Arbeit auf Abruf besonders häufig

sind.

0

PflichtversicherteKrankheitsartArbeiter Angestellte

1. Muskel- und Skeletterkrankungen 647 194

2. Krankheiten der Atemwege 374 240

3. Verletzungen und Vergiftungen 329 114

4. Krankheiten der Verdauungsorgane 156 86

5. Herz-/Kreislauferkrankungen 130 53

6. Psychiatrische Erkrankungen 99 72

Quelle: Krankheitsartenstatistik 1999, Hrsg. BKK Bundesverband, Essen 2001

41

Zwischen 1996 und 1998 hat es einenRückgang der psychiatrischen Erkrankun-gen in der Statistik der Betriebskranken-kassen gegeben. Dieser Rückgang warnicht nachhaltig und wohl kaum dasResultat einer Verbesserung der gesund-heitlichen Vorsorge. Es muss vielmehrvermutet werden, dass dieser Rückgangin einem Zusammenhang mit dem Rück-gang der Krankheitstage insgesamt indieser Zeit steht.

Es muss daran erinnert werden, dass vonArbeitgeberseite in diesem Zeitraum eine massive Kampagne zur Reduzierungder Krankheitstage durchgeführt undKranke pauschal als „Blaumacher“ tituliert wurden. Der Rückgang bei den psychiatrischen Erkrankungen war dabei geringer als bei den anderen Er-krankungen und wie die Kurve zeigt, nicht nachhaltig.

Psychische Belastungen bei der Arbeitund betrieblicher Stress verursachen aberauch andere Erkrankungen. Eine arbeits-medizinische Studie der Bundesanstaltfür Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kam 1997 zu folgender Schlussfolgerung:„Wer pro Woche mindestens fünf Über-stunden arbeitet, verdoppelt fast seinInfarktrisiko.“1)

In einer anderen Studie kommt der hessi-sche Landesgewerbearzt zu folgendemErgebnis: Bei lang andauernden, häufigenÜberstunden erhöht sich das Herz-infarktrisiko sogar um den Faktor 7,3.

Dieser Zusammenhang von überlangenArbeitszeiten und Stress mit Herz-Kreislauferkrankungen gilt als gesichertewissenschaftliche Erkenntnis.

In Deutschland sterben jährlich fast100 000 Menschen an Herzinfarkt. 20 % davon gelten als arbeitsbedingt verursacht.

Mit anderen Worten: Durch Belastungen im Arbeitsleben sterben jährlich fast20 000 Menschen an einem Herzinfarkt.Ein großer Teil dieser Belastungen gehtauf das Konto von Stress und psychi-schen Belastungen.

Es ist eigentlich verwunderlich, wie wenigsolche Fakten in der öffentlichen Dis-kussion wahrgenommen werden. Dassdurch Stress die gesamte körperliche Verfassung beeinflusst wird und Ge-sundheitsschädigungen entstehen kön-nen, hat eine Erhebung der EuropäischenStiftung in Dublin gezeigt.2)

Durch hohes Arbeitstempo und ständigenLeistungsdruck verdoppelt sich etwa die Zahl der Beschäftigten, die überRückenschmerzen, Muskelschmerzen in Nacken und Schultern und allgemeinenStress klagen.

Die Erhebung zeigt auch, dass derartigeArbeitsbedingungen zu einer Erhöhung

1) FR v. 15. 11. 1997

2) Hrsg.: EUROPEAN FOUNDATION for the Impro-vement of Living and Working Conditions, Ten Years of Working Conditions in the European Union, von Damien Merllié und Pascal Paoli, Dublin 2001, Zusammenfassung im Internet unterwww.eurofound.ie/publications/3712.htm

Bild 4-7: Gesundheitsprobleme und ständiges Arbeiten mit engen ZeitvorgabenArbeitsbedingungen in Europa – 3. Erhebung im Frühjahr 2000

Bild 4-6: Gesundheitsprobleme und ständiges Arbeiten mit hoher GeschwindigkeitArbeitsbedingungen in Europa – 3. Erhebung im Frühjahr 2000

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der Unfallrisiken führen (Bilder 4-6 und 4-7). Die Prognose für die weitere Entwicklung ist eher düster. Der Anstiegder psychischen Belastungen in den Betrieben trifft auf eine Arbeitnehmer-schaft, deren Durchschnittsalter in den nächsten Jahren stetig steigen wird.

Die zunehmenden physischen Belas-tungen treffen also Beschäftigte, die auf-grund ihrer physischen und psychi-schen Konstitution immer weniger in der Lage sind, diese Belastungen ohnegesundheitliche Schädigungen zu ertragen.

Muskel-Rücken- Stress schmerzen in Ver-

schmerzen Nacken und letzungenSchultern

% % % %

Ständiges Arbeitenmit hoher Geschwindigkeit 46 40 35 11

Kein ständiges Arbeitenmit hoher Geschwindigkeit 25 21 15 5

Quelle: EUROPEAN FOUNDATION for the Improvement of Living and Working Conditions,Ten Years of Working Conditions in the European Union, von Damien Merllié und Pascal Paoli, Dublin 2001

Muskel-Rücken- Stress schmerzen in Ver-

schmerzen Nacken und letzungenSchultern

% % % %

Ständiges Arbeitenmit engen Zeitvorgaben 42 40 31 10

Kein ständiges Arbeitenmit engen Zeitvorgaben 27 20 17 5

Quelle: EUROPEAN FOUNDATION for the Improvement of Living and Working Conditions,Ten Years of Working Conditions in the European Union, von Damien Merllié und Pascal Paoli, Dublin 2001

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4.3 Was kann undmuss getan werden?

Es steht mittlerweile außer Zweifel: Wirhaben dringenden Handlungsbedarf füreine Verminderung der psychischen Belastungen. Die psychischen Belas-tungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen zügig abgebaut werden.

Dazu ist zunächst erforderlich, bei allenBeteiligten ein verschärftes Bewusst-sein für das Problem der psychischenBelastungen zu schaffen.

Das heißt, allen Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern wie auch allen Verant-wortlichen auf betrieblicher und überbe-trieblicher Ebene muss bekannt sein,dass psychische Belastungen und Stressgesundheitsschädigend wirken können.Psychische Belastungen und Stress sind keine „weichen“ Belastungen, wiehäufig behauptet wird.

Es muss bewusst gemacht werden, dasspsychische Belastungen und Stressebenso wie Lärm, Gefahrstoffe, Hebenund Tragen von Lasten und andere Be-lastungen die Gesundheit der Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer nachhal-tig schädigen und erhebliche Kosten verursachen können. Es muss deshalbvermittelt werden, wodurch psychische Belastungen und Stress entstehen und welche Folgen sie nach sich ziehen.

Es muss vor allem auch vermittelt wer-den, mit welchen Mitteln und Maßnah-

men die psychischen Belastungen und Stress vermieden bzw. abgebaut werdenkönnen.

4.3.1 Wie kann die Wahrnehmungvon Stressbelastungenerhöht werden?

Natürlich ist der Arbeitgeber bei derGefährdungsermittlung und -beurteilungsowie der Entwicklung von Maßnahmenzur Beseitigung der ermittelten Gefähr-dungen auch verpflichtet, psychischeBelastungen zu verringern. Leidermussten wir in der Vergangenheit fest-stellen, dass die Arbeitgeber ihren Verpflichtungen aus dem Arbeitsschutz-gesetz völlig unzureichend nachkommen.Nur in etwa 20 % der Betriebe wurdebisher die vorgeschriebene Gefährdungs-beurteilung durchgeführt. Entsprechendfehlt in vier von fünf Betrieben dieMindestvoraussetzung, um systematischMaßnahmen zur Vermeidung psychischerBelastungen durchführen zu können.

An Hilfestellungen in Form von Check-listen, Informationsmaterial usw. würde es nicht mangeln. Die Gewerkschaften,gewerkschaftsnahe Einrichtungen, wiebeispielsweise die Technologieberatungs-stellen, aber auch viele Berufsgenossen-schaften bieten derartige Materialien undHilfestellungen sowie Qualifizierungs-maßnahmen an, in denen adressaten-spezifisch die erforderlichen Kenntnissevermittelt werden. Bei einer Mehrheit der Arbeitgeber mangelt es schlicht ander Bereitschaft, dem Arbeits- und Ge-

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sundheitsschutz für die Arbeitnehmer den ihm zukommenden Stellenwert zugeben und dies, obwohl mittlerweile vielfach belegt wurde, dass unterlassenerArbeits- und Gesundheitsschutz nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer schädigt, sondern auch zu wirt-schaftlichen Nachteilen für die Betriebeführt. 3)

Bei der Beratung der Arbeitgeber spielendie Fachkräfte für Arbeitssicherheitund die Betriebsärzte eine zentrale Rolle.Die Bereitschaft der Arbeitgeber, sich bestimmter sicherheitstechnischer undgesundheitlicher Fragen im Betrieb anzu-nehmen, hängt vom Nachdruck ab, mit denen Fachkräfte und Betriebsärzteihre Beratungsfunktion wahrnehmen.

