Blickpunkt KMU - 02/2014

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MARQUIS AG Reinigung im NEAT-Tunnel Baselbieter Unternehmen stoppt die vorzeitige Verkalkung Das unabhängige Schweizer Wirtschaftsmagazin Ausgabe 2 / 2014 CHF 6.80 www.blickpunktkmu.ch

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Das unabhängige Schweizer Wirtschaftsmagazin März 2014

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MARQUIS AG

Reinigung im NEAT-Tunnel

Baselbieter Unternehmen stoppt die vorzeitige

Verkalkung

Das unabhängige Schweizer Wirtschaftsmagazin

Ausgabe 2 / 2014CHF 6.80www.blickpunktkmu.ch

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Editorial 3

Liebe LeserinLieber Leser

I m Jahr 2013 wurden 7966 Schweizer Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet. Das bedeutet weltweit den siebten Platz und gar den dritten Platz in Europa. In absoluten Zahlen – herunter-gebrochen auf die Einwohnerzahl wohlgemerkt steht die Schweiz unangefochten auf Platz eins der patentintensivsten Länder. Insge-samt stieg die Zahl der Anmeldungen im Vergleich zum Vorjahr um 2,8 Prozent. China verzeichnet mit einer Steigerung von 16,2 Prozent

das grösste Wachstum. Dies wird von Experten so gedeutet, dass der Schutz des geistigen Eigentums auch im Reich der Mitte an Bedeutung gewinnt. Insgesamt darf man aus den steigenden Zahlen durchaus her-auslesen, dass den Menschen die Ideen offenbar nicht ausgehen und dass diesen Ideen auch ein entsprechender Wert beigemessen wird. Wenn die Schweiz noch an der Spitze steht, darf man sich zusätzlich freuen.Doch es gibt auch die andere Seite: In schöner Regelmässigkeit erreichen uns Medienmitteilungen von sogenannten Patentverwertungsgesell-schaften, die ganz stolz verkünden, dass es ihnen gelungen ist einem Unternehmen den Verkauf eines Produktes in einem bestimmten Markt gerichtlich verbieten zu lassen. Tatsächlich gibt es Patentverwertungs- gesellschaften, die kleinere Unternehmen dabei unterstützen, ihr geisti-ges Eigentum zu Markte zu tragen – eine wertvolle Dienstleitung. Aber

wer nur davon lebt, Patente aufzu- kaufen um anderen das Leben schwer zu machen, Abmahnungen zu verschi-cken und diese «Erfolge» dann noch stolz in die Welt hinausschreien, ver-dirbt einem glatt die Freude am Ein-fallsreichtum der Menschheit. Zum Glück dürfen wir täglich mit ehrlichen und hart arbeitenden KMU kommu-nizieren! ●

Herzlichst

TOBIAS WESSELSChEfREDAkToR

BLICkPUNkT kMU

Impressum

www.blickpunktkmu.chAuSGAbE 2 / 2014AuflAGE: 57681 ExEmplArE

HErAuSgEBErInW. Gassmann AGLängfeldweg135Postfach 13442501 Biel/BienneTelefon 032 344 81 [email protected]

vErLEgErMarc Gassmann

gEScHäfTSfüHrEndEr dIrEkTOrMarcel Geissbühler

vErLAgSLEITErMartin Bü[email protected]

cHEfrEdAkTOrTobias [email protected]

AuTOrEn dIESEr AuSgABEStefan GyrFabian Schmid

AuTOrEn ExpErTEnWISSEnDr. Michael BeierTania PelucchiOthmar SchärMarkus SchwarzBruno StöckliProf. Dr. Kerstin WagnerDaniel Zimmermann

LAyOuTInédit Publications SAAvenue Dapples 81001 Lausanne

BILdErBasil StücheliPierre VogelFotoliaiStockPhoto

InSErATEAnnoncen-Agentur Biel AGLängfeldweg 1352501 Biel/BienneTelefon 032 344 83 44

vErkAufSLEITungRoger [email protected]

vErkAuf InnEndIEnSTMargot [email protected]

ABOnnEmEnTEE-Mail: [email protected]: CHF 6.80Jahresabo: CHF 60.–

druck und vErTrIEB

Ziegler Druck- und Verlags-AGCH-8401 Winterthur

Titelbild: Basil Stücheli keine abfälligen Bemerkungen!Mehr dazu auf der Seite 58.fo

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Inhalt 4

Standards

3 Editorial

3 Impressum

50 Schweissarbeit

marktplatz

6 «Rola» als Millionärin, ausgezeichnete Schweizer Dystopie und weitere Meldungen

kmu des monats

10 Reinigungs-Equipe der NEAT Die Marquis AG erreicht beim Prix SVC Nordschweiz den dritten Platz. Wie erarbeitet sich ein auf Kanalservice spezialisiertes Unternehmen eine Auszeichnung, die ausdrücklich an «innovative KMU-Perlen» vergeben wird?

fokusthema

18 Wenn das Büro zum Abenteuerspielplatz wird «Klingt spannend, hast du noch mehr Zahlenmaterial dazu?» «Jede Menge, lass uns doch kurz in mein Büro gehen. Ist in der Höhle hinterm Wasserfall.» Was dieser Dialog mit zeitgemässer Arbeitsplatzgestaltung zu tun hat, erfahren Sie im aktuellen Fokusthema.

Ausgabe 2 / 2014

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Expertenwissen

26 Industrie 4.0: Wertschöpfung dank Vernetzung

30 Wie wird Kaltakquisition erfolgreicher?

34 Den Zeitdieben auf der Spur

36 Strategische Anwendung von Social Media

nutzfahzeuge

40 Das 60-jährige Multitalent Der Unimog wird immer multifunktionaler oder eben, seinem Namen entsprechend, immer universeller. Viele technische Neuerungen zeichnen die aktuellste Version aus.

Im gespräch

44 Bedingungsloses Grundeinkommen – eine Utopie? Was würde ein bedingungsloses Grundeinkommen für die Unternehmen und den Arbeitsmarkt bedeuten? Ein Gespräch mit Giselle Rufer, Gründerin der Uhrenfirma Delance, und Martin Kaiser vom Schweizerischen Arbeitgeberverband.

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marktplatz

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Apelab an Game Developers Conference ausgezeichnet

Die Westschweizer Design-Schmiede Apelab erhält

eine «Best in Play»-Auszeichnung der Game

Developers Conference. Bei der veranstaltung

handelt es sich um den weltweit grössten Anlass der

videospiel-Branche für fachpublikum. Apelab, ein

Start-up aus Les Acacias bei Genf, wurde für das

Spiel «Land 52» bereits im vorfeld der konferenz

ausgezeichnet, die vom 17. bis 21. März in San

francisco stattfand. zur jury gehörten vertreter des

veranstalters und Redaktoren des Branchenportals

Gamasutra.com. Das für mobile Geräte konzipierte

Game ist laut den Entwicklern inspiriert von

dystopischen filmen wie «Gattaca» oder «Children of

Men». Es spielt im jahr 2040 in einer durch plötzliche

klimaveränderungen völlig zerstörten Welt. Während

Apelab die Auszeichnung bereits erhalten hat,

müssen sich interessierte User noch gedulden:

«Land 52» ist noch nicht im Appstore erhältlich, laut

Unternehmens-Website soll es aber bald soweit sein.

www.apelab.ch. ●

1000 000So viele Lastwagen haben bis zum 28. februar 2014

die Schweiz auf der 2001 gegründeten Rollenden Autobahn («Rola») durchquert, also auf einem

zug über die Lötschberg-Simplon-Linie.

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«Land 52 »SChWEIzER ENDzEIT-SPIEL WURDE IN SAN fRANCISCo PRäMIERT.

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marktplatz 8

Energie-, Wasser- und Telefonnetze durch Hacker bedroht

Der IT-Sicherheitsanbieter Radware hat die aktuell grössten Gefah-ren für die Netzwerksicherheit identifiziert. Demzufolge ist 2014 mit zunehmenden Ausfällen von Energie-, Wasser- und Telefonnetzen zu rechnen. Die Vorhersagen basieren vor allem auf den Analysen von Radwares Emergency Response Team (ERT), das neue Angriffe auf Computernetzwerke in Echtzeit verfolgt, analysiert und abwehrt. «2013 war das Jahr von Hackern, sogenannten Hacktivisten und Cyber-Kriegern», fasst Werner Thalmeier, Radwares Botschafter für IT-Sicherheit in Europa, die Erfahrungen des vergangenen Jahres zusammen. «Beispiele sind die monatelangen Attacken auf ameri-kanische Finanzdienstleister, der massive Datendiebstahl bei Ado-be oder der Angriff auf die New York Times.» Neben den Angriffen auf die Grundversorgung identifiziert Radware als weitere Trends eine neue Qualität von «Cyber-Geiselnahmen» (digitale Identitä-ten), das Ausnützen von Verschlüsselungen zur Tarnung krimineller Aktivitäten, sogenannte SDN-Attacken (Software Defined Net-working) und zunehmende staatliche Regulierung mit dem Ziel, die Cyber- Sicherheit zu erhöhen. ●

www.radware.com

Tesla expandiert weiter in EuropaAm Autosalon in Genf hat Tesla bekannt gegeben,

30 neue Service-Center in ganz Europa eröffnen zu

wollen. zusätzlich wird Tesla weiter daran arbeiten,

das Supercharger-Netzwerk so schnell wie möglich

auszubauen, um fahrern des Model S das kostenlose

Reisen auf langen Strecken in ganz Europa zu ermöglichen.

Teslas Mitbegründer und Geschäftsführer, Elon Musk,

betonte kürzlich bei einer Reihe von veranstaltungen in

Europa: «Wir erhöhen zügig das Tempo bei der Entwicklung

und Eröffnung neuer Supercharger. zum Ende des jahres

erwarten wir, dass kunden mit den Superchargern in

Europa praktisch überallhin gelangen.» 2013 verkaufte Tesla

nach eigenen Angaben weltweit 22 477 fahrzeuge des

Typs Model S. Bis Ende 2014 sollen die verkaufszahlen in

Europa und Asien zusammen nahezu doppelt so hoch sein

wie diejenigen in Nordamerika. Um diese Geschäftsziele

zu erreichen, setzt Tesla europaweit auf Leasing- und

finanzierungsangebote nach dem vorbild der unlängst

in Deutschland in zusammenarbeit mit Sixt entwickelten

vertriebsmodelle. ●

Bewerbungsfrist für «seif» Awards läuftSeit dem 1. März können sich interessierte Unternehmen für die «seif» Awards for Social Entrepreneurship bewerben. Mit dem Preis werden Projekte ausge-zeichnet, die mit einem innovativen Geschäftsmodell gesellschaftliche Her-ausforderungen angehen. Während es dabei keinen Fokus auf eine bestimmte Branche gibt, müssen eingereichte Projekte vor allem auf gesellschaftlichen und/oder ökologischen Gewinn ausgerichtet sein. Insgesamt werden drei Preise vergeben, und zwar in den Kategorien «Social Entrepreneurship», «Integration» und «Educational Innovation». Jede Kategorie ist mit einem Geldpreis von CHF 10 000.– dotiert, gestiftet von UBS, Suva und der Organi-sation «seif» selbst. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 20. April. Im ver-gangenen Jahr wurden noch fünf Awards vergeben, die Gewinner waren der Prothesen-Hersteller SwissLeg, Saft-Produzent Gartnegold, die NPO «Was hab' ich?», die Nachhaltigkeits-Plattform WeAct und das digitale Literatur-Magazin Brotseiten.. ●

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mEm-Industrie:Erholung setzt sich fort

Welchen Einfluss wird die Annahme

der mEI auf die mEm-Industrie haben?

Die EU ist die mit Abstand wichtigste

handelspartnerin für die MEM-Industrie.

Niemand weiss, wie die handelsbedingungen

mit der EU künftig aussehen werden. Diese

Unsicherheit ist kein Trumpf für den Standort

Schweiz, wenn Unternehmen entscheiden

müssen, ob sie hier oder im Ausland

investieren sollen. Dies sind die unmittelbaren

folgen dieses volksentscheides. Wie er sich

mittel- und langfristig auswirken wird, lässt

sich noch nicht abschätzen.

Zum positiven Ergebnis haben vor

allem grossunternehmen beigetragen.

Weshalb?

Generell ist es grösseren Unternehmen

besser gelungen, die jüngsten krisen zu

überstehen. Das hat damit zu tun, dass

sie geografisch, aber auch vom

Produkteportfolio breiter aufgestellt sind

als die meisten kMU und so konjunkturelle

Schwankungen besser auffangen können.

Ziehen die kmu 2014 nach?

Das hoffen wir, zumal kMU als zulieferer in

der Regel von einem guten Geschäftsgang

der Grossunternehmen ebenfalls

profitieren. Die jüngste Umfrage unter

unseren Mitgliedsfirmen zeigt jedenfalls,

dass die kMU die Auftragsentwicklung der

kommenden Monate ähnlich optimistisch

einschätzen wie die grossen firmen. ●

A nlässlich der Jahresmedienkonferenz zeigte sich Swiss-mem, der Verband der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, erfreut über die Entwick-lung der Branche im Jahr 2013. Demnach setzte sich die Mitte des vergangenen Jahres beginnende Erholung in

der Schweizer MEM-Industrie auch im letzten Quartal fort. Auch die Geschäftserwartungen der Unternehmen für das Jahr 2014 sind grund-sätzlich positiv. Die Auftragseingänge nahmen im vierten Quartal 2013 im Vergleich zur Vorjahresperiode um 3,7% zu. Über das gesamte Jahr betrachtet, stiegen sie um 2,3%. Mit den anziehenden Aufträgen er-höhte sich die Kapazitätsauslastung. Nachdem sie 2013 zeitweise bis auf 82,1% gefallen war, erreichte die Auslastung im vierten Quartal 2013 wieder 83,8%. Die Umsätze stiegen im vierten Quartal 2013 um 5,3%, über die gesamten zwölf Monate um 2,8%. Dazu beigetragen haben insbesondere Grossfirmen (mit mehr als 250 Mitarbeitenden). Bei den KMU stagnierte die Umsatzentwicklung im letzten Quartal 2013. Exportiert wurden von der MEM-Industrie im Jahr 2013 Waren im Wert von 65,4 Milliarden Franken, was gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme von 1,2% entspricht. ●

Drei Fragen an…

Ivo ZimmermannLEITER koMMUNIkATIoN SWISSMEM

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Die Marquis AG erreicht beim Prix SvC

Nordschweiz den dritten Platz.

Blickpunkt kMU fragt nach: Wie erarbeitet

sich ein auf kanalservice spezialisiertes

Unternehmen eine Auszeichnung,

die ausdrücklich an «innovative kMU-

Perlen» vergeben wird ?

TExT: TOBIAS WESSELS /// foToS: BASIL STücHELI

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DANK IHNENBLEIBT DIE NEAT

mArquIS Ag

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firmen der marquis gruppeMarquis AG Kanalservice: Das herzstück und älteste Mitglied der Gruppe.

Unter diesem Namen werden in der Nordwestschweiz kanalreinigung und

dazugehörende Dienstleistungen wie kanal-Tv angeboten.

Rohrputz-Loriol AG Kanalservice: Durch übernahme ein Teil der Gruppe gewor-

den. Ihr Angebot entspricht dem von Marquis kanalservice, allerdings mit fokus

auf das Mittelland.

Aquatec Kanalsanierungen AG: Ein Unternehmen der Marquis-Gruppe, ver-

wendet spezielle verfahrenstechniken zur grabenlosen Sanierung von erdver-

legten Rohrleitungen und Abwasserkanälen.

Clearex Schweiz AG: Mit Spezialfahrzeugen werden Ölabscheider in Garagen,

an Tankstellen oder Dolen in der gesamten Schweiz gereinigt und die anfallen-

den Schlämme vor ort aufbereitet und rezikliert.

