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Lunch - Seminar Gaspar Nemes: Bindung Demenz Kohärenz Von der Narrative Blindness bis zur Sozio/Neuro-Epigenetik Theoretische Grundlagen eines mentalisierungsbasierten Narrativtherapie-Konzepts bei Alzheimer-Krankheit (MENTA) Projektbetreuung : Prof. Dr. Dr. hc . Konrad Beyreuther (Direktor, NAR) Network Aging Research (NAR), Universität Heidelberg - 13. November 2013

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L u n c h - S e m i n a r

Gaspar Nemes:

Bindung – Demenz – Kohärenz

Von der Narrative Blindness bis zur Sozio/Neuro-Epigenetik – Theoretische Grundlagen eines mentalisierungsbasierten

Narrativtherapie-Konzepts bei Alzheimer-Krankheit (MENTA)

Projektbetreuung:

Prof. Dr. Dr. hc. Konrad Beyreuther (Direktor, NAR)

Network Aging Research (NAR), Universität Heidelberg - 13. November 2013

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Bindung

Demenz

Kognitive Reserve

Mentalisierung

Biographie/ Reminiszenz

N a r r a t i v e B l i n d n e s s – N e u r o - E p i g e n e t i k

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Projektbeschreibung

Gaspar Nemes: MENTA - Mentalisierungsbasierte Narrativ-Therapie bei Alzheimer-Krankheit

AD-Kranke können eine kohärente Erzählstruktur beschränkt verstehen, produzieren. Im Sinne meiner Narrative-Blindness-Hypothese stehen hinter der beeinträchtigten narrativen Kompetenz bei AD auf entwicklungs-bindungspsychologische, neuroanatomische und neuro-epigenetische Störungen zurückzuführende Defizite der Mentalisierungskompetenz. Diese stellen eine mentale Blockade zum Lesen sozialer Situationen dar. Mentalisieren heißt sich in Gedanken- und Gefühlswelt Anderer hineinversetzen und diese bzw. dadurch auch unsere eigene Kopfwelt als sinnvolles psychisches System verstehen zu können. Mein Ziel ist einerseits, die diffus-fragmentierte Selbst-Identität von Alzheimer-Kranken im kognitiv-affektiv stimulierenden Mentalisierungs-Kraft/Trainingsfeld von Erzählungen zu einem kohärenten lebensgeschichtlichen Ich-Text(il) neu zu weben. Diese mit MENTA neu kodierte Lebensgeschichte kann dann wirksame kognitive Reserven und Bewältigungsmuster in allen Bereichen eines Alzheimer-Lebens bereitstellen. Das andere Ziel meines Forschungsprojekts ist die Re-Habilitation der Narrativ- und Mentalisierungskompetenz von Alzheimer-Demenz-Kranken (De-Menz → Re-Menz) sowie die Förderung der Mentalisierungskompetenz von Therapeuten, Medizinern, Angehörigen.

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Bindungsforschung aktuell -

Theorie und Therapie

John M. Bowlby (1907-1990)

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Narrative Blindness I.

Theorie/Neuropsychologie: Narratives Gehirn →← Dysnarratives Gehirn

Mind Reading → Narrative Reading

Mind Blindness → Narrative Blindness

Praxis/Therapie:

MEntalisierungsbasierte Narrativ-Therapie bei Alzheimer-Krankheit (MENTA)

a) Re-Habilitation der Narrativ- und Mentalisierungskompetenz von Alzheimer-Demenz-Kranken

(De-Menz → Re-Menz)

b) Förderung der Mentalisierungskompetenz von Therapeuten, Medizinern, Angehörigen

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Narrative Blindness II.

Narrative Desorders – Dysnarrativia

Neurobiologische Störungen des fundamentalen Narrativ-Modus des Gehirns

FORMS OF DYSNARRATIVIA

Clinical Manifestation Neuroanatomic Substrate

Arrested narration Amygdala-hippocampal system

Unbounded narration Amygdala-hippocampal system plus frontal systems

Undernarration Orbitofrontal cortices

Denarration Dorsolateral/mesial frontal cortices

(Kay Young, Jeffrey L. Saver: The Neurology of Narrative, in: Imagining Minds, The Ohio State University, 2010, S. 185-195)

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Narrative Blindness III.

