Brennpunkt Gemeindegründung 2015-04

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4/2015 DIE ZEITSCHRIFT DER DEUTSCHEN INLAND-MISSION BRENNPUNKT GEMEINDEGRÜNDUNG Indienreise (Teil 2) 15 Leiter reifen durch Leiden 13 Der Werdegang eines Leiters 3 Projekt Kind 19 sich selber leiten 14 Paulus und seine Reisen – ein Apostel in der Schule Gottes 8 Entwicklung von Leiterschaft ?

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Entwicklung von Leiterschaft

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4/2015

D I E Z E I T S C H R I F TD E R D E U T S C H E N I N L A N D - M I S S I O N

BRENNPUNKTGEMEINDEGRÜNDUNG

Indienreise (Teil 2)15Leiter reifen durch Leiden13Der Werdegang eines Leiters3

Projekt Kind19sich selber leiten14Paulus und seine Reisen –ein Apostel in der Schule Gottes8

Entwicklung von Leiterschaft ?

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EditorialEntwicklung von Leiterschaft

Lieber Leser!

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Schon wieder erscheint das letzte Heft des Jahres! Zum vier-ten Mal erhalten sie Brennpunkt Gemeindegründung im neu-en Gewand und neuer inhaltlicher Ausrichtung. Wir hoffen, dass Sie das jüngere, frische Äußere schätzen gelernt haben. Und wir werden weiterhin daran arbeiten, die Gestaltung der Zeitschrift in jeglicher Hinsicht zu verbessern!

Unser neues Thema „Entwicklung von Leiterschaft“ ist nach unserer Einschätzung ein sehr grundlegendes Thema für Ge-meinden und Gemeindegründung. Schon Salomo stellte fest: „Wo es an Führung fehlt, kommt ein Volk zu Fall.“ (Spr 11,14) Ge-meinschaften brauchen offensichtlich Leitung. Hier kommen wir aber schon an ein sprachliches Problem. In unserem Heft werden häufig die Begriffe „Leiter, Leiterschaft“ auftauchen. Sie sind abgeleitet vom englisch/amerikanischen „Leader, Leadership“. Der Begriff ist so nicht biblisch. Die Bibel spricht wie in Spr 11 von Führung oder auch von Führern (Hebr 13,7: „Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben! Schaut den Ausgang ihres Wandels an, und ahmt ihren Glauben nach!“). Dieser Begriff ist allerdings in Deutschland aufgrund unserer Geschichte verbrannt. Führung ist aber mehr als bloße Leitung und ein Leiter ist nicht nur der Vorsit-zende eines Gremiums. Dazu verdeutlicht unser Heftthema, dass beide Sachverhalte keinesfalls statisch sind, sondern ei-ner Entwicklung unterliegen. Wir hoffen und wünschen uns, dass wir Ihnen mit unseren Beiträgen die Bedeutung der Thematik nahebringen können und Sie etwas für Ihre Si-tuation mitnehmen, sich immer noch oder wieder neu als entwicklungsfähig erweisen.

In unserem Themenartikel entfaltet Christian Frei den Werdegang eines Leiters (S. 3). Da-bei zeigt er die verschiedenen Entwick-lungsstufen auf, die in diesem Dienst durchschritten werden (müssen?) und belegt sie mit Erfahrungen aus seinem Dienst. Ergänzend dazu rezensiert David Sweet das Buch von Robert Clinton, Werdegang eines Leiters, dem grundlegende Gedanken ent-nommen sind (S. 7).

Wolfgang Klöckner zeichnet sehr praktisch die neutestamentlichen Grundlagen nach, wenn er dem Dienst des Apostels Paulus in der Gemeindegründung nachgeht (S. 8). Lassen Sie sich in diese spannenden Er-fahrungen mit hineinnehmen.

Ergänzt wird die Thematik durch die Beiträge von Hergen vor dem Berge und Dirk Schimanski aus ihrem eigenen Erleben (S. 13 & 14).

Die praktische Seite des Themas greift auch die Fortsetzung des Reiseberichts aus Indien auf (S. 15). Der Auszug aus dem Buch von David Watson „Gemeindegründungsbewegungen“ setzt ergänzende Akzente (S. 17). Nicht zuletzt möchte ich auch wieder auf das Erziehungsthema von Friederike Schäfer hinweisen (S. 19).

Ursprünglich war geplant, dass in diesem Heft auch ein Bei-trag unseres Missionars i.R. Dieter Herrmann erscheinen soll-te. Er hat sich in seinem Dienst sehr mit der Begleitung von jungen Männern hin zum Ältestendienst beschäftigt und da-bei vor allem Wert auf die Charakterschulung gelegt. Nun ist es dazu nicht mehr gekommen, weil unser Gott ihn am 20.9. im Alter von fast 71 Jahren zu sich gerufen hat. Wir danken Gott für alles, was er uns mit unserem Bruder geschenkt hat und beten um Trost für seine Familie. Für Dieter Herrmann gilt der oben zitierte Vers aus Hebr 13,7 und er ist uns darin Vorbild.

Ich wünsche Ihnen beim Lesen des Brennpunktheftes viel Freude und gute Anregungen und Erkenntnisse, damit Gott jeden von uns in seinem Dienst in dieser Welt besser gebrau-chen kann.

Das zu Ende gehende Jahr weist uns ja erneut darauf hin, dass wir unseren Herrn, das Vorbild aller Leiter in Hingabe und Dienst, erwarten und uns auf seine Wiederkunft freuen dür-fen.

Gott segne Sie in Ihrem Leben und Dienst!

Bernd Hüsken

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Gott macht den Leiter (Joh 15,1.2). Der Leiter muss in der Ge-meinschaft mit Jesus bleiben und auf das Handeln Gottes an-sprechen (Joh 15,4.5). Was da im Verlauf seines Lebens auf ihn zukommt, soll uns im Folgenden beschäftigen.

Ich werde im nachfolgenden Text Phasen beschreiben, die ein Leiter durchmacht. Diese Phasen hat meines Wissens J. Ro-bert Clinton als erster so beschrieben.1 Sie dürfen nicht als festabgeschlossene Lebensphasen angeschaut werden. Sie können sich überschneiden. Das Reifen des inneren Men-schen, das Reifen des Dienstes und das Reifen des Lebens überhaupt beschreiben meiner Beobachtung nach lebens-lange Prozesse. Sie gehören zu dem, was die Bibel Heiligung nennt. Sie beschreiben Schwerpunkte, die Gott im Leben sei-ner Leiter setzt.

1. GoTT LEGT diE GRUNdLAGEN Menschen im Sinne Gottes zu führen heißt, eine Gruppe da-hingehend zu beeinflussen, dass sie sich in die von Gott ge-steckte Richtung bewegt. Das ist nicht dasselbe, wie aus einer formellen Position heraus Menschen zu führen. Es hängt auch nicht davon ab, ob jemand vollzeitlich für Gott arbeitet. Leiten ist ein Frage von Begabung und Berufung.

Gott kennt seine Leiter, bevor er sie im Mutterleib bereitet (Jer 1,5). Er beruft sie von Mutterleib an (Jes 49,1; Gal 1,15). Gott legt nach seinem Plan durch Familie, Umwelt, Gesellschaft, Kultur und politische Ereignisse Grundlagen ins Leben eines künftigen Leiters. Der Apostel Paulus wird in Tarsus geboren

* Der Titel stammt von der deutschen Übersetzung von: J. Robert Clinton. 1988. The Making of a Leader. Recognizing the Lessons and Stages of Leadership Development. Colorado Springs/CO: NavPress

1 Mit der Systematik, der Einteilung in fünf Phasen und im Duktus folge ich Clinton. The Making of a Leader, passim. J. Robert Clintons Systema-tik macht Sinn. Ich finde mich weitgehend wieder. Vergleiche auch die Buchrezension von David Sweet zur deutschen Übersetzung, S. 7

und wächst in Jerusalem als Pharisäer auf. Er erfährt seine Aus-bildung zu Füßen Gamaliels (Apg 22,3). Er meint es mit seinem Gott ernst (Gal 1,14). Sein Eifer lässt ihn zum Christenverfolger werden (Gal 1,13; Apg 9,1ff.; 22,3ff.). Gott formt einen Leiter durch Erfahrungen und prägt so seinen Charakter. Oft stellt man spä-ter fest, dass einzelne Charakterzüge mit den Geistesgaben in Beziehung stehen. Ein Leiter führt nicht so sehr durch das, was er sagt oder tut, sondern durch das, was er ist. Die Grundlagen dazu legt Gott von frühester Kindheit. Das alles ist der Kontrolle der künftigen Leiter weitgehend entzogen.

2. GoTT LäSST dEN iNNEREN MENSchEN WAchSEN

Die eigentliche Entwicklung beginnt, wenn sich ein Leiter be-kehrt oder Gott ganz hingibt. Paulus erfährt in dieser Phase seine Berufung (Apg 9,15-18). Angehende Leiter beginnen, sich für Gott einzusetzen (Apg 9,19ff.30). Angehenden Leitern wird die eine oder andere Aufgabe anvertraut. Wer einen voll-zeitlichen Dienst anstrebt, wird eine formale Ausbildung (Bi-belschule, Theologische Hochschule o.ä.) absolvieren. Allen gemeinsam ist, dass sie reifere Menschen suchen, von denen sie lernen können. Gut ist, wenn erfahrenere Leiter dafür offe-ne Augen haben (Apg 11,19-26).

der Werdegangeines Leiters*

Was braucht es, um zu dem Leiter zu werden, zu dem mich Gott machen will?

Lange bevor ich Jesus Christus kennenlernte, legte Gott Liebe zur Gerechtigkeit in mein Leben hinein. Dazu be-nutzte er Menschen, die ihn nicht kannten. Ich habe kei-nerlei gemeindlichen Hintergrund. Durch Phasen der Einsamkeit machte er mich zu einer unabhängigen, ei-genständigen Persönlichkeit.

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Gott sucht inneres Wachstum. Er prüft angehende Leiter auf ihren Gehorsam (1 Sam 13,7b-14), ihre Integrität (Dan 1,8-21; Apg 4) und ihre Treue zu seinem Wort (1 Sam 3,1-10; Apg 9,20-23). Bestehen sie ihre Prüfungen, wachsen sie geistlich und ihr Dienst weitet sich aus. Es geht Gott um Folgendes: Sind die angehenden Leiter willig, sich gebrauchen zu lassen, einer offenbarten Wahrheit zu gehorchen, zu vergeben, Sünde zu bekennen und Unrecht in Ordnung zu bringen? Wie stehen sie zu Besitz und zum Geben? Welche Werte bestimmen die Part-nerwahl? Setzen sie Gott an die erste Stelle?

Erweisen sich Leiter als treu, erfolgt eine Erweiterung des Dienstbereiches. Barnabas sucht Paulus in Tarsus und nimmt ihn mit nach Antiochia (Apg 11,25f.). Mit Barnabas übernimmt Paulus den Lehrdienst. Bei Johannes Markus setzt eine Zeit der Stagnation ein, nachdem er auf der ersten Missionsreise zunächst scheitert (Apg 13,13b).

3. GoTT LäSST dEN diENST REiFEN Bei Paulus ist diese dritte Phase, in der Gott den Dienst eines Leiters reifen lässt, mit den drei Missionsreisen zu identifizie-ren (Apg 13-20).2 Hierbei kann man von drei Subphasen des Dienstes sprechen, da sich dieser ganz erheblich verändert und erweitert.

Angehende Leiter beginnen, ihre Geistesgaben zu nutzen. Ihnen werden besondere Aufgaben anvertraut (z.B. in Kinder- oder Ju-gendstunde, Evangelisation u.a.). Hingabe, Zuverlässigkeit und Befähigung werden in der Dienstantrittsphase sichtbar. Wäh-rend die angehenden Leiter sich einsetzen, stellen sich ihnen be-sondere Herausforderungen. Darin entwickelt sich ihr Charakter und sie eignen sich benötigte Fertigkeiten an (Apg 13,6-12).

