Biotechnologische Leckerbissen || Espresso am Strand

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Unser Lieblingskompo- nist Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) schrieb mit der »Kaffee- kantate« eine Liebeser- klärung an den Kaffee. Nur zwei Jahre vor Bachs Geburt kam man in Wien im Zuge der Türkenbelagerung auf den Kaffee- Geschmack. Bach veranstaltete mit seinem Collegium Musi- cum wöchentlich Konzerte im Zimmermannschen Kaffeehaus in der Leipziger Katharinenstraße. In dieser Zeit (1734/35) hat er auch seine Kaffeekantate komponiert. Wie der Meister kann auch ich mein armes Hirn am Mor- gen ohne Kaffee nicht recht starten. Sicher ist da auch Einbil- dung im Spiel. Nun kommen frohe Botschaften und Rechtfertigungen für alle Koffein-Narren ... Regelmäßiger Sport und ein bis zwei Tassen Kaffee täglich verringern die Wahrscheinlichkeit, an Hautkrebs zu erkranken. Das jedenfalls schließen Allan Conney und seine Kollegen von der amerikanischen Rutgers University in Piscataway, New Jersey, aus Versuchen mit sogenannten nackten Labor- mäusen. Eine Mäusegruppe tobte sich zwei Wochen lang in einem Laufrad aus. Einer zweiten Gruppe servierten die Forscher – nein: nicht Bohnenkaffee! – sondern mit Koffein versetztes Trinkwasser. Die Koffeinwerte im Blut entsprachen dann denen von Menschen, die täglich ein bis zwei Tassen Kaffee trinken. Eine dritte Mäusegruppe erhielt sowohl Trainingsgerät als auch die Koffeindrinks. Eine vierte Gruppe ging leer aus. Alle vier Gruppen wurden mit UV-Licht bestrahlt. Das Experiment zeigte, dass sowohl Koffein als auch das Fitnessprogramm die Selbstheilungskräfte der Haut aktivier- 109 Espresso am Strand 20.08.11 R. Renneberg, V. Berkling, Biotechnologische Leckerbissen, DOI 10.1007/978-3-642-37111-0_34, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Unser Lieblingskompo-nist Johann SebastianBach (1685-1750)schrieb mit der »Kaffee-kantate« eine Liebeser-klärung an den Kaffee. Nur zwei Jahre vor Bachs Geburt kamman in Wien im Zuge der Türkenbelagerung auf den Kaffee-Geschmack. Bach veranstaltete mit seinem Collegium Musi-cum wöchentlich Konzerte im Zimmermannschen Kaffeehausin der Leipziger Katharinenstraße. In dieser Zeit (1734/35)hat er auch seine Kaffeekantate komponiert.

Wie der Meister kann auch ich mein armes Hirn am Mor-gen ohne Kaffee nicht recht starten. Sicher ist da auch Einbil-dung im Spiel.

Nun kommen frohe Botschaften und Rechtfertigungen füralle Koffein-Narren ... Regelmäßiger Sport und ein bis zweiTassen Kaffee täglich verringern die Wahrscheinlichkeit, anHautkrebs zu erkranken.

Das jedenfalls schließen Allan Conney und seine Kollegenvon der amerikanischen Rutgers University in Piscataway,New Jersey, aus Versuchen mit sogenannten nackten Labor-mäusen.

Eine Mäusegruppe tobte sich zwei Wochen lang in einemLaufrad aus. Einer zweiten Gruppe servierten die Forscher –nein: nicht Bohnenkaffee! – sondern mit Koffein versetztesTrinkwasser.

Die Koffeinwerte im Blut entsprachen dann denen vonMenschen, die täglich ein bis zwei Tassen Kaffee trinken.

Eine dritte Mäusegruppe erhielt sowohl Trainingsgerät alsauch die Koffeindrinks. Eine vierte Gruppe ging leer aus. Allevier Gruppen wurden mit UV-Licht bestrahlt.

Das Experiment zeigte, dass sowohl Koffein als auch dasFitnessprogramm die Selbstheilungskräfte der Haut aktivier-

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R. Renneberg, V. Berkling, Biotechnologische Leckerbissen,DOI 10.1007/978-3-642-37111-0_34, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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ten und Hautschäden verringerten. Als besonders wirksam er-wies sich jedoch die Kombination beider Faktoren.

Als Maßstab für das Ausmaß der Hautschäden durch UV-Licht diente den Wissenschaftlern unter anderem die Zahl derHautzellen, die den programmierten Zelltod (Apoptose ) ein-

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geleitet hatten. Dieser Schutzmechanismus springt an, wennKörperzellen sich zu Keimzellen für Tumoren entwickelnkönnten. Je zuverlässiger dieser Mechanismus funktioniert,desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkran-kung. Außerdem maßen die Wissenschaftler das Vorhanden-sein bestimmter Enzyme, die Zellen mit DNA-Schädenabsterben lassen sowie den Tumorsupressor p35.

Der Effekt war dramatisch. Bewegung erhöhte die zellu-läre Selbstmordrate um 95 Prozent und Koffein steigerte sieum 120 Prozent. Der Effekt verstärkte sich durch die Kombi-nation der beiden Faktoren sogar um 400 Prozent. Das ent-sprach dem Fünffachen der Apoptoserate bei ungeschütztenMäusen.

In wieweit sich die Ergebnisse auf den Menschen übertra-gen lassen, ist allerdings noch unklar.

Ich wäre erfreut. Vielleicht trinken die Italiener ihren Espresso nicht ohne

Grund am Strand.

Nun noch zum Abschluss ein Lobgesang aus der Federvon Christian Friedrich Henrici, Künstlername »Picander«, der auch die Matthäuspassion gedichtet hat:

Ei! wie schmeckt der Coffee süße, Lieblicher als tausend Küsse, Milder als Muskatenwein. Coffee, Coffee muss ich haben, Und wenn jemand mich will laben, Ach, so schenkt mir Coffee ein!

Für YOUTUBE-Freunde das Bach-Opus; der Kaffeekantate; hier zwei LINKs:

https://www.youtube.com/watch?v=keTwmdQakMc

https://www.youtube.com/watch?v=bOaADFq9yOg

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