EVAG AG: Entsorgungsanlage in füllinsdorf, seit 1973 in Betrieb. hier wird

selbst oder durch Dritte eingesammelter Strassen- und Ölschlamm aufbereitet

und weiterverwertbare Bestandteile vom verbleibenden Sondermüll getrennt.

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W er sich seriös auf ein Vor-stellungsgespräch vorbe-reitet, wird schnell die typischen Fragen verin-nerlicht haben, die einen

Bewerber erwarten können. «Sind Sie bereit, in der Champions League zu spielen?» ge-hört vermutlich zu den sehr selten gewählten Einstiegsvarianten. Doch wenn man Andreas Marquis Glauben schenken möchte, obwohl er bei dieser Behauptung ein leichtes Zucken der Mundwinkel nicht verbergen kann, dann be-grüsst er jeden potenziellen neuen Mitarbeiter mit eben diesen Worten. Dabei führt der Basel-bieter Unternehmer keineswegs einen Sport-klub, sondern, stark vereinfacht ausgedrückt, ein Kanalreinigungsunternehmen.

Weg vom reaktiven geschäftWoher also der Griff in die Kiste der Fussball-Metaphern? Aufgrund der geografischen Lage der Marquis AG drängt sich – zurecht – die Vermutung auf, dass der FC Basel eine gewisse Rolle spielen könnte. Was in diesem Fall nur begrenzt mit einem Fan-Schal oder ähnlichem zu tun hat. Andreas Marquis verantwortet mit seinem Unternehmen die Rohr- und Kanal-reinigung des Basler St. Jakob-Parks. Als dieser Auftrag 2002 unter Dach und Fach gebracht werden konnte, stellte er für Marquis einen ech-ten Paradigmenwechsel dar. «Kanalreinigung war immer ein reaktives Geschäft. Jemand hat verstopfte Leitungen, dann ruft er uns an und wir bringen sie in Ordnung.» Nur stösst dieses Vorgehen an einem grossen Objekt mit Publi-kumsbetrieb an seine Grenzen. Wenn während dem Match am Samstagnachmittag ein Ab-laufrohr den Dienst verweigert, ist es zu spät, den Spezialisten zu rufen. «Man sagte uns recht deutlich: Ihr seid die Experten, ihr müsst uns sagen, was wie oft gereinigt werden muss», er-innert sich Andreas Marquis. «Für uns bedeu-tete dies, ein komplettes Unterhaltskonzept zu erstellen.» Dazu wurde die Aufgabe in 27 Teil-projekte zerlegt und für jedes einzeln beurteilt, welche Reinigungskadenz und welche Mittel jeweils angezeigt sind.

35 Spezialfahrzeuge im EinsatzDiese Vorgehensweise bedeutete für Andreas Marquis ein Umdenken bezüglich der Ausrich-tung der gesamten Firma. Seine Kunden von

der Idee zu überzeugen, dass sich durch eine proaktive Zusammenarbeit Geld und vermut-lich jede Menge ärger sparen lässt, stellte eine Herausforderung dar. «Wir mussten die Mess-latte hoch legen», so Marquis, «und die An-sprüche an uns selbst völlig neu definieren.» Da der FC Basel 2002 erstmals in der Champions League spielte, bot sich der Vergleich an. «Mir war klar: Wir müssen eine entsprechende Leis-tung zeigen. Dafür braucht es moderne und professionelle Maschinen und Fahrzeuge, aus-gezeichnete Mitarbeiter und eine Führungs-Crew, die auf diesem Niveau mitspielen kann und will.»Die Zahlen geben Andreas Marquis zweifels-frei recht: Als er das Unternehmen 1997 von seinem Vater übernahm, hatte es 25 Mitarbei-ter – und durfte guten Gewissens als lokaler Betrieb bezeichnet werden. Heute gibt es die «Marquis-Gruppe» mit rund 100 Angestellten. Gruppe deswegen, weil mittlerweile mehrere Firmen übernommen, neue Geschäftsberei-che erschlossen und der Handlungsradius auf die gesamte Schweiz ausgeweitet wurde – mit 35 Spezialfahrzeugen, die sich ständig im Ein-satz befinden.

reinigungs-Equipe der nEATAls beinahe schon symbolträchtig darf vor dem Hintergrund der schweizweiten Tätigkeit der aktuell vielleicht spektakulärste Auftrag bezeichnet werden: Die Marquis AG reinigt das gesamte Kanalisationssystem des

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«Wir mussten die Ansprüche an uns selbst völlig neu definieren.»

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immer weiter gedeihenden neuen Gotthard-Basis-Tunnels. Hier den Zuschlag zu bekom-men, bedeutete für das Unternehmen einen Meilenstein – verbunden mit einem erheb-lichen Risiko. Andreas Marquis erläutert: «Wir hatten bereits während der Rohbau- Phase im Tunnel gearbeitet. Wegen des Sickerwassers muss von Beginn weg gerei-nigt werden, da sonst bis zur tatsächlichen Inbetriebnahme alles völlig verkalken würde. Die wahre Herausforderung beginnt jedoch

erst mit dem Innenausbau.» Tatsächlich hätte man die Ausschreibung beinahe ver-passt: «Unser ursprünglicher Auftraggeber machte uns erst darauf aufmerksam, dass die für den Innenausbau zuständige Trans-Tec-Gotthard ein Reinigungsunternehmen für die Rohrleitungen sucht.» Nach Sich-tung der Ausschreibungsunterlagen stand für Marquis fest: So lässt sich das nicht um-setzen. Die Tunnellänge beträgt 57 Kilome-ter für jede Richtung, mit allen Quer- und

Eingespieltes Team.Andreas Marquis und Technik-Chef Thomas Pulfer.

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Nebenstollen ergibt sich eine gesamthafte Tunnelstrecke von rund 150 Kilometern. Mit Kanalisationsleitungen kommt man auf ins-gesamt 620 zu säubernde Kilometer. «Das entspricht der Strecke von Füllinsdorf nach Paris», so Marquis. Eben diese Strecke soll einmal jährlich gereinigt werden. Unmög- lich, sagt Marquis: «Ein normales Fahr-zeug spült im Einsatz auf der Strasse einen Kilometer pro Tag. Unter den speziellen Bedingungen im Tunnel muss man mit stark reduzierter Leistung rechnen.» Marquis kal-kulierte mit 1000 Arbeitstagen pro Jahr, die nötig wären. «Doch das Jahr hat nun einmal nur etwa 220. Selbst grosszügig gerechnet wären also vier herkömmliche Fahrzeuge nötig gewesen.» Damit wären die Bauarbei-ten jedoch so stark behindert worden, dass diese Lösung nicht in Frage kam.

Lokomotive meets LastwagenGemeinsam mit seinem Leiter Technik und Entsorgung, Thomas Pulfer, macht sich An-dreas Marquis, selbst gelernter Fahrzeug- und Konstruktionsschlosser, an die Arbeit: Zusammen entwickeln sie ein Fahrzeug, welches die vierfache Leistung eines norma-len Kanalreinigungsfahrzeuges erbringt und verschmutztes Wasser direkt vor Ort ver- arbeitet, so dass es sofort wieder zur Reini-gung verwendet werden kann und nur die Abfallstoffe im Fahrzeug verbleiben. Damit muss das Fahrzeug wesentlich seltener aus dem Tunnel fahren, um entleert zu werden. Doch der Entwurf stellt noch in anderer

Hinsicht eine Besonderheit dar: Er vereint Lokomotive und Lastwagen, wodurch sich das Gefährt dem jeweiligen Untergrund perfekt anpassen kann. Die Idee überzeugt die Auftraggeber, doch zwei Risiken bleiben bestehen. Erstens bedeutet das Konstrukt eine Investition von mehr als einer Million Franken, und zweitens verlangt die TTG eine Garantie: Für jeden Tag, den die Reini-gung länger dauert als veranschlagt, wird für Andreas Marquis eine Konventionalstrafe fällig. 5000 Franken, täglich, bis zu einem Maximalbetrag von 50 Millionen Franken. «Natürlich rechnet man unter diesen Voraus-setzungen alles immer wieder durch. Doch

nachhaltige EntwicklungInnovationen im hause Marquis bedeuten oft markante verbesserungen für

die Umwelt. So wurden fahrzeuge, genannt MAk (Mobile Abscheider

kläranlage) entwickelt, welche die Entleerung von Ölabscheidern (beispiels-

weise in Autogaragen) revolutioniert und aktuelle Regulierungen verändert

haben. Statt den gesamten Inhalt der Ölabscheider abzutransportieren,

verarbeiten die Gefährte ihn direkt vor ort, das gesäuberte Wasser kann

anschliessend wieder verwendet werden. Damit, so Andreas Marquis, werden

pro jahr und pro fahrzeug 10 000 Liter Treibstoff durch weniger kilometer

von und zur Deponie gespart, ausserdem etwa eine Million Liter Trinkwasser,

die sonst zum Wiederauffüllen der Ölabscheider notwendig wären.

für die Aufarbeitung von Strassenschlamm wurde ein Recyclingfahrzeug

entwickelt, das in einem Arbeitsschritt Wasser, kies und Sand, organisches

Material und den verbleibenden Sondermüll voneinander trennt. Das orga-

nische Material wird zu einem Ersatzbrennstoff verarbeitet. Davon entstehen

jährlich 3000 Tonnen, die laut Marquis rund 60 000 Liter heizöl substituieren.

Damit können immerhin 40 bis 50 Einfamilienhäuser beheizt werden.

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futura 3000.Die Marquis-Entwicklung für den Gotthard.

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Page 16: Blickpunkt KMU -  02/2014

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am Ende waren wir uns sicher: Wir schaffen das! Heute sind wir sogar etwa 10 Prozent schneller als ursprünglich veranschlagt.»Den dafür nötigen Mut und Unternehmer-geist hat Andreas Marquis offenbar von seinem Vater geerbt. Guido Marquis legte 1962 den Grundstein für den heutigen Betrieb – ebenfalls im Zusammenhang mit einem bedeutsamen Infrastruktur-Projekt. Mit einem einzigen Lastwagen lieferte er Kies für den Bau der Autobahn durch das Diegter-tal. Nach dessen Beendigung verlegte er sich auf die Kanalreinigung und baute die-ses Geschäft immer weiter aus. Als die Zeit reif war, gelang Guido Marquis ein Schritt, mit dem viele Unternehmer Schwierigkeiten bekunden. Er übergab sein Lebenswerk an seinen Nachfolger – ohne Wenn und Aber. «65, Schlüsselübergabe, Ende», erinnert sich der Sohn. «Mein Vater war zwar anfangs noch im Verwaltungsrat, doch aus dem operativen Geschäft hielt er sich völlig raus.» Seither leitet Andreas Marquis das Unter-nehmen, auch seine Frau ist seit der ersten Stunde mit an Bord. Präsent ist der Gründer dennoch: Direkt vor dem Haupteingang des Verwaltungsgebäudes in Füllinsdorf hat er

Einsatz unter Tage.Reinigungsarbeiten im Tunnel (li.).

einen Ehrenparkplatz auf Lebenszeit – und in Andreas Marquis' Büro hängt ein Gemälde, das die Eltern zeigt.Eigenentwicklungen sichern vorsprungDie nächste Generation steht bereits in den Startlöchern: Die älteste Tochter studiert berufsbegleitend und lernt gleichzeitig alle Teile des Unternehmens kennen – selbst das Lastwagen-Billett hat sie erworben, um voll mit anpacken zu können. Auch der heute 16-jährige Sohn möchte einmal ins Unter-nehmen einsteigen. Er beginnt in diesem Jahr eine Lehre als Landmaschinen- und Bau- maschinenmechaniker. Damit bliebe auch

Ausbildungfür die Tätigkeit in der kanalreinigung gab es lange zeit keine eidgenössische

Ausbildung, entsprechend bewarben sich bei Marquis Personen mit den unter-

schiedlichsten beruflichen vorkenntnissen. Um die Qualität der Dienstleitungen

sicherzustellen, schuf Andreas Marquis ein eigenes Schulungskonzept, das

alle neuen Mitarbeiter zu durchlaufen haben. Mittlerweile wurde diese

Notwendigkeit auch auf höherer Ebene erkannt und eine einheitliche Ausbildung

erschaffen. Ab diesem jahr besteht die Möglichkeit, ein fähigkeitszeugnis als

Entwässerungs-technologe oder ein Berufsattest als Entwässerungspraktiker

zu erwerben.

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Arbeiten im gotthard-Basis-TunnelDie Arbeit im NEAT-Tunnel stellt nicht nur an das Material, sondern vor allem

an die Menschen hohe Anforderungen. Es herrschen durchgehend knapp

30 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit; auch mit der Situation, ständig mehr als

zwei kilometer Gestein über seinem kopf zu wissen, kann nicht jeder umgehen.

für Marquis sind zwei Equipen à drei Personen im Einsatz, die je acht Nächte

am Stücke arbeiten, um dann sechs Tage frei zu haben. Um das Einsatzfahrzeug

«Marquis futura 3000/2» lenken zu dürfen, benötigen sie neben der grund-

sätzlichen «Tunnel-Eignung» gleich zwei fahrprüfungen – für Lastwagen, aber

auch für Rangier-Lokomotiven.

die Fähigkeit zur eigenständigen Innovation durch selbstentwickelte Geräte erhalten, die für Marquis einen enormen Wettbewerbsvor-teil darstellt. «Der Markt entwickelt nichts, sondern er wird entwickelt», erläutert An-dreas Marquis seine grundlegende Strategie. «Weshalb sollten also nicht wir diejenigen sein, die diesen Markt wenigstens mitent- wickeln?» Natürlich könne man von Messe zu Messe laufen, um ständig die scheinbar neusten Produkte zu kaufen – doch das steht auch den Mitbewerbern offen. «Wenn ich etwas selbst entwickle, habe ich das nicht nur als Erster, sondern ich weiss auch, dass dieser Vorsprung für eine gewisse Zeit be- stehen bleibt. ‹Me too › entspricht nicht unserem Credo.» Dem trägt auch die «Marquis-Formel» als Firmenleitbild Rechnung, wie der Unter-nehmer sie nennt, die als Akronym seines Namens entstand: Markt und Innovation, Arbeitnehmerfreundlich, Ressourcenscho-nend, Qualitätsbewusst, Umweltfreundlich, Informationspolitik, Sicherheitsbewusstsein.Für das bisher Erreichte, und sicher auch für das Bekenntnis zur marktgerechten Innova-tion, wurde die Marquis AG Ende 2013 mit dem dritten Platz am Prix SVC Nordschweiz geehrt. Zum Preis gehört ein Management-Lehrgang an der HSG. Andreas Marquis, ein humorvoller Mensch und selten um eine pointierte Bemerkung verlegen, hat sich auch dafür einiges vorgenommen: «Die ‹Marquis-Formel › nehme ich in jedem Fall mit. Mal sehen, ob die in St. Gallen noch etwas von uns lernen können», sagt er – und lacht da-bei so herzlich, dass man sich wünscht, sein Auftreten an der Elite-Schmiede miterleben zu dürfen. ●

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Page 18: Blickpunkt KMU -  02/2014

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Wenn das Büro zum Abenteuerspielplatz wirdMan stelle sich folgenden Dialog, beispielsweise im Anschluss an ein Meeting vor: «klingt spannend, hast du noch mehr zahlenmaterial dazu?» «jede Menge, lass uns doch kurz in mein Büro gehen. Ist in der höhle hinterm Wasserfall.»

AUToR TOBIAS WESSELS

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Inventionland. Der etwas andere Arbeitsplatz.