2 Wolfgang Klöckner stellt in seinem Artikel die Entwicklung des Dienstes des Paulus während dieser Phase dar.

Leiter erhalten vertiefte Einsicht in den Leib Jesu. Dabei wer-den sie mit Positivem wie Negativem konfrontiert. Das kann man bei Paulus in der Krise in Korinth3 beobachten. Hier wird Paulus z. T. gezwungen, durch seinen Einfluss zu führen, da er von einem Teil der Gemeinde so stark angegangen wird, dass er die Gemeinde unverrichteter Dinge wieder verlässt.4

Leiter müssen lernen, sich unterzuordnen. Geistliche Autorität ist nicht dasselbe wie Autorität, die auf einer Position oder auf Macht beruht. Solange ein Leiter mit Entscheidungen einver-standen ist, fällt es ihm i.d.R. leicht, sich unterzuordnen. Trägt er innerlich Entscheidungen nicht mit, wird es schwierig. Will er lernen, wie Autorität in gottgefälliger Weise ausgeübt wird, muss er genau das können.

Leiter müssen mit verschiedensten Menschen zurechtkom-men, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Es geht darum, die Fähigkeit zu erlangen, Bezie-hungen aufzubauen und dabei zu beobachten, wie Gott diese nutzt, um seine Ziele zu erreichen.

Manche notwendige Lektion lässt sich nur durch negative Er-fahrungen lernen. Konflikte sind unumgänglich. Leiter fällen viele Entscheidungen, die andere Menschen betreffen. Da es heranwachsenden Leitern an Erfahrung fehlt, sind Fehler und Konflikte zu erwarten.

Leiter müssen lernen, mit Gegenreaktionen umzugehen. Gott zeigt einem Leiter, was er tun möchte (Ex 3,1-4,17). Die Leute lassen sich überzeugen und bewegen sich in die vorgegebe-ne Richtung (Ex 4,29ff.). Dann trifft die Gruppe auf Widerstand (Ex 5,1-19). Die Menschen lehnen die Führung ab (Ex 5,20f.). Der Leiter ist gezwungen, sich um Bestätigung für den Weg an Gott zu wenden (Ex 5,22f.). Gott offenbart sich ihm nun weiter (Ex 6,1-13). Der Leiter muss warten, bis Gott sich und seinen

3 Paulus verfasst vier Schreiben: ein 1. Mahnschreiben erwähnt in 1Kor 5,9, als 2. Brief unser 1Kor, dann ein 3. Schreiben ( den sog. „Tränen-brief“, erwähnt in 2Kor 2,3.4.9; 7,8.12) und als 4. Brief unser 2Kor.

4 Sog. Zwischenbesuch in Korinth: 2Kor 2,1; 12,14; 13,1.2

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Innerhalb Wochenfrist sollte ich meine erste Predigt hal-ten. Ich hatte keine Ahnung, wie man eine Predigt gestal-tet, und bekam keine Hilfe. Ich scheiterte schon damit, einen Predigttext zu finden. Ich betete bei Gott Sturm und berief mich dabei auf Ps 50,15. Die Tage flogen da-hin, der Allmächtige schwieg. Erst etwa drei Stunden vor Gottesdienstbeginn dämmerte mir, dass ich über Ps 50,15 reden könnte. Es wurde nicht meine beste Predigt, aber ich habe die Herausforderung gemeistert.

Als ich in einer Gemeinde Anschluss gefunden hatte, übernahm ich bald in der Jugendgruppe erste kleine Aufgaben. Da die beiden Hauptleiter sehr beansprucht waren, hing viel an mir. An eine Prüfung kann ich mich gut erinnern: Eine gläubige Frau, die sich bereits zwei-mal hatte scheiden lassen, stand im Begriff, ein drittes Mal zu heiraten. Im Gespräch mit dem Bräutigam wagte ich zu äußern, dass Gott Scheidung hasst. Ich wurde da-raufhin von den Brauteltern, maßgeblichen Gemeinde-gliedern, zur Rede gestellt. Zum ersten Mal begegnete ich dem Phänomen Machtmissbrauch in der Gemeinde.

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Leiter rechtfertigt (Ex 7ff.). In diesem ganzen Prozess wird die Beharrlichkeit, die Klarheit der Vision und das Vertrauen des Leiters geprüft. Es geht um das Wichtigste: Unterordnung un-ter Gott. Zuletzt steht der Leiter vor der Aufgabe, aus diesen Lektionen Ideen, Werte und Prinzipien abzuleiten. Diese wird er in seine Dienstphilosophie integrieren.

4. GoTT LäSST dAS LEBEN EiNES LEiTERS REiFEN

Mit seiner Rückkehr nach Jerusalem und seiner Gefangennah-me (Apg 21,15 - 22,21) beginnt für Paulus eine neue Lebens-phase. Man nimmt an, dass die Zeit der Gefangenschaft etwa sechs Jahre dauerte (Apg 23,12-26.32; 25,9-12; 27,1-28,16.30). Paulus wird herausgerissen aus seinem üblichen Missions-dienst. Auf den Werdegang der Arbeit kann er nur indirekt Einfluss nehmen (z.B. durch das Verfassen von Briefen).

Isolation, Krisen und Konflikte erhalten eine andere Bedeu-tung. Der Dienst fließt aus der Persönlichkeit und so bedingt ein reifer Dienst einen reifen Charakter. Ein Mensch gewinnt einen reifen Charakter durch schwierige Zeiten. Der Charak-ter und die Beziehung zu Gott wachsen in Leidenszeiten. Es ist sehr schade, wenn Leiter den Nutzen ihrer Leidenszeiten nicht erkennen können. Gott nutzt diese Zeiten zu unserer Umge-staltung ins Bild Jesu. Negative Erfahrungen sind nichts Gutes an sich. Gott aber macht, dass sie seinen Zielen dienen müs-sen (Röm 8,28): „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten dient, ihnen, die nach seiner freien Entschei-dung berufen sind.“

Gottes Absicht lautet (Röm 8,29): „die er aber zuvor erwählt hat, die hat er auch im Voraus bestimmt, nach dem Bild seines

Sohnes gestaltet zu werden, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.“ Geistliche Autorität ist Folge dieses Wachstumsprozesses.

Jeder Leiter erfährt Phasen der Isolation. Er ist über längere Zeit nicht mehr in normalem Maß ins Geschehen involviert. Es sind Phasen, wo Gott einen Menschen scheinbar beiseite legt, in denen Gott einen Leiter in eine tiefere Beziehung mit ihm ruft. Oft lernt er hier von Gott Lektionen, die er unter Druck im ordentlichen Dienst nicht lernen könnte. Es sind Zeiten der Krankheit, persönlicher Konflikte oder des Drucks. Der Leiter wird ins Gefängnis geworfen oder er selbst wählt den Rück-zug.

Lernt man Gemeinden oder geistliche Werke kennen, begeg-nen einem immer wieder Konflikte. Durch Konflikte entwickelt

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Auf meinem Weg sind mir verschiedenste Vorstellungen darüber begegnet, wie denn die Heiligung aufzufassen sei. Als jungen Mann hat mich der Gegensatz zwischen dem reformatorischen „simul iustus et peccator“, also der Auffassung, der Christ sei zugleich gerecht und sündig, und dem „Sieg über Sünde!“ der Heiligungsbe-wegung stark beschäftigt. Die Aussicht, immer wieder in dieselbe Sünde zu fallen, fand ich nicht ermutigend. Da bot mir die Heiligungsbewegung Trost mit ihrer Er-kenntnis, dass es Sieg über Sünde gibt. Christen konn-ten durch ihren Glauben zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Alkoholmissbrauch überwinden. Mittlerweile stehe ich dieser Auffassung etwas kritischer gegenüber. Ich sehe zwei Gefahren:

a) den Perfektionismus: Die Auffassung, Sieg über die Sünde zu haben, kann dazu verleiten, zu meinen, man könne und müsse ein über weite Strecken sündloses Le-ben führen. Eine solche Überforderung lässt sich ohne ungesunden Enthusiasmus nicht durchhalten, es sei denn, man verwässert den neutestamentlichen Sünden-begriff.

b) ein verkürztes Sündenverständnis: Gewisse, indivi-duelle Tatsünden (historisch z. B. Alkoholmissbrauch, Rauchen oder Freizeitbeschäftigungen wie Tanz, Kino) rücken ins Zentrum des Denkens. Sünden, die man bes-ser verbergen kann, oder strukturelle Problemzonen werden übersehen. Ich habe erlebt, wie sich Christen dieser Tradition als völlig blind für Machtmissbrauch und Manipulation erwiesen.

Auch wenn ich in dieser dritten Phase mir viele Fertigkei-ten aneignete und meinen primären Fokus auf meinen Dienst richtete, arbeitete Gott in mir, also am Charakter, am Selbstverständnis als Leiter und am Dienstverständ-nis. Mein Arbeitgeber machte größere Veränderungs-prozesse durch. Dabei kam es zu erheblichen Konflikten. Es bildeten sich Seilschaften, Loyalitäten wurden in Fra-ge gestellt und Führung wurde abgelehnt. In dem allen prüfte Gott meine Motive, meine Bereitschaft mich ein-zufügen und unterzuordnen, meine Teamfähigkeit und vieles mehr. Letztendlich wurde mir klar, dass effektives Führen nicht aus meiner Kompetenz fließt, sondern aus meinem Sein. Es ist das Ergebnis dessen, dass Gott mir sein Tun in meinem Leben und Dienen bewusst macht.

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Gott in seinen Leitern den Glauben, das Bewusstsein der Ab-hängigkeit von ihm und viele Einsichten zum Dienst und zum persönlichen Leben. Leiter lernen Lektionen über das Wesen eines Konflikts, wie ein Konflikt gelöst oder vermieden werden kann. Sie lernen Wege, Konflikte kreativ zu nutzen oder Got-tes Prozesse im Konflikt festzustellen. Sie lernen, Konflikte als Anstoß für notwendige Prozesse zu verstehen.

Ein Instrument, das Gott gerne benutzt, sind Lebenskrisen. Das kann Lebensgefahr sein (Apg 19,23-40; 27,13-44), eine Si-tuation, die sofortige Veränderung verlangt, innerer Aufruhr, Krankheit (2 Kor 12,7-10) oder Verfolgung oder anderes. Durch solche Situationen prüft Gott gerne einen Leiter und lehrt ihn Abhängigkeit von Gott. Der Leiter muss sich einer schweren Krise stellen. Er erkennt, dass seine einzige Hoffnung in Gott liegt. Er erfährt schließlich Gott in einer neuen vertieften Wei-se. Gott ist es, der ihm in einer schwierigen Lebenserfahrung begegnet – und zwar mit einer Lösung, die wie für ihn geschaf-fen ist. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Erfahrung die Zuversicht des Leiters wachsen lässt.

5. dER höhEPUNKT: GoTT LäSST ALLES zUSAMMENLAUFEN

Von Paulus wissen wir nicht sicher, ob er diese Phase erreich-te. Die Apostelgeschichte bricht vorher in der vierten Phase ab (Apg 28).5 Ich gehe davon aus, dass er nach der ersten Ge-fangenschaft nochmals frei kam (Tit 3,12-15; 2Tim 4,13). Paulus verbrachte ein paar wenige Jahre in Freiheit, bevor er erneut in Gefangenschaft geriet und Gott mit seinem Martyrium ver-herrlichte (2Tim 4,6ff.). Beim Lesen der letzten drei Briefe des Apostels (Tit, 1Tim u. 2Tim) habe ich den Eindruck, dass all die Entwicklungen, die im Leben des Paulus sichtbar wurden, zu

5 Ich folge grundsätzlich Clinton. 2003. 1 and 2 Corinthians. Proble-matic, Apostolic Leadership. Altadena, CA: Barnabas Publishers, 334. Im Gegensatz zu ihm denke ich, dass Paulus noch die beiden letzten Phasen der Leiterschaftsentwicklung erreicht hat.

einem Abschluss finden, ja, dass alles zu einem Ganzen zu-sammenfließt.