Bislang muss festgestellt werden, dassweder die Fachkräfte noch die Betriebs-ärzte sich in besonderer Weise mit psy-chischen Belastungen befasst oder gar beim Vorliegen solcher Belastungeninterveniert hätten – von einigen wenigenAusnahmen einmal abgesehen. Dies istauch nicht verwunderlich, da das Pro-blem der psychischen Belastungen beibeiden Gruppen weder in ihrer Qualifizie-rungsphase noch im Rahmen der Fort-bildung eine Rolle gespielt hat. Für dieZukunft muss deshalb gefordert werden,dass in Fortbildungsmaßnahmen fürFachkräfte für Arbeitssicherheit und für

Betriebsärzte auf die Rolle und Bedeu-tung von psychischen Belastungen ein-gegangen wird und in den Betrieben aufdie Teilnahme der Fachkräfte sowie derBetriebsärzte an solchen Veranstaltungenstärker geachtet wird.

Gefordert sind auch die staatlichen In-stitutionen, die ja Garant für die Ein-haltung von Gesetzen und staatlichenVerordnungen sind. Gerade weil die Län-der nicht nur für die Umsetzung und Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes,sondern auch für die Umsetzung und Ein-haltung des Arbeitszeitgesetzes ver-antwortlich sind, kommt ihnen eine her-ausragende Rolle bei der Verhütung vonarbeitszeitbedingtem Stress zu. Tatsacheist aber, dass die staatlichen Stellen denbetrieblichen Verstößen gegen Arbeits-schutzgesetze ausgesprochen lasch begegnen. Dabei verfügen sie über dierechtlichen Mittel, die Arbeitgeber zur Einhaltung der bestehenden Rechtsvor-schriften zu zwingen. In einigen Bundes-ländern sind in den vergangenen Jahrenzwar Projekte zur Überwachung derUmsetzung des Arbeitsschutzgesetzesdurchgeführt worden, diese Projekte waren aber nicht nur unzureichend per-sonell und finanziell ausgestattet, siestanden vor allem unter dem Vorzeichen,die Betriebe möglichst nicht finanziell zu belasten. Staatliche Arbeitsschutz-behörden haben ihre Tätigkeit ganz über-wiegend auf die Beratung der Betriebebeschränkt. Anordnungen werden nur inAusnahmefällen erlassen. Und obwohlmittlerweile bereits in den Medien der

3) Vgl. etwa Psychische Belastung von Mit-arbeitern – die Rolle des Führungsverhaltens, P. Stadler, G. Strobel, C. Graf Hoyos, in: Ergo-Med 3/2000, S. 136 ff.

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massenhafte Verstoß gegen die Regelun-gen des Arbeitszeitgesetzes diskutiertwird, hat dies nicht zu Reaktionen bei denLandesregierungen geführt.

Es muss leider festgestellt werden, dassArbeits- und Gesundheitsschutz bei kei-ner Landesregierung ein wichtiges Themaist. Als Beispiel mag Nordrhein-Westfalendienen. Die Leiterin der Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen(LAFA) Frau Dr. Lehmann hat 1999 fest-gestellt, dass die Berücksichtigung psy-chischer Belastungen bei der aufsichts-dienstlichen Tätigkeit der staatlichenArbeitsschutzbehörden Mängel aufweist.„Insbesondere wurde deutlich“, so FrauLehmann, „dass die personelle Ausstat-tung der Überwachungsbehörden mitausgebildeten Fachleuten ... der Aufgabenicht gerecht wird.“4)

Schlicht: Es fehlt Aufsichtspersonal unddies nicht nur in NRW. Die personelleAusstattung der Aufsichtsdienste wurdenicht verbessert. Das zuständige Minis-terium und die Landesregierung von NRWsind nicht in der Lage und willens, dieEinhaltung der Gesetze zu überwachen.Zweites Beispiel Sachsen: Dort wird dasLandesinstitut für Arbeitsmedizin auf-gelöst. Die bisherigen Aufgaben diesesInstituts sollten nach dem Willen der Lan-desregierung auf die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin so-wie auf den Hauptverband der gewerb-

lichen Berufsgenossenschaften über-tragen werden. Die Rechte von Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern ein-schließlich ihrer Interessensvertretungensind unter diesen Verhältnissen ganz erheblich geschwächt.

Wenn es keine Instanz gibt, die bei Ge-setzesverstößen durch die Arbeitgebervon den Betriebsräten angerufen werdenkann, dann haben Betriebsräte es schwer,ihre Aufgaben zu erfüllen, nämlich dieEinhaltung geltender Gesetze in den Be-trieben zu überwachen, mitzugestaltenund mitzubestimmen. Dieser Rückzug derLänderregierungen aus der Kontrolle des Arbeits- und Gesundheitsschutzes kannvon den Gewerkschaften und den Be-triebsräten nicht hingenommen werden.

Von den Landesregierungen wird einequalifizierte Unterstützung der Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer sowie ihrerbetrieblichen Interessenvertreter bei derAhndung von Verstößen gegen Arbeits-schutzgesetze gefordert. Die Einhal-tung der geltenden Arbeitsschutzgesetze ist eine Mindestanforderung aus den EU-Richtlinien.

Betriebsräte und Beschäftigte solltentrotz der mangelnden personellen Aus-stattung der staatlichen Aufsichtsdienstediese regelmäßig schriftlich auffordern,sie bei der Lösung von Problemen im be-trieblichen Arbeits- und Gesundheits-schutz zu beraten und zu unterstützen.Sie sollten auch nicht davor zurückscheu-en, sich immer dann, wenn diese Be-ratung und Unterstützung nicht oder nicht

4) Psychische Belastungen – eine Herausforderungfür die Überwachungsbehörden, E. Lehmann, M. Figgen, in: Ergo-Med, H. 3/1999, S. 107

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ausreichend erfolgt, sich beim Landes-arbeitsminister zu beschweren.

Gefordert sind auch die Berufsgenos-senschaften, deren umfassender Prä-ventionsauftrag5) auch die Vermeidungstressbedingter Gefährdungen umfasst.

Wie bereits erwähnt, wurden von den Berufsgenossenschaften Hilfen für dieGefährdungsermittlung einschließlich derpsychischen Gefährdungen erarbeitet.

Sie bieten auch Unterstützung bei der betrieblichen Umsetzung von Maßnah-men sowie Seminare zur Ermittlung undVermeidung von psychischen Gefähr-dungen an. Trotz dieser positiven Ansätzebedarf es aber auch bei den BGen nochweiterer erheblicher Anstrengungen.

Eine zentrale Forderung an die Berufs-genossenschaften ist die Ergänzung der Aufsichtsdienste sowohl personellerwie auch fachlicher Art.

Betriebliche Überwachung und Beratungist nur mit hinreichend fachlich qualifi-zierten Aufsichtspersonen möglich. Ins-besondere bedarf es der Einbeziehungvon Arbeitspsychologen, um das Problemder psychischen Belastungen und desStresses qualifiziert lösen zu können.

Zwar muss die Rolle und Bedeutung der psychischen Belastungen im Bewusstsein der technisch qualifiziertenAufsichtspersonen, also der traditio-nellen Ingenieure, stärker verankert werden. Es ist allerdings ein Trugschluss anzunehmen, die alten „Technischen

Aufsichtsbeamten“ wären in der Lage, diesen Themenbereich problemadäquatzu bearbeiten.

Am wichtigsten ist es aber, bei den Be-triebsräten sowie den Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmern das Bewusstsein zuschärfen. Nur wenn die Betroffenen sichder Gefährdungen bewusst sind, wirdsich längerfristig und vor allem nachhaltigetwas in den Betrieben ändern.

Die IG Metall hat deshalb im März 2002 in Baden-Württemberg eine neue Aktion„Tatort Betrieb“ gestartet, in der es da-rum geht, die psychischen Belastungenzu thematisieren und Wege zu ihrer Vermeidung zu finden. In einem erstenSchritt soll das Problem Stress zu einembreiteren Diskussionsthema gemachtwerden.

Durch die Aktion sollen möglichst vieleArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angeregt werden, anhand einfacher Fragen sich damit auseinander zu setzen,ob sie auch von Stress betroffen sind.Diese Aktion wird schrittweise auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt werden.

Im Internet finden sich mittlerweile eineganze Reihe derartiger Fragenkataloge,mittels derer man die eigene Stress-situation überprüfen kann. Die hier vorgestellten Fragen stammen von der HBV in Hessen (Bild 4-8).

5) SGB VII, §§ 1 und 14

47

4.3.2 Welche Maßnahmen helfen,den Stress abzubauen?

Bei den möglichen Maßnahmen musssehr genau unterschieden werden zwischen Ansätzen, die darauf abzielenes Betroffenen einfacher zu machen mit Stresssituationen umzugehen und An-sätzen, die auf eine Veränderung der betrieblichen Situation abzielen.