Schwache bzw. Starke Narrativitätshypothese Schwache Narrativitätshypothese • Inhalte des Gedächtnisses von Erzählungen unabhängig • Erzählungen erst im Zuge der Erinnerung notwendig • Erzählungen nur auf der Ebene der Rekonstruktion von Vergangenem wichtig Starke Narrativitätshypothese • Enkodierung von Gedächtnisinhalten durch Erzählungen geprägt • Erzählungen zu einem späteren Zeitpunkt notwendig für die Vergegenwärtigung von Gedächtnisinhalten und den Aufbau von Identität

x

Erzählungen werden also überall dort wirksam, wo es um episodisches Erinnern geht, um subjektive Erfahrung, und um Scripts sowie Handlungspläne für die Zukunft. (…) [D]as gesamte episodische und autobiographische Gedächtnis ist ohne Erzählungen nicht denkbar. Ohne die Form und Struktur, die erst Erzählungen einem diffusen Erlebnis verleihen, lässt sich dieses nicht erinnern. (nach Prof. Dr. Vera Nünning: Kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung und Narrationen, Vortrag am 28. April im Rahmen der 60. Lindauer Psychotherapiewochen 2010)

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Narrative Blindness IV.

Bindungsdesorganisation – Demenz – Relevance Blindness

Meine Hypothese:

„Relevance Blindness” sei letztendlich eine „Narrative Blindness” – die Relevanzen werden ja (im Sinne der bekannten diskursivpsychologischen Ansätze) gerade durch die – im Wesentlichen auf verkörperter Simulation, verleiblichten Interaktionsformen beruhenden – narrativen und (meta)diskursiven Praktiken gelernt.

Alzheimer-Demenz: mentale Blockade zum Lesen sozialer Situationen

- Studien belegen eindeutige Beeinträchtigungen der Mentalisierungskompetenz – sowohl kognitiv wie auch affektiv – bei Alzheimer-Demenz. (Untersuchungen bei gesunden Alten zeigen jedoch ganz widersprüchliche Ergebnisse!) - Bei Demenz führen die sich in frühen Kindheitsjahren durch unsicher-desorganisierte Bindungsverhältnisse mangelhaft ausgebauten sozial-kognitiven (und Brain-)Reserven bzw. Pragmatik-, Mentalisierungs- und Narrativ-Kompetenzen zu grundsätzlichen Verletzungen der Grice’schen Maximen (Maxime der Quantität, der Qualität, der Relevanz und des Stils/der Modalität) – zu schweren Pragmatik- und Konversations-/Diskurskompetenzstörungen also mit äußerst negativen Konsequenzen für die psychisch-mental-körperliche Verfassung der Kranken.

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Kognitive Reserve

Als kognitive Reserven oder Gehirnreserven, werden jene geistigen Potenziale bezeichnet, die der Mensch im mittleren Lebensabschnitt nicht benötigt, auf die er aber im Alter zurückgreift, wenn die kognitiven Fähigkeiten allmählich nachlassen. Eine gute kognitive Ausstattung verlängert die Zeitspanne, in der pathologische Hirnprozesse wie sie bei einer Demenz auftreten noch soweit kompensiert werden können, dass noch keine eindeutigen Defizite der geistigen Leistungsfähigkeit erkennbar werden. Rege geistige Tätigkeit, Bildung, berufliche Fertigkeiten, Sprachvermögen, ein reges Sozialleben führen zu einer ausgeprägten kognitiven Stimulation und verbessern Kompensationsstrategien. Diese Kompensationsstrategien vergrößern die kognitive Reserve. Umgekehrt ist durch niedrige Intelligenz, mangelnde geistige Tätigkeit und Bildung sowie Vereinsamung das Risiko einer Demenz erhöht. http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=914

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MIT ERDWÄRTS GESUNGENEN MASTEN fahren die Himmelwracks. In dieses Holzlied beißt du dich fest mit den Zähnen. Du bist der liedfeste Wimpel. (Paul Celan: Atemkristall)

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Flaschenpost – (Neuro)Hermeneutik – Alzheimer

Hans-Georg Gadamer: Wer bin Ich und wer bist Du? Kommentar zu Celans „Atemkristall”

Vorwort

„Paul Celans Gedichte erreichen uns - und wir verfehlen sie. Er selbst hat sein Werk als ’Flaschenpost’ verstanden, und wenn auch immer wieder einer, einer und ein anderer, diese Post findet und aufnimmt, überzeugt, daß er eine Botschaft empfing - was für eine Botschaft? Was wird ihm da gesagt? […] Es sind Entzifferungsversuche, wie die von fast unleserlich gewordenen Schriftzeichen. Niemand zweifelt, da stand etwas. Man muß vieles erwägen, erraten, ergänzen – und schließlich wird man entziffert haben, wird lesen und hören – und vielleicht richtig. Niemand kann meinen, vor solcher sorgfältigen Entzifferung etwas über die Botschaft dieser Verse wissen oder sagen zu können, ja, auch nur über die Sprache, in der sie geschrieben sind. Der Leser, der hier von langem Umgang Zeugnis ablegt, meint »Sinn« in diesen dunklen Schriftzügen gefunden zu haben, nicht immer einen eindeutigen Sinn, nicht immer einen »vollständigen« Sinn, oft hat er nur Stellen entziffert und vage Vermutungen, wie sein Verstehen (nicht etwa der Text) zu heilen sein könnte.”