In dieser Phase lässt Gott alles, was er in einen Leiter hinein-gelegt hat, zusammenkommen. Er lässt ihn in eine Rolle hin-eingleiten, die zu seinem Gabenmix, seinen Erfahrungen und seinem Charakter passt. Der Leiter wird von allen Diensten be-freit, für die er nicht begabt ist. Das Wesen des Leiters und sei-ne geistliche Autorität bilden die Grundlage seiner Vollmacht. Gott will einen geisterfüllten Leiter, durch den der Auferstan-dene wirkt, indem er die Gaben des Leiters nutzt.

6. NAchGLühENDie beiden Briefe an Timotheus scheinen mir Hinweise zu ge-ben, dass Paulus die Phase des Nachglühens erreicht haben könnte. Er ist wieder im Gefängnis. Er rechnet nicht mehr da-mit, freigelassen zu werden (2Tim 4,6ff.). Paulus hatte ein Le-ben lang Kontakte aufgebaut und gepflegt. Einige Mitarbeiter hat er zwar verloren (2Tim 4,10ff.), einige Gemeinden haben sich von ihm abgewandt (2Tim 1,15), aber mit anderen steht er nach Jahrzehnten noch im Kontakt (2Tim 1,16; 4,19f.) und neue Leute suchen seine Nähe (2Tim 4,21). Sein Ruf eilt ihm voraus. Diese Menschen führt er durch seinen Einfluss.

In den Briefen an Timotheus sehen wir, wie er durch seine Schreiben Einfluss auf die Arbeit seines Mitarbeiters ausübt. Paulus hatte Jahrzehnte Zeit, das Führungsmittel der Einfluss-nahme zu üben. Seine Briefe im NT zeugen davon. Damit übt er noch heute, fast 2.000 Jahre nach seinem Tod, seinen Ein-fluss aus.

Durch seine Gefangenschaftsbriefe (Epheser, Kolosser, Phi-lemon und Philipper) wirkte er auf die jungen Gemeinden ein. Die Frucht seines Dienstes fließt in die kurzen Schreiben ein. Seine letzten Schreiben (Titus, 1. und 2. Timotheus) zeigen den ganzen Schatz der in seinem Leben als Leiter gewonne-nen Weisheit. Diese Weisheit wird weiter Menschen berei-chern und nützen. Eine Lebensspanne des Dienstes findet ihren Abschluss und widerspiegelt die Herrlichkeit Gottes im Leben des Apostels. Seine über Jahrzehnte entwickelte Treue und Zuverlässigkeit findet ihren Lohn (2Tim 4,7.8): „den guten Kampf habe ich gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Jetzt endlich winkt mir der Kranz der Gerechtigkeit, den mir der herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird – und nicht nur mir, sondern allen, die sein Erscheinen lieb gewonnen haben.“

chRiSTiAN FREi

denkt gerne nach, liebt Espresso und gute Bücher.

TEAM MÜNCHEN

Konfliktsituationen begleiten mich, seitdem ich mit Je-sus unterwegs bin. Ausgelöst wurde der jeweilige Kon-flikt i.d.R. durch Machtmissbrauch. Den heftigsten Kon-flikt nutzte Gott, um mein stagnierendes geistliches Leben wieder in Fahrt zu bringen. Dann machte er mir klar, dass ich ein Leiter bin – auch wenn ich kein Leiter sein wollte. Heute weiß ich, dass ich kein Pastor sein wollte. In der Hauptsache wollte Gott meine Führungs-fähigkeiten entfalten. Die Fragen lauteten: Wie befreit man von Machtmenschen geknechtete Gemeindeglie-der, ohne einen Machtkampf zu führen? Wie macht man den betroffenen Gemeinden deutlich, in welcher Situa-tion sie stecken? Wie offenbart man Manipulation und wie zeigt man gleichzeitig Machtmenschen einen Aus-weg, ohne dass sie ihr Gesicht verlieren? Wie geht man damit um, wenn Gemeinden das Geschenk der Freiheit nicht annehmen wollen, weil der Preis angesichts des Widerstandes zu hoch erscheint? Letztlich arbeitete Gott bei allen Beteiligten vor allem am Charakter. Es ging um innere Überzeugungen aus dem Wort, Abhängigkeit von Gott, Unterordnung unter Gott und geistliche Autorität, Abhängigkeit vom weiteren Leib Christi (Beratung), aber auch um die Anerkennung der Sichtweise anderer. Es war ein kollektiver Lernprozess. Die Konflikte haben mir meine Stärken und Schwächen offenbart.

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Dr. J. Robert Clinton, Der Werdegang eines Leiters / Lektionen und Stufen in der Entwicklung zur Leiterschaft

©2006, deutsche Ausgabe profibooks (profimusic gmbh) www.profibooks.ch

Statt am Schluss möchte ich schon am Anfang meine Empfeh-lung aussprechen: Wer in der Ausübung von Leiterschaft, er-mutigt, ermahnt, gestärkt und herausgefordert werden möch-te, dem empfehle ich die Lektüre dieses Buches! Clinton zeigt sowohl eine solide Grundlage der unveränderbaren biblischen Prinzipien für Leiter und Leiterschaftsentwicklung auf als auch ein gutes Verständnis für die Einzigartigkeit sowohl eines jeden Leiters als auch für die Ausgangslage seines Dienstes. Er defi-niert biblische Leiterschaft wie folgt:

„Leiterschaft ist ein dynamischer Prozess, in dem ein Mann oder eine Frau mit den von Gott gegebenen Fähigkeiten eine bestimmte Gruppe von Menschen Gottes in Bezug auf seine Absichten mit dieser Gruppe beeinflusst.“

Eine starke Betonung legt er auf die Entwicklung des Charakters eines Leiters. Dabei macht er klar, dass es Gott zuerst um das „Sein“ geht mehr als um das „Tun“. Unser Tun muss aus unserem Sein fließen, wenn Leiterschaft im Sinne Gottes effektiv sein soll. Auch dienende Leiterschaft ist für ihn ein wichtiges biblisches Fundament für die Ausübung von Leiterschaft.

Im weiteren zeigt Clinton die lebenslange Entwicklung auf, die Gott einem Leiter in seinem Dienst gibt. Ein Leiter soll nicht nur gut beginnen, sondern sein Dienst muss sich weiter entwickeln. Denn er soll sowohl in der Ausübung seiner Leiterschaft als auch in der Entwicklung neuer Leiter produktiv bleiben. Wenn wir je eine Gemeindegründungsbewegung in unserem Land erleben sollten, wird sie nur von Dauer sein, wenn die Entwicklung zu-künftiger Leiterschaft bei uns eine hohe Priorität genießt!

Clintons Buch beinhaltet Kost, die nicht leicht verdaulich ist. Es ist allerdings nicht vorwiegend für vollzeitliche Leiter geschrieben, sondern für alle, die Einfluss auf andere Geschwister ausüben und darin gestärkt werden möchten, andere im Sinne Gottes po-

sitiv zu beeinflussen. Man liest es nicht nebenbei, sondern muss es studieren. Am Ende eines jeden Kapitels finden sich Fragen, die einem dabei helfen, die Lektüre des Kapitels zu verarbeiten und das Gedankengut, das darin enthalten ist, zur praktischen Umsetzung zu bringen. Im Themenartikel dieser Ausgabe greift Christian Frei manches aus dem Inhalt von Clintons Buch auf und schreibt über Leiterschaftsentwicklung in seinem Beitrag „Der Werdegang eines Leiters“.

Clinton ist ein viel belesener Mann. Er erwähnt Beispiele sowohl aus der Schrift als auch aus Biografien von Leitern. Daraus ent-nimmt er Prinzipien und Muster von Leiterschaftsentwicklung, die er in seinem Buch ausführlich darstellt. Als Beispiele greift er einiges aus der Beziehung von Barnabas und Paulus auf. Auch erwähnt er einige Male Watchman Nee und seinen Werdegang, um Prinzipien, die er entdeckt hat, zu untermauern.

Es ermutigt, wenn man sich selbst in Muster und Werdegang der Entwicklung eines Leiters wiedererkennt. Wer seine Leiterschaft als eine von Gott auferlegte Verantwortung erkennt und in der Ausübung seiner Leiterschaft Gottes Wille und Weg für sich bes-ser erkennen möchte, wird vom Studium dieses Buches profi-tieren!

DAVID SWEET

BUchBESPREchUNG:DER WERDEGANG

EINES LEITERSDr. J. Robert Clinton

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VoRBEMERKUNGENWodurch zeichnet sich ein guter Leiter im Reich Gottes aus? Offenbar nicht durch die Menge seiner Nachfolger, sondern dadurch, dass er neue Leiter hervorbringt und befähigt. Dies erkennen wir bei Jesus selber, aber auch bei Paulus. Zusätz-lich bietet uns Paulus ein Beispiel eines Leiters, der nicht nur einfach die Ziellinie erreicht, sondern seinen Dienst stärker beendet, als er ihn begonnen hat.

Beim Studium der Apostelgeschichte (und auch der Paulus-briefe) werden meist wesentliche Unterschiede in den ver-schiedenen sogenannten Missionsreisen des Apostels kaum gewürdigt, noch weniger eine Entwicklung. Paulus wird vor-wiegend als Lehrer gesehen, weniger als Schüler in Gottes Schule. In diesem Artikel möchte ich zeigen, dass sein Dienst sich entwickelt, indem er entscheidende Lektionen lernt und sich mehr und mehr auf Mentoring, Coaching, Multiplikation und Leiterentwicklung konzentriert.1

2Tim 2,2 tritt immer somit immer stärker als großes Thema seines Lebens in den Vordergrund: „Was du von mir in Ge-genwart vieler zeugen gehört hast, das vertraue treuen Men-schen an, die tüchtig sein werden, auch andere zu lehren!“

diE ERSTE MiSSioNSREiSE (APG 13,1 - 14,28):

SüdoSTEN KLEiNASiENS/GALATiEN Wir beobachten Barnabas und Paulus hier auf einer ca. 2.400 km langen Missionsreise durch Zypern und Kleinasien als ein Team reisender Evangelisten. Ihre Arbeit erweist sich als sehr fruchtbar: An fünf Orten (Zypern / Antiochia / Ikonion / Lystra / Derbe) ist von Jüngern und Gläubigen die Rede und es werden Gemeinden gegründet. Paulus macht hier die Er-

1 Ich lehne mich dabei stark an Neil Cole an, der diesen Gedanken ausführlich darlegt und begründet in seinem Buch „Journeys to significance - charting a leadership course from the life of Paul“ (San Francisco: Jossey-Bass 2011). Eine deutsche Ausgabe ist in Vorberei-tung. Eine Kurzfassung findet sich hier: https://www.cmaresources.org/article/journeys-to-significance

fahrungen in der Gemeindegründung, die er später anderen weitergibt.

Es mangelte offenbar an der Leitung in diesen Gemeinden (möglicherweise aufgrund seines raschen Vorgehens), denn die Apostel kehren zurück, um Älteste einzusetzen. Könnte es jedoch sein, dass dieses Defizit nicht grundlegend behoben wurde, da Paulus diese Gemeinden später noch viermal be-sucht (Apg 14,21-23; 15,36; 16,1-5; 18,23)? Außerdem fallen sie judaistischen Irrlehrern zum Opfer, die sie in ungesunder Wei-se beherrschen und zur Gesetzlichkeit verführen (Gal  1,6ff). Paulus antwortet darauf mit dem Galaterbrief – von all seinen Briefen der mit dem schärfsten Ton.