D iese Szene ist keineswegs einer postmodernen Tarzan-Fortset-zung, «frei nach den Erzählun-gen von Edgar Rice Burroughs», entnommen. Die Unterhaltung

könnte tatsächlich stattfinden, wenigstens wenn die beiden Gesprächspartner im Inven-tionland arbeiten. So heisst der Abenteuer-spielplatz, den Unternehmer George Davison für seine Mitarbeitenden eingerichtet hat. Der Firmensitz liegt am Rand von Pittsburgh, einer Stadt im amerikanischen Manufacturing Belt, die bis in die 1970er-Jahre vornehmlich durch die Stahlindustrie geprägt wurde. Mit der Stahlkrise kam der Strukturwandel – und mit ihm Unternehmen am anderen Ende des Spektrums als die riesigen Werkshallen, in denen einst Schwermetall geschmolzen wurde. Heute findet man in der zweitgrössten Stadt Pennsylvanias unter anderem eben das Inven-tionland. Hier sieht man sich mit der Qual der Wahl konfrontiert, ob man auf dem Piraten-

schiff, unter der Carrera-Bahn oder lieber doch in besagter Höhle hinter dem Wasserfall arbei-ten möchte. 15 verschiedene Themenbereiche stehen zur Auswahl. Besprechungen finden im Schloss statt, das in bester Disneyland-Tradi-tion im Zentrum des Spektakels steht. An bei 1600 Grad dampfende Hochöfen denkt dabei niemand mehr.

«Wir zügeln – jetzt wird alles anders!»George Davison hat für seine Mitarbeitenden diese aussergewöhnliche Umgebung errichten lassen, weil er ihr Bestes will: ihre Kreativität. Ideen werden hier quasi im Minutentakt gene-riert, laufend entstehen neue Produkte. Eines davon übrigens im Zusammenhang mit einer urschweizerischen Firma: Dank Inventionland gibt es das Sackmesser aus dem Hause Victor-inox auch als Pfeife, mit der man in Notlagen auf sich aufmerksam machen kann. Über die Kosten für die Einrichtung lässt sich nicht viel herausfinden, gegenüber dem deutschen fo

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«die neue Bürolandschaft trägt dazu bei, die Insel-mentalität zu minimieren.»

Nachrichtenmagazin Spiegel äusserte Davison sich einmal so: «Für einen Betriebswirt ist das ein Albtraum hier, pure Verschwendung.»Auch wenn kaum zu erwarten ist, dass solche Szenarien in absehbarer Zukunft in statis-tisch relevanter Häufigkeit vorkommen, kann man aus diesem Beispiel doch eine Erkennt-nis ableiten: Die Kultur eines Unternehmens und die Gestaltung der Arbeitsplätze können kaum isoliert voneinander betrachtet wer-den. Corinne Meyer, Partnerin bei der auf Arbeitsumgebungen spezialisierten Breitblick AG aus Bern, bringt es auf den Punkt: «Man kann keine Kultur nur durch die Gestaltung der Räumlichkeiten prägen. Doch man kann sie dadurch unterstützen.» Um dies zu ermög-lichen, müsse man sich fragen: Welches sind unsere Werte? Wie soll unser Personal arbeiten? Daraus ergebe sich folgerichtig die Gestaltung. Deswegen ist Corinne Meyer auch dankbar, wenn bei entsprechend grossen Projekten die Mitarbeitenden möglichst früh einbezogen werden können – schliesslich sind sie direkt und dauerhaft davon betroffen: Sie kennen die Anforderungen und müssen mit der Gestal-tung täglich leben. Nicht selten kommt es im Zusammenhang mit einer neuen Arbeitsum-gebung allerdings zu unrealistischen Erwar-tungen: Wir zügeln – jetzt wird alles anders! Dieser Vorstellung erteilt Corinne Meyer eine klare Absage: «Es handelt sich noch um das gleiche Unternehmen, die Tätigkeiten und die Arbeitskollegen verändern sich auch nicht.» Mit einer neuen Umgebung könne man einiges bewegen, doch ein Unternehmen nicht komplett umkrempeln, so Meyer.

kosten-nutzen-rechnung nur schwer zu erstellenDass KMU hohe Erwartungen haben, wenn sie ein Büro tatsächlich von Grund auf neu gestal-ten können, darf als nachvollziehbar bezeich-net werden. Tatsächlich ein eigenes Gebäude beziehen (und vielleicht sogar die Architektur beeinflussen) zu können, oder auch «nur» der Umzug in neue Räumlichkeiten – so etwas gehört nicht gerade zu den häufig wiederkeh-renden Bestandteilen des unternehmerischen Daseins. Entsprechend leuchtet es ein, dass KMU nachdrücklich auch die Frage nach der Kosten-Nutzen-Rechnung stellen. Nur leider lässt sich diese nicht oder nur schwierig beant-

worten. Während sich die Kosten noch relativ einfach ermitteln lassen, fällt eine Bezifferung des Nutzens umso schwerer. «Wir sind sehr zurückhaltend, was Zahlen und damit verbun-dene Versprechen angeht. Um anzugeben, wie stark die Produktivität durch die richtige Ein-richtung des Arbeitsplatzes gesteigert werden kann, müsste man wissen, welchen Anteil an der Produktivität der Arbeitsplatz im Verhältnis zu anderen bestimmenden Faktoren ausmacht», so Corinne Meyer.Kreatives Schaffen und Wissensarbeit machen die Produktivität an sich gar zu einem schwie-rig zu messenden Wert. «Wir sprechen nicht von Fliessbandarbeit, bei der man am Abend eine produzierte Menge abzählen kann», so Meyer. Dieser Aussage pflichtet auch Thomas Wehrmüller vom Institut für Facility Manage-ment der Zürcher Hochschule für Angewandte

Schweizerische Befragung in BürosIm Auftrag des Seco führte die hochschule Luzern Technik + Architektur

im jahr 2010 eine Befragung unter 1230 Personen durch. ziel dieser

Studie war es, eine statistische übersicht über die Bewertung von

Arbeitsbedingungen in Büros zu erstellen. Ein kurzer Auszug aus den

Ergebnissen bezüglich beeinträchtigender Umgebungsfaktoren:

50 Prozent der Befragten fühlen sich durch Lärm im Raum (Gespräche)

gestört, 35 Prozent durch trockene Luft, 32 Prozent durch schlechte oder

abgestandene Luft, 28 Prozent durch den Lärm von Geräten, 24 Prozent

durch zu hohe Raumtemperatur und nochmals 19 Prozent durch wech-

selnde Raumtemperatur.

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Wissenschaften bei. Die Mitarbeitenden der Einrichtung durften im vergangenen Jahr im Rahmen eines Neubaus eine neue Büroland-schaft beziehen. Die Situation erinnert an den Schuster, der die eigenen Schuhe trägt – in-sofern lohnt sich ein genauerer Blick, wie die Spezialisten ihre eigenen Räume planen und kalkulieren. «Wir sind ein Hochschulinstitut. Auch für uns ist die Produktivität nicht leicht zu messen. Doch die neue Bürolandschaft trägt dazu bei, die Insel-Mentalität zu mini-mieren. Wir erleben mehr bereichsübergrei-fendes Denken, was sich in einer höheren Qua-lität der Lehre und der Dienstleistungs- und Forschungsprojekte niederschlagen sollte», so Wehrmüller. Eines der wichtigsten Ziele war es, die Interaktion unter den drei an seinem Institut bestehenden Kompetenzgruppen zu fördern, erklärt er. Dieses sieht er zu einem guten Teil erreicht. «Wir dürfen bereits jetzt sagen: Der Austausch hat sich verbessert. Ob damit die Lösungen auch kreativer werden,

können wir heute noch nicht beantworten. Doch fest steht: Vieles wird schneller erledigt.»

«Bring your Own device»Wie Büros heute und künftig aussehen, wird auch durch einen sich in vielen Lebensberei-chen manifestierenden Trend beeinflusst: die (technologisch getriebene) Mobilität. Mit-arbeiter sind tendenziell mehr unterwegs, das Home Office ist längst kein vielbeschworener Trend mehr, sondern für viele Realität – an einzelnen Tagen wenigstens. Die Geräte, die dazu beitragen dies zu ermöglichen, stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. BYOD, also «Bring Your Own Device», bereitet so manchem Netzwerkverantwortlichen bange Momente. Wer möchte schon für die Sicher-heit eines Systems garantieren, das plötzlich seine Tore für die unterschiedlichsten Geräte und damit Gefahren öffnen muss? Erwäh-nenswerte Randnotiz: BYOD lehnt sich stark an BYOB an, einen Ausdruck aus der englisch-

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amerikanischen Party-Sprache, der so viel bedeutet wie: Um alkoholische Spenden wird gebeten (BYOB – «Bring Your Own Bottle»). Ein Kater nach dem rauschenden Fest kann bei keinem dieser beiden Konzepte gänzlich ausgeschlossen werden.

flexible Ansätze bringen kostenvorteileNatürlich steht die Mobilität auch für ein rie-siges Potenzial. Wenn nie alle Mitarbeitenden gleichzeitig im Betrieb anwesend sind, be-nötigt man auch nicht mehr für jeden einen festen Arbeitsplatz. «Wir sprechen vom non-territorialen Prinzip», erklärt Professor Wehr-müller von der ZHAW. «Bei uns hat niemand mehr ein eigenes Büro; die jeweilige Aktivität entscheidet darüber, wo man arbeitet.» Wer Ruhe und Konzentration braucht, findet einen Platz in der sogenannten «Quiet Zone». Hier herrscht Natel-Verbot, es wird grundsätzlich nicht gesprochen. An den normalen Arbeits-plätzen ist das Sprechen erlaubt. «Natürlich haben wir auch Räume, in die sich mehrere Personen für Projektarbeiten zurückziehen können. Den regsten Austausch erleben wir vielleicht in der Lunch- und Kaffee-Zone, wo man in einer besonders entspannten Situa-tion zusammentrifft.» Nicht jeder Betrieb kann ein solches Konzept sinnvoll umsetzen. Vor allem die Mitarbeiterzahl spielt hier eine Rolle. «Wenn mehrere Menschen sich einen Raum teilen, in dem auch gesprochen wird, dürfen es nicht zu wenige sein», erklärt Thomas Wehrmüller. «Bei 20 Personen werden Gespräche zum Hintergrundrauschen. Sind es nur fünf Personen, nimmt man die einzelnen Gespräche wahr. Dann wird die Konzentration erheblich gestört.» Tatsächlich wurde in der Schweizerischen Befragung in Büros «Lärm im Raum» durch Gespräche und Telefonate von 50 Prozent der Befragten als beeinträch-tigender Umgebungsfaktor genannt – und lag damit weit vor anderen Elementen wie etwa «trockener Luft» mit nur noch 35 Prozent.Dass eingesparte Fläche auch weniger Kosten bedeutet, versteht sich von selbst. Wer den täglichen Stau oder die Freuden eines über-füllten Pendler-Zugs aus eigener Erfahrung kennt, muss bezüglich weiterer persönlicher Vorteile nicht lange überlegen. Darüber hin-aus ist jeder nicht zurückgelegte Kilometer

Tagespensum setzen und bewältigen

Einige spannende Tipps für die Gestaltung des einzelnen Arbeitsplatzes

kommen von Lucie jungi-Saner, die führungskräfte dabei coacht,

Pendenzenberge mit einer effektiveren Arbeitstechnik abzubauen. Sie rät:

völlig verboten sind Schubladen oder Ablagen mit Aufschriften wie

«2. Priorität», «Diverses» oder «Nicht dringend». Lucie jungi-Saner: «Eine

solche Auswahl darf man sich selbst nicht geben, sonst bleiben diese

vorgänge meistens zu lange unbearbeitet.» Einzige Ausnahme: Ein ort

für private Unterlagen erweist sich oft als sinnvoll.

Es sollte nicht versucht werden, am falschen ort Platz zu sparen. «Ein

Schreibtisch muss gross genug sein, um Akten übersichtlich anzuordnen.»

Gemeint sind die Unterlagen, mit denen man aktuell arbeitet – jegliche

darüber hinausgehende Stapelbildung auf dem Tisch ist ablenkend. Am

Abend ist alles wieder am entsprechenden ort zu versorgen. «Ein aufge-

räumter Schreibtisch bedeutet nicht nur ordnung. Er hinterlässt auch bei

Mitarbeitern und Besuchern wie kunden oder Lieferanten einen völlig

anderen Eindruck. Es wird erkennbar, dass die Tagesarbeit bewältigt

wurde; diese Gewissheit ist Lebensqualität.»

kernstück ist ein hängeregister mit je einem fach für jeden Tag des Monats,

das ausreichend dimensioniert ist, um auch eine grössere Menge Unterlagen

aufzunehmen. Entsprechend ist man gezwungen sich zu überlegen, was

an jedem einzelnen Tag wirklich erledigt werden kann. Der Effekt: Man

sieht nicht den einen, riesigen Stapel vor sich mit allen Aufgaben, die noch

warten. So gerät man viel weniger in willkürliches Auswählen von Arbeiten

je nach Lust und Laune. Man versteht besser, wie viel an einem Tag tat-

sächlich machbar ist – und man behält einen wesentlich besseren überblick.

aus umwelt- und verkehrspolitischer Sicht er-strebenswert. Ein weiterer Pluspunkt flexibler Raumkonzepte zeigt sich, wenn zusätzliche Mitarbeitende eingestellt werden. Bei festen Arbeitsplätzen stellt sich für jede weitere Per-son die Frage, wo sie untergebracht wird. Bei einem flexiblen Ansatz besteht hier wesentlich mehr Spielraum. Allerdings: Je flexibler der Arbeitnehmer, desto geringer sein Bedürfnis, die Arbeitszeit im Büro zu verbringen. Corinne Meyer: «Unternehmen sollten sich überlegen, welchen Mehrwert die Anwesenheit im Büro für einen Mitarbeitenden hat. Der Austausch und das Zusammengehörigkeitsgefühl müs-sen gefördert werden.»

nicht jeder möchte ins Home OfficeDabei scheint, die Mitarbeiter ins Büro zu holen bisweilen einfacher zu sein, als sie zur Tätigkeit im Home Office zu bewegen. Das mag überraschen. Denn wenn wir aktuell von den

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Arbeitsplatz piratenschiff. Nicht für jedermann geeignet.

Chancen durch Mobilität sprechen und von den Wünschen der Mitarbeiter, dann gehen wir stillschweigend davon aus, dass jeder bereit ist, alle technischen Möglichkeiten zu nutzen. Doch dies geschieht bisher eher selektiv, je nach persönlichem Dafürhalten. «Technologisch sind wir relativ weit», so Meyer. «Nur schöp-fen wir die Potenziale längst nicht aus. Dafür braucht es Arbeitgeber, die entsprechende Kon-zepte und Infrastrukturen bereitstellen. Die wirkliche Veränderung muss aber beim Arbeit-nehmer stattfinden und bedeutet oftmals nicht nur den Umgang mit neuen Technologien, son-dern eine Anpassung der eigenen Arbeits- und Kommunikationsmethoden.» Sprich: Nur dass jemand darauf beharrt, dass sein Natel zwin-gend mit dem Server des Unternehmens syn-chronisiert werden muss, bedeutet noch lange nicht, dass er auch alle anderen Konzepte der neuen, mobilen Arbeitswelt verinnerlicht hat.Hautnah zu spüren bekam dies im vergange-nen Sommer die deutsche Niederlassung des Software-Giganten Microsoft. An drei Stand-orten sollten die Mitarbeiter gleich komplett ins Home Office geschickt werden, völlig ohne

Alternative. Doch offenbar hatte man vergessen, auch mit den Betroffenen darüber zu sprechen: Die Mitarbeitenden wehrten sich so vehement gegen den Plan, dass Microsoft Ende 2013 zurückruderte und ankündigte, lediglich die Grösse der Standorte anzupassen. (Es sei ange-merkt, dass Recherchen der Süddeutschen Zei-tung zufolge einige böse Fehler passiert sind. So wurde offenbar nie geklärt, wer die Kosten für das Heimbüro und den Umzug, aber auch für allfällige zusätzliche Versicherungen tragen sollte.)

generation y bringt veränderungen – nur welche?Entsprechend unsicher sind Vorhersagen, wann und ob das Arbeiten jemals völlig fle-xibel wird. Bezüglich der technologischen Adaption ändert sich mit der häufig bemühten Generation Y sicher einiges. Ihr wird einerseits eine hohe Technikaffinität nachgesagt, ande-rerseits der Wunsch nach einer möglichst «guten» Work-Life-Balance. Das klingt, als würde tatsächlich bald die Vision wahr, in der wir alle zu Hause arbeiten und uns nur noch

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Tipps der SUvA zur Ergonomie

1. Tischposition im raum

Tisch und Bildschirm sollten so platziert

sein, dass das Licht von der Seite einfällt

(Bildschirm im 90°-Winkel zum fenster).