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Kohärenz I.

Narrative und pragmatische Kohärenz – Narrativ- und Mentalisierungskompetenz

„Die sprachlichen Defizite des Alzheimerpatienten liegen weniger im Schwinden formal-syntaktischer Informationsbestände als vielmehr im Verlust von Bedeutungskonzepten, von Bedeutung an sich, von Sinnzusammenhängen und Kohärenz. Die Erkrankten sprechen bereits in frühen Stadien pragmatisch inadäquat.” (vgl. Prof. Dr. Friederike Schmöe: Zur linguistischen Interpretation sprachlicher Defizite bei Alzheimer-Demenz - http://tsu.edu.ge/data/file_db/faculty_humanities/germanishe%20studien.pdf#page=61)

Einige weitere wichtige Aspekte: - Um in der sozialen Welt erfolgreich navigieren zu können, müssen wir über die Fähigkeit verfügen, vorherzusagen, wie sich Menschen in unterschiedlichen Situationen verhalten. - Autobiographisch-narrative Kompetenzströrung: Die Blokade des Abrufs autobiographischer Erinnerungen führt zum Verlust des Identitätsgefühls/bewusstseins. - Das Wie und Was des Geschichtserzählens bzw. der Geschichtsinterpretation sind Projektionen der Psyche des Menschen – Die hoch entwickelte narrative Kompetenz ist Marker der mental-psychischen Gesundheit!

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Kohärenz II.

Schwache Zentrale Kohärenz

Definition von Evelyn Ferstl: Autistische Menschen verarbeiten die Reize in ihrer Umwelt oft fragmentarsich und einzelheitlich, Details werden nicht zu einem globalen ganzen integriert. Kommunikationsdefizite entstehen daraus, dass einzelne Äßerungen unverbunden bleiben, ohne in eine kohärente Geschichte verwoben zu werden – dies erinnert an das Konzept der fehlenden Narrativierung (Bruner und Feldmann) und erklärt unmittelbar die Überlappung zwischen Kohärenz- und ToM[Mentalisierungs- G.N.]-Prozessen (Ferstl und von Cramon). Andererseits erfasst dieser Ansatz soziale Auffälligkeiten und ToM-Defizite dadurch, dass die Einzelreize aus der Umwelt nicht zu einem persönlichkeits- oder Intentionszusammenhang integriert werden (Frith). Ferstl, EC, Theory-of-Mind und Kommunikation: Zwei Seiten der Medaille Gleichen? In H. Förstl (Hrsg.), Theory of Mind: Neurobiologie und Psychologie sozialen Verhaltens, 2te Auflage. Heidelberg: Springer.

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Kohärenz III.

Der Verlauf des stufenweisen Abbauprozesses der kognitiven Fähigkeiten auf der Zeichnungsserie eines Patienten. Er hatte die Aufgabe, ein gegebenes Bild abzuzeichnen. Zwischen der ersten und der letzten Zeichnung liegen 3 Jahre

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„Im Verlauf der schweren Stadien erkennt Horn schließlich auch die

Mitglieder der eigenen Familie nicht mehr; er wird aggressiv.

Wolken erscheinen als Spiegeleier.”

Carolus Horn (1921-1992)

(vgl. K. und U. Maurer: Kunst von Alzheimer-Patienten - Wie aus Wolken Spiegeleier werden, Gehirn&Geist 3/2003, S. 38-45)

Kohärenz IV.

Veränderte Realität – Bilder des Zerfalls

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Kohärenz V.

Aaron Antonovsky

und das Konzept des Kohärenzsinns (Sense of Coherence - SOC)

Kohärenzsinn

ist eine positive Grundhaltung des Individuums gegenüber der Welt und dem eigenen Leben. Diese Einstellung, die die Welt als Zusammenhang und sinnvoll erlebt, setzt sich aus 3 Komponenten zusammen: 1. Verstehbarkeit (comprehensibility) : Fähigkeit aus chaotischen Reizen der Umwelt einen verstehbaren Zusammenhang herzustellen; 2. Bewältigung/Handhabbarkeit (manageability) Fähigkeit unter Belastung innere und äußere Ressourcen zu mobilisieren; 3. Sinnhaftigkeit/Bedeutsamkeit (meaningfulness): Fähigkeit Belastungen und Anforderungen als sinnhaft zu erleben.