LEKTIONEN AUS DER ERSTEN REISE

Ein Leiter auf der ersten Reise (d.h. ein Missionar oder Ge-meindegründer in seiner ersten Dienstphase) versucht oft-mals, alles selber zu machen – mit dem Ergebnis, dass er Ge-fahr läuft, Gemeinden mit schwacher Leitung zurückzulassen. Wenn er als Gemeindegründer dann (zu rasch) weiterzieht, bleibt oftmals ein Vakuum, das leicht von beherrschenden Leitern gefüllt werden kann. Vergleichbare, schmerzliche Er-fahrungen haben wir als DIM in verschiedenen Gründungen gemacht.

Ein Leiter auf der ersten Reise scheint es eher eilig zu haben, weiterzuziehen. Er hat ein starkes Bewusstsein der Dringlich-keit des Missionsauftrages. Das ist zunächst sehr positiv, doch die Schattenseite davon zeigt sich darin, dass Jüngerschaft vernachlässigt wird; die Begleitung junger Gläubiger und an-gehender Leiter im Sinne von Mentoring und Coaching finden kaum statt, da die Notwendigkeit dazu nicht gesehen wird.

Zu Beginn dieser ersten Reise wird zuerst Barnabas genannt (Apg 13,2. 7), dann Saulus (bzw. später Paulus); im weiteren Verlauf ist immer zuerst von Paulus die Rede (Apg 13,13) Wir sehen, wie der Lehrling aus dem Schatten seines Mentors oder Meisters tritt.

Auf der ersten Reise lernt der Leiter das grundlegende Know-how für seinen Dienst, das er später anderen weitergibt. So-mit kann die erste Reise nicht übersprungen werden!

Paulus und seine Reisen – ein Apostel in der Schule Gottes

Lektionen aus Paulus Reisen

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diE zWEiTE MiSSioNSREiSE (APG 15,36 - 18,22):

MAzEdoNiEN UNd AchAiAWie die erste Missionsreise beginnt auch die zweite in Antio-chia. Die Strategie der ersten Reise hatte sich ja bewährt und so wollten Paulus und Barnabas als bewährtes Team wieder los (Apg 15,36). Doch sie werden aus den gewohnten Bahnen geworfen: Ein ernsthafter Konflikt über die Frage der erneuten Mitarbeit von Johannes Markus führt zur Trennung (Apg 15,37-39). War dies menschliches Versagen oder (mindestens z. T.) Gottes souveräne Führung? Die Frage soll hier offenbleiben – das Ergebnis sind jedenfalls zwei Missionsteams statt eines.

Nach einer fruchtbaren Nacharbeit in den bestehenden Ge-meinden (Apg 15,41; 16,4-5) möchte Paulus mit Silas offen-bar so evangelisieren wie auf der ersten Reise, doch Gott hat andere Pläne (Apg 16,6-10) – insbesondere für die Metropole Ephesus und die Provinz Asien. Zweimal erleben sie, wie Got-tes Geist ihre Pläne direkt durchkreuzt und sie anders führt.

Es scheint, dass Paulus aus den Leitungsproblemen der ers-ten Reise gelernt hat: Er sieht die Arbeit und rekrutiert weitere Leiter, die ihn begleiten. Silas (Apg 15,40) ist von Anfang an dabei, in Lystra nimmt er Timotheus dazu (Apg 16,1-3) und in Troas schließlich Lukas2 (Apg 16,10-11).

Paulus lässt im weiteren Verlauf der Reise einen nach dem anderen in den neu gegründeten Gemeinden zurück, um das Leitungsvakuum zu füllen: Lukas bleibt in Philippi (Apg 16,16: letzte „wir“-Stelle), Silas und Timotheus in Beröa (Apg 17,14) und Timotheus später in Thessalonich (1Thes 3). Die Leiter ge-hen ihm sozusagen nach und nach aus und vielleicht beginnt er zu erkennen, dass er nie in der Lage sein wird, genügend Mitarbeiter für ein Team zu gewinnen, um Leiter in jeder neu-gegründeten Gemeinde zurückzulassen.

So kommt Paulus schließlich alleine in zwei geistlich beson-ders finstere Städte des Römischen Reiches: Athen (Apg 17,16), von heidnischer, gottloser Philosophie und Religion geprägt sowie Korinth (18,1ff), einer Stadt voller Sünde und Unmoral.

2 Wir schließen das aus dem Beginn des ersten „Wir-Berichtes“, den Lukas als Augenzeugen formuliert.

Das erste Mal auf seinen Reisen (seit Apg 11) ist Paulus allein. Aus den Berichten der Apostelgeschichte wie auch aus seinen Briefen lässt sich erkennen, dass der Apostel sonst niemals freiwillig alleine unterwegs war und arbeitete. Provoziert vom Götzendienst, müde und entmutigt durch Verfolgung sowie voller Furcht (1Kor 2,3) gelangt er nach Korinth. An dieser Stel-le ermutigt ihn der Herr selber direkt mit zwei Aspekten3:

› Keine Angst, ich bin mit dir, rede, denn niemand kann dir schaden!

› Ich habe meine Leute hier in großer Zahl, in Korinth wartet eine große Ernte!

Jesus begegnet also nicht nur der Entmutigung und Furcht von Paulus, sondern deutet ihm auch eine neue Strategie an: Die Mitarbeiter sind schon da, in der Ernte! Finde sie hier un-ter den Verlorenen dieser Stadt.

Es erscheint sinnvoll, dass Paulus sich nun auf einen länge-ren Aufenthalt in Korinth einstellt, anstatt nach wenigen Wo-chen Missionsarbeit weiterzuziehen. 18 Monate an einem Ort zu arbeiten war etwas Neues für den Mann, dessen gesamte erste Missionsreise weniger als ein Jahr dauerte! Nicht dass Paulus bisher grobe Fehler gemacht hätte, aber hier zeigt sich seine Fähigkeit, zu lernen und neue Wege zu gehen. Er beginnt, in seinem Handwerk als Zeltmacher zu arbeiten, und trifft dabei Aquila und Priszilla, die offenbar zu seinen ersten, engen Mitarbeitern werden. Die Evangelisation kommt wei-ter in Schwung (Apg 18,4-8), als Silas und Timotheus wieder dabei sind und der Widerstand wächst. Paulus jedoch bleibt „noch viele Tage“ (Apg 18,18) und konzentriert sich darauf, langfristig an einem Ort in die Jünger zu investieren.

Es wird also nicht nur einfach eine Gemeinde gegründet, son-dern vielmehr ein apostolisches Team aufgebaut, das selber Jünger macht und weitere Gemeinden gründet. Die ersten Schritte der Multiplikation werden sichtbar: Paulus wird zum Leiter, der weitere Leiter hervorbringt und sich genau darauf konzentriert!

Etliche solcher Männer werden ausdrücklich erwähnt:

3 Wir gehen davon aus, dass diese Erscheinung des Herrn ganz zu Anfang von Paulus´ Aufenthalt in Korinth geschah; Apg 18,1-11 ist nicht unbedingt chronologisch aufzufassen.

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Stephanas (1Kor 1,16; 16,15-18), Sosthenes (Apg 18,17), Krispus (Apg 18,8; 1Kor 1,14), Fortunatus und Achaikus (1Kor 16,17).

Besonders interessant ist es jedoch, einen genaueren Blick auf Aquila und Priszilla sowie Apollos zu werfen. Das Ehepaar geht mit Paulus nach Ephesus, wo sie bleiben und möglicher-weise den Boden für seinen eigenen Dienst bereiten sollten (Apg 18,19-21). Hier nun kommt Apollos ins Spiel. Warum er-wähnt Lukas ausgerechnet ihn so ausführlich (Apg 18,24-28)? Er ist schließlich kein direkter „Jünger“ von Paulus. Es waren Aquila und Priszilla, die Apollos offenbar genauso weiterhal-fen, wie Paulus es mit ihnen selber getan hatte: Sie führten ihn zum Glauben (bzw. erklärten ihm Kreuz und Auferste-hung) und verbrachten Zeit mit ihm im häuslichen Rahmen in persönlicher Jüngerschaft. Apollos wurde zu einem der ersten, die Paulus in zweiter Generation geprägt und sich da-mit vervielfältigt hatte. Lukas stellt ihn uns als eine Frucht der neuen Strategie des Apostels vor Augen.

In Apollos´ Dienst in Korinth spiegelt sich daher auch der Dienst des Paulus wider:

Lukas´ Bericht über die evangelistische Methode

des Paulus (Apg 17,2-3)

Lukas´ Bericht über die evangelistische Methode

des Apollos (Apg 18,28)

„Nach seiner Gewohnheit aber ging Paulus ...

„...er ... (Apollos)

zu ihnen hinein ... (den Juden)

widerlegte die Juden kräftig ...

und an drei Sabbaten ... öffentlich ...

unterredete er sich mit ih-nen aus den Schriften ...

indem er durch die Schriften bewies, ...

indem er eröffnete und darlegte, dass dieser der Christus ist; der Jesus, den ich euch verkündige.“

dass Jesus der Christus ist.“

LEKTIONEN AUS DER ZWEITEN REISE

› Ein Leiter auf der zweiten Reise (seiner zweiten Phase im Dienst) lernt nicht selten, dass seine eigenen Pläne nicht immer Gottes Pläne sind – je schneller er lernt, auf Gott zu hören und zu folgen, desto besser. Eine Strategie in der Gemeindegründung ist schlicht notwendig – aber noch wichtiger ist es, auf Gottes Reden zu hören und seine Wege zu gehen. Es hat etwas Tragisches, wenn Missionare oder Leiter in fortgeschrittenem Alter nach langen Jahren

im Dienst immer noch darauf bestehen, ihren Dienst ge-nauso tun zu müssen, wie sie das zu Beginn in ihrer ersten Dienstphase („schon immer“) getan haben. Noch schwie-riger wird es, wenn sie jungen Mitarbeitern nicht zugeste-hen, ihre eigenen Wege in der Abhängigkeit von Gottes Führung zu gehen.

› Lektionen in dieser Dienstphase beinhalten oft Konflikte, auch mit Mitarbeitern und Mentoren. Solche Konflikte sind m.E. weitgehend unvermeidlich und es liegt ein großer Gewinn darin, die eigene Sicht und/oder Position hierin zu schärfen und einen gesunden, von biblischen Grund-sätzen geprägten Umgang mit Konflikten zu lernen. Geht man Konflikten dagegen aus dem Weg (z.B. aus Bequem-lichkeit oder „um des lieben Friedens willen“), verpasst man solche Lektionen.

› Schmerz, Leiden, Einsamkeit und Angst sind in dieser Phase unerlässlich, um die entscheidenden Lektionen zu lernen. Auch hier gilt das oben über Konflikte gesagte, nur, dass wir solchen Erfahrungen kaum ausweichen können. Es gilt, auszuhalten und solche Phasen zu bejahen, um schließlich davon zu profitieren.

Auch die zweite Reise kann nicht übersprungen werden.

diE dRiTTE MiSSioNSREiSE (APG 18,23 - 21,16):

EPhESUS UNd GANz ASiENNachdem Paulus längere Zeit in Jerusalem und Antiochia ver-bracht hat, zieht er geradewegs nach Ephesus (Apg 18,23; 19,1). Unterwegs besucht er wieder die Gemeinden in Galatien und Phrygien. Nachdem auf der vorausgehenden Reise „vom Heiligen Geist verhindert worden war“ (Apg 16,6) in der Pro-vinz Asien und Ephesus zu arbeiten, ist der Weg nun frei. Hat Gott vielleicht die Tür geöffnet, weil der Apostel seine Lektion gelernt hat und bereit ist für den Dienst in dieser strategisch wichtigen Metropolregion der damaligen Zeit?