Die Beleuchtungskörper sollen parallel

zur fensterfront und zur Blickrichtung

ausgerichtet sein.

2. Einstellen des Stuhls

Die Sitzhöhe sollte so eingestellt sein,

dass die oberschenkel ganz auf der

Sitzfläche aufliegen. Dabei sollen die

füsse vollen kontakt zum Boden haben.

zwischen ober- und Unterschenkel sowie

zwischen oberschenkel und Rumpf muss

sich ein offener Winkel (mindestens 90°)

ergeben. Der Abstand zwischen der

kante der Sitzfläche und den kniekehlen

sollte mindestens zwei finger breit sein.

Ein guter Stuhl verfügt über eine höhen-

und neigungsverstellbare Rückenlehne

mit Lordosestütze (Lendenbausch) sowie

über eine Synchronmechanik

(Wippmechanik der Rückenlehne).

3. position von Bildschirm

und Tastatur

Bildschirm und Tastatur sollten gerade

vor dem Benutzer stehen, parallel zur

Tischkante. Papierdokumente werden

am besten zwischen Tastatur und den

Bildschirm abgelegt – idealerweise auf

eine schräge Dokumentenauflage.

«manche unternehmen bieten ihren mitarbeitern alles vom fitness-center bis zum Wäsche-Service.»

für zwingend persönliche Termine treffen, vielleicht sogar in dafür temporär angemiete-ten Büros. Doch tatsächlich lässt sich gerade auf der Jagd nach der Elite von morgen auch der gegenläufige Trend beobachten. Unter-nehmen halten für ihre Mitarbeiter am und um den Arbeitsplatz beinahe alles bereit, was man sich nur wünschen kann – und damit ist nicht einfach eine besonders gemütliche Sitzecke gemeint, in der man kostenlos Kaf-fee trinken darf. Denn, so die Theorie: Die Generation Y interpretiert den oft gescholtenen Begriff Work-Life-Balance neu. Man will arbeiten, wenn man sich kreativ und produktiv fühlt, und eben nicht arbeiten, wenn gerade etwas anderes ansteht. Dies wiederum nützen

progressive (und ausreichend liquide) Firmen geschickt: «Manche Unternehmen bieten ih-ren Mitarbeitern alles – vom Fitness-Center bis zum Wäsche-Service – damit diese im Prinzip auch direkt am Arbeitsplatz leben könnten. Das ist nur logisch: Die besten Ideen entstehen nicht zwingend zwischen 8 und 17 Uhr,» stellt Corinne Meyer fest.

Inventionland ist mehr als ein AbenteuerspielplatzKritisch betrachtet könnte man diesen Unter-nehmen vorwerfen, dass sie ihre Mitarbeiten-den rund um die Uhr, oder wenigstens so lange wie möglich, vereinnahmen möchten. Umge-kehrt scheint es für den Ansatz auch auf Seiten

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4. Einstellen des Tisches

Die Tischhöhe richtet sich nach der

«Ellbogenregel» (Tischhöhe =

Ellbogenhöhe). Ist der Tisch nicht

höhenverstellbar, kann man die

Ellbogenregel einhalten, indem man die

höhe des Stuhls richtig einstellt

(Ellbogenhöhe = Tischhöhe). kleine

Personen benötigen in diesem fall

meistens eine fussstütze. für grosse

Personen kann ein solcher Tisch zu tief

sein und muss erhöht werden.

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5. Bildschirmposition

Die Bildschirmoberkante liegt mindes-

tens 10 cm (eine handbreite) unter der

Augenhöhe. Ab 24 zoll muss ein

Bildschirm bis zur Pultplatte abgesenkt

werden können. Die Sehdistanz zum

Bildschirm beträgt 60 bis 80 cm, bei

grösseren Bildschirmen auch etwas

mehr.

6. körperhaltung, Bewegung und

unterbrechungen

von seinem körperbau her müsste der

Mensch eigentlich jeden Tag viele

kilometer weit gehen. Trotzdem sitzen

wir in der Regel fast 80 Prozent des

Tages. Es ist äusserst wichtig, dass wir

bewusst für genügend Bewegung

sorgen:

Wechseln Sie beim Arbeiten so oft wie

möglich Ihre Position. Auch die beste

Körperhaltung ist über längere Zeit

ermüdend (sitzen, verkehrt sitzen,

stehen, usw.)

der Arbeitskräfte ein Bedürfnis zu geben. Und es muss in einigen Fällen auch gut funktionie-ren. Somit drängt sich der Schluss auf: Es gibt im Grossen betrachtet weder das eine richtige Konzept, noch – etwas kleiner gefasst – die eine richtige Gestaltung für einen Arbeitsplatz. Patentrezepte erweisen sich in der Praxis häufig als gefährliche Verallgemeinerungen, und auch hier muss von Fall zu Fall unterschieden werden.Womit wir wieder bei George Davisons Inven-tionland angekommen wären. Es handelt sich dabei eben gerade nicht um einen aus blosser Verrücktheit entstandenen Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Den «betriebswirtschaftlichen Albtraum» hätte ihm ohnehin niemand ge-glaubt. Die einzelnen Bereiche stehen auch für

die möglichen Einsatzgebiete der zu entwer-fenden Produkte – wenigstens der Grossteil. Schliesslich soll nicht nur am Reissbrett gear-beitet, sondern auch gleich in der Praxis ge-testet werden. So erklärt sich auch, dass längst nicht alle von Davisons Mitarbeitenden hier untergebracht sind. Wer nichts erfinden muss, sondern beispielsweise in der Administration oder Buchhaltung tätig ist, verrichtet seinen Job im handelsüblichen Grossraumbüro. Man darf also guten Gewissens festhalten: den einen, perfekten Arbeitsplatz gibt es nicht. Viel-mehr gibt es für bestimmte Tätigkeiten besser und schlechter geeignete Umgebungen. Nur für welche Aufgaben sich das Piratenschiff anbie-tet, hat sich uns bisher nicht erschlossen. ●fo

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W as mit Big Data möglich ist, stellte Google schon 2009 unter Beweis. Der IT-Gigant wertete wäh-rend der H1N1-Grippe-

epidemie mit Hilfe mathematischer Modelle die Suchanfragen aus und glich die Ergebnisse mit den Grippedaten der beiden zurück-liegenden Jahre ab. Das Unternehmen sagte so sehr exakt voraus, wie sich die aktuelle Epidemie in den USA ausbreitet – und das viel schneller als die staatlichen Centers for Disease Control an Prevention (CDC). Mittler-weile nutzt Google das Verfahren, um Grippe-trends weltweit einzuschätzen.

vernetzung der internen produktionsprozesseAuch Unternehmen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie setzten sich zunehmend mit der Frage auseinander, wie sie die heute tech-nisch mögliche Echtzeitanalyse von Daten für sich nutzen können. Das Thema Industrie 4.0 sorgt hier für zusätzliche Dynamik. Denn wenn Maschinen, Materialien und Produkte erst einmal vollständig in Cyber-Physical- Systems (CPS) miteinander vernetzt sind und die Machine-to-Machine-Kommunikation der Standard ist, führt an Big Data kein Weg mehr vorbei. Bis es soweit ist, werden noch einige Jahre vergehen; bislang steckt die vierte industrielle Revolution weltweit noch in den Kinderschuhen. Für die Schweiz als innova-tives Land mit der höchsten Anzahl Patent- anmeldungen pro Einwohner bieten sich

VON MASCHINE ZU MASCHINE

Dank Vernetzung zu höherer WertschöpfungIn der industriellen Produktion bietet sich noch grosses Potenzial durch einen höheren vernetzungsgrad, diagnostizieren unsere Gastautoren. Der Begriff der Stunde heisst Industrie 4.0.AUToREN dAnIEL ZImmErmAnn UND mArkuS ScHWArZ

damit enorme Chancen. Wer die Möglich- keiten der Industrie 4.0 für sich nutzen will, sollte Vision und Realität nicht miteinander vermischen und zunächst eine solide Grund-lage schaffen – und zwar so, dass sich die Investitionen möglichst schnell rechnen. Für KMU aus der MEM-Industrie bedeutet das: Bevor sie die Vernetzung mit der Umwelt an-gehen, sollten sie zuerst ihre internen Produk-tionsprozesse miteinander verbinden.Nach unserem Verständnis beginnt der Pro-duktionsprozess bereits mit der Vertriebs- und Langfristplanung, zieht sich dann nach Disposition und Fertigungsplanung durch die verschiedenen wertschöpfenden Arbeits-schritte und endet nicht mit der Ablieferung der gefertigten Teile im Lager, sondern erst bei HR-Prozessen wie der Prämienentlohnung und beim Controlling, das dann auf standar-disierten KPI basiert.Das Ergebnis: Alle beteiligten Mitarbeiter haben schon frühzeitig Zugriff auf die vorhan- denen Daten und zahlreiche Prozesse lassen sich automatisiert anstossen bzw. ausführen. So können etwa Informationen aus der Lang-fristplanung dazu dienen, rechtzeitig die erfor-derlichen Materialien zu beschaffen und eine optimale Auslastung der Kapazitäten zu errei-chen. Möglich ist beispielsweise auch, dass das MES über Sensoren die Maschinendaten sam-melt und an eine Software weitergibt, die mit Hilfe statistischer Verfahren den Verschleiss vorhersagt. Damit kann zum richtigen Zeit-punkt automatisch ein Instandhaltungsauf-trag an das ERP-System gesendet werden, das

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dann die entsprechende Wartung veranlasst. Die sich in der Folge ergebenden und jetzt ge-planten Ausfallzeiten der betroffenen Maschi-ne lassen sich wiederum bei der Kapazitäts-planung berücksichtigen. Da im Zuge dieser datenbasierten präventiven Instandhaltung Abnutzungen an Maschinen und Werkzeugen frühzeitig erkannt und behoben werden, kann auch die Produktionsqualität zunehmen und sich der Ausschuss reduzieren.

Damit KMU diese Vorteile für sich nutzen können, sollten sie die Vernetzung strategisch angehen. Dafür sind Veränderungen auf drei Ebenen erforderlich: auf Ebene der Organi-sation bzw. des Managements, auf Ebene der Prozesse und auf Ebene der Technologie.

Organisation, prozesse und Technologie Organisation: Auf Ebene der Organisation stehen vor allem drei Aufgaben an. Erstens sollte dafür gesorgt werden, dass die verfüg-baren Informationen tatsächlich an die rich-tigen Personen gelangen. Zweites muss eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit das auch in KMU vorherrschende Silodenken ersetzen. Und drittens müssen sich sämtliche Abteilungen vom Reagieren verabschieden und stattdessen präventiv handeln. Um das umzusetzen, bietet es sich an, einen Mit-arbeiter im Unternehmen zu bestimmen, der für die gesamte Vernetzung verantwortlich ist. Dieser Mitarbeiter sollte mit ausreichenden Kompetenzen ausgestattet sein und im Zuge eines Change Managements die notwendigen Veränderungen herbeiführen. Dabei spielen verbindliche Regeln eine Rolle. Wichtiger ist aber noch, durch Kommunikation einen kulturellen Wandel voranzutreiben und alle Beteiligten einzubinden.Prozesse: Auf Ebene der Prozesse kommt es darauf an, die vielen Teilabläufe zu einem Gesamtablauf zusammenzuführen. Erforder-lich ist das, weil sich durch die zunehmende Integration einzelne Prozesse nicht mehr nur jeweils einer Abteilungen zuweisen lassen. Beispiel Produktionsplanung: Sollen hier Echtzeitdaten aus der Produktion einfliessen – um die Kapazitäten effizienter auslasten zu können – sollte dieser Prozess unmittelbar mit den Fertigungsprozessen und der Maschinen-steuerung verzahnt sein. In der Praxis wird das bedeuten, dass KMU zumindest teilweise bestehende Prozesse neu gestalten müssen, um sie so anschlussfähig zu machen.Technologie: Mit der Integration der Prozesse geht die Vernetzung der Technologie einher.

daniel Zimmermann ist Senior Account Executive bei Mieschke hofmann und Partner (Schweiz) AG.

markus Schwarz ist Senior Manager und Practice Lead Manufacturing Execution bei Mieschke hofmann und Partner im Bereich SCM.www.mhp.com

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Das betrifft im ersten Schritt die etablierten IT-Systeme. Hier sind grundsätzlich zwei Varianten denkbar. Entweder lassen sich die vorhandenen Systeme – in den meisten Fällen werden das PLM-, SCM-, ERP-, MES-, und Shopfloor-Lösungen sein – über Schnittstel-len miteinander verbinden. Oder alle Anwen-dungen setzen auf einer neu einzuführenden Integrationsplattform auf, die den Datenaus-tausch koordiniert. Im zweiten Schritt kann die Maschinensteuerung selbst geöffnet wer-den. Maschinen und Werkzeuge würden also nicht mehr nur Impulse aus der zugehörigen Steuerungssoftware erhalten, sondern auch von anderen Systemen oder anderen Maschi-nen. Eine bestimmte Buchung im Warenwirt-schaftssystem könnte dann beispielsweise dazu führen, dass sich die angesprochene Maschine auf Betriebstemperatur bringt. Um das zu realisieren, müssen die Maschinen zu-nächst überhaupt kommunikationsfähig ge-macht werden. Je nach Alter gelingt das zum Beispiel mit einem nachgerüsteten Analog-Digital-Wandler, einer erneuerten SPS-Ein-heit und Sensorik oder einer aktualisierten Software. So ausgestattet, kann die Maschine dann über die Shopfloor-Lösung an Webser-vices angebunden werden.

von der Ist-Analyse zum Soll-konzeptDa mit der Vernetzung der Produktionspro-zesse also erhebliche Veränderungen einher-gehen, empfiehlt es sich, die Entscheidung gründlich vorzubereiten. Das beginnt mit einer fundierten Wertstromanalyse. Diese identifiziert sämtliche Teilprozesse, bildet sie in einem Modell ab und macht so deutlich, wie die einzelnen Abläufe miteinander zusam-menhängen. Auf diese Weise lässt sich leicht erkennen, wo bereits alles perfekt ineinander-greift und wo noch Potenzial steckt. Nützlich ist auch ein Benchmarking, das die eigene Ist-Situation mit aggregierten Branchenwer-ten vergleicht. Parallel dazu sollte die aktuelle IT-Bebauung in den Blick genommen werden. Leitfragen sind dabei: Wo ist es möglich, zu vereinheitlichen oder zu standardisieren? Wie unterstützt die IT integrierte und schlanke Prozesse? Und inwieweit ist sie für die anste-henden Veränderungen geeignet? Basierend auf dieser Ist-Analyse sollten als nächstes die Handlungsfelder benannt und priorisiert wer-

den, in denen änderungen erfolgen sollen. Hieran schliesst sich die Formulierung eines integrativ und entlang der gesamten Wert-schöpfungskette abgestimmten Soll-Konzep-tes an.Entscheidend ist auch, Aktivitäten für das Change Management zu berücksichtigen. Das deshalb, weil der Erfolg des Projektes stark davon abhängt, alle betroffenen Mitarbei-ter – und das sind in einem solchen Projekt ausgesprochen viele – für die anstehenden Veränderungen zu gewinnen. Hilfreich ist es, frühzeitig die positiven Effekte für jeden ein-zelnen aufzuzeigen: Bei dem einen kann das bedeuten, dass lästige Routinearbeiten wegfal-len und mehr Zeit für wertschöpfende Arbeit

Weshalb sich ein vernetzter produktionsprozess rechnet• KMUsteigerndieTransparenzunderhöhendamitdieSicherheit

bei einem Entscheid.