In den vergangenen Jahren hat es eineVielzahl von Angeboten gegeben, die alleunter der Überschrift liefen: „Wie werdeich mit Stress besser fertig“ und diedurchaus nützliche Hinweise gegeben haben. Die Ansätze reichten von auto-genem Training bis zum Zeitmanagement.

Die Angebote haben bei vielen Beschäf-tigten dazu geführt, dass ihnen der

□ die an sich selbst sehr hohe Ansprüche stellen und alles perfekt machen müssen,

□ die sich nicht gestatten, dass auch mal Fehler passieren,

□ die auch an andere eine hohe Messlatte anlegen,

□ die immer die negativen Seiten der Dinge fixieren und zu Pessimismus neigen,

□ die nie gelernt haben „nein“ zu sagen,

□ die sich selbst stets neue Aufgaben aufbürden und kaum Zeit zum Durchatmenzugestehen,

□ die meinen, dass alle Menschen, mit denen sie zu tun haben,sie lieben oder zumindest anerkennen müssten,

□ die sich für alles verantwortlich fühlen,

□ die meinen, wenn man Schwierigkeiten und Problemen aus dem Weg geht,verschwinden sie von selbst,

□ die nicht glauben, dass man sich verändern kann,

□ die nicht gelernt haben, auf die Warnsignale ihres Körpers zu achten.

Quelle: ergo online (Gewerkschaft HBV Hessen, sovt Darmstadt, TBS des DGB Hessen)

Bild 4-8: Checkliste zur individuellen Stressempfindlichkeit

Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie aufgrund eines bestimmten Ereignisses besonders gestresst werden, ist dann besonders groß,wenn Sie zu den Menschen gehören,

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Zusammenhang zwischen ihrer gesund-heitlichen Befindlichkeit und den Arbeits-bedingungen, denen sie täglich ausge-setzt sind, erstmals umfassender bewusstwurde. Sie haben auch dazu geführt,dass Stress als ein betriebliches Themaverstanden wurde, unter dem alle leiden. Charakteristisch für diese Ansätzeist aber eben, dass die Betroffenen bei strikter Anwendung besser in der Lage sind, mit vorhandenem Stress um-zugehen.

Die Ursachen von Stress, nämlich dieBelastungen am Arbeitsplatz, werdendadurch aber weder abgebaut noch verringert. In dem Moment, in dem die individuelle Strategie zur Stressvermei-dung, aus welchen Gründen auch immer,nicht mehr verfolgt und angewendet werden kann, sind die Betroffenen wie-der voll den Belastungen ausgesetzt. Es handelt sich bei diesen Ansätzen alsoeher um eine Art von „persönlicherSchutzausrüstung“, die nur so lange ihreWirksamkeit behält, wie sie angewendetwerden kann und ihre Schutzfunktion gegenüber der belastenden Expositionauch wirksam ist. So kann Zeitmanage-ment ein gutes Hilfsmittel sein, um Stressdurch Mängel in der Planung ein wenigauszugleichen. Eine notwendige Voraus-setzung ist aber eine bestimmte Unab-hängigkeit in der eigenen zeitlichen Planung und die Möglichkeit, die eigenePlanung auch umzusetzen und einzu-halten. Nicht zufällig gehen wir aber üblicherweise bei der Nutzung von per-sönlichen Schutzausrüstungen davon

aus, dass diese individuell wirkendenMaßnahmen nur dort eingesetzt werdendürfen, wo die Gefährdung mit anderen Mitteln nicht beseitigt werden konntebzw. wo die Versuche, die Beschäftigtenvon der Gefährdung zu trennen, nicht erfolgreich waren. Persönliche Schutz-ausrüstungen sollten immer das letzteMittel sein (Bild 4-9).

Insofern muss auch bei psychischenBelastungen zunächst danach gefragtwerden, wie die Belastung beseitigt werden kann.

Dies bedeutet, dass bei der Gestaltungvon Arbeitsplätzen nicht nur ganz all-gemein darauf geachtet werden muss,ob an diesem Arbeitsplatz jemand gefahrlos arbeiten kann, sondern auchberücksichtigt werden muss, ob die betreffende Person mit ihren Quali-fikationen und Erfahrungen an diesem Arbeitsplatz arbeiten kann und auch die erforderlichen Voraussetzungen füreine ausreichende Information, eine verständliche und problemlose Kommu-nikation gegeben, die Leistungsanfor-derungen über ein Arbeitsleben hin erfüllbar und dem Alter der betreffendenPerson angepasst sind, die hierarchi-schen Verhältnisse eindeutig geregeltsind, es klare Arbeitsanweisungen gibt und vor allem, ob die arbeitszeit-lichen Rahmenbedingungen auch men-schenwürdig gestaltet sind.

Die menschenwürdige Gestaltung der Arbeit ist keine obskure Forderung der Gewerkschaften und nicht ins

Bild 4-9: Stress am Arbeitsplatz durch PSA

49

Belieben des Arbeitgebers gestellt. Diemenschengerechte Gestaltung der Arbeitist eine Vorschrift des Arbeitsschutz-gesetzes und gilt für alle Arbeitgeber.

In vielen Betrieben wird dieser Teil des Arbeitsschutzgesetzes aber einfachüberlesen oder vergessen.

Siehe Arbeitsschutzgesetz§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Maßnahmen des Arbeitsschutzes imSinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeitund arbeitsbedingten Gesundheitsgefah-ren einschließlich Maßnahmen der men-schengerechten Gestaltung der Arbeit.

7) „Arbeitshilfe zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen“, zu beziehen beimAmt für Arbeitsschutz, Adolph-Schönfelder-Straße 5, 22083 Hamburg und unter:Fax: 040-4 28 63 33 70,E-Mail: [email protected] Internet: www.hamburg.de/bags/arbeitsschutz

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4.4 Wo können Beschäftigteund ihre betrieblichen Interessenvertreter weitere Informationen undHilfestellung für den Abbau von psychischenBelastungen erhalten?

Die ersten und wichtigsten Ansprech-partner sind natürlich die örtlichenGewerkschaftsvertreter.

Sie können beispielsweise bei der Suche nach externen Beratern Unter-stützung leisten.

Verschiedene Gewerkschaften habenauch Informationsmaterial zum Themapsychische Belastungen und Stress veröffentlicht, so u. a. der IG Metall BezirkBaden-Württemberg unter dem Titel„Stress und psychische Belastungen –Terror für die Seele“.6)

Sowohl die staatlichen Ämter für Arbeitsschutz als auch die berufs-genossenschaftlichen Aufsichtsdienste sind verpflichtet, bei allen Fragen des Arbeitsschutzes Arbeitgeber wieauch Arbeitnehmer zu beraten.

Trotz der unzureichenden Ausstattunginsbesondere der staatlichen Arbeits-schutzbehörden mit Aufsichtspersonalsollten sie um Unterstützung gebetenwerden.

Vom Amt für Arbeitsschutz der Behördefür Arbeit, Gesundheit und Soziales

der Freien und Hansestadt Hamburg wurde im Mai 2001 eine „Arbeitshilfe zur Gefährdungsbeurteilung psychischerBelastungen“ veröffentlicht.7)

Von verschiedenen Berufsgenossen-schaften liegen Informationsbroschürenspeziell zum Thema psychische Be-lastungen und Stress vor.

So u. a. von der Norddeutschen Metall-BG mit dem Titel „Psychische Belas-tungen in der Arbeitswelt als Herausfor-derung für den Arbeits- und Gesund-heitsschutz“8) und von der Vereinigungder Metall-Berufsgenossenschaften die Reihe „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz – Handlungshilfen für Prak-tiker“, bestehend aus Teil 1 „Orien-tierungshilfe“, Teil 2 „Erkennen, Beurteilenund Verhüten von Fehlbeanspru-chungen“, Teil 3 „Verhüten von Fehlbean-

8) „Psychische Belastungen in der Arbeitswelt als Herausforderung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz“, zu beziehen bei der Nord-deutschen Metall-Berufsgenossenschaft, Seligmannallee 4, 30173 Hannover bzw. über das Internet

6) „Stress und psychische Belastungen – Terror für die Seele“, zu beziehen über IG Metall Bezirk Baden-Württemberg, Bezirks-leitung Stuttgart, [email protected];www.bw.igm.de

51

spruchungen durch Arbeits- undOrganisationsgestaltung“.9)

Außerdem finden sich im Internet ver-schiedene Informationen zu Stress, seinen gesundheitlichen Wirkungen so-wie den individuellen Möglichkeiten zur Stressverringerung.