Menschen mit hohem Kohärenzsinn sind besonders stressresistent. (vgl. http://www.lenze-mediation.de/glossar.html?pid=55&sid=68:Koharenzsinn-nach-Antonovsky)

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Kohärenz VI.

Narrative Kohärenz – Narrative Identität – Narrative Maske

- Bei jedem Menschen ist die Identität seiner selbst eigentlich immer eine „erzählte (narrative) Identität“. Im Fortschreiten der Alzheimer Demenz wird diese vom Menschen erzählte Identität zunehmend zu einem virtuellen Objekt, eben einer Maske narrativer Natur. - Mit dem Begriff der „narrativen Maske” ist eine narrative Identität gemeint, welche unabhängig von den sonstigen Veränderungen der Identität relativ stabil vom Erkrankten erzählt wird und so wie ein maskenhaftes Selbstbild vor der für andere erkennbaren Identität steht. - Die narrative Maske erfüllt eine wichtige Aufgabe: Sie wird zu einer stabilen autopsychischen Orientierung. - Bei der Demenz vom Alzheimer-Typ werden Defizite überspielt und als Erfolge dargestellt. Die Erinnerungslücken füllt ein Dementer mit Einfällen, die er für Erinnerungen hält (vgl. Dysnarrativia: Unbounded Narration, Konfabulieren). - Ein Mensch im fortgeschrittenen Alzheimerstadium fällt aus der narrativen Erzählstruktur einer Gesellschaft heraus und ist keine Person mehr, der Würde zukommt. (nach Grazyna Gintner in „suite101.de”; vgl. Schlimme J, Kropp S., H.M. Emrich: Die „narrative Maske“ – Thesen zu einem philosophisch-anthropologischen Verstehen der Demenz vom Alzheimer-Typ. In: Fundamenta Psychiatrica, 1/2001, Schattauer)

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Schutzloses Erbgut 1 Stress wirkt sich auf die DNA aus, indem sie die Telomere, die Endstücke der Chromosomen, verkürzt. 2 Dies lässt die Zellen schneller altern und kann Krankheiten wie Krebs auslösen. 3 Aus der Länge der Telomere lässt sich rückschließen, wie viel Stress ein Organismus in der Vergangenheit ausgesetzt war. (Gehirn&Geist, 11/2013, S.68)

Telomer, Telomerase – LonGenity/Longevity Gens Project

Nir Barzilai

Aschkenasische Juden: Telomerlänge – Telomerasaktivität –

Langlebigkeit – Kohärentes lebensgeschichtliches Narrativ –

Sense of Coherence

Elizabeth Blackburn

(Siehe auch noch A. Falus , M. Kopp)

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Bindungstheorie ⇒ Verhaltensepigenetik ⇒ Sozio/Neuroepigenetik

Sozio-emotionale Bindung und „Das dynamische Epigenom” als Vermittler zwischen Umwelt und Genom:

„Stressnarben im adulten Gehirn”

Rezeption des Konzepts von Michael Meaney und Moshe Szyf in der bindungsorientierten Psychotherapie-Literatur (Buchheim, Emde, Holmes, Schiepek, Schultz-Venrath, Holsboer etc.)

- Överkalix, Niederländische Hungernot

Epigenetik als molekulare Bio-Graphie

Neuroepigenetik wird vermutlich einige der Mechanismen aufklären, die zwischen Genexpression und Neurophysiologie vermitteln und psychischer Entwicklung, Gedächtnis, Lernen und auch psychischen Beeinträchtigungen zugrunde liegen. Vielleicht kann sie auch bestätigen, dass ein gutes soziales Umfeld, gute Lern- und Lebensbedingungen und die Abwesenheit von existenzieller Bedrohung wesentliche Bedingungen für die physiologische Entwicklung des Gehirns sind. Das Beispiel des Traumas zeigt jedoch, dass dieses Wissen mit einer Biologisierung der gesellschaftlichen und der psychischen Dimensionen unserer Biographie einhergehen kann. (Vanessa Lux: http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/213/lux/epigenetik-molekulare-bio-graphie)

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Neuroepigenetik und Alzheimer I.