WIE PAULUS IN EPHESUS VORGEHT (19,1-10)

Paulus begann seine missionarische Arbeit in der Stadt an vorbereiteten bzw. interessierten Menschen (Apg 18,19-20; 19,1-8): Juden in der Synagoge und Jünger von Johannes dem Täufer. So ist er immer wieder vorgegangen, doch hier gewin-nen wir den Eindruck von großer Freiheit, Gelassenheit und Vollmacht – und keinerlei Eile. Darauf weisen die Zeitangaben

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hin: Drei Monate (Apg 19,8), zwei Jahre (Apg 19,10) und „eine Zeit lang“ (Apg 19,22).

Nachdem er die Synagoge verlassen musste, unterwies und trainierte er die Jünger täglich in der Schule des Tyrannus (ei-nem neutralen Raum). „Dies aber geschah zwei Jahre lang, sodass alle, die in Asien wohnten, sowohl Juden als auch Grie-chen, das Wort des Herrn hörten.“ (Apg 19,10)

Es wird eine ganze Region mit dem Evangelium erreicht und Gemeinden entstehen, obwohl Pauls selbst die ganze Zeit in Ephesus blieb. Die umliegenden Gemeinden kannten ihn nicht einmal persönlich (Kol 2,1). Wie konnte ein einzelner Mann das in 2-3 Jahren tun? Offensichtlich gelang es Paulus, Arbeiter und Leiter sozusagen „aus der Ernte für die Ernte“ zu gewinnen und auszubilden. Sie waren es, die in die gan-ze Provinz gingen und schließlich Gemeinden in Städten wie Kolossä, Laodizea oder Hierapolis gründeten. So legte er die Grundlage für eine multiplikative Bewegung.

Diese Gemeinden in Asien waren nie abhängig von Paulus; er hatte sie schließlich nicht gegründet! Und daher war auch keine persönliche „Nachsorge“ nötig (wie z. B. in Galatien). Paulus besuchte diese Gemeinden nie; vielmehr schrieb er Briefe und gab letzte Anweisungen an die Leiter (Älteste), die er ausgebildet hatte, so weiterzuarbeiten, wie sie es an ihm gesehen hatten bzw. trainiert worden waren! (Apg 20,17-38)

Einer dieser Männer war Epaphras (Kol 1,3-8; 4,12-13), der mindestens die Gemeinde in Kolossä gegründet hatte. Weite-re Namen, die genannt werden: Philemon, Trophimus, Tychi-kus, Archippus, Nympha, Apphia, Artemas und Onesiphorus.

Aus den Berichten der Apostelgeschichte lassen sich einige Kennzeichen dieses multiplikativen Dienstes in Ephesus ent-nehmen:

› Eine regionale Basis für die Ausbildung von Leitern, um Jünger zu machen und Gemeinden zu gründen (Apg 19,9; 20,18). Es geht nicht nur um die Gründung einer lokalen Gemeinde, sondern um ein gemeindebasiertes Training für Weltmission!

› Eine Strategie des Lehrens und des Mentoring durch Le-bensvorbild - in großen Treffen wie auch Kleingruppen (Apg 20,19-20). Dies geschieht mitten im normalen (Ge-meinde-)Leben und ist keine akademische Veranstaltung, sondern leicht reproduzierbar.

› Evangelisation steht in enger Verbindung mit der geistli-chen Entwicklung der Jünger, und zwar als Grundlage für das Training der Leiter (Apg 20,21).

› Die Bedeutung des Wortes Gottes im Leben der Menschen wird betont (Apg 20,20. 32).

› Der Heilige Geist hat seinen rechtmäßigen Platz, um die Jünger in den Dienst zu führen (Apg 20,28).

› Der Geist steht hinter einer Bewegung ohne menschliche Kontrolle und führt die Einzelnen zur Mündigkeit und Rei-fe.

› Mentoring und Coaching einzelner Leiter geschehen auf persönlicher Einszueins-Basis (Apg 20,31). Leiterschulung muss individuell sein, da jeder unterschiedliche Voraus-setzungen mitbringt und sich unterschiedlich entwickelt. Kurse und Lehrpläne können das kaum leisten.

› Leiter werden in die Verantwortung vor Gott entlassen für den Dienst, auf den sie vorbereitet wurden. So werden sie unabhängig vom Mentor oder Trainer (Apg 20,32) Foto-kopien von Fotokopien werden immer schlechter – daher sollte man immer vom Original kopieren! So dürfen Jün-ger nicht uns nachfolgen, sondern allein Jesus als ihrem Herrn. Wir dürfen sie nicht an uns binden, sondern allein an ihn. Ansonsten entstehen ungesunde Abhängigkeiten und sie werden mit jeder Generation schwächer!

LEKTIONEN AUS DER DRITTEN REISE

› Viele Leiter erreichen die „dritte Reise“ (ihre dritte Dienst-phase) nicht, da sie in früheren Phasen steckenbleiben und wesentliche Lektionen nicht lernen bzw. Entwick-lungs- und Gehorsamsschritte nicht gehen. Vielleicht, weil sie sich für unentbehrlich halten? Oder weil sie die oben angesprochenen Konflikte scheuen und Schwierigkeiten aus dem Weg gehen?

› Gott vertraut bewährten Leitern auf der dritten Reise mehr angehende Leiter mit großem Potenzial an, da diese wert-geschätzt werden und herausfordernde Möglichkeiten zum Dienst bekommen. Der Leiter muss Begabungen ne-ben sich nicht aus egoistischen Motiven kleinhalten!

› Leiter auf der dritten Reise haben einen wachsenden Ein-fluss, da andere ihr Anliegen (Evangelisation, Jünger ma-chen und Gemeindegründung) viel weiter tragen können, als sie selber es könnten.

› Obwohl ein Leiter auf der dritten Reise scheinbar weni-ger tut, arbeitet er gezielter und erreicht so letztlich mehr durch die Ausbildung und Multiplikation neuer Leiter.

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diE ViERTE MiSSioNSREiSE (APG 21-28):

ALS GEFANGENER VoN JERUSALEM NAch RoM

Gewöhnlich wird die Gefangenschaft des Apostels Paulus nicht als eine weitere Missionsreise angesehen, doch Paulus selber sah dies offenbar anders: „ich bin froh, euch mitteilen zu können, Geschwister, dass das, was mit mir geschehen ist, die Ausbreitung des Evangeliums sogar noch gefördert hat.“ (Phil 1,12-14, NGÜ) Unter Hausarrest in Rom erreichte er die gesamte heidnische Welt! (2Tim 4,16-17)

Diese Reise war keine Katastrophe für den reisenden Apos-tel, der seiner Bewegungsfreiheit beraubt wurde. Gottes Plä-ne wurden nicht durchkreuzt, sondern sie war vielmehr SEIN Plan für Paulus´ letzte Dienstphase, in der sich sein Einfluss bis zum heutigen Tag ausdehnte.

WAS KENNZEICHNETE PAULUS´ DIENST IN BZW. AUS DER GEFANGENSCHAFT?

› Seine Berufung auf den Kaiser brachte Paulus und damit das Evangelium vor viele.

Er bekam die Möglichkeit, vor einigen der größten Macht-haber jener Zeit zu reden: Felix, der Statthalter von Judäa, sein Nachfolger Festus, König Agrippa und seine Frau Bernice (Apg 24-25) und schließlich Kaiser Nero selbst (Apg 25,11-12; 27,24; 2Tim 4,17). Unterwegs hörte ihn die Schiffsbesatzung und nach einem Schiffbruch gründetet er dazu noch eine Gemeinde auf der Insel Melite (wahr-scheinlich Malta).

› Sein Ruf ging ihm voraus, sodass man ihn bei seiner An-kunft in Rom begrüßte und viele ihn in seiner Mietwoh-nung besuchten, wo er Redefreiheit genoss (Apg 28,14-31). Paulus konnte zwar nicht mehr „hingehen in alle Welt“ (Mt 28,19), doch er hatte in seiner Gefangenschaft offenbar mehr evangelistische Möglichkeiten als die meisten von uns in Freiheit. Er schreibt dazu: „Betet auch für mich, dass Gott mir das rechte Wort schenkt, ...  - als Gesandter des Evangeliums bin ich ja im Gefängnis -, damit ich so freimü-tig davon rede, wie ich reden soll.“ (Eph 6,19-20)

› Seine Gefangenschaft ermutigte viele, die in Freiheit wa-ren, seine Arbeit fortzuführen : „Und die meisten der Brü-der hier haben durch meine Gefangenschaft Mut gefasst und wagen es, das Wort Gottes ohne Furcht weiterzusa-gen.“ (Phil 1,14-18) Er schreibt auch davon, dass einige dies auch aus zweifelhaften Motiven tun. Dennoch drückt er seine Freude darüber aus, da es ja um Christus geht. Her-vorragende Leiter, Evangelisten, Prediger oder Missionare können durchaus auch im Weg stehen. Fallen sie aus, ste-hen andere auf!

› Seine Gefangenschaft verschaffte ihm Zeit und Gelegen-heit, einige Briefe zu schreiben. Er schreibt, dass er selber zwar gefangen ist, Gottes Wort jedoch nicht in Fesseln ge-legt werden kann (2Tim 2,8-10) – durch seine Briefe wurde es vielmehr freigesetzt! Die Briefe an die Epheser, Kolos-ser, Philipper und an Philemon („Gefangenschaftsbriefe“ genannt) entstehen in dieser Zeit; später dann (evtl. in ei-ner zweiten Gefangenschaft) die sog. Pastoralbriefe. Mög-licherweise nutzte Lukas die Zeit, in der er bei Paulus in Rom war, um sein Evangelium und die Apostelgeschichte abzufassen. Durch diese Schriften wirkt der Einfluss des Paulus bis zum heutigen Tag nach und vervielfältigt sich.

› Er hatte Zugang zu Verlorenen, die die Gemeinde sonst nie erreicht hätte. „Bei der ganzen kaiserlichen Garde und weit darüber hinaus hat es sich inzwischen herumgespro-chen, dass meine Gefangenschaft eine Gefangenschaft wegen Christus ist.“ (Phil 1,13-14) Paulus war Tag und Nacht an einen Soldaten gekettet (Apg 28,16), der zur kaiserli-che Garde gehörte, die auch die kaiserliche Familie am Hof bewachte. Ohne Zweifel hörten diese Männer das Evange-lium von Jesus und auch das Lebenszeugnis des Paulus wird nicht ohne Wirkung geblieben sein. Durch Schicht-wechsel kamen immer wieder andere Soldaten, die, wie es scheint, auch am Hof von Paulus und seiner Botschaft erzählten. So ist wohl zu erklären, was er den Philippern schreibt: „Auch alle anderen Gläubigen hier lassen euch grüßen; besonders die, die im kaiserlichen Dienst sind.“ (Phil 4,22)

› Ständig war Paulus dabei, jungen Leitern ein Mentor zu sein und sie hinauszuschicken, damit sie den Dienst mul-tiplizieren – er blieb nie mit Absicht allein! Offensichtlich hatte Paulus seinen Lebensstil und seine Dienstphiloso-phie, sein Leben in andere zu investieren, um Jünger zu machen und Leiter hervorzubringen (vgl. Apg 20,18-38) auch in seiner Gefangenschaft nicht aufgegeben, sondern eher noch intensiviert. Einige Beispiele: Onesimus und Tychikus schickt er mit Briefen nach Asien (Kol 4,10-12). Timotheus und Epaphroditus bringen einen Brief nach Philippi (Phil 2,19-30). Andere waren abwechselnd bzw. ständig bei ihm: Lukas, Markus, Demas, Aristarchus, Jesus Justus, Epaphras. Selbst am Ende seines Lebens in der To-deszelle ist er nicht allein (2Tim 4,11).