• DadasVerständnis fürdieProzesseundderenZusammenwirken

zunimmt, können Abläufe effizienter gestaltet werden.

• DieVernetzungerlaubtes,Prozesseweiterzuautomatisieren.

Das beschleunigt zum einem den Produktionsprozess und verringert

zum anderen den manuellen Aufwand.

• PräventiveInstandhaltungsmassnahmenerhöhendieProduktionsqualität

und reduzieren die Ausschussquote sowie Ausfallzeiten.

• DiefrühzeitigeKenntnisvonAusfallzeitenverbessertdie

Planungsgenauigkeit.

der Erfolg hängt davon ab, alle mitarbeiter für die veränderungen zu gewinnen.

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bleibt. Bei einem anderen, dass er abteilungs-übergreifende Aufgaben übernimmt und so seine Qualifikation ausbaut.

kontinuierlich potenziale erkennenMit der internen Vernetzung ihrer Prozesse bewegen sich KMU schon ein gutes Stück auf den Fixpunkt Industrie 4.0 zu. Es wäre aller-dings zu kurz gedacht, es bei dem einmal er-reichten Stand zu belassen. Vielmehr sollten die Unternehmen die Rückmeldungen der Mitarbeiter nutzen, um kontinuierlich wei-tere Potenziale zu erkennen und auf Ebene der Organisation, der Prozesse und der Tech-nologie stetig nachzujustieren. Herangezogen werden sollten dazu auch die kennzahlen-basierten Erkenntnisse aus einem systema-tischen Controlling der integrierten Produk-tionsprozesse. Zuletzt gilt es, technologische Innovationen stets daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie einen Beitrag zu einer tieferen Vernetzung leisten können. ●

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Kein Netz

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Break Evennach einem Jahr

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Expertenwissen 30

KUNDEN GESUCHT

Wie wird Kaltakquisition erfolgreicher?

statt die Kommunikations-Einbahnstrasse zulassen. Im Vordergrund muss der Mehr-nutzen des Käufers stehen. Doch wie stelle ich eine Dialogmöglichkeit her? Das hängt nicht zuletzt vom Zielpublikum ab: Der gewünschte Gesprächspartner entscheidet über die ange-zeigten Aktivitäten.Für Anbieter ist es wichtig, eine Ausgangsposi-tion zu schaffen: Wer bin ich, was tue ich, was biete ich an und wem biete ich es an? Sowohl im B-to-C- wie auch im B-to-B-Bereich ist dies eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich agie-ren zu können. Die Möglichkeiten der Markt-bearbeitung unterscheiden sich massiv von der Privatkundenakquisition zur Geschäfts-kundenakquisition. Besonders bei privaten, potenziellen Interessenten (B-to-C) gilt es, nur dann in persönlichen Kontakt zu treten, wenn eine «geschäftliche Beziehung» bereits besteht, also der Interessent die Kontaktnahme bereits erwartet oder diese verlangt hat. Den Interes-senten muss man vorher jedoch mittels Inter-net, über Printmedien, Veranstaltungen, oder mit physischen Mailings auf sich aufmerksam machen. Um die gesetzlichen Bestimmungen diesbezüglich zu erfüllen, wenden sich Anbie-ter zuerst in schriftlicher Form an das Ziel-publikum. Um dann zum Abschluss kommen zu können, ist der persönliche Kontakt immer noch ausschlaggebend. Ausser an Messen und Veranstaltungen erfolgt der erste persönliche Kontakt meistens noch per Telefon.

J ede Firma muss ihre Erzeugnisse abset-zen können, also Käufer für Produkte oder Dienstleistungen finden. Jeder Firmeninhaber oder Verantwortliche muss sich möglichst gut verkaufen,

denn der Wettbewerb verzeiht keine Fehler und hat sich zum Verdrängungskampf ent-wickelt. Auch wenn eine Firma über ein sehr gutes Produkt oder eine exklusive Dienstleis-tung verfügt, einzigartig und rechtlich durch Patente geschützt, rechnet man damit, dass innerhalb von rund drei Monaten eine andere Firma etwas anbieten wird, das bis auf Nuan-cen genau dem entspricht. Für jede Unterneh-mung heisst das, sich innovativ zu verhalten, also sich weiterzuentwickeln und möglichst schnell und massiv im Markt aufzutreten. Da-bei ist zu berücksichtigen, dass das Marketing und der gesamte Verkaufsprozess mehr kos-ten als die Produktion. Staatliche Regeln und Konsumentenschutz beispielsweise engen die Möglichkeiten der Vermarktung (vielfach zu Recht) erheblich ein.

kommunikations-Einbahnstrasse?Der gesamte Marketing- und Verkaufsprozess darf nicht zum Monolog verkommen, sondern soll idealerweise als Dialog, als Informations-austausch geführt werden. Somit könnte ein treffender Slogan für alle Marketing- und Ver-kaufsprozesse lauten: zielen statt streuen, agie-ren statt reagieren, Informationen sammeln

kaltakquisition wird zunehmend schwieriger und von gesetzlichen vorschriften eingeengt. Es sind immer mehr neue Ideen und kreativität gefragt, um kosten nicht überborden zu lassen und doch eine annehmbare Abschlussquote zu erzielen.

AUToR BrunO STöckLI

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Bruno Stöckli sammelte seine Erfahrung nach einer Ausbildung im Detailhandel unter anderem als Geschäftsleiter mehrerer Telefonmarketingagenturen. Seit 1992 ist er Dienstleister und Berater im Marketing und konzentriert sich dabei auf kMU. E-Mail: [email protected]

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mehr Informationen, mehr kundenzufriedenheitBei Geschäftskunden (B-to-B) ist das Gesetz nicht so rigoros und nicht so einschränkend. Vielfach kann dort das Internet als Quelle für Basisrecherchen genutzt werden. Sofern dann der richtige Ansprechpartner bekannt ist, könnten diverse Marketingmassnahmen verwendet werden, um auf sich aufmerksam zu machen. In vielen Fällen ist der Ansprech-partner unbekannt (Adresslieferanten geben jeweils an aktuelle Daten zu liefern, doch jeder dritte Entscheidungsträger wechselt innerhalb eines Jahres seine Position). Will man etwas mehr über die gegebene Situation innerhalb einer Unternehmung erfahren, um konkretere Basisangebote zu machen, wird vor allem zum Telefon gegriffen.

Der Anbieter sammelt Informationen, um sein Angebot besser gestalten zu können. Diese Informationen geben ihm die Möglich-keit, sich veränderten Bedingungen anzupas-sen. Dass gesammelte Informationen willkür-lich weitergegeben und verkauft sowie gegen den Dateneigner verwendet werden, macht natürlich den Kaltakquisitionsvorgang nicht einfacher und ist vielfach der Grund, wes-halb man nicht ins Gespräch kommen kann. Kaltakquisition ist in der heutigen Gesell-schaft problematischer geworden. Dies muss auch darauf zurückgeführt werden, dass über Jahre hinweg nur ein Ziel verfolgt wurde – nämlich Umsatz, Umsatz und nochmals Umsatz. Die veränderte Philosophie und das aktuelle Kaufverhalten sehen den Mehrwert und das lösungsorientierte Verkaufen im

Ausser an messen erfolgt der erste persönliche kontakt meistens noch per Telefon.

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Vordergrund. Es folgen einige Anregungen, wie Sie die Abschlussquote in der Kalt- akquisition steigern können. Diese Anregun-gen sind nicht neu, eigentlich alte Weishei-ten, werden jedoch immer wieder ignoriert und vergessen.positionierung: Was wollen Sie anbieten und wer kann das Angebot gebrauchen? Wo liefern Sie mit Ihrem Angebot einen Mehrwert oder eine Problemlösung? Adressselektion: Wen wollen Sie angehen? Welchen Entscheidungsträger sprechen Sie an? Woher nehmen Sie das Adressmaterial? Wie bereiten Sie das Adressmaterial auf und welche Möglichkeiten haben Sie, um es mit nützlichen Informationen anzureichern? Hier noch einige wichtige Erfolgsfaktoren für das Mailing:• Persönliche Adressierung, sofern Sie

wissen wie der vollständige Name lautet.• PersönlicheAnrede.• Persönlicher«Touch».Könntevielhelfen,

sofern überhaupt Daten vorhanden sind, die dies ermöglichen.

• Ankündigen eines weiteren Kontakts.Dies erhöht den Reaktionsdruck.

• Grussformel und Orginal-Unterschrift.Enorme Wirkung erzielt auch eine aufge-klebte Briefmarke.

Telefon als AkquisitionsinstrumentDas Telefon ist das direkteste Kommunika- tionsmittel; es animiert in der Regel zum Dialog, sofern es als Instrument richtig genutzt wird. Auch hier einige Tipps:• Bewegen Sie sich auf Augenhöhe des

Gesprächspartners.• ErstellenSieselbstoder lassenSieeinen

Gesprächsleitfaden und ein Protokoll erstellen.

• Alle Informationen, die Sie aus dem Gespräch herausholen, sind zu notieren, so dass sie nicht nur als Gedankenstütze, sondern auch als Argumentationshilfe genutzt werden können.

• StellenSiebeimErstkontaktniemehralsfünf Fragen. Dabei sind die vier Ws von zentraler Bedeutung: wie, wo, wann und weshalb?

• Animieren Sie den Gesprächspartnerzum Reden.

• SeienSienieungeduldig.

• Vergewissern Sie sich vor Gesprächen,dass Sie richtig vorbereitet sind und nicht gestört werden. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgabe.

• Führen Sie Gespräche immer so, dass diese auch bei negativem Ausgang ein positives Image bilden, beziehungsweise einen positiven Eindruck hinterlassen.

• Das Gesetz der Höflichkeit und des Respekts gilt ganz besonders in der Kalt-akquisition.

• VerhaltenSiesichamTelefonso,wieSieer-warten von anderen am Telefon behandelt zu werden.

Von allen Erkenntnissen vielleicht die wich-tigste: Ein Beziehungsnetz wird für jede Firma, aber auch für jede Privatperson, immer wichtiger. Beziehungen gehören zum täglichen Leben. Wenn Sie sich diese Frage stellen: «Welche Kontakte helfen mir und welchen kann ich helfen?» sind Sie grund-sätzlich immer auf dem richtigen Weg. Dieser Ansatz erlaubt ein Geben und ein Nehmen – das A und O jeder gesunden Beziehung. ●

führen Sie gespräche so, dass sie auch bei negativem Ausgang ein positives Image bilden. IL

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Vier Jahre ist es her, seit drei innovativeSchweizer Jungunternehmer in Thun die Hotel-card lanciert haben – eine Kundenkarte, mit der sämtliche auf www.hotelcard.com aufgefüh-rten Hotels zum ½ Preis gebucht werden kön-nen. Die Idee dahinter bildete das Halbtax-Abo der SBB, welches die Hotelcard AG mit grossem Erfolg auf die Hotellerie übertragen hat.

Zu Beginn war dieses Angebot nur für Privatper-sonen zugänglich. Auf vielfachen Wunsch von Schweizer KMU wurde Ende 2013 die Company Hotelcard lanciert. Dank dem übertragbaren Hotel-Halbtax, ausgestellt auf die Firma, können Mitar-beitende, Geschäftspartner sowie Gäste des Un-ternehmens zum ½ Preis in Hunderten Top-Hotels vor allem in der Schweiz, aber auch in Deutschland und Österreich übernachten. Nebst der Einsparung von Logiskosten für Aussendienstmitarbeitende, Mon-teure und Gäste, können sämtliche Mitarbeitenden die Karte auch für private Zwecke nutzen, was eine ge-sunde Work-Life-Balance fördert. Eine Vielzahl posi-tiver Rückmeldungen aus dem Markt zeigen bereits

jetzt, dass die KMU-Landschaft das Potential er-kannt hat und die damit verbundenen Sparmöglich-keiten für sich zu nutzen weiss. Mit einer jährlichen Investition von CHF 199 eröffnet sich dem Inhaber der Karte ein enormes Sparpotential.

Belohnen Sie Ihre Mitarbeitenden!Stress und Arbeitsdruck nehmen in der heutigen Leistungsgesellschaft stetig zu, weshalb eine ge-sunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Eine Vielzahl Schwei-zer Unternehmen hat die Bedeutung einer ausge-wogenen Work-Life-Balance längst erkannt und gewährt ihren Angestellten fl exible Arbeitszeitmod-elle, Gesundheitsangebote oder Fringe Benefi ts. Die Company Hotelcard ist ein hervorragendes Angebot, um die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden zu fördern. Ein erholsames Wellnes-Wochenende zum

½ Preis ist nach einer anstrengenden Arbeitswoche genau das Richtige, um die Batterien wieder aufzu-laden. Die Handhabung ist vergleichbar mit den be-liebten SBB-Tageskarten, welche viele Gemeinden ihren Einwohnern offerieren. Die Mitarbeitenden können die Company Hotelcard beim Sekretariat ausleihen, ein schönes Wochenende zum ½ Preis verbringen, vorort im Hotel bezahlen und die Com-

pany Hotelcard anschliessend wieder zurückbringen. Da jede Firma zwei Exemplare erhält, sind immer zwei Company Hotelcards gleichzeitig verfügbar.

Enormes SparpotenzialDas Hotel-Halbtax kann während seiner Gültigkeit von einem Jahr (199 CHF), zwei Jahren (359 CHF) oder drei Jahren (519 CHF) beliebig oft eingesetzt werden. „Die Kosten für die Hotelcard sind be-reits bei der ersten oder zweiten Übernachtungamortisiert“, erklärt Hotelcard-Geschäftsführer Fabio Bolognese und ergänzt: „Wer pro Jahr zwei oder mehr Übernachtungen in einem Hotel bucht, muss die Company Hotelcard einfach haben!” Das Sparpotenzial ist enorm – sowohl für den einzelnen Mitarbeiter als auch für die Firma.

Mehr als 530 begeisterte PartnerhotelsDie Anzahl Hotels, welche exklusiv auf www.hotel-card.com Übernachtungen zum ½ Preis anbieten, hat stark zugenommen. Allein im Jahr 2013 haben sich mehr als 200 neue Hotels für eine Zusam-menarbeit mit Hotelcard entschieden. Wintersport-, Wellness-, Business- und Stadthotels optimieren dank Hotelcard die Auslastung ihrer Zimmerka-pazitäten und generieren auf diese Weise zusätzli-chen Umsatz. Lisa Hobi vom Claridge Hotel mitten in Zürich ist begeistert vom Konzept der Hotelcard und der einfachen Handhabung für den Gast: „Für uns ist es die perfekte Möglichkeit, unseren Bekanntheits-grad weiter zu steigern und unsere Auslastung an schwächeren Tagen zu verbessern.“ Thomi Blatter vom Blatter’s Bellavista Hotel in Arosa ergänzt: „Mit

Publireportage

Die Vorteile der Company Hotelcard:

• Übernachtungen in über 530 Hotels zum ½ Preis.• Hotelcard bietet die Best-Price-Garantie.• Karte ist während ihrer Gültigkeit beliebig oft einsetzbar.• Für die Buchung eines Doppelzimmers genügt eine Karte.• Kein Konsumationszwang im Hotel.• Keine Mindest-Aufenthaltszeit.• Die Company Hotelcard ist übertragbar.