André Fischer

1 Jede Körperzelle enthält eine vollständige Kopie unseres gesamten Erbguts. Welchen Teil davon sie auf welche Weise nutzt, hängt auch von Umweltfaktoren ab. Diese beeinflussen zum Beispiel, wie fest verpackt einzelne Bereiche des Genoms vorliegen und wie leicht oder schwer sie deshalb zugänglich sind. 2 Auch durch Anheften oder Ablösen kleiner chemischer Gruppen können Enzyme Gene an- oder ausschalten. Und selbst nach dem Ablesen eines Gens kann die Herstellung des darin kodierten Proteins noch von kurzen RNA-Molekülen verhindert werden. 3 Nach jüngsten Erkenntnissen tragen solche Mechanismen bei Erkrankungen, die mit dem Untergang von Nervenzellen einhergehen, zu Fehlsteuerungen der Genaktivität bei. Mit Stoffen, die bestimmte Enzyme hemmen, ist es in Tierversuchen bereits gelungen, den krankhaften Prozess gezielt aufzuhalten. (Spektrum der Wissenschaft, Juli 2013, S. 30)

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Neuroepigenetik und Alzheimer II.

Narrativ-Therapie bei Alzheimer-Krankheit: De-Menz – Re-Menz

Erzählung als artifizierte stimulierende Umwelt (artif. Enriched Environment), also als komplexes kognitiv-affektives Stimulationsmodell zur Reaktivierung und Integration der für Mentalisierungs- und Narrativkompetenz verantwortlichen neuronalen Netzwerke.

Nicht interzellulär, sondern intrazellulär eingreifen!

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Erzählungen und die Integration der neuronalen Netzwerke

„Narrative Fiction as a Simulation of the Social World“

Geschichten zu erzählen ist ganz offenkundig eine Fähigkeit, die ein größeres Gehirn und verfeinerte sprachliche Fähigkeiten voraussetzt. Es dient im Allgemeinen zwar dazu, uns die Lektion unserer Kultur beizubringen, es erfüllt aber auch den Zweck, als Mittel der Homöostase und Integration der Gehirnfunktionen zu dienen. Wie das? Im Zuge der wachsenden Komplexität des Gehirns und der Entwicklung modularer Netzwerke, die für motorische, affektive, kognitive und soziale Funktionen zuständig sind, ist auch die Herausforderung gestiegen, diese Systeme zu organisieren und zu integrieren. Auch wenn wir für gewöhnlich annehmen, dass diese integrativen Funktionen in sich später entwickelnden frontalen (exekutiven) Strukturen zu lokalisieren sind, bleibt festzustellen, dass auch soziale Beziehungen und Erzählungen an diesen regulativen Prozessen beteiligt sind. (Louis Cozolino: Die Neurobiologie menschlicher Beziehungen, VAK, 2007, S. 379-382)

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Lesen macht empathisch/Lesen als Mentalisieren

Erzählungen als Gesellschaftssimulatoren und Trainingsräume der ToM/Mentalisierungskompetenz

(Vgl. R. Mar: The Neural Bases of Social Cognition and Story Comprehension, Annu. R ev. Psychol. 62/2011, S.103–34; K. Oatley: Lesen macht…empathisch, Gehirn &Geist, 21.06.2012, S. 24-28)

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MENTA – Sozio/Neuroepigenetik – Kognitive Umstrukturierung

Kognitive Verhaltens-/Schematherapie Viele grundsätzliche Impulse zur Umkodierung maladaptiver Schemata

Strukturierter Lebensrückblick

(R. Butler, A. Maercker, S. Forstmeier, Barbara und Barrett Haight)

Narrative Psychotherapie/Geronto-Narrativik Von Healing Stories zum Lebensbuch

Meine Kritik:

Mentalisierungsparadoxon

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MENTA – Aussichten

Kooperation

1. Mentalisierungsbasierte Therapie: Prämentalistische Modi (Äquivalenz, Als-Ob, Teleologische Denkweise) in Relation von desorganisierter Bindung, Narrative Blindness und Mentalisierungskompetenz-störungen bei AD; Therapiemanual; Peter Fonagy (London), Ulrich Schultz-Venrath (Köln/Bergisch-Gladbach) 2. Molekulare Genetik, Sozio/Neuroepigenetik: Epigenetik-Laboruntersuchungen zu intrazellulären Änderungen durch MENTA André Fischer (Göttingen), András Falus (Budapest) 3. Eigene empirische „Klosterstudien”: Narrativ-lebensgeschichtliche Interviews mit hochbetagten Zisterzienser-Nonnen Bischof Philipp Kocsis (Hajdúdorog/Budapest)

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