Besonders zu empfehlen sind die Infor-mationen der HBV-Hessen/TBS Hessenunter der Internetadresse

www.sozialnetz-hessen.de/ergo-online

Daneben finden sich aber auch Infor-mationen und Hinweise unter den folgen-den Internetadressen:

www.gesundheits-web.de/stress/

www.meine-gesundheit.de/krank/texte/stress.htm

www.aerztezeitung.de/medizin/stress

9) „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz –Handlungshilfen für Praktiker“, bestehend aus Teil 1 „Orientierungshilfe“, Teil 2 „Erkennen,Beurteilen und Verhüten von Fehlbeanspru-chungen“, Teil 3 „Verhüten von Fehlbe-anspruchungen durch Arbeits- und Organi-sationsgestaltung“, zu beziehen über die Vereinigung der Metall-Berufsgenossenschaf-ten, Kreuzstraße 45, 40210 Düsseldorf

Bild 5-1: Wandel der Arbeitswelt am Beispiel der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH Duisburg, vorher

52

Der Wandel der Arbeitswelt hat vielfältigeFolgen für die Beschäftigten. Ende des 19. Jahrhunderts hat die Industrialisie-rung mit der Zunahme einseitiger körper-licher Belastungen zu den heute aner-kannten klassischen Berufskrankheitengeführt.

Die ersten Vorsorgeuntersuchungen fürUntertage beschäftigte Bergarbeiter wurden Anfang des 20. Jahrhundertsdurchgeführt. Diese Vorsorge hat wesent-lich zur Früherkennung der Silikose geführt und wichtige Erkenntnisse für die

Prävention gebracht. Am Ende des20. Jahrhunderts haben die körperlichenBelastungen der Mitarbeiter drastischabgenommen (Bilder 5-1 und 5-2).

Die Informationstechnologie hat die Arbeitswelt revolutioniert. Auch die klas-sischen Berufskrankheiten haben dank der Bemühungen der Arbeitsmedizinund natürlich des technischen Fortschrittserheblich abgenommen.

Im Gegenzug hat die psychische Belas-tung zugenommen.

5 Stress aus der Sicht eines Unternehmers

Bild 5-2: Wandel der Arbeitswelt, nachher

53

Und diese Feststellung wird aus der Sicht eines Unternehmens durch folgen-de Aspekte noch bedeutsamer:● Belegschaften werden älter;● Mitarbeiter müssen erst im späteren

Berufsleben mit ungewohnterInformationstechnologie arbeiten;

● Zwang zum lebenslangen Lernen und Anpassung an ständige Verände-rungsprozesse der Arbeitssituation;

● neue Arbeitsformen, z. B. Call-Centerentstehen und stellen neuartige Anforderungen an die Arbeitnehmer.

Aus der Sicht eines Unternehmens ist daher die Beschäftigung mit dem Phänomen Stress ein essenzieller Faktor im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Der Unternehmensleitung muss deutlich werden, dass Stressabbau Pro-duktivitätssteigerung bedeutet.

Aber auch hier gilt die alte medizinischeErkenntnis:Vor die Therapie haben die Götter denSchweiß der Diagnose gesetzt.

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Daher stellt sich für den Unternehmer die Frage: Ist Stress im Unternehmen?Anfangs wurde ausgeführt, dass neueFormen der Arbeit auch ein anderes Miteinander im Unternehmen fordern. DieAnweisung ist nicht mehr der Goldstan-dard im Unternehmen, vielmehr ist einstetiger offener Dialog gefordert, undzwar auf allen hierarchischen Ebenen desUnternehmens. Motivation, Überzeu-gung und Vereinbarung von Zielen sindwichtige Bausteine dazu.

Ich möchte Ihnen nun im Weiteren zeigen,wie die Diagnose gestellt werden kann,und welche Instrumente dazu erforderlichsind.

Viele Unternehmen nutzen bereits die Ge-sundheitsberichterstattung. Darunter zähle ich sowohl die Analyse der Arbeits-unfähigkeitsdaten der Krankenkassen alsauch die Ergebnisse ganzheitlich ange-legter arbeitsmedizinischer Vorsorge-untersuchungen. Dazu gehören sicher alsweiteres wesentliches Element dieErgebnisse von Befragungen von Mitar-beitern zur Arbeitszufriedenheit und zuProblemen am Arbeitsplatz. Dadurch er-reichen wir eine Partizipation der Mitar-beiter und nur so macht dies in derGesamtschau Sinn. Einzelne Bausteinedaraus herauszugreifen vernebelt die Ge-samtsicht, schränkt die Validität der Diag-nose wesentlich ein. Ich möchte Ihnendies anhand von einigen Beispielen ausunserem Unternehmen zeigen.

Die Ergebnisse arbeitsmedizinischer Vor-sorgeuntersuchungen können nur dann

eine wichtige Ergänzung darstellen, wennsie neben den klassischen Gefährdungs-potenzialen, z. B. Lärm, auch die psychi-schen Beanspruchungen von Mitarbeiterneinbeziehen. Dies stellt besondere Anfor-derungen an die Wertigkeit des Ge-spräches zwischen Arzt und Mitarbeiterund erlaubt keine Beschränkung auf einerein technische Untersuchung, wie sie beieinzelnen Grundsätzen vorgesehen ist.Betriebsärzte können hier einen ori-ginären Beitrag auch im Sinne des Kon-fliktmanagements leisten. Festzuhalten istauch, dass in der bisherigen Einsatzzeiten-regelung der Unfallverhütungsvorschrift„Betriebsärzte“ (BGV A 7) dies nichtberücksichtigt wird. Dies gilt sowohl aufder Ebene der individuellen Betreuung alsauch bei der Erstellung eines Gesund-heitsförderungsprogrammes zum Stress-abbau im Unternehmen.

Die aktive und nicht nur passive Einbe-ziehung der Mitarbeiter in derartige Programme und Prozesse ist ein Muss. Invielen Unternehmen hat sich zu Beginndes Prozesses die Durchführung von Gesundheitszirkeln bewährt. Dabei können die Prinzipien eines offenen Dia-loges und der Transparenz, aber auchdes Konfliktmanagements geübt und umgesetzt werden. Grundsatz muss auch hier die offene Information, z. B.über Befragungsergebnisse, Ergebnisseder Gesundheitsberichterstattung usw.sein. Die Diskussion muss moderiert werden und von Offenheit getragen sein.Aus solchen Keimzellen können Verän-derungsprozesse im Unternehmen

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wachsen und die Einbeziehung der Mit-arbeiter wird dadurch erheblich gefördert.Durch die Teilhabe an solchen Verände-rungsprozessen aus abgeleiteten kon-kreten Maßnahmen entsteht eine erhöhteIdentifikation mit dem Unternehmen.Letztlich ist eine Kommunikationskultur in Unternehmen anzustreben, die Offenheit und Transparenz auf beidenSeiten zeigt.

Diese Kultur muss gelebt werden unddarf nicht in Leitbildbroschüren verküm-mern. Kommunikationskultur muss auch eine Fehlerkultur beinhalten. Dies ist ein Miteinander, das den Lerneffektaus Fehlern stärker bewertet und nicht die Suche nach dem Schuldigen in den Vordergrund stellt. Die ständige Veränderung der Arbeitswelt bedeutet für die Mitarbeiter lebenslanges Lernen.

Die Voraussetzungen sind dafür vom Unternehmen zu schaffen, aber die Mit-arbeiter müssen die Angebote nutzen und erkennen, dass sie selbst am meistendavon profitieren. Gerade für ältere Mit-arbeiter sind dazu spezielle Programmenotwendig. Das Lernen Älterer ist ein anderes Lernen, als des jungen Azubi unddies gilt insbesondere für Mitarbeiter, die keine besondere Leidenschaft zum Lernen und Lesen mitbringen.

Für ältere Arbeitnehmer sollten speziellearbeitsmedizinische Vorsorgeprogrammeeingeführt werden, aber nicht mit demZiel der Eignungsüberprüfung, sondernder frühzeitigen Intervention bei arbeits-

bedingten psychischen Gesundheits-störungen. Dies kann dazu beitragen,dass frühzeitig rehabilitative Maßnahmendurchgeführt werden.

Im Sinne der Prävention von Erkrankun-gen können sich daraus ergonomischeMaßnahmen bzw. Änderungen derArbeitsorganisation ergeben. Leider wird gerade bei diesen psychischen oder psychosomatischen Veränderungen die Diagnose oft viel zu spät gestellt oder gar erst dann, wenn bereits nicht nur Befindlichkeitsstörungen entstanden sind, sondern manifeste Krankheits-bilder.

Hier – glaube ich – kann durch spezi-fische ganzheitliche Programme wesent-lich mehr Prävention erreicht werden als durch mechanistische G-Unter-suchungen, Gehöruntersuchungen oderAbspulen von Herz-Kreislauf-Tests.

Von vielen Beschäftigten wird als wesent-licher Stressfaktor Hektik und Zeitdruckangegeben. Die Ursachen sind indivi-duell zu ermitteln. Grundsätzlich gilt, dassungewohnte Situationen Hektik undStress schaffen. Dabei sind Unerfahren-heit und mangelndes Training häufige Ursachen. In automatisierten Prozessenist der Umgang mit der Störungsbewäl-tigung und dem manuellen Eingreifen ein schwieriger aber sehr wesentlicherPunkt, der einen großen Stress fördern-den Faktor darstellt. Solche Störungensind oft dank ausgereifter Technik sehrselten, aber gerade deswegen wird dieBewältigung umso schwieriger.