LEKTIONEN AUS DER VIERTEN REISE

Die meisten Leiter erreichen die vierte Reise bzw. Dienstpha-se nicht; sie bleiben in einer früheren Phase stecken.

Ein Leiter auf seiner vierten Reise kümmert sich weniger als früher um seine Versorgung. Er hat das Geheimnis von Zufrie-denheit und Vertrauen gelernt (Phil 4,10-14).

Ein Leiter auf der vierten Reise hat oftmals einen zunehmend guten Ruf auch bei säkularen Leitern.

Der Einfluss eines solchen Leiters dehnt sich wesentlich stär-ker aus, als man erwarten könnte oder die Umstände es er-lauben.

Leiter in dieser Phase haben oftmals einen zunehmenden schriftlichen Einfluss, sodass unzählige Andere von ihrer Er-fahrung und Reife profitieren. Bücher, die in dieser Phase ent-stehen, haben meist Bestand.

Auch ein Leiter auf der vierten Reise ist noch Prüfungen sei-nes Charakters ausgesetzt.

WoLFGANG KLöcKNER

lebt mit seiner Familie seit über 25 Jahren im Allgäu und hat an der Gründung einiger Gemeinden mitgewirkt.

DIM-VORSTAND

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Schon ein flüchtiger Blick in die Bibel macht deutlich, dass Gottes Volk – im alten und im neuen Bund – nicht vor Leid ver-schont bleibt. Mehr noch: Leid- und Notsituationen scheinen in Gottes Plan eine Art pädagogische Rolle zu spielen. Israel wur-de oft durch schwere Wegführungen neu zu Gott gerufen (z. B. Buch Richter). Führer Israels wie Mose oder Elia wurden durch „Wüstenzeiten“ an persönliche Grenzen geführt, sie reiften und wurden am Ende durch Gottesbegegnungen (neu) berufen.

Selbst von Jesus heißt es in Hebr. 5,8, dass er durch Leiden Gehorsam lernte. Und schließlich wurden wir durch das Lei-den und Sterben Jesu erlöst. Alle Welt (auch ich!) scheut das Leid – aber Gott nutzt manchmal das Leid auf geheimnisvolle Art und Weise, um uns zu verändern. Und scheinbar nutzt Gott das vor allem, um aus Menschen geistliche Leiter zu formen.

Sehen wir uns die Ältestenqualifikationen in 1Tim 3 und Tit 1 an, fällt auf, dass außer der Lehrgabe keine weiteren Begabun-gen gefordert sind – wohl aber eine gereifte Persönlichkeit, ein geistlicher Charakter, ein Mensch mit einer von Christus ge-prägten Wesensart, die Ausstrahlung hat auf andere (z.B. sei-ne eigene Familie). Solch eine geistliche Reife aber fällt nicht einfach vom Himmel. Sie ist auch mehr als die Summe guter Gene, einer positiven Erziehung und einer langen Lebens- und Glaubenserfahrung. Oft hat Gott hier einen Menschen geschliffen wie ein Edelsteinschleifer seinen Diamanten. Oder ihn geformt wie der Töpfer den Ton (Jes 64,7 u.a.). Es scheint paradox, aber so arbeitet Gott oft mit unserem menschlichen „Rohmaterial“: Er schleift und poliert, er knetet und formt. Oft sind das schmerzhafte Prozesse, die wir kaum mit Gottes Lie-be unter einen Hut bringen können, aber es sind nicht selten seine Werkzeuge, um uns in seinem Sinne zu verändern.

Wir haben als Familie manche Erfahrung mit Leidenszeiten machen müssen. Unsere Tochter erkrankte mit 11 Jahren so schwer, dass sie seitdem im Rollstuhl sitzt. Meine Frau litt Jah-re an einer unerkannten Allergie, die viel Not gemacht hat. Ich lebe seit 12 Jahren mit einer MS-Erkrankung. Trotzdem geht es uns allen wirklich gut, wir sind dankbar und wissen uns in der liebevollen Hand unseres Gottes! Wie hat uns diese Zeit verän-dert? Ob wir dadurch reifer geworden sind? Das müssen ande-re beurteilen. Aber wir waren gezwungen, uns mit schweren Lebenswegen auseinander zu setzten. Ein paar Einsichten, die wir gewonnen haben:

BEi dRUcK KoMMT RAUS, WAS dRiN iST.

Es ist wie bei einer Zahnpastatube: Setze einen Menschen (ei-nen Christen, einen Leiter) unter Druck und du wirst sehen, was drin steckt. Leiden kann die Maske wegreißen, den viel-leicht nur religiös kaschierten alten Menschen freilegen. Das ist ein wichtiger Prozess in Gottes Reifungsplan, denn dann kann echte Veränderung einsetzen. „Bei mir ist ja alles in Ord-nung“ ist dann vorbei. Leiter müssen bestimmt nicht perfekt sein – aber sie müssen zutiefst authentische Persönlichkeiten geworden sein, die ihre Stärken kennen, aber vor allem auch zu ihren Schwächen stehen.

LEid zWiNGT dAzU, Sich ExiSTENziELLEN FRAGEN zU STELLEN.Als unsere Tochter (über Nacht) erkrankte, wurden wir mit Fra-gen konfrontiert, die wir uns in dieser Tiefe nie gestellt hat-ten. Ich habe damals zwar nicht an der Existenz Gottes selber gezweifelt, wohl aber gefragt, wer dieser Gott eigentlich ist, der uns „das antut“. Ich habe eine längere Zeit nicht predigen können. (Und unsere Gemeinde im Aufbau hat das liebevoll mitgetragen.) Es war ein langer Prozess, aber heute kann ich sagen: Herr, du bist ein wunderbar liebender Gott, auch wenn ich vieles nicht verstehe – und es auch nicht muss! Durch prak-tisch erfahrene Hilfe in der Not hat er uns gezeigt, wie er ist, dass sein Wesen Liebe ist. Das hat uns geprägt und das prägt auch meinen Dienst als Missionar und Leiter.

dURchLiTTENES LEid KANN UNS BARMhERziG MAchEN.

Oft sind Leiter schon von ihrem menschlichen Wesen her star-ke Führungspersönlichkeiten. Das ist gut, aber starke Men-schen können auch unbarmherzig sein und zunächst wenig Nachsicht mit den Schwächen anderer zeigen. Ich kenne man-che Beispiele, wo Gott Christen in Verantwortung durch harte Zeiten barmherzig und milde gemacht hat. Auch wer ehrlich seiner eigenen Sündhaftigkeit ins Auge gesehen hat, kann andere besser verstehen, die mit sich selber kämpfen. Oder, wie Paulus das in 2Kor 1 beschreibt, „trösten, weil ich selber getröstet worden bin“.

Ein alter Spruch sagt: „Unter jedem Dach ein Ach“. Schmerz, Leid, Krankheit, unerfüllte Wünsche, Schicksalsschläge. gehö-ren untrennbar zum Leben in dieser Welt. Christen und Leiter sind da nicht ausgenommen und bekommen so im positiven Sinn etwas Menschliches, Nahbares, etwas, was den Zugang zu Menschen leichter macht.

LEid LEhRT, AUF GoTT zU VERTRAUEN.Wer mehr auf menschliche Qualitäten, Erfahrungen oder kluge Strategien als auf Gott vertraut, ist noch kein geistlicher Leiter. Moses 40 Jahre in Midian (2. Mose) waren offensichtlich die Jah-re, die solches Selbstvertrauen (im negativen Sinn) zerbrachen. Als Führer Israels lernte er dann, Gottes Macht zu vertrauen. Schwere Lebenszeiten führen uns oft an unsere eigenen Gren-zen. Wo sich die Dinge nicht mehr selber regeln lassen, können wir Gottvertrauen lernen. Gut, wenn Leiter das gelernt haben!

Leiter reifen durch Leiden

wie Wüstenzeiten uns verändern

hERGEN VoR dEM BERGE

brennt zusammen mit seiner Frau Beate für Gemeindegründungen im Nordwesten Deutschlands.

TEAM NORDWEST

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David Sweet ist im Gespräch mit Dirk Schimanski, der inzwi-schen 18 Jahre lang die Gute Nachricht in Cottbus verbreitet und Menschen zu Bibelentdeckerkreisen und zur christlichen Gemeinde einlädt.

dAVid: Man findet bei Gräsern Wachstumsknoten, die den dünnen halm Stabilität verleihen und sie nach Stürmen wie-der aufrichten. Gab es in deinem Leben Situationen, die dir besonderen halt gaben?

DIRK: Ich erinnere mich z.B., als ich erschöpft in einer christ-lichen Klinik landete und durch eine Vortragsreihe das Leben Jonas mal wieder vertiefte. Dort entdeckte ich neu, wie Jona in der Krise im Bauch des Fisches Gott Dank opferte (Jona 2,10). Diesem Opfer-Gedanken ging ich nach und entdeckte darin einen Schatz, den ich jedoch, von meinem natürlichen Wesen her, viel zu selten hebe. Ja, oft ist es für mich auch ein Opfer, die kritischen Gedanken oder Enttäuschungen abzulegen, um auch andere Seiten zu sehen. Seither übe ich mich darin, klei-ne und große Kostbarkeiten im Alltag zu entdecken und mer-ke, wie dadurch mein Blick geweitet wird und Zufriedenheit sich ausbreitet.

dAVid: Ein guter Tag hat also bei dir etwas mit einem dankba-ren herzen zu tun. Gibt es für dich weitere Bausteine für einen guten Tag?

DIRK: Das ist sicher sehr subjektiv. Was der eine braucht, ist dem anderen möglicherweise ein negativer Stressor. Man-che beflügelt z.B. die intensive Gemeinschaft mit viel Spaß, Gesprächen und vielleicht gutem Essen. Ich musste in den letzten Jahren eher die Ruhe zurückgewinnen. Den Sabbat zu heiligen, bedeutet für mich konkret, einen freien Tag zu reser-vieren und daran festzuhalten. Auch der täglichen Begegnung mit Gott durch Gebet und biblischem Impuls Raum zu geben, gehört für mich dazu.

Darüber hinaus achte ich stärker als früher auf eine ausge-wogene Ernährung, die mir aber auch schmecken sollte. Ich genieße sehr bei einem Glas Tee den aktuellen Moment, eine kleine Pause zwischendurch.

Mühe macht mir jedoch, das rechte Maß der Bewegung und frischen Luft in den Wochenrhythmus aufzunehmen. Für etli-che Wege nutze ich inzwischen das Fahrrad, brauche aber oft jemanden, der mit mir auf Tour geht. Doch auf den Hund bin ich bis jetzt noch nicht gekommen.

dAVid: Wer mit dir ein Stück des Tages geht oder ein Prakti-kum bei dir in cottbus macht, erlebt dich als sehr strukturier-ten und gewissenhaften Menschen. du hast auch stets viel mit Menschen zu tun, die in belasteten Lebenssituationen stehen.

Wie gelingt es dir, einerseits deinem Auftrag gerecht zu wer-den und andererseits auch für dich selber Sorge zu tragen?

DIRK: Ja, der Vers „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde“ (Apg.20,28) ist eine große Herausforderung, die mit Achtsamkeit und Wachsamkeit einher geht. Das bleibt wohl ein lebenslanges Übungsfeld, weil es im Leben von Menschen stets Höhen und Tiefen gibt. Schnell treibt mich zudem meine Leidenschaft und Kreativität oder die scheinbare Dringlich-keit der Situation. Wohl dem, der da besser Grenzen setzen kann und auch dem himmlischen Vater immer wieder kind-lich vertraut. Vielleicht aber neigen wir Menschen allgemein eher dazu, uns wichtiger zu nehmen, als nötig ist. Wir wollen Bedeutung gewinnen durch unser Tun. Das sage ich durchaus sehr selbstkritisch, denn ich entdecke, dass ich mich oft zu stark über mein Tun und „meine“ Erfolge definiere. Das ist in der Reich-Gottes-Arbeit nicht sehr förderlich.