Company Hotelcard bestellen: www.hotelcard.com/blickpunkt 0848 711 717 (zum Ortstarif)Bitte Rabattcode blickpunkt erwähnen!

Hotelcard können wir einen Teil unseres Yield Man-agements umsetzen und erreichen damit Personen, welche wir sonst nicht – oder nur mit viel Aufwand – erreicht hätten.“

Hotelzimmer zum ½ Preis - wie geht das? Personal- und Infrastrukturkosten entstehen auch dann, wenn die Zimmer leer sind. Für Hotels ist es darum rentabler, ihre Zimmer auszulasten – ganz nach dem Motto: Lieber die Hälfte als gar nichts! Nebst der verbesserten Auslastung können Hotels durch Zusatzangebote wie Food & Beverage oder Wellness-Dienstleistungen ihren Umsatz steigern. Weiter profi tieren die Hotels von der Steigerung ihres Bekanntheitsgrades – sei es durch Mund-zu-Mund Propaganda oder durch die verschiedenen Kommunikations-Massnahmen seitens Hotelcard. Allein die Tatsache, dass viele hochwertige 4- und 5-Sterne Top-Hotels auf Hotelcard setzen, spricht für die Qualität und dafür, dass dank Hotelcard eine ideale Win-Win-Situation zwischen Hotel und Gast geschaffen wird.

Grand National Luzern ab CHF 187.30 statt CHF 374.60

Der Touring Club Schweiz arbeitet seit 1 Jahr mit Hotelcard zusam-men. Das Angebot ergänzt unser Mehrwertprogramm im Bereich Hotels & Unterkünfte und wird von unseren Mitgliedern sehr ge-schätzt. Dank Hotelcard kann man sich auch mal ein Hotel leisten, welches man ansonsten nicht ge-bucht hätte.

Pascal FollonierVizedirektorTCS The Cambrian Adelboden ab CHF 232.50 statt CHF 465.00

Das Hotel-Halbtax für Schweizer KMU

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Überforderung, die schrittweise zu einem Dauerzustand wird. Die Folgen sind oftmals seelische Krankheiten wie Depressionen oder Burn-out.

Wichtiges von unwichtigem unterscheidenNiemand kann alles auf einmal erledigen. Intelligentes Zeitmanagement beginnt mit dem sorgfältigen Abwägen und Auswählen

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Umfragen haben ergeben, dass die hälfte der fach- und führungskräfte wöchentlich 60 Stunden und mehr arbeitet. viele von ihnen können gar nicht mehr anders. Sie haben Termindruck und überstunden zu einem regelrechten Statussymbol kultiviert, wobei familie und Gesundheit immer mehr vernachlässigt werden.

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E ilige Aufträge, spontane Meetings und unerwartete Anrufe – die tägliche Arbeitsbelastung in unse-rer High-Speed-Gesellschaft mit ihrer immensen Informationsflut

nimmt zu. Volle E-Mail-Postfächer, Multi-tasking und ständige Erreichbarkeit – viele Berufstätige sind der Meinung, alles immer sofort erledigen zu müssen. Anhaltende Hektik führt jedoch unweigerlich zu einer

INTELLIGENTES ZEITMANAGEMENT

Den Zeitdieben auf der Spur

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der anstehenden Aufgaben. Obwohl die Leis-tungsdichte immer mehr zunimmt, würde in zahlreichen Situationen mehr Gelassenheit dazu beitragen, der allgemeinen Hektik des Arbeitsalltages zu entgehen. Natürlich fällt es schwer, ständig eingehende E-Mails oder das Telefon zu ignorieren. Allerdings ist nur derjenige in der Lage effizient zu arbeiten, der sich nicht ablenken lässt. Selbst der wachsen-den Anzahl an Terminen können Führungs-kräfte entgegenwirken, indem sie beispiels-weise darauf drängen, dass Meetings richtig

vorbereitet oder zeitaufwendige Dienstfahr-ten durch Videokonferenzen ersetzt werden. Um Störungen in Grenzen zu halten, lassen sich statt unverhoffter Vertreterbesuche feste Besprechungstermine einrichten. Das alles bedeutet natürlich viel Selbstdisziplin. Jeder muss lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, Prioritäten zu setzen und sich letztendlich auch daran halten. Wem das ge-lingt, der wird belohnt: Er fühlt sich nicht mehr nur als fremdbestimmter Akteur, son-dern als Herr über die ihm zur Verfügung ste-hende Zeit, ist weniger gehetzt und sicherer bei der Erledigung wichtiger Aufgaben.

Zeitmanagement muss zur persönlichkeitsstruktur passenJeder Mensch ist anders, hat eigene Talente, Schwächen und Stärken. Deshalb gibt es auch kein allgemeingültiges Zeitmanagementsys-tem. Während beispielsweise die systema-tisch-analytisch denkende Führungskraft mit ganz klassischen Regeln klar kommt, brauchen Querdenker andere Methoden, um ihre Zeit effektiv zu nutzen. Während Per-sönlichkeiten, die gern in Zahlen, Daten und Fakten schwelgen, mit «To-do-Listen» und einer straff organisierten Tagesplanung bestens beraten sind, würden sich kreativ-chaotische Persönlichkeiten durch derartige Tools in ihrer Arbeitsstruktur eher eingeengt und ihrer Energie beraubt fühlen. Tageskonzepte, Brainstorming-Sammlungen und ähnliche flexible Tools kommen der Arbeitsweise die-ser Personengruppe viel besser entgegen. Bis die richtige Methode gefunden ist, müssen vielleicht verschiedene Zeitmanagementsys-teme getestet werden. Eingefahrene Gewohn-heiten gilt es aufzubrechen, Arbeitsweisen zu ändern.Letztlich ist es Zweck des Zeitmanagements, mehr Zeit zu haben. Durch eine systema- tische Vorgehensweise lässt sich oft tatsäch-lich erstaunlich viel Zeit «gewinnen». Nun gilt es zu überlegen, wozu diese genutzt werden soll: für andere Arbeit, für mehr Arbeit oder zum persönlichen Ausgleich. ●

Tania pelucchi ist Geschäftsführerin bei The Berlitz Schools of Languages AG in der Schweiz. Das Unternehmen mit 550 Niederlassungen in mehr als 70 Ländern bietet fremdsprachentraining, interkulturelles Training und Business Seminare an.www.berlitz.ch

5 Topp-Tipps:1. Arbeitsziele möglichst genau definieren.

2. Prioritäten setzen – wichtig von eilig unterscheiden.

3. Unangenehme Aufgaben nicht aufschieben, sondern konsequent

zu Ende bringen.

4. Die persönliche Leistungskurve berücksichtigen, Pausen einlegen.

5. Geeignete Massnahmen ergreifen, um Störungen zu vermeiden.

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dass alles nur eine Frage der besseren Umsetzung wäre. Dies ist eine weit verbrei-tete Ansicht. Doch die Kombination mit der geringen Erwartungshaltung verdeutlicht, dass KMU sich mit weit grundlegenderen Herausforderungen im Umgang mit sozialen Medien konfrontiert sehen. Letztendlich ist vielen nicht klar, warum sie sich überhaupt engagieren sollten.Lediglich einen Account anzulegen und das Signal zu senden, dass man auch «dabei» ist, ist oftmals ein beschrittener Weg von KMU. Diese Form der Anwendung von Social Media bezeichnen wir als «symbo-lisch», da sie vollkommen entkoppelt von jeglichen weiterführenden Zwecken für das Unternehmen ist. Für viele Unternehmen ist es jedoch durchaus nachvollziehbar, so zu agieren. Das ist dann der Fall, wenn die Nichtteilnahme an Social Media bei den Zielgruppen als Signal für mangelnde Innovationsfähigkeit oder mangelnden Fort-schritt verstanden wird. Wenn noch dazu die echten, weiterführenden Mehrwerte nicht klar sind, erscheint es nur logisch, den finanziellen und zeitlichen Aufwand gering zu halten. Diese symbolische Teilnahme er-zielt aber eben auch kaum einen Effekt auf das tatsächliche Geschäft des Unternehmens.

Wer sich über soziale Medien erfolgreich positionieren möchte, braucht mehr als eine gute mediale Umsetzung. Um ein echtes strategisches Engagement zu entwickeln, müssen Unternehmen die Social Media Aktivitäten eng an ihre Geschäftslogik koppeln.

AUToREN prOf. dr. kErSTIn WAgnEr UND dr. mIcHAEL BEIEr

M it dem Einsatz von Social Media werden vielfältige Zwecke verfolgt. Social Me-dia Plattformen sind güns-tig, einfach zu bedienen und

die Zielgruppen werden direkt erreicht. Pri-vate Nutzer und Vertreter von Unternehmen können in den jeweiligen Plattformen Inhal-te erstellen und sich austauschen. Mit diesen Möglichkeiten stehen jedoch gerade KMU auch vor grossen Herausforderungen. Der vorliegende Beitrag soll Unternehmen helfen, ihre Social Media Aktivitäten zu einem ech-ten strategischen Engagement zu entwickeln, so dass die Nutzung und Einbindung diverser Plattformen einen Mehrwert stiften können.

Warum kmu oftmals auf symbolisches Engagement setzenWir stellen aus einer unserer eigenen Studien(www.sife.ch/socialmedia) und aus der Bera-tungspraxis fest, dass KMU insgesamt sehr niedrige Erwartungen an den Nutzen von Social Media stellen. Gleichzeitig berichten die Unternehmen, dass ihre gesteckten Er-wartungen nur selten erfüllt werden. Würde man nur sehen, dass die Unternehmen ihre Ziele in Sachen Social Media nicht erreichen können, könnte man zum Schluss kommen,

AN DIE GESCHäFTSLOGIK KOPPELN

Strategische Anwendung von Social Media

prof. dr. kerstin Wagner leitet den Schwerpunkt Gründung und Wachstum im Schweizerischen Institut für Entrepreneurship SIfE der hTW Chur.

dr. michael Beier ist Senior Researcher am gleichen Institut. Die beiden beschäftigen sich in forschung und Beratung u. a. mit sozialen Netzwerken von kMU. www.sife.ch

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So stellt sich nun die Frage, wie eine Alterna-tive zur rein symbolischen Anwendung von Social Media aussehen könnte. Diese muss eine «strategische» Anwendung sein.

Warum kmu auf strategisches Engagement setzen solltenFür ein strategisches Engagement müssen die Aktivitäten in sozialen Medien eng an die Geschäftslogik des Unternehmens gekoppelt werden. Social Media ist kein Selbstzweck. Entsprechend muss strategisch geplant wer-den, wie Social Media Aktivitäten schluss-endlich betriebswirtschaftliche Ziele (mehr Umsatz, tiefere Kosten, schnellere Prozesse und geringere Risiken) erreichen sollen. Dazu muss ein Unternehmen anhand seines Geschäftsmodells klären, an welchen Stellen Social Media Aktivitäten Mehrwerte bringen können. Dies muss im Einzelfall konkret er-arbeitet werden. Folgende vier Schritte be-schreiben ein mögliches Vorgehen für eine strategische Anwendung.

Schritt 1: Analyse und definition der ZielgruppenBei der Frage nach der Zielgruppe von Social Media Aktivitäten – insbesondere im B2C-Bereich – sind KMU zunächst einmal ge-neigt, mit «alle» oder «jeder» zu antworten. Die Vorstellung erscheint verlockend, man könnte über die reichweitenstarken Kanäle (wie Facebook oder YouTube) kostengünstig eine hohe Zahl an Nutzern erreichen. Der Vielzahl an möglichen Adressaten steht aber auch die Konkurrenz der anderen Anbie-ter von Inhalten gegenüber, die alle um die Aufmerksamkeit der Nutzer kämpfen. Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass Ziel-gruppen sehr konkret angesprochen werden können und diesen aufgezeigt wird, was ge-nau für sie die Mehrwerte einer Social Media Beziehung mit dem Unternehmen sind.Daher ist es erforderlich, dass die Ziel-gruppen genau definiert werden. Dabei gilt: Zielgruppen sollten dann ausdifferenziert werden, wenn sie sich auf unterschiedlichen Plattformen aufhalten oder sich die Inhalte, über die sie motiviert werden sollen, stark unterscheiden. Gleichzeitig sollten Kunden- segmente auch nicht zu kleinteilig sein: Es steht nur eine begrenzte Anzahl an Kanälen

zur Verfügung, über die unterschiedlich kommuniziert werden kann. Und der Auf-wand lohnt sich nur, wenn immer noch eine hinreichend grosse Menge an potenziellen Nutzern vorhanden ist.

Schritt 2: Bestimmung der Zwecke für die Zielgruppen Nachdem die Zielgruppen definiert sind, ist festzulegen, welche Zwecke bei diesen jeweils verfolgt werden sollen. Bei den unternehmens-externen Zielgruppen gibt es zwei Arten von betriebswirtschaftlichen Zwecken. Einerseits sollen Informationen generiert werden, die dazu dienen Produkte und Leistungen zu ver-bessern oder Marktforschung und Marktbe-obachtung zu betreiben (Inbound), anderer-seits dient die Kommunikation nach aussen (Outbound) ebenfalls spezifischen Zwecken und liegt damit näher an umsatzrelevanten Zielen wie Gewinnung von Neukunden oder Verbesserung der Kundenbindung.Insgesamt gilt, dass es in jedem Kanal um mehrere Arten von Zwecken geht, die inein-andergreifen. So müssen die Nutzer über-haupt zum Eintritt in den eigenen Kanal und zu Aktivitäten motiviert werden. Dann sollten diese die Inhalte und den Kanal des Unternehmens selbst zu weiteren Nutzern im Netzwerk verbreiten. Und schliesslich geht es letzten Endes darum, die eigentlich geschäftsrelevanten Effekte hervorzurufen.

Schritt 3: Entwicklung von InformationsstrategienJe genauer die Zielgruppen und die Zwecke benannt sind, desto konkreter kann auch daran gearbeitet werden, die Zielgruppen zu diesen zu motivieren. KMU sollten sich nicht nur darauf konzentrieren, ihre eigenen Absichten als Botschaften zu kommunizie-ren. Zunächst geht es erst mal darum, den Usern etwas zu geben, was diesen einen di-rekten Nutzen bringt. Daher ist es sehr wich-tig, die Zielgruppen klar abzugrenzen, damit eine konkrete Vorstellung entwickelt werden kann, was diese mögen und nachfragen. Nützliche Inhalte können zum Beispiel aus Unterhaltung oder relevanten Informationen bestehen.Werden die User gut mit relevanten Inhalten bedient, dürfen dann auch Botschaften mit

kmu sollten sich nicht nur darauf konzentrieren, ihre eigenen Absichten zu kommunizieren.

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eigenen Zielen eingebracht werden. Trotz-dem sind plumpe Werbebotschaften (im Outbound-Bereich) in den meisten Fällen zu vermeiden, ausser die Kanäle versprechen dies explizit (z. B. Sonderangebote, Aktio-nen). Im Inbound-Bereich geht es eher dar-um, Meinungen und Informationen von der Zielgruppe abzufragen. Es erscheint grund-sätzlich ratsam, die eigenen Absichten nach dem «Foot-in-the-Door»-Prinzip langsam zu steigern, und stets darauf zu achten, wie die Community darauf reagiert.