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Dramatische Beispiele gibt es in der Serie großer GAU’s, wie z. B. Harrisburg,und daher sollten Unternehmensfüh-rungen viel stärker auf die Simulation undDurchsprache der Strategien zurStörungsbeseitigung gemeinsam mit denBeschäftigten setzen. Hier liegt eingroßes Potenzial brach.

Dies betrifft das Einbringen von Erkennt-nissen der Mitarbeiter als auch die Ver-mittlung von Erfahrungen im Team unddies gilt insbesondere für Schichtarbeits-

weise. Gerade solche Simulationsstra-tegien für kritische Situationen sind einTeil des lebenslangen Lernens, aber auch gleichzeitig eine Maßnahme zurStressvorbeugung.

Mitarbeiter mit starker Belastung durchneue Informationstechniken haben zu wenig körperliche Betätigungen. Ange-bote zum gezielten Freizeitausgleich sind notwendig, aber auch betriebsärztlicheInterventionen mit dem Hinweis der not-wendigen körperlichen Aktivität (Bild 5-3).

Bild 5-3: Verhaltensprävention durch Sport

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Im sitzenden Beruf wird die Pflege derMuskulatur durch regelmäßiges Trainingein unabdingbares Muss und ist gleich-zeitig ein Ausgleich zum Stressabbau.

Aus meiner Sicht ist daher die wichtigste Erkenntnis, im Betrieb und uns als Fachleuten für die Gesundheit deutlich zumachen:

Stressabbau = Produktivitätssteigerung

Zusammenfassend möchte ich Ihnen Folgendes sagen:Stress ist das Salz des Lebens (Hans Selye).

Ein Leben ohne Stress ist nicht mög-lich, aber zu viel Stress ist gesund-heitsschädigend. Das „zu viel“ finden ist Aufgabe für Unternehmen und ihre Betriebsärzte.

Ein Unternehmen ist gut beraten, alleChancen zu nutzen:

● situationsbedingten Stresszu vermeiden,

● unvermeidlichen Stress abzubauenbzw. Bewältigungsstrategien zu erarbeiten,

● nicht unnötigen Stress bei anderen aufbauen.

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6.1 Grundbedingungen für die Entwicklung von Checklisten für dieGroberfassung

Die Fülle und die Qualität der neuen Aufgaben, die sich aus den Forderungender EG-Richtlinien ergeben, lässt Unter-nehmer, Sicherheitsfachkräfte, Arbeits-mediziner, Betriebs- und Personalräteüberlegen, wie sie diese Aufgaben mit maximalem Effekt und minimalemEinsatz (Personal, Zeit, Kosten) erfüllenkönnen.

Die Entwicklung von Checklisten für die Arbeitsplatzanalysen ist ein ersterSchritt in diese Richtung.

Zielstellung sollte sein, für viele An-wender Möglichkeiten zu schaffen, diese Erhebungsverfahren einsetzen zu können.

Die Nutzung arbeitspsychologischer Erkenntnisse hängt nicht zuletzt davon ab, wie es gelingt, arbeitspsycholo-gische Instrumentarien für einen Scree-ning-Einsatz zu entwickeln (RICHTER, P., 1994).

MOLNAR (1994) gibt konkrete Hinweisefür die Entwicklung von Checklisten, mit deren Hilfe Nichtpsychologen in derLage sind, psychische Belastungen imScreening-Einsatz zu erfassen:

● Ist die Handhabung an ein allzu wissen-schaftliches Niveau gebunden oder allzu aufwändig und unökono-

misch, dann schränkt sich die Gruppe derer, die damit umgehen kön-nen, auf ein Minimum ein.

● Ein Erhebungsverfahren kann nicht zwei widersprüchliche Anforde-rungen zugleich lösen: Es kann nicht genau und wissenschaftlich korrekt alle Wechselwirkungen zwi-schen Arbeitsumfeld und Mensch erfassen und zugleich zeitökonomischund einfach zu handhaben sein.

● Die Beschreibung von äußeren Be-dingungen sagt lediglich auf der Basis der „gesicherten arbeitswissenschaft-lichen Erkenntnisse“ etwas darüberaus, ob das Auftreten von Bean-spruchungen statistisch wahrscheinlichist. Es ist jedoch keine Aussage zumkonkreten Einzelfall möglich.

● Alle leicht mess-, wäg- und zählbaren„objektiven“ Tatsachen sind mit Hilfevon Checklisten leichter zu erfassen alsdie Bereiche, die sich mit dem „Sub-jektiven“ befassen.

● Das bloße Erfassen über das Vorhan-densein oder Nichtvorhandensein von Belastungsfaktoren lässt die Wech-selwirkung zwischen Mensch und Umwelt außer Acht.

Diese Hinweise wurden für die Ent-wicklung der in Abschnitt 6.4 enthaltenenChecklisten berücksichtigt.

Diese Checklisten erlauben Nichtpsy-chologen in kurzer Zeit eine grobe Orien-

6 Checklisten

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tierung über das Vorhandensein oderNichtvorhandensein beeinträchtigenderFolgen psychischer Belastung der untersuchten Arbeitstätigkeiten. Nebender Erfassung von Tätigkeitsmerkmalenist es möglich, Merkmale der Leistungund des Verhaltens zu erfassen. Die Ergebnisse der Checklisten haben hinwei-senden Charakter und stellen keinen Anspruch auf wissenschaftliche Korrekt-heit.

Die hier vorgelegten Checklisten sind mit Prüflisten, wie sie im Arbeitsschutzhäufig eingesetzt werden, gleichzu-setzen. Sie sind daher noch nicht validiertund entsprechen nicht den testtheore-tischen Gütekriterien arbeitspsy-chologischer Verfahren. Die Vergleich-barkeit der Ergebnisse ist dadurch einge-schränkt.

Die in den Checklisten enthaltenen Merkmale sind literaturgestützt abgeleitet und entsprechen im Wesentlichen den arbeitspsychologischen Erkenntnis-sen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben.

Die Checklisten dienen der Beurteilungder beeinträchtigenden Folgen psy-chischer Belastungen bei der Ausführungvon Arbeitstätigkeiten. Eine Bewertungdes Beanspruchungserlebens einzelnerBeschäftigter ist auf der Grundlage der erhobenen Daten nicht möglich! 1)

6.2 Checklistenaufbau

Aufgrund der unterschiedlichen Ursachenfür die beeinträchtigenden Folgen psy-chischer Belastung und Beanspruchungwird in der vorliegenden Arbeit für Stress, psychische Ermüdung, Monotonieund psychische Sättigung jeweils eine eigene Checkliste zur Groberfassungbereitgestellt. Durch die Bereitstellungvon Merkmalen aus unterschiedlichenBereichen soll die Groberfassung der genannten beeinträchtigenden Folgenerleichtert werden.

Außerdem soll die Wechselbeziehungzwischen Mensch und Umwelt Berück-sichtigung finden. Jede Checkliste enthältdeshalb Tätigkeitsmerkmale, Merk-male aus den Bereichen Leistung undVerhalten und zu beachtender Arbeits-umgebungsbedingungen, welche die Wir-kung der Tätigkeitsmerkmale verstärken können.

6.3 Checklisteneinsatz

Grundvoraussetzung für den Einsatz der Checklisten zur Groberfassung beein-trächtigender Folgen psychischer Be-lastung und Beanspruchung im Betriebist das Einverständnis aller Verantwort-lichen und Beteiligten: Unternehmer,Führungskräfte, Beschäftigte, Betriebs-und Personalräte usw. Die Erfassung derbeeinträchtigenden Folgen erfolgt ge-trennt für jede Arbeitstätigkeit. Damit ist

1) Die Tätigkeiten sollen beurteilt werden, nicht die Person!

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es möglich, Arbeitstätigkeiten als ge-schlossene Einheit zu bewerten, die auchan unterschiedlichen Arbeitsplätzen ausgeführt werden.

Außerdem ist die Bewertung von Tätigkeiten möglich, die von mehrerenBeschäftigten ausgeübt werden. 2)

Für die Erfassung der Merkmale der vier Bereiche sind die Beobachtung derArbeitstätigkeiten und die Befragung der Beschäftigten zu nutzen. Bei Tätig-keiten, die von mehreren Beschäftigtenausgeübt werden, könnten auch Sicherheitszirkel für die Datenerhebungdurchgeführt werden.

Die Einbeziehung der Beschäftigten in die Analyse, Bewertung und Gestaltungder Arbeitstätigkeiten, z. B. in einemSicherheitszirkel, fördert die Akzeptanzder Ergebnisse und der Maßnahmen, motiviert die Mitarbeiter und führt zu Zeit-ersparnissen bei den Untersuchungen(HILLA, 1994).

Jedes Merkmal wird, wenn es zutrifft, mit „ja“ oder, wenn es nicht zutrifft, mit„nein“ beantwortet.