Auch im geistlichen Leitungsdienst kann durch den gewohn-ten Alltag der Eindruck entstehen, alles ist (menschlich) machbar und oft auch schneller, als wenn es erst durch Gottes Mühlen gemahlen werden muss.

So gilt es für mich, stets eine Ausgewogenheit zu finden, Gott, dem Nächsten und natürlicherweise auch mir selbst Raum in meinem Leben zu geben (Mt 22,37-39).

dAVid: Kannst du ein Buch empfehlen, das helfen kann, damit Theorie und Praxis im Leben eines Mitarbeiters und Leiters dichter zusammen kommen?

DIRK: Die Bibel natürlich. – Na gut. In der Passionszeit habe ich ein gutes Taschenbuch verschlungen. Nein, ich habe es Portion für Portion aufgenommen und mir immer wieder neue Regieanweisungen für den nächsten Tag mitgenom-men. Das Buch heißt: „7 Wochen ohne Überforderung“ von Ju-lia Warkentin. Schnell hat man abends im Bett die 2-3 Seiten pro Tag gelesen und bekommt dann Lust, zu analysieren, zu planen und zu beten. Also ein wirklich praxisnahes Buch, was mir meine Berufung wieder lieb gemacht hat.

Sich selber leiten

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diRK SchiMANSKi

lebt mit seiner Familie seit über 18 Jahren in Cottbus. Er ist begeistert, wenn Gottes Liebe und Kreativität Menschen beflügelt.

TEAM COTTBUS

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In Heft 2-15 unserer Zeitschrift berichteten wir über unse-re Reise nach Nordindien im März dieses Jahres. Wir waren beeindruckt von dem, was Gott durch die Arbeit von EMPART bzw. CFI (Compassion for India) tut und wie er eine Gemein-degründungsbewegung ins Leben gerufen hat. In diesem Beitrag möchte ich versuchen, in fünf Punkten einige Beob-achtungen zusammen zu fassen, wie dort Leiterschaft ver-standen und gelebt wird und auf welche Weise (junge) Leiter herangebildet werden.

1. EiNE GRoSSE, ALLGEGENWäRTiGE ViSioN MiT EiNEM KLAREN ziEL

„Unsere Vision besteht darin, Gemeinwesen durch christliche Gemeinden sozial und geistlich zu verändern. Unsere Mission sehen wir darin, die Verlorenen und Bedürftigen zu erreichen, sie zu stärken, freizusetzen und auszurüsten, damit sie durch diese Partnerschaft den Missionsauftrag ausführen können. Bis 2030 wollen wir in indien 100.000 Gemeinden mit star-ken und dynamischen Leitern sehen.“ So zu lesen auf einem Aushang im CFI-Leiterschaftszentrum Agra. Ich weiß nicht, wie oft man uns von dieser Vision überzeugt und begeistert erzählte während unserer Reise. Alles, was unter dem Dach von CFI geschieht, soll diesem Ziel dienen: Neben der direkten Missionsarbeit auch soziale Projekte anzugehen, um Brücken für das Evangelium zu den Mensch zu bauen, und Schulen zu gründen, um eine neue Generation zu Jüngern zu machen, die hinausgehen und Gemeinden gründen.

Leitung bedeutet an dieser Stelle, darauf zu achten, dass die Vi-sion nicht verloren geht, sondern überall ständig präsent bleibt.

2. STARKE, APoSToLiSch- BEGABTE LEiTER

Den Gründer von EMPART, Jossy Chacko, haben wir als eine apo-stolisch begabte, motivierende Persönlichkeit erlebt – ein echter Pionier mit einer großen Schau, der Menschen begeistern und inspirieren kann. Dies ist aber ganz offensichtlich gepaart mit ei-ner demütigen, dienenden Haltung. So haben auch andere Füh-rungspersönlichkeiten Freiheit, sich in ihren Dienst- und Verant-wortungsbereichen zu entfalten. Wir lernten mehrere Männer und Frauen kennen, die in dieser Weise dieselbe „Blutgruppe“ wie Jossy haben und sich (wie er selbst) nicht zu schade sind, auch ganz praktisch mit anzupacken.

3. WERTE UNd GRUNdSäTzE, diE dAS GANzE WERK BzW. diE BEWEGUNG PRäGEN

Im Zentrum steht der Missionsauftrag nach Mt 28: Es geht darum, Menschen zu Jüngern von Jesus zu machen und insbesondere den Gehorsam ge-

genüber dem Wort Gottes zu betonen. („...lehrt sie alles zu HALTEN, was ich euch geboten habe!“) „Ohne eine Kultur des Gehorsams keine Bewegung Gottes!“, so Jossy Chacko.

Das Bewusstsein, dass Menschen unbedingt das Evangelium brauchen: „Wir sind nicht deshalb in Indien, weil die Men-schen arm sind, sondern weil sie verloren sind!“, betonte einer der Leiter.

Eine ganzheitliche, aus der Bibel begründete Sicht, dass mis-sionarische Arbeit (Verkündigung, Gemeindegründung) und soziale Projekte (Schulen, Kinderheime, Nähkurse etc.) zu-sammengehören, um die indische Gesellschaft zu erreichen und hinduistischer Kritik zu begegnen.

Das „Sendungsdenken“ klassischer Missionsarbeit („Wir sind gesandt, um die Arbeit zu tun“) ist ersetzt durch ein „Partner-Denken“ (Wir sind eure Partner und befähigen euch, die Ar-beit zu tun). Diese Partnerschaft schließt auch uns Christen im Westen mit ein, die auf diesem Wege starke Unterstützung leisten können.

Betonung klarer, biblischer Konzepte, die einfach, lokal und leicht reproduzierbar sind. In der konkreten Vorgehensweise und den Methoden besteht große Freiheit und es wird zum Experimentieren ermutigt. Dabei wird nach Frucht im Sinne von Jüngermachen gefragt, nicht nach der Treue zu Metho-den oder Traditionen. Was sich nicht bewährt, d. h. keine Frucht als Ergebnis bringt, wird gelassen und Neues wird probiert.

Wir bekamen den starken Eindruck, dass alles biblisch einfach, fokussiert, radikal und kon-sequent ist. Man hat die Dinge weithin zu Ende gedacht und setzt sie konsequent um.

Beobachtungen zum Thema Leiterschaft in der Arbeit von EMPART

Eindrücke einer Indienreise - Teil 2

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Alles ist zwar gut struktu-

riert und o rg a -

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siert, a b e r

dezentral und nicht hi-

erarchisch mit großer Freiheit in

der Abhängigkeit und Verantwortung vor Gott

für die regionalen und loka-len Leiter und Mitarbeiter.

Neben diesen Punkten, die uns genannt wurden und die wir teilwei-

se auch beobachten konnten, ließe sich sicher noch mehr nennen. Herausforderun-

gen zum Überdenken unserer eigenen Praxis gibt es hier schon genug!

4. AUSBiLdUNG dER LEiTER BzW. GEMEiNdEGRüNdER / PASToREN

Das Kernelement der Leiterausbildung bilden die Trainings-zentren. Hier leben max. 25 junge Menschen (Es gibt Zentren für Männer und Frauen.) für ein Jahr auf engstem Raum un-ter relativ einfachen Bedingungen zusammen. Die Zentren sind autonom, haben einen Verantwortlichen und befinden sich vor Ort in den unerreichten Gebieten, wo auch Gemein-den gegründet werden. Die Mitarbeit der Studenten darin ist wesentlicher Teil ihrer Ausbildung; man trainiert die Leiter in der Region, wo sie leben und (später) arbeiten. Inhaltlich geht es in den ersten 2-3 Monaten um Charakterbildung anhand biblischer Grundsätze und Vorbilder. Diese Betonung ist aus der Erfahrung erwachsen, dass in diesem Bereich später im Dienst die meisten bzw. größten Probleme auftauchen, nicht zum Beispiel in Lehrfragen. Darüber hinaus existiert ein ge-meinsamer Lehrplan mit verschiedenen Themen.

Für diese Ausbildung ist offenbar keine Werbung notwendig; Studenten werden aus bestehenden Gemeinden geschickt oder kommen aus eigenem Antrieb. Dabei gilt grundsätzlich, dass nur solche Bewerber akzeptiert werden, die eine klare Berufung Gottes und Vision für ihren Dienst haben – nicht sol-che, die das erst einmal für sich klären müssen. Inwieweit hier

Anspruch und Wirklichkeit möglicherweise auseinanderklaf-fen, konnten wir nicht beurteilen.

5. MiSSioN UNd GEMEiNdEGRüNdUNG KoNKRET

Der einzelne Gemeindegründer / Pastor / Leiter hat im Rah-men der Vision die Freiheit, Gottes Ruf und Führung zu folgen und seinen Dienst zu tun. In der konkreten Vorgehensweise an einem Ort durch Verkündigung und/oder soziale Arbeit ist

der Einzelne frei. So erlebten wir z. B. ein „Mercy Home“ in Delhi, wo psychisch Kranke, geistig behinderte oder

dämonisch besessene Menschen aufgenommen werden. In Indien werden sie gewöhnlich von

ihren Familien ausgestoßen und leben auf der Straße – Menschen, um die sich keiner kümmert.

Eine angemessene medizinische Behandlung gibt es für sie nicht. Im Mercy Home finden sie ein Zuhau-

se und sehr oft Befreiung und Heilung durch Gebet und können so manchmal zu ihren Familien zurückkehren. Dies erregt Aufmerksamkeit bei den Menschen in der Umgebung, sie fragen nach und so trifft sich in diesem Haus mittlerweile schon eine kleine Gemeinde.

Es wird Wert darauf gelegt, dass Gott konkret in eine lokale Arbeit ruft und führt. So geht der Einzelne im Gehorsam ge-genüber dem Herrn und ist in erster Linie von ihm abhängig und ihm verantwortlich – nicht einer Organisation.

Andererseits liegt auch eine starke Betonung auf Mentoring, Coaching und Betreuung der Mitarbeiter; dies ist regional or-ganisiert. Regelmäßig finden regionale Konferenzen zur Er-mutigung, Gemeinschaft, Weiterbildung und zum Informati-onsaustausch statt. Niemand soll alleine bleiben.

Bewährte, ausgesprochen begabte Gemeindegründer / Leiter bekommen die Möglichkeit einer weiteren Ausbildung, um größere Verantwortung tragen zu können.

Interessant war Jossy Chackos Antwort auf die Frage, ob Frauen (die ja auch in Trainingszentren ausgebildet werden) Gemeinden gründen dürfen: „Nein, aber das dürfen Männer auch nicht. Nur Jesus gründet Gemeinden! Unser Auftrag ist es, Menschen zu Jüngern zu machen.“ Hier wurde ich an Hud-son Taylor erinnert, der im 19. Jh. in China erstmals auch Frau-en als vollwertige Missionarinnen einsetzte.

Vieles mehr ließe sich aufzählen und bei Weitem nicht alles lässt sich einfach aus der indischen Situation und Kultur in den Westen transportieren. Die stärksten Herausforderungen liegen da, wo unsere indischen Geschwister einfach einen frischen, von Traditionen jeder Art unverstellten Blick auf alt-bekannte biblische Wahrheiten haben und sie auf ihre Weise konsequent umsetzen. Sind auch wir dazu bereit?

WoLFGANG KLöcKNER

lebt mit seiner Familie seit über 25 Jahren im Allgäu und hat an der Gründung einiger Gemeinden mitgewirkt.

DIM VORSTAND

hERGEN VoR dEM BERGE

brennt zusammen mit seiner Frau Beate für Gemeindegründungen im Nordwesten Deutschlands.