Schritt 4: verortung der Zielgruppen und umsetzungsplanung Die vierte Frage bezieht sich darauf, wo die jeweiligen Zielgruppen überhaupt zu errei-chen sind. Nur mit einer klaren Definition der Zielgruppe und der Zwecke lässt sich ableiten, in welchen sozialen Medien die jeweiligen Beziehungen zu etablieren sind. Über alle Social Media Plattformen existie-ren Statistiken zu demografischen Merkma-len, in denen erkennbar ist, inwieweit welche User-Gruppen dort vertreten sind. Zudem

kann das Unternehmen selbst recherchieren, in welcher Zahl und inwieweit bereits User in bestimmten Plattformen zu relevanten The-men und Inhalten kommunizieren. Die ein-zelnen Social Media Plattformen unterschei-den sich zudem auch darin, welche Inhalte in welchen Interaktionsformen kommuniziert werden. Es gibt Plattformen, die eher auf be-stimmte Content-Formate ausgerichtet sind (z. B. YouTube für Videos oder Pinterest für Fotos), andere, die eher auf kundenspezifi-sche Profile und deren Vernetzung fokussie-ren (z. B. Xing und LinkedIn im B2B-Bereich) oder jene, auf denen Inhalte frei kursieren (z. B. Twitter).In den letzten Jahren ist eine zunehmende Konsolidierung zu beobachten, so dass mittlerweile die meisten Plattformen die üblichen Funktionalitäten in irgendeiner Form anbieten. Letzten Endes geht es darum, die Plattformen zu identifizieren, in denen eine der eigenen Zielgruppen hinreichend vertreten ist und in der auf eine Art und Weise kommuniziert wird, die zum Unter-nehmen und dessen Absichten passt. ●

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Das MultitalentDer Unimog wird immer multifunktionaler oder eben, seinem Namen entsprechend, immer universeller. viele technische Neuerungen zeichnen die aktuellste version aus. Das fängt bei den Euro- 6-Motoren an und hört bei der leistungsgesteigerten Arbeitshydraulik noch lange nicht auf.

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«Ein chrampfer».Arbeitstier mit unverwechselbarem Charakter.

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S eit über 60 Jahren wird er gebaut, vielen ist er seit Kindesbeinen ein vertrauter Anblick. Meist huscht er nicht rasch vorüber, sondern kriecht im Hydrostat-Betrieb und mit hoher

Drehzahl langsam des Weges, gewährt bereit-willig Einblicke in seine mannigfaltigen Tätig-keiten. Taucht er mit imposantem Schneeflug um die Ecke auf, eine stattliche weisse Walze vor sich herschiebend, bleiben die Kinder wie angewurzelt stehen, den Schneeball, als wären sie in einen Dornröschenschlaf gefallen, noch wurfbereit in der erhobenen Hand. Neugierig sind allerdings auch die Grossen, denn der Unimog ist kein «Lastwagenungetüm» (der geneigte Leser weiss, wie dieser Ausdruck ge-meint ist…), kein unscheinbarer Lieferwagen.Er strahlt seit jeher dieses Wilde, Archaische aus und hat seinen unverwechselbaren Cha-rakter bis zu den neusten Modellen behalten. Ein Chrampfer, ein Arbeitstier, nahezu un-verwüstlich. Sicher, auch beim Unimog folgt die Form der Funktion; seine Andersartigkeit ergibt sich im Wesentlichen aus dem mittig, also schwerpunktgünstig platzierten Motor, der Single-Bereifung, dem permanenten All-radantrieb, der grossen Bodenfreiheit (Portal-achsen), der Kurzhauber-Bauweise und der Freisichtkabine. An- und Aufbauräume gibts folglich in Hülle und Fülle: Hinten für Heck-kräne, vorne an der genormten Frontanbau-platte für Holzhäcksler, zwischen den Achsen für Kehrmaschinen und auf der Pritsche für Salzsteuer – um nur einige der über 1000 (!) realisierbaren Anwendungen zu nennen.

fahren und bedienen wollen gelernt seinIn der Kabine präsentiert sich das «Univer-sal-Motor-Gerät» in einem komplett neuen und doch von seinen Konzernbrüdern her bekannten Look. Ob Actros oder Setra, in beinahe sämtlichen Daimler-Fahrzeugen wer-den mittlerweile identische Lenkräder, Lenk-stockhebel und Anzeigen verbaut. Die Mit-telkonsole mit dem Multifunktionsjoystick zur Steuerung der Arbeitsfunktionen macht einen aufgeräumten Eindruck. Wie der Fahr-versuch zeigt, dürfte die digitale Generation, welche Smartphones, Apps und Gamekon-solen quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat, etwas rascher mit den vielfältigen Funk-

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tionen vertraut sein, ohne dass der Unimog die Analog-Fraktion im Regen stehen lässt. Schnee pflügen als Beispiel geht ganz leicht: Joystick nach vorn bewegen, schon senkt sich der Pflug (bei gedrückten Knöpfen liegt der Pflug ohne Last auf dem Boden), Joystick nach links/rechts drücken und der Pflug schwenkt in die gewünschte Richtung, dann nur noch fahren und lenken. Muss man häufig vor- und zurücksetzen, gibts ein praktisches Vorwahl-Hebelchen links oben am Joystick («Elec-tronic Quick Reverse»). Hebelchen einfach umlegen, dann bremsen, automatisch wird der Rückwärtsgang eingelegt, zurückfahren, wieder anhalten, Gas geben, abermals gehts vorwärts; nach zwei, drei Manövern hat man den Dreh raus.Beim generell hohen Automatisierungsgrad des Unimog erstaunt, dass das vollautoma-tisierte Getriebe bei der Kundschaft wenig gefragt ist. Sie bevorzugt die elektropneuma-tische Schaltung, bei der – nach Vorwählen des gewünschten Gangs – für den Schaltvor-gang stets die Kupplung betätigt werden muss.

Häufige Transporteinsätze vorausgesetzt, ist das eher nervig, zumal es den Treibstoffver-brauch nicht gerade günstig beeinflusst, denn der Automat schaltet auf Dauer einfach besser.

Stets im optimalen fahrmodusEine laut Mercedes-Benz «echte Weltneuheit» ist der synergetische Fahrantrieb «Easy-Drive», der während der Fahrt den fliegen-den Wechsel zwischen hydrostatischem Fah-rantrieb und mechanischem Schaltgetriebe wie folgt ermöglicht: Erreicht der Hydrostat seine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, wird durch Betätigen der Kupplung auf das Schaltgetriebe umgeschaltet (optional auto-matisch). Das Ausscheren in den fliessenden Verkehr geschieht somit schneller und siche-rer, und die Wahl, welcher Antriebsmodus aktuell der geeignetste ist, erfolgt spontan, ganz ohne Abbremsen.Überhaupt – die Geschwindigkeit! Die Spannbreite ist enorm, von 100 m/h (Meter pro Stunde!) bis 90 km/h durchmisst der Unimog stufenlos vom Schneckentempo

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gut unterstützt.Unimog mit hohem Automatisierungsgrad.

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bis zum Gepardensprint sämtliche Dimen-sionen von Raum und Zeit. Sanftheit und Biss geben ihm die zwei von Grund auf neu konstruierten Euro-6-Motoren (OM 934 und OM 936, Hubräume 5,1 und 7,7 Liter, 4- oder 6-Zylinder), die mit 156 bis 299 PS im Angebot stehen und deren 299 PS-Version einen neuen Spitzenwert in der Unimog-Historie markiert. Fitter ge-macht wurde auch die Frontzapfwelle, die jetzt statt 150 kW bis zu 160 kW abgibt. Um 30 Prozent zugelegt hat schliesslich die Leistung der ein- oder zweikreisigen Arbeits-hydraulik, überdies ermöglicht eine separa-te Hydraulik das unabhängige Kippen von Pritsche oder Anhänger. Zahlreiche Details wie Luftfilter-Schnellverschlüsse oder ver-besserte Kühlerreinigung komplettieren das Fahrzeug. Und für Kaufinteressenten wichtig zu wissen: Vorhandene Geräte sind mit dem neu entwickelten Profi-Geräteträger zum allergrössten Teil kompatibel. ●

Technikbox:motor oM 934 Euro 6 / 4-zylinder / 5,1 Liter hubraum

Leistung 170 kW (231 PS) / 1200 –1600 U/min

drehmoment 900 Nm

kupplung Einscheiben-Trockenkupplung

getriebe vollsynchronisiertes Mercedes-Benz-Wendegetriebe

mit acht vorwärts- und sechs Rückwärtsgängen

Schaltung Elektropneumatisch (EPS)

geschwindigkeit 90 km/h

Bereifung 385/65 R22,5 (vorne und hinten)

federung Schraubenfedern mit progressiver kennung

radstand /

dimensionen 3000 mm / h 2900 mm x B 2200 mm x L 5150 mm

Sonderausstattungen − Wandlerschaltkupplung (WSk)

− frontkamerasystem mit Monitor

(erleichtert den Anbau von frontgeräten)

− hydrostatischer fahrantrieb «EasyDrive»

− Differenzialsperre an vorderachse

− Motor-zapfwellenabtrieb inkl. frontzapfwelle

− zweikreis-hydraulikanlage

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Bedingungsloses Grund- einkommen – eine Utopie?Die Initiative ist zustande gekommen, vermutlich 2016 wird die Schweiz über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abstimmen.

AUfGEzEIChNET voN TOBIAS WESSELS

ü ber die Finanzierbarkeit wurde und wird so viel diskutiert, dass es den bereits angestellten Überlegungen kaum etwas hin-zuzufügen gibt.

Blickpunkt KMU fragt nach: Was würde eine Annahme für die Unternehmen und den Ar-beitsmarkt bedeuten? Ein Gespräch mit Giselle Rufer, Gründerin der Uhrenfirma Delance, und Martin Kaiser vom Schweizerischen Arbeitge-berverband.

BLIckpunkT kmu In einer umfrage des magazins

Brandeins sagten 90 prozent der Leser: «natür-

lich würde ich auch mit grundeinkommen weiter

arbeiten.» doch nur 20 prozent glaubten daran,

dass andere sich gleich verhalten. Wie erklärt

sich diese diskrepanz?

gISELLE rufEr Das ist eine Ego-Frage. Die meis-ten Menschen glauben nun einmal gerne, be-züglich Disziplin und ethischen Ansprüchen ihren Mitmenschen überlegen zu sein.mArTIn kAISEr Ich befürchte eher: Die zweite Frage wurde wahrheitsgemäss beantwortet, bei der ersten hat das Wunschdenken eine grosse Rolle gespielt. Spass beiseite: Tatsächlich sind diese beiden Zahlen ein Alarmsignal, dessen sozialer Zündstoff in der Annahme der Initia-tive liegen könnte.

Während diese Befragung hypothetisch war,

werden wir in der Schweiz vermutlich 2016 über

ein bedingungsloses grundeinkommen abstim-

men. Wie viele menschen gehen noch arbeiten,

falls die Initiative angenommen wird?

rufEr Wahrscheinlich gleich viele wie heute. Ich habe schon mehrfach Mitarbeiterinnen

verloren, weil sie an einem anderen Ort 100 Franken mehr bekommen haben. Das Grundeinkommen deckt die nötigsten Bedürf-nisse. Den meisten genügt das aber nicht: Sie möchten ein Auto, eine Wohnung, in die Ferien gehen – dafür wird das Grundeinkommen nie-mals ausreichen. Auf keinen Fall wird sich die gesamte Bevölkerung mit dem Grundeinkom-men zufrieden geben. Es besteht praktisch kei-ne Gefahr, dass viele Leute aus dem Erwerbs-leben ausscheiden.kAISEr Die Initiative selbst fordert keine be-stimmte Summe, doch die Initianten stellen zwei Beträge in den Raum: 2500 Franken für Erwachsene, 625 Franken für Kinder. Eine Fa-milie mit zwei Kindern würde also 6250 Fran-ken erhalten. Es gibt heute viele Menschen, die weniger verdienen und eine Familie ernähren müssen. Ob man denen nicht mit 6250 Fran-ken bedingungslosem Grundeinkommen die Motivation nimmt, arbeiten zu gehen? Ver-gessen wir nicht: Es gibt auch Arbeiten, die nicht als besonders attraktiv gelten und trotz-dem wichtig für unser Zusammenleben sind und Wertschätzung erfahren sollen. Es muss Menschen geben, die solche Arbeiten mit Stolz ausführen. Bei der Motivation dazu spielt der Lohn natürlich eine Rolle. Es stellt sich auch die Frage der Solidarität: Wenn sich jeder nur noch selbst verwirklichen möchte, wird unsere Gesellschaft nicht mehr funktionieren. rufEr Natürlich arbeitet man für einen Lohn, aber man arbeitet auch aus anderen Gründen, beispielsweise um seine Talente einzusetzen, oder um gemeinsam mit anderen etwas zu er-reichen. Das ganze Jahr Ferien zu haben, würde für die wenigsten funktionieren. Wir brauchen

«Jetzt mag die Idee utopisch wirken – aber das haben wir in der geschichte über vieles gesagt, was heute selbstverständlich ist.»

Aktion in Bern. Initianten verteilen 8 Millionen fünftäppler auf dem Bundesplatz.

Page 46: Blickpunkt KMU -  02/2014

giselle rufer ...

... ist Gründerin und

Geschäftsführerin der firma

Delance, die personalisierte

Luxusuhren für frauen

herstellt. Nach einer

kv-Lehre studiert Giselle

Rufer zuerst kunst und

erwarb später ihr

Informatik-Diplom an der

Ingenieurschule Biel. In der

vorgängerfirma der

heutigen Swatch-Group

lancierte sie erfolgreich die

kinderuhr flik flak.

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Im gespräch 46

«man kann vom volk nicht erwarten, über eine Initiative abzustimmen, die sich so niemals umsetzen lässt.»

die Herausforderung und die Möglichkeit, etwas zu erschaffen – beinahe schon unabhän-gig vom Lohn, den wir dafür erhalten. Dabei handelt es sich um ein grundlegendes mensch-liches Bedürfnis. Leider haben wir in der Gesellschaft auch viele Aufgaben, die aktuell nur schlecht oder gar nicht entlohnt werden, obwohl sie wichtig sind. Die trifft beispielswei-se auf einen grossen Teil des Kunstsektors zu.