Die Einsatzzeiten variieren in Abhängig-keit von den Erfahrungen der Unter-sucher. Da die hier vorgelegten Check-listen keinen großen Merkmalsumfangaufweisen, wird die Zeitökonomie für dieDatenerhebung gewährleistet sein.

Bisherige Erfahrungen 3) haben gezeigt,dass eine kurze Einführung über Ziel,Sinn und Ergebnisse der Checklistensinnvoll ist. Das kann einzeln oder inGruppen erfolgen. Der Einsatz aller vierChecklisten je Arbeitnehmer hat danach20 bis 30 Min. gedauert.

Die Checklisten können zur Selbst- und Fremdeinschätzung angewendetwerden.

6.4 Checklisten

Die folgenden Checklisten wurden in verschiedenen Projekten der TU Dresdenin Zusammenarbeit mit der Maschinen-bau- und Metall-Berufsgenossenschaft(AD Dresden) eingesetzt.

Die Auswertungen der Ergebnisse habengezeigt, dass psychische Belastungenmit den Checklisten grob erfasst werdenkönnen. Die Checklisten werden deshalbin den „Leitfaden für die Gefährdungs-beurteilung“ in Deutschland (Gruber;Mierdel; 2000), den „Leitfaden für die Gefährdungsermittlung und Risikobe-urteilung“ in der Schweiz (Gruber; Grüter;Knutti, 2000) und in eine Handlungshilfefür Praktiker (Teil 2): Erkennen, Beurteilenund Verhüten von Fehlbeanspruchungen(Debitz; Gruber; Richter, G., 2001) auf-genommen.

2) Die ermittelten Daten im Leistungs- und Ver-haltensbereich sollten dann anonym behandeltoder als Gruppenwert dargestellt werden.

3) Bekannt ist der Einsatz der Checklisten an meh-reren Arbeitsplätzen in versicherten Betriebender Maschinenbau- und Metall-BG durch Debitz(In: Debitz; Gruber; Richter, G., 2001).

61

Welche Merkmale könnten für Ihre Arbeit ebenso zutreffen?

Worauf würden Sie bezüglich Ihrer Arbeit zusätzlich hinweisen?

Arbeitsbereich/Berufsgruppe:*)Arbeitstätigkeit:*)

Checkliste 1: Stress

Stress … Konflikt zwischen den Anforderungen der Arbeitsaufgabe und demLeistungsvermögen, der als bedrohlich, kritisch und unausweichlich erlebt wird. Der Beschäftigte sieht sich unter dem Druck von Aufgaben, die er seiner Einschätzung nach nicht hinreichend bewältigen kann.

In der Liste sind Merkmale enthalten, die das Erleben von Stress bei der Arbeit kenn-zeichnen. Treffen diese für Ihre Arbeit zu?

Hinweis: Merkmale 8–13 entfallen bei Fremdeinschätzung.

Bei meiner Arbeit

Habe ich zu hohe Verantwortung

Kommen Termin- oder Zeitdruckhäufig vor

Gibt es häufig Störungen oder Unterbrechungen

Gelten enge Vorgaben für die Ausführung meiner Arbeit

Treffe ich Entscheidungen ohneausreichende Informationen und unzureichende Entscheidungs-hilfen

Gibt es widersprüchliche Anforderungen, z. B. Konflikte zwischen Termineinhaltung undQualität

Werde ich zu wenig von meinen Kollegen und Vorgesetzten unterstützt

Übersehe oder übergehe ich überdurchschnittlich häufig Informationen

Habe ich das Gefühl, dass ich dieÜbersicht verliere

Mache ich häufiger Fehler

Bin ich mir unsicher, ob ich allesrichtig mache

Bin ich unruhig und nervös

Habe ich Angst, dass ich meine Arbeit nicht schaffe

Liegen zusätzlich andere Einflüsse vor,z. B.

Soziale Spannungen

Ist häufig zu wenig Personal da

Ist die Zukunft meiner Abteilungoder des Betriebes unsicher

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*) Angaben bei Bedarf

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Welche Merkmale könnten für Ihre Arbeit ebenso zutreffen?

Worauf würden Sie bezüglich Ihrer Arbeit zusätzlich hinweisen?

Arbeitsbereich/Berufsgruppe:*)Arbeitstätigkeit:*)

Checkliste 2: Psychische Ermüdung

Psychische Ermüdung … Zustand der Erschöpfung, der nach längerer Tätigkeits-dauer oder erhöhter Aufgabenschwierigkeit entsteht, z. B. infolge von Informations-überflutung.

In der Liste sind Merkmale enthalten, die das Erleben von psychischer Ermüdung bei derArbeit kennzeichnen. Treffen diese für Ihre Arbeit zu?

Hinweis: Merkmale 7–12 entfallen bei Fremdeinschätzung.

Bei meiner Arbeit

Übe ich nur bearbeitende oder ausführende Tätigkeiten aus

Muss ich für meine Tätigkeit nichtsvorbereiten und organisieren undbrauche auch den Ablauf oder dieErgebnisse nicht zu kontrollieren

Erhalte ich kaum Rückmeldungenüber den Arbeitsablauf oder die Arbeitsergebnisse

Habe ich keine oder zu geringeMöglichkeiten zur Kooperation oderKommunikation mit Kollegen

Arbeite ich in einseitigen Körperhaltungen oder in Zwangshaltungen

Habe ich Bewegungsmangel

Benötige ich zunehmend mehr Zeitfür die Tätigkeitsausführung

Werden mir eigene Fehlleistungenerst später bewusstFühle ich mich erschöpft und müdeLässt meine Konzentration nachMuss ich meine Müdigkeit überwindenHabe ich ein starkes Erholungs-bedürfnis

Liegen zusätzlich andere Einflüsse vor,z. B.

Mangelhafte Wahrnehmungs-bedingungen (z. B. verursacht durchungenügende Beleuchtung, Staub,Dämpfe u. Ä.)Schlecht gestaltete Arbeitsmittel(z. B. ungünstige Lage der Anzeigenoder Stellteile)

Störende Arbeitsumgebungs-bedingungen (z. B. Lärm)

*) Angaben bei Bedarf

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Welche Merkmale könnten für Ihre Arbeit ebenso zutreffen?

Worauf würden Sie bezüglich Ihrer Arbeit zusätzlich hinweisen?

Arbeitsbereich/Berufsgruppe:*)Arbeitstätigkeit:*)

Checkliste 3: Monotonie

Monotonie … Zustand der Langeweile, der durch Reizmangel ausgelöst wird und zurwellenförmigen Herabsetzung der Aktivierung führt, z. B. bei Überwachungs- undSteuertätigkeiten, bei Nachtschichtarbeit.

In der Liste sind Merkmale enthalten, die das Erleben von Monotonie bei der Arbeit kenn-zeichnen. Treffen diese für Ihre Arbeit zu?

Hinweis: Merkmale 8–13 entfallen bei Fremdeinschätzung.

Bei meiner Arbeit

Handelt es sich vorwiegend um eine ausführende Tätigkeit (z. B. Kontrolle von Abläufen u. Ä.)

Ist die Tätigkeit anregungsarm

Kehren einförmige Verrichtungenimmer wieder

Muss ich die ganze Zeit aufmerk-sam sein, ohne dass ich etwas anderes tun kann oder muss

Kann ich mit niemandem zusammenarbeiten

Kann ich mit keinem reden

Nutze ich meine Fähigkeiten undKenntnisse zu wenig

Fühle ich mich unterfordert

Sinkt meine Leistung immer wieder ab

Benötige ich mehr Zeit, bis ich reagiere

Führe ich Nebentätigkeiten ausoder meine Gedanken schweifen trotz geforderter Daueraufmerksamkeit ab

Langweile ich mich

Döse, dämmere oder träume ichvor mich hin

Liegen zusätzlich andere Einflüsse vor,z. B.

Ist mein Arbeitsraum überheizt

Ist mein Arbeitsraum zu dunkel

Kehren gleichförmige Geräuscheimmer wieder

*) Angaben bei Bedarf

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Welche Merkmale könnten für Ihre Arbeit ebenso zutreffen?

Worauf würden Sie bezüglich Ihrer Arbeit zusätzlich hinweisen?

Arbeitsbereich/Berufsgruppe:*)Arbeitstätigkeit:*)

Checkliste 4: Psychische Sättigung

Psychische Sättigung … Zustand unlustbetonter und ärgerbedingter Gereiztheit beifehlender Sinnhaftigkeit der Tätigkeit oder unüberbrückbare Diskrepanzen zwischen be-stimmten Aspekten des Tätigkeitsinhaltes oder der Ausführungsbedingungen und eigenen Zielen.

In der Liste sind Merkmale enthalten, die das Erleben von psychischer Sättigung bei derArbeit kennzeichnen. Treffen diese für Ihre Arbeit zu?

Hinweis: Merkmale 7–15 entfallen bei Fremdeinschätzung.

