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Dokumentation Bundesweite Netzwerke ausbauen – Mehr Kulturelle Bildung in Schule 14. bis 15. November 2018 in Hamburg

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Dokumentation

Bundesweite Netzwerke ausbauen – Mehr Kulturelle Bildung in Schule

14. bis 15. November 2018 in Hamburg

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2 HEADLINE DES ARTIKELS

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1HEADLINE DES ARTIKELS

I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

E D I T O R I A L Mehr Kulturelle Bildung in Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Seida Bahtovic, Kristin Naujokat und Ivana Scharf

F O T O S T R E C K E

Einblicke in die Workshops . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

U N T E R R I C H T S M A T E R I A L Wenn Lehrkräfte und Künstler*innen im Tandem unterrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Stefanie Manhillen und Marco Jodes

I N T E R V I E W »Für das Leben nach der Schule müssen wir unsere Talente besser kennenlernen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Jessica Purkus und Ebru Topçu

E S S A Y Next Arts Educators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Prof. Dr. Torsten Meyer

F O T O S T R E C K E KreativCamp Tipis – eine Begegnungsarchitektur von Gert-Jan Stam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

I N T E R V I E W »Verantwortung kann nur lernen, wer Verantwortung trägt« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Marina Weisband

L E I T F A D E N F Ü R D I E P R A X I S Neun Gelingenskriterien für künstlerische Beteiligungsprojekte an Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22Andreas Schön und Matthias Berthold

I N T E R V I E W

Länderübergreifender Austausch für eine strukturelle Verankerung von Kultureller Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Pia Hegener

E P I L O G

Schlüssel für mehr Kulturelle Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

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2 Mehr Kulturelle Bildung in Schulen

Das stetig wachsende Netzwerk von