TEAM NORDWEST

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Was zeichnet einen Leiter aus? Es gibt zahlreiche Bücher und Artikel, die von diesem Thema handeln. Sie alle beinhalten gute Informationen. Viele Jahre habe ich Bücher über das The-ma Leiterschaft gelesen und von den Einsichten guter Leiter profitiert, die sich dazu entschlossen haben, über ihre Erfah-rungen und Meinungen zu schreiben.

In den letzten 25 Jahren habe ich mich damit beschäftigt, Lei-ter ausfindig zu machen und zuzurüsten. Meistens fühlte ich mich ganz und gar unfähig zu beurteilen, ob jemand ein guter Leiter werden würde oder nicht. Aus Erfahrung weiß ich, dass Menschen, bei denen es so aussieht, als ob sie gute Leiter sein könnten, sich nie zu solchen entwickeln. Ich habe auch Menschen gesehen, die man wieder und wieder übergangen hat, als es darum ging, Führungsverantwortung zu vergeben, aber als man ihnen zuletzt doch eine Chance gab, eine leiten-de Funktion zu übernehmen, blühten sie auf und wurden ge-waltige Führungspersönlichkeiten. Der erste Eindruck macht noch keinen Leiter aus.

Ich habe an vielen Konferenzen teilgenommen, auf denen im-mer gesagt wird, dass Leiterschaft vor allem mit Charakter zu tun hat. Auch meiner Meinung nach muss ein guter Charakter ein Grundwesenszug eines christlichen Leiters sein. Trotzdem kennen wir alle Menschen, die gar keinen guten Charakter ha-ben, und dennoch gute Leiter sind. Und andersherum kennen wir sehr wohl Menschen mit einem vorbildlichen Charakter, die nicht führen können. Charakter allein macht demnach noch keinen Leiter aus.

Einige unter uns mögen denken, dass Training und Ausbil-dung einen guten Leiter hervorbringen. Aber wir wissen alle, dass das nicht stimmt. Training und Ausbildung können einem Leiter zwar das nötige Handwerkszeug liefern, um vorwärts-zukommen, was Leitung anbelangt. Und doch sind auch Trai-ning und Ausbildung nicht das, was einen Leiter ausmacht.

Eine andere Denkrichtung besagt, dass große Leiter dazu

geboren werden zu leiten. Dies beinhaltet die Idee, dass die Fähigkeit zu leiten vererbt wird und dass demnach nur eini-ge Auserwählte hervorragende Leiter werden können. Wenn das stimmt, befindet sich unsere Welt in Schwierigkeiten. Wir brauchen nämlich Millionen von Leitern in allen Lebensbe-reichen. Wenn die Geburt darüber bestimmt, ob jemand ein Leiter wird, dann kann man unmöglich für die Zukunft planen und ebenso unmöglich potenzielle Leiter ausfindig machen. Ich glaube nicht, dass es so etwas wie ein Geburtsrecht gibt, ein Leiter zu werden.

Was also macht einen Leiter aus? Gibt es so etwas wie eine Formel, die wir nur anwenden müssen, um gute Leiter hervor-zubringen?

An so eine Formel glaube ich nicht, aber ich glaube wohl, dass es so etwas wie ein Rezept gibt. Paulus stellt dieses Rezept in 2. Timotheus 2, 2 vor:

Gib die Botschaft, die du von mir gehört hast und deren Wahr-heit dir von vielen zeugen bestätigt wurde, an vertrauenswür-dige und zuverlässige Menschen weiter, die ebenfalls fähig sind, andere zu lehren. 2Tim 2,2 (NGü)

Wirkliche Leiter bringen wieder Leiter hervor. Das ist es, was einen Leiter wirklich ausmacht. Sie geben das, was sie gelernt haben, sorgfältig von einer Generation an die nächste weiter. Sie sind fähig, treue Menschen ausfindig zu machen, denen sie das, was sie gelernt haben, weitergeben können. Diese Menschen können andere lehren, sie sind dazu befähigt. Und sie halten nach den richtigen Leuten Ausschau, die die nächs-te Generation von Leitern werden können.

Merkmale, die einen potenziellen Leiter ausmachen:

› Sie sind Lernende (das, was du von mir gehört hast).

› Sie können delegieren (vertraue treuen Menschen an).

› Sie können den Charakter anderer Menschen beurteilen (vertraue treuen Menschen an).

Was zeichnet einen Leiter aus?

von D. Watson

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HERAUSGEBER

Deutsche-Inland- Mission e.V. Bahnhofstr. 13 58332 Schwelm e-Mail: siehe Vorstand Internet: www.dim-online.de

9. Jahrgang

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Bernd Hüsken Bahnhofstr. 13 58332 Schwelm Tel.: 02336/914566 e-Mail: [email protected]

David Sweet Otto-Nuschke-Str. 15 15517 Fürstenwalde Tel.: 03361/736654 e-Mail: [email protected]

Klaus Zank Auf der alten Fuhr 17 51709 Marienheide Tel.: 02264/29826 e-Mail: [email protected]

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iMPRESSUM

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› Sie suchen die richtigen Leute aus, um diese zuzurüsten (die fähig sein werden, auch andere zu lehren).

Lernende sind Menschen, die es verstehen, das aufzutreiben, was sie brauchen, um das zu tun, was getan werden muss.

Menschen, die delegieren können, wissen wohl, dass man für jede Arbeit, die es sich zu tun lohnt, ein Team braucht, um sie ausführen zu können. Sie verstehen auch, dass man, um an-dere für diese Arbeit zuzurüsten, ihnen am besten zeigt, wie man es macht, sie es dann selbst machen lässt und schließlich darauf besteht, dass sie das Ganze auch anderen beibringen.

Der Charakter einer Person wird an dem gemessen, was er/sie tut, nicht was er/sie sagt. Verlässliche Leute tun immer, was sie sagen, und das, was sie sagen, ist gut und richtig. Ein guter Charakter resultiert aus einem gehorsamen Wandel dem Wort Gottes gegenüber.

Menschen, die andere zurüsten, verbringen ihre Zeit und Energie mit Menschen, die auch wieder fähig sein werden, andere auszubilden.

Wenn ich die Führungsqualitäten eines Menschen herausfin-den möchte, dann will ich einige Dinge über ihn/sie wissen:

› Was lernt er/sie zurzeit, um eine Arbeit ausführen zu können?

› Ist die Arbeit, die er/sie tut, umfangreich genug, dass man ein Team dafür braucht, und wenn das so ist, wie hat er/sie das Team ausgesucht und wie hat er/sie das Team ausge-bildet?

› Werden Glaubensgrundsätze und Wertvorstellungen, von denen gesprochen wird, auch in die Tat umgesetzt? Tut er/sie das, was er/sie sagt?

› Bilden die Leute, die er/sie ausgesucht hat, um sie auszu-bilden, ihrerseits wieder andere aus?

Wirkliche Leiter sind treue Menschen, die einen guten Cha-rakter haben, die ständig lernbereit sind, um das fertigzu-bringen, was getan werden muss. Sie können auch andere für eine wertvolle Sache motivieren, und zwar so, dass hierdurch neue Leiter herangebildet werden, die ihrerseits wieder neue Leiter heranbilden.

Auszug aus dem Buch: Gemeindegründungsbewegungen © 2011, DIM

dAVid L. WATSoN

war einige Jahre in einer Gemeindegrün-dungsbewegung in Nordindien involviert, wo er viele Erfahrungen sammelte. Er arbeitet in der Leitung von „CityTeam Minis-tries“ und konzentriert sich heute darauf, weltweit Gemeindegründungsbewegungen insbesondere unter unerreichten bzw. schwer zu erreichenden Völkern und Län-dern zu unterstützen.

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... hat Konrad Adenauer behauptet. Wir wissen alle, dass das nicht mehr so ist. Viele Paare planen ein Kind, nachdem „mei-ne Karriere, mein Auto, mein Haus“ abgeschlossen oder rich-tig gut in Fahrt sind. Dann wird das Projekt „Kind“ angegan-gen. Aber auch bei weniger großen Planungen wird ein Kind schnell mal zum Projekt. Und es werden nur die wenigsten werdenden Eltern sein, die für ihr Ungeborenes keine Wün-sche, Träume oder Ziele haben.

Was war das noch, was ich mir damals gewünscht habe, als das erste Kind unterwegs war? Und beim zweiten Kind? Hatte ich beim dritten verstanden, dass solche Wünsche unrealis-tisch sind? Bitte stellen Sie sich diese Frage einmal.

Manchmal platzt der Traum vom „Wunschkind“ schon vor der Geburt. Die pränatale Diagnostik macht´s möglich. Sie ist oft ein Segen, aber nicht immer. Da werden Krankheiten, Fehlbil-dungen und sogar das Geschlecht festgestellt und belasten so vielleicht schon die Schwangerschaft.

Spätestens, wenn nach der Geburt die erste große Freude der Alltagsroutine weicht, kommen bei allen Eltern die ers-ten Enttäuschungen. Ja, die Täuschungen über die elterlichen Vorstellungen des Nachwuchses werden entlarvt. Das Kind entwickelt sich vielleicht nicht so, wie es alle Ratgeber be-haupten. Es ist zu langsam, zu laut, zu zappelig, schläft zu we-nig, entwickelt Interessen, die für die Eltern gruselig sind oder für das Geschlecht des Kindes unpassend. Die Liste ist endlos.

Nun gibt es zwei Wege, mit der Enttäuschung umzugehen. Der eine ist, weiter an den eigenen Wünschen und Vorstel-lungen für das Kind festzuhalten. Das Kind wird mehr oder weniger diskret in die Richtung gedrängt, die die Eltern für richtig halten. Fehlende Begabung soll durch Förderung aus-geglichen werden, nicht vorhandene Interessen durch viel-fältige Angebote geweckt werden. Klappt das nicht, macht sich Enttäuschung breit, die auch vom Kind wahrgenommen wird. Ganz abgesehen von dem Stress, ständig etwas leisten zu müssen, für das man keine Begabung oder kein Interesse

hat. Da zumindest ein Elternteil in der Regel Arbeitnehmer ist, sollte er wissen, wie demotivierend und anstrengend so etwas ist. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere Leser an eine ähnliche Situation in seiner eigenen Kindheit und die Gefühle, die damit verbunden waren und oft immer noch sind. Oder daran, mit den nun schon erwachsenen Kindern so ge-handelt zu haben.

Vielleicht leidet ein Familienmitglied immer noch darunter und ein klärendes Gespräch ist nötig.

Der andere Weg wäre, das Kind typgerecht zu unterstützen. Manche Kinder brauchen für bestimmte Entwicklungsschrit-te mehr Zeit als andere, auch als Geschwisterkinder. Manche brauchen viel Ermutigung, aber keine Vorwürfe, etwas nicht geschafft zu haben. Manche Kinder sind einfach zu leiten und leicht für Neues zu erwärmen. Andere Kinder sind eigenwillig und fordern ihre Eltern sehr heraus. Es hat aber auch nie je-mand behauptet, dass Kindererziehung ein Kinderspiel wäre. Sie wird aber erleichtert, wenn man sich die Unterschiedlich-keit der Kinder klarmacht. Vor allem die Unterschiedlichkeit zu ihren Eltern. Unsere Aufgabe ist es, das Kind auf seinem Weg zu begleiten und zu unterstützen. Nicht auf dem Weg, den die Eltern wichtig finden oder den sie als Kind gerne ge-gangen wären. So fordert uns schon Salomo in Sprüche 22,6 auf: „Erziehe das Kind seinem Weg gemäß“.

FRiEdERiKE SchäFER

wohnt in Frohnhausen und liebt es, Eltern in den Fragen des Lebens zu unterstützen.

TEAM WESERBERGLAND

Projekt „Kind“

„Kinder kriegen die Leute immer!“

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Page 20: Brennpunkt Gemeindegründung 2015-04

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