Sie sprechen die frage an, ob der Arbeitsmarkt

immer wie der ideale markt funktioniert – also

wie genau der preis für eine Leistung zustande

kommt.

kAISEr Über den Wert der Arbeit nachzuden-ken ist ebenso spannend wie wertvoll, gerade wenn es um Arbeiten geht, die sich nicht so leicht kommerzialisieren lassen, wie etwa in der Kunst. Dass solche Diskussionen ausgelöst werden, begrüsse ich sehr. Doch eine Volks- initiative ist ein wertvolles, staatspolitisches Instrument, das wir nicht leichtfertig entwerten sollten. Dies ist der falsche Weg, wenn einfach ein öffentlicher Diskurs erzeugt werden soll. rufEr Die Diskussion ist auch deswegen nötig, weil es heute einer Stigmatisierung gleichkommt, wenn man vom Sozialamt Geld bezieht. Dazu sind längst nicht nur Leute gezwungen, die nicht arbeiten wollen. Es kann einfach passieren, dass man in eine solche Situation gerät. Und dann sollte man sich nicht schämen müssen. Es gibt ganze Familien, die langfristig vom gesellschaftlichen Leben aus-geschlossen sind, weil sie ihre eigene Situation nicht mehr nach draussen tragen möchten und sie sich nicht mehr wohl fühlen in der Gesell-schaft.kAISEr Was Sie sagen, ist völlig richtig. Doch gerade bezüglich der finanziellen Versorgung und der sozialen Teilhabe ist Erwerbsarbeit der Schlüssel. Sie schützt vor Armut, materi-eller wie geistiger, und sie integriert. Deswe-gen versuchen wir heute die Sozialsysteme so zu gestalten, dass es einen hohen Anreiz gibt zu arbeiten. Wenn ich Menschen grundlos die Möglichkeit gebe, ohne Job ein Auskommen zu haben, provoziere ich beinahe, dass sie sich aus der Gesellschaft zurückziehen.rufEr Wir erziehen unsere Kinder dazu, gut in der Schule zu sein, später zu studieren und einen Beruf zu erlernen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand mit diesem Hinter-

grund, der auch die Möglichkeit hat ein anständiges Gehalt zu bekommen, plötzlich aufhören wird zu arbeiten. Ich habe eine Aus-zubildende, die nicht aus der Schweiz kommt. Wenn sie ihre Lehre abschliesst, werde ich sie nicht mehr weiter beschäftigen können. Für sie ist das schlimm, auch finanziell. Sie sagt, das bedeute für sie einen grossen Rückschritt. Sie will arbeiten, sie will Leistung bringen und den entsprechenden Lohn dafür erhalten. Sie wäre nie zufrieden mit 2500 Franken im Monat. Die Leute, die sich damit zufrieden geben und keine Herausforderung wollen, gehen heute schon nicht arbeiten.kAISEr Das mag in der Theorie durchaus zutref-fen. Die Initiative sagt aber klar, dass jeder Per-son – bedingungslos – ein Grundeinkommen zustehen soll. Bei Familien mit mehreren Kin-dern summiert sich das wie erwähnt schnell zu einem Betrag, den nicht jeder Alleinversorger ohne Weiteres verdienen kann. Diese Fälle bereiten mir Kopfschmerzen.rufEr Wenn man Kinder hat, die zur Schule gehen, werden diese gefragt was die Eltern oder Grosseltern beruflich machen. Ein Kind ist doch stolz, wenn es sagen kann, dass der Vater einen tollen Beruf hat. Auch das spielt meiner Meinung nach bei der Motivation eine Rolle:

Page 47: Blickpunkt KMU -  02/2014

47

martin kaiser ...

... (fürsprecher, Executive

MBA hSG) ist Leiter des

Ressorts Sozialpolitik und

Sozialversicherungen und

Mitglied der Geschäftsleitung

des Schweizerischen

Arbeitgeberverbandes SAv.

zuvor war er stellvertretender

Direktor des Bundesamts

für Sozialversicherungen

und leitete dort den Bereich

Alters- und hinterlassenen-

vorsorge.

Niemand möchte seinem Kind sagen, dass er keine Lust hat zu arbeiten.

dennoch muss es vielen als völlige utopie er-

scheinen, dass jedem ein grundeinkommen

zustehen sollte. frau rufer, Sie haben unsere

Erziehung angesprochen – diese widerspricht

dieser vorstellung doch völlig …

rufEr Jetzt mag die Idee der Initiative utopisch wirken – aber das haben wir in der Geschichte über vieles gesagt, was heute für uns selbstver-ständlich ist. Ich habe eine Uhr kreiert, der die Bedeutung zugrunde liegt «soit tout ce que tu peux être», also «sei alles, was du sein kannst». Glauben Sie mir, ich bin niemand, der die Bot-schaft «Sei zufrieden mit 2500 Franken, lehn dich zurück und lass es dir gut gehen» aussen-det. Doch ich wünsche den Menschen diese Sicherheit: Falls einmal alle Stricke reissen, ist wenigstens dein Unterhalt ohne zusätzliche Bedingungen gesichert.kAISEr Diese Sicherheit haben wir heute schon, durch unser ausgebautes Sozialsystem.

Wer heute Sozialhilfe bezieht, verursacht zusätz-

liche kosten, weil der fall betreut werden muss.

Wenn man das geld grundsätzlich und bedin-

gungslos auszahlt, fallen diese kosten weg.

kAISEr Auf Basis der Initiative kann man es sich leicht machen: Jede Person erhält im Monat 2500 Franken – und der Rest ist ihr Problem. Die Initiative soll die bisherigen Systeme erset-zen. Natürlich macht das alles einfacher, aber nicht besser. 2500 Franken sind weniger als die heutige Grenze für Ergänzungsleistungen, die bei rund 3000 Franken für eine alleinstehende Person liegt. Aktuell beziehen 300 000 Personen in der Schweiz Ergänzungsleistungen, mehr als die Hälfte davon sind Altersrentner. Sollen die-se dann weniger Geld erhalten? Dürfen wir hier sparen? Das dürfte kaum zu vermitteln sein. Wer im Alter Ergänzungsleistungen bezieht, ist auf diese auch angewiesen.

Aber solche punkte müssten sich doch lösen

lassen.

kAISEr Die genaue Höhe des Grundeinkom-mens ist zwar in der Initiative nicht genannt, aber ansonsten ist sie ausformuliert und wird so zur Abstimmung kommen – daran lässt sich nichts mehr ändern. Es gibt einige Punkte, die mir Sorgen bereiten: So wäre das Grundein-kommen exportierbar, ich könnte mich also mit 2500 Franken in ein Land absetzen, in dem man gut davon leben kann. Daran hat man bei der Formulierung der Initiative wohl nicht ge-dacht, genau wie an die Migrationsanreize, die gesetzt werden. Die Schweiz würde zum Para-dies auf Erden für jedermann. Die Initianten haben bisher alles gut – kunstvoll – inszeniert und wichtige Diskussionen in Gang gebracht, aber Sie sollten rechtzeitig einen Rückzieher machen. Man kann vom Volk nicht erwarten, über eine Initiative abzustimmen, die sich so niemals umsetzen lässt.

das foto-unternehmen kodak beschäftigte

einst etwa 140 000 mitarbeiter und erreichte

einen Wert von 28 milliarden dollar. der foto-

dienst Instagram wurde im Jahr 2012 für eine

dreiviertelmilliarde dollar an facebook ver-

kauft – mit zu der Zeit 13 mitarbeitern.

Sind wir nicht sogar verpflichtet, über möglich-

keiten wie das grundeinkommen nachzuden-

ken? Wir erwirtschaften zwar genügend geld,

aber haben nicht mehr genug Arbeit, um sie als

verteilschlüssel heranzuziehen?

kAISEr Wir haben einen Megatrend, der dieser Vorstellung völlig widerspricht: die demografi-sche Alterung. Wenn die Prognosen nicht völlig

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Im gespräch 48

«Auch das spielt bei der motivation eine rolle: niemand möchte seinem kind sagen, dass er keine Lust hat zu arbeiten.»

daneben liegen, werden wir 2050 in einer Welt leben, in der es mehr alte als junge Menschen gibt. Mit einer solchen Situation haben wir kei-nerlei Erfahrung. Aber man muss davon aus-gehen, dass es gerade deswegen alle brauchen wird. Es werden Gruppen mit anpacken müs-sen, die heute bereits aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind. Wir können die Tendenz bereits beobachten: Das faktische Rentenalter ist in den vergangenen sechs Jahren bei gleich-bleibenden Gesetzen um ein Jahr gestiegen. Lange wurde die Arbeit beinahe wie eine Stra-fe betrachtet: Nur möglichst schnell aufhören dürfen. Diese Einstellung hat sich verändert. Dafür sollten wir auch deswegen dankbar sein, weil es zur Notwendigkeit wird, dass ältere Arbeitskräfte integriert bleiben. Ich bin über-zeugt: Zu wenig vorhandene Jobs werden nicht das grosse Problem der Zukunft sein.

das mag für spezialisierte, gut ausgebildete

Arbeitskräfte gelten. doch was wird aus jeman-

dem, der sich nicht die fähigkeiten aneignet, die

in einer immer komplexeren Arbeitswelt gefor-

dert werden?

kAISEr Das werden wir uns als Gesellschaft nicht mehr leisten können. Wir werden unsere Budgets für Weiterbildung anders verteilen und auch ältere Personen ständig fördern müssen. Den klassischen Hilfsarbeiter wie vor dreissig Jahren gibt es heute schon beinahe nicht mehr, dank einer gross angelegten Bildungs-Offensi-ve. Dies wird sich noch verstärken, weil wir alle verfügbaren Leute brauchen werden. Natürlich wird es immer Menschen geben, die mehr ge-fragt sind als andere, aber durch diese Entwick-lung werden sich die Chancen aller verbessern.

rufEr Ich habe die Ingenieurschule in Biel absolviert, deswegen kenne ich mich mit dieser Problematik auch recht gut aus. Wir haben tatsächlich einen Mangel, was man daran sieht, wie viele Unternehmen entsprechend ausgebildete Arbeitskräfte aus der ganzen Welt anwerben. Deutschland steht beispielsweise vor dem gleichen Problem. In dem Zusammen- hang fragt sich: Warum gelingt es uns nicht, mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu halten? Ich habe gerade heute gelesen, dass 57 Prozent der Frauen ein eidgenössisches Diplom er-werben – doch sobald sie ein Kind bekommen, verschwinden sie. Ein doppelter Verlust!

Inwiefern ein doppelter verlust?

rufEr Erstens ist es ein Verlust für die betrof-fenen Frauen: Sie investieren viel Zeit in ihre Ausbildung, doch wenn sie Kinder bekom-men, werden sie Hausfrauen oder nehmen später einen beliebigen Job an, um etwas zu-sätzliches Geld zu verdienen. Oft haben solche Tätigkeiten wenig mit der Ausbildung zu tun. Zweitens ist es ein Verlust für die Gesellschaft: Das Studium einer Frau kostet gleich viel wie das eines Mannes. Das Problem lässt sich nicht von heute auf morgen lösen, aber wir brau-chen wenigstens Visionen. Solche könnte das bedingungslose Grundeinkommen entstehen lassen.kAISEr Ich halte das bedingungslose Grund-einkommen im Gegenteil für die falsche Ant-wort auf eine wichtige Frage: Wie können wir Frauen im Arbeitsmarkt halten, nachdem sie ein Kind bekommen haben? Ihnen jeden Monat einen Betrag von 2500 Franken zu schicken, ist doch die falsche Botschaft. Statt-

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dessen müssten wir in Krippen und andere Betreuungsangebote investieren, um Müttern den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben zu er-leichtern. Der Trend, dass sogar noch mehr Frauen mit Kindern zu Hausfrauen werden als früher, ist leider schon vorhanden.rufEr Es gibt aber auch eine gegenläufige Entwicklung: Mehr Frauen streben gehobene Positionen an, sie möchten Karriere machen. Ich bin überzeugt, dass die meisten Frauen arbeiten möchten – in einem Beruf, der ihnen Erfüllung bringt. Heute nehmen viele von ihnen aber einen beliebigen Job an, sobald die Kinder alt genug sind, weil sie das aus finan-ziellen Gründen müssen. Sie können sich nicht die Zeit nehmen, sich in den Wiedereinstieg in ihre unterbrochene Karriere richtig aufzuglei-sen. Hier könnte diese finanzielle Grundsiche-rung viel bewirken, wovon die Gesellschaft enorm profitieren würde.

Würde das System nicht noch undurchlässiger

als heute? Wer sich einmal mit dem grundein-

kommen zufrieden gibt, stellt die Weichen für

seine kinder – und deren kinder?

rufEr Diese Gefahr besteht, aber auch in die-sem Zusammenhang glaube ich an den Ehr-geiz der Menschen: Sie möchten sich verbes-

sern, für sich selbst, und für ihre Familie. Wer arbeiten möchte, wird die Möglichkeit haben etwas zu lernen, da ihm das Grundeinkom-men dies erlaubt.kAISEr Die Zahlen auf der ganzen Welt haben eine eindeutige Botschaft: Wenn man die Leu-te nicht möglichst rasch wieder aus den Sozial- hilfesystemen herausholt, entstehen ganze Stammbäume von Familien, die den Ausstieg eben nicht mehr schaffen. Das hat meistens nichts mit grundsätzlichem Nichtwollen zu tun, sondern es entwickelt sich eine Familien-kultur, die diesen Zustand zur Normalität erklärt. So kann man ganze Schichten vom gesellschaftlichen Leben ausschliessen. Unser heutiges Sozialhilfesystem versucht, die Menschen möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen, auch weil das der beste Schutz gegen soziale Isolation ist. Arbeit-geber nehmen heute ihre soziale Verantwor-tung wahr, indem sie auch leistungsschwä-chere Personen beschäftigen. Doch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen entlassen wir die Unternehmen aus dieser Verantwor-tung – und überlassen solche Personen im schlimmsten Fall der sozialen Isolation.

Herzlichen dank für dieses gespräch! ●

49

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Schweissarbeit 50

Keine abfälligen Bemerkungen bitte!

D as nächste Tagespraktikum? Die Kehrichtabfuhr. Schon bei der definitiven Zusage beginnt das Kopfkino: In schreiend-oranger Uniform sehe ich mich hinten

auf dem Trittbrett stehen, lässig den Kindern zuwinkend, die uns vom Fenster der warmen Wohnung aus beobachten. Nur vor dem Geruch unseres primären Werkstoffs habe ich etwas Respekt... Wie so häufig erweisen sich die Vor-ahnungen als ziemlich falsch bis völlig haltlos. Als mich meine neuen Kollegen von der Anton Saxer AG für die Tour in Münchenstein/BL abholen, bekomme ich zwar eine nagelneue Jacke für meinen Arbeitstag – doch die ist viel zu blau, um ganz orange zu sein. Auf dem Trittbrett mitfahren? Auch dieser Zahn wird mir schnell gezogen. Die Versicherung. Leider. Immerhin heisst das: Der Tag beginnt be-quem auf dem Beifahrersitz. Primäre Aufgabe des Chauffeurs, mal abgesehen vom sicheren Bewegen unseres Gefährts: Die Kehrichtsäcke rechtzeitig entdecken, um an der besten Stelle für die Kollegen anzuhalten. Über eine nach hinten gerichtete Kamera sehen wir, wie schnell die beiden die Säcke packen und ins Innere des Presswerks werfen, das wir mit uns herumfahren. Teil-weise müssen wir kaum oder tatsächlich gar nicht anhalten – Müllbeutel werden auch mal vom Trittbrett aus gepackt und elegant mit einem Backhand-Wurf hinter dem Rücken im Ziel versenkt: Ich bin offenbar bei den Harlem Globetrotters der modernen Abfallentsorgung gelandet. 20 Tonnen kommen auf einer sol-chen Tour im Schnitt zusammen, erfahre ich nebenbei, «saisonale Schwankungen» inbe-griffen. Nachdem ich vom warmen Cock-pit aus beobachten durfte, wie man es richtig macht, schickt man mich auch auf die Strasse. fo

ToS

: zv

G

Neben dem Fahrzeugende laufend sammle ich Müllsäcke ein, oder wenigstens versuche ich das. Es regnet und die Kombination aus nas-sen Plastiksäcken und ebenso nassen Hand-schuhen erweist sich als mittlere Katastrophe. Entweder ich bekomme die Dinger gar nicht erst zu greifen, oder sie rutschen aus der Hand wenn ich Sie in die Ladeluke werfen will. Ganz schön: An einem Sack reissen die Bändel, ge-rade während ich Schwung für den Wurf hole. Der gesamte Inhalt verteilt sich quer über die Strasse... und meine Eintags-Kollegen kön-nen kräftig jubeln. Überhaupt sei gerne an-gemerkt: Ich habe selten ein so angenehmes Arbeitsklima erlebt. Es wird viel gelacht und gleichzeitig mit vollem Einsatz gearbeitet. Dafür einen dicken Daumen nach oben – auch wenn das gute Klima eine Einschränkung erfährt, die wenigstens eine meiner eingangs erwähnten Vorahnungen bestätigt: Hier hinten am Müllwagen kann man sich dem befürch-teten Geruch doch nicht ganz entziehen... ●

die kombination aus nassen plastiksäcken und Handschuhen erweist sich als katastrophe.

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Page 52: Blickpunkt KMU -  02/2014

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