Bei meiner Arbeit

Bin ich zeitlich streng gebunden

Habe ich strenge inhaltliche Vorgaben

Habe ich keine Möglichkeit, der Aufgabe zu entfliehen

Werde ich nicht ausreichendinformiert

Erhalte ich kaum Rückmeldungen

Habe ich zu wenig Verantwortung

Werde ich qualifikationsfremdeingesetzt

Mache ich „Dienst nach Vorschrift“

Kann ich mich zu wenig einbringen

Nehmen Menge und Güte meinerArbeitsergebnisse ab

Entferne ich mich häufig vonmeinem Arbeitsplatz

Ist mir der Sinn und Nutzen meinerTätigkeit für das Gesamtergebnis(der Arbeitsgruppe, des Betriebes)unklar

Trete ich auf der Stelle und kommenicht vorwärts

Bin ich missgestimmt, ärgerlich undgereizt

Bin ich unzufrieden

Liegen zusätzlich andere Einflüsse vor,z. B.

Führungsmängel

Schlechtes Betriebsklima, Mobbing

Sind die materiellen Arbeitsvoraussetzungen schlecht(z. B. der Arbeitsraum, die Arbeits-geräte, das Arbeitsmaterial, …)

*) Angaben bei Bedarf

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6.5 Hinweise zur Datenauswertung

Die Datenauswertung erfolgt quanti-tativ bezogen auf die Anzahl der angekreuzten Antworten. Je mehr Merk-male in einer Checkliste zutreffen, desto eher muss das Vorliegen beein-trächtigender Folgen angenommen werden, sodass eine beanspruchungs-optimale (Um-)Gestaltung der Tätig-keit erforderlich wird.

Eine qualitative Auswertung der Ant-worten ist unabhängig von deren Anzahl möglich, wenn die Merkmale von den Beschäftigten als bedeutsam angegeben werden. Auch daraus können sich Gestaltungserfordernisse ergeben.

Debitz (In: Debitz; Gruber; Richter, G.,2001) hat für Arbeitsgruppen einen pro-zentualen Anteil für die angegebenenMerkmale je Checkliste errechnet. Für die Ableitung von Gestaltungsnotwendig-keiten kann aber noch ein Grenzwert angegeben werden.

Hinweis:

Für feinere Analysen zur Ermittlungbeeinträchtigender Folgen und für dieUmgestaltung von Arbeitstätig-keiten mit dem Ziel, Über- und Unter-forderungen zu vermeiden, wird die Zusammenarbeit mit Arbeits-, Be-triebs- und Organisationspsycho-logen empfohlen.

Ein Vergleich der Ergebnisse von Selbst-und Fremdeinschätzung kann auf den folgenden Arbeitsblättern vorgenommenwerden. Bei der Fremdeinschätzung sind die Felder der Leistungs- und Erlebensmerkmale geschwärzt, da dieseMerkmale der Beobachtung nicht zu-gänglich sind.

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Kurzcheck: Sind psychische Belastungen bei der Umsetzungdes ArbSchG beachtet worden?

Sind Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastungen bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes beachtet worden? □ Ja □ Nein □ Teilweise

Wenn „Ja“ oder „Teilweise“

Nach Meinung des BR ausreichend? □ Ja □ Nein

Ist die Tätigkeit berücksichtigt worden? □ Ja □ Nein

Ist die Arbeitsumgebungdabei berücksichtigt worden? □ Ja □ Nein

Ist die Arbeitsorganisation berücksichtigtworden? □ Ja □ Nein

Sind mögliche Hierarchieproblemeberücksichtigt worden? □ Ja □ Nein

Sind die sozialen Bedingungenberücksichtigt worden? □ Ja □ Nein

Notizen:

Sind die Beschäftigten selbst an der Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen ausreichend beteiligt worden und konnten sie Vorschläge machen? □ Ja □ Nein □ Teilweise

Wenn „Nein“ oder „Teilweise“, was muss getan werden,wo ist dies am dringendsten erforderlich?

Notizen:

69

Bin ich erholungsunfähig?Mein persönliches Stressbarometer

Meine Arbeit pulvert mich manchmal so auf,dass ich gar nicht mehr zur Ruhe komme

Ich schlafe schlecht ein, weil mir oftBerufsprobleme durch den Kopf gehen

Es fällt mir immer wieder schwer,Zeit für persönliche Dinge(zum Beispiel Friseur) zu finden

Auch im Urlaub muss ich häufigan Probleme meiner Arbeit denken

Ich strenge mich oft bei meiner Arbeitso an, dass man es sicher nichtsein ganzes Leben durchhalten kann

Es fällt mir schwer,nach der Arbeit abzuschalten

1 Punkt: Stimmt gar nicht

2 Punkte: Stimmt etwas

3 Punkte: Stimmt einigermaßen

4 Punkte: Stimmt genau

Zutreffendes bitte ankreuzen und Punkte addieren.

Mein persönliches Ergebnis:Für 30- bis 50-jährige Männer müssen Werte größer 17 und für gleichaltrigeFrauen Werte größer 18 als auffällig hinsichtlich eingeschränkter Erholungsfähig-keit eingestuft werden.

Aus: IG Metall-Arbeitsmaterialien „Gesünder arbeiten“, Stand: Januar 2001

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Stressfaktoren erkennen, Stress vermeiden!

Im Betrieb ist es Aufgabe der Verantwortlichen, Arbeitsbedingungen so zu ge-stalten, dass keine erhöhten Belastungen auftreten und Dauerstress vermiedenwird. Dazu wird regelmäßig in gewissen Abständen eine Beurteilung der Arbeits-bedingungen vorgenommen.

Jeder kann und sollte auch an seinem Arbeitsplatz selbst dazu beitragen, Über-belastungen zu vermeiden. Ein Fragebogen zur Selbstanalyse stressender Fakto-ren (Stressoren) soll dabei helfen.

Fragebogen zur Selbstanalyse Stress

Der Fragebogen nennt Stress auslösende Faktoren und ermöglicht ihre subjektiveBewertung. Er kann ergänzt werden.

Der Fragebogen ist ein einfaches Grobanalyseinstrument für Laien. Sind die Er-gebnisse bedenklich, empfiehlt es sich, Fachleute im Betrieb, z. B. den Betriebs-arzt, hinzuzuziehen. Mit ihrer Hilfe und den Vorgesetzten lassen sich gemeinsamStressfaktoren reduzieren. Im Einzelfall kann es auch ratsam sein, die betrieblicheInteressenvertretung einzuschalten.

Anleitung zum Fragebogen

Gehen Sie bitte den Fragebogen durch. Prüfen Sie, wieweit die Aussagen auf Sie,Ihre Gewohnheiten und die Bedingungen, unter denen Sie leben, zutreffen.Entscheiden Sie, wie häufig die Situation bei Ihnen auftritt und wie unangenehm sieIhnen ist. Setzen Sie ein Kreuz in die entsprechenden Kästchen und multiplizierenSie Werte für Häufigkeit und Bewertung miteinander. Tragen Sie das Produkt in dieSpalte Ergebnis ein. Wiederholen Sie Ihre Selbstanalyse nach einigen Wochen undvergleichen Sie die Ergebnisse.

Je höher das Endergebnis, umso größer ist die Stressbelastung.

Quelle: Der Stress, TK-Broschüre zur gesundheitsbewussten Lebensführung

Selbsthilfe Stress:Ein Fragebogen zur Stressbelastung

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Häufigkeit x Bewertung = Belastung

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Ergebnismal störend störend störend störend

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Termindruck

Zeitnot, Hetze

Dienstreisen

Ungenaue, wider-sprüchliche Anwei-sungen und Vorgaben

hohe Verantwortung

Aufstiegswettbewerb,Konkurrenzdruck

Konflikte mit Kollegen

Konflikte mitUntergebenen

Ärger mit dem Chef

Ärger mit Kunden

UngerechtfertigteKritik an mir

dauerndes Telefon-klingeln und andereStörungen

Informations-überflutung

neuer Aufgaben- oderVerantwortungsbereich

Lärm

hochkomplexeAnforderungen

Anruf vonVorgesetzten

Autofahren inStoßzeiten

Rauchen

Alkoholgenuss

Bewegungsmangel

hohe Eigenansprüche

mangelhafteUnterstützung

fehlende Vorbereitung

eingeschränkterHandlungs- und Ent-scheidungsspielraum

Endergebnis

MöglicheStressoren

72

● Debitz, U., Gruber, H., Richter, G. (2003):Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz, Teil 2, „Erkennen, Beurteilen und Verhüten von Fehlbeanspruchungen“, Verlag Technik & Information e.K., Bochum

● Richter, G. (2000): Psychische Belastung und Beanspruchung „Stress, psychische Ermüdung, Monotonie, psychische Sättigung“, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeits-schutz und Arbeitsmedizin, Fa 36, Wirtschaftsverlag NW 2000, Bremerhaven

● Hoyos, C. Graf (1980):Psychologische Unfall- und Sicherheitsforschung, Kohlhammer, Stuttgart

● Wenchel, K.-T. (2003):Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz, Teil 1 „Orientierungshilfe“Verlag Technik & Information e.K., Bochum

● Stress im Betrieb:IG Metall-ArbeitshilfeZu bestellen bei: Union-Druckerei, Theodor-Heuss-Allee 90–98, 60486 Frankfurt am Main, Telefon (0 69) 7 95 21 71, Fax (0 69) 79 5 22 42

● Stress im Betrieb:Handlungshilfen für die Praxis, kostenlos bei: Bundesanstalt für Arbeitsschutzund Arbeitsmedizin, Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon (02 31) 9 07 10, Fax (02 31) 9 07 14 54

● Adelt, P., Grimmer, W. & Stephan, E. (2000):Autofahrer-Typen auf Deutschlands Straßen, Buchveröffentlichungzur „Sicher Direct Studie ’97“, Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, Verlag für neue Wissenschaft, ISBN 3-89701-412-2

● Ducki, A. (1998):Ressourcen, Belastungen und Gesundheit. In E. Bamberg, A. Ducki & A. M. Metz (Hrsg.), Handbuch Betriebliche Gesundheitsförderung (S.145–154).Verlag für Angewandte Psychologie, Göttingen

● Schubert, H.-J. & Zink, K. J. (1990):Partizipation – Psychologische Grundlagen eines Leitprinzips von Arbeits- und Organisationsgestaltungsmaßnahmen, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 44, Seite 82 bis 89.

7 Literaturangaben

73

● Kotter, J. P. (1996):Chaos, Wandel, Führung (Leading Change), deutsche Ausgabe von Leading Change, Harvard Business School Press

● Arning, M. (1999):Fachinformationssystem zur Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren (FIPAG). Gesund + Sicher 7/99, Seite 301 bis 303, Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft (Hrsg.)

● Der Stress:„TK-Broschüre zur gesundheitsbewussten Lebensführung“, Techniker Krankenkasse (Hrsg.), 9. Auflage 2000

● Pickshaus, K., Schmitthenner, H. & Urban, H.-J., (Hrsg.) 2001,„Arbeiten ohne Ende“

● „Neue Arbeitsverhältnisse und gewerkschaftliche Arbeitspolitik“,VSA-Verlag, Hamburg, ISBN 3-87975-833-6

Notizen

74

75

Notizen

76

Notizen

77

Hauptverwaltungund Prävention

Präventionsdienst/Außenstelle

Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd (BGM)

Maschinenbau- und Metall-BG (MMBG)

Maschinenbau- und Metall-BG (MMBG)Hütten- und Walzwerks-BG (HWBG)

Zuständigkeitsbereiche derVereinigung der Metall-Berufsgenossenschaften (VMBG)

Hessen

Thüringen

Sachsen

Brandenburg

Mecklenburg-Vorpommern

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Baden-Württemberg

Bayern

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

Saarland

Rostock●

Hamburg●

Bremen●

Berlin●

Leipzig●

Dresden●

Chemnitz●

Erfurt●Bad Hersfeld ●

Dortmund●

Bielefeld ●

Nürnberg●Mannheim●Saarbrücken●

Traunstein●München●Freiburg●

Stuttgart

Mainz

Düsseldorf

Köln●

Sachsen-Anhalt

Magdeburg●

Dessau●

Hannover

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Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft (MMBG)Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft (HWBG)

Vereinigung derMetall-Berufsgenossenschaften (VMBG)Federführung:Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft

40210 Düsseldorf · Kreuzstraße 45 Telefon (02 11) 82 24-0 · Telefax (02 11) 82 24-4 44 und 5 45Internet: www.vmbg.de 05

.07

33602 Bielefeld · Oberntorwall 13/14Telefon (05 21) 96 70 47-4Telefax (05 21) 9 67 04-99 E-Mail: [email protected]

06842 Dessau · Raguhner Straße 49 bTelefon (03 40) 25 25-1 04Telefax (03 40) 25 25-3 62E-Mail: [email protected]

44263 Dortmund · Semerteichstraße 98 Telefon (02 31) 41 96-1 28Telefax (02 31) 41 96-1 99E-Mail: [email protected]

01109 Dresden · Zur Wetterwarte 27Telefon (03 51) 8 86-32 13Telefax (03 51) 8 86-45 76E-Mail: [email protected]

40239 Düsseldorf · Graf-Recke-Straße 69Telefon (02 11) 82 24-8 38Telefax (02 11) 82 24-8 44E-Mail: [email protected]

51065 Köln · Berg. Gladbacher Straße 3Telefon (02 21) 67 84-2 65Telefax (02 21) 67 84-2 22E-Mail: [email protected]

04109 Leipzig · Elsterstraße 8 aTelefon (03 41) 1 29 91-17Telefax (03 41) 1 29 91-11E-Mail: [email protected]

39104 Magdeburg · Ernst-Reuter-Allee 45Telefon (03 91) 5 32 29-13Telefax (03 91) 5 32 29-11E-Mail: [email protected]

Außendienststellen der Präventionsabteilung

40210 Düsseldorf · Kreuzstraße 45Telefon (02 11) 82 24-0 · Telefax (02 11) 82 24-5 45

E-Mail: [email protected]

Präventionsabteilung

40210 Düsseldorf · Kreuzstraße 45Telefon (02 11) 82 24-0 · Telefax (02 11) 82 24-4 44

Internet: www.mmbg.de · www.hwbg.de

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Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd (BGM)

09117 Chemnitz · Nevoigtstraße 29Telefon (03 71) 8 42 22-0Telefax (03 71) 8 42 22-1 73 00E-Mail: [email protected]

10825 Berlin · Innsbrucker Straße 26/27Telefon (0 30) 7 56 97-3 33Telefax (0 30) 7 56 97-2 40E-Mail: [email protected]

18055 Rostock · Blücherstraße 27Telefon (03 81) 49 56-1 54Telefax (03 81) 49 56-2 50E-Mail: [email protected]

20149 Hamburg · Rothenbaumchaussee 145Telefon (0 40) 4 41 12-2 10Telefax (0 40) 4 41 12-2 96E-Mail: [email protected]

28195 Bremen · Töferbohmstraße 10Telefon (04 21) 30 97-2 30Telefax (04 21) 30 97-2 55E-Mail: [email protected]

30173 Hannover · Seligmannallee 4Telefon (05 11) 81 18-2 18Telefax (05 11) 81 18-5 69E-Mail: [email protected]

36251 Bad Hersfeld · Seilerweg 54Telefon (0 66 21) 4 05-2 20Telefax (0 66 21) 4 05-2 30E-Mail: [email protected]

55130 Mainz · Wilh.-Theodor-Römheld-Str. 15Telefon (0 61 31) 8 02-1 70 25Telefax (0 61 31) 8 02-1 58 00E-Mail: [email protected]

66119 Saarbrücken · Koßmannstraße 48-52Telefon (06 81) 85 09-1 44 10Telefax (06 81) 85 09-1 34 00E-Mail: [email protected]

68165 Mannheim · Augustaanlage 57Telefon (06 21) 38 01-1 47 36Telefax (06 21) 38 01-1 49 00E-Mail: [email protected]

70563 Stuttgart · Vollmoellerstraße 11Telefon (07 11) 13 34-1 70 87Telefax (07 11) 13 34-1 54 00E-Mail: [email protected]

79100 Freiburg · Basler Straße 65Telefon (07 11) 13 34-1 49 58Telefax (07 11) 13 34-1 44 00E-Mail: [email protected]

80639 München · Arnulfstraße 283Telefon (0 89) 1 79 18-1 98 39Telefax (0 89) 1 79 18-1 07 00E-Mail: [email protected]

83278 Traunstein · Kernstraße 4Telefon (0 89) 1 79 18-1 19 89Telefax (0 89) 1 79 18-1 94 00E-Mail: [email protected]

90403 Nürnberg · Weinmarkt 9-11Telefon (09 11) 23 47-1 46 29Telefax (09 11) 23 47-1 35 00E-Mail: [email protected]

99097 Erfurt · Lucas-Cranach-Platz 2Telefon (03 61) 6 57 55-1 76 29Telefax (03 61) 6 57 55-1 67 00E-Mail: [email protected]

55130 Mainz · Wilh.-Theodor-Römheld-Str. 15Telefon (0 61 31) 8 02-8 02Telefax (0 61 31) 8 02-1 28 00

Standorte der Präventionsdienste

30173 Hannover · Seligmannallee 4Telefon (05 11) 81 18-0Telefax (05 11) 81 18-2 00

E-Mail: [email protected]: www.bg-metall.de

Ausgabe 2003Bestell-Nr. BGI 60901.2008/3.800

Herausgeber:Vereinigung der Metall-Berufsgenossenschaften

Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft

Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft

Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd

Für Mitglieder anderer Berufsgenossenschaften zu beziehen durchCarl Heymanns Verlag GmbH; Ein Unternehmen von Wolters Kluwer Deutschland,Luxemburger Straße 449, 50939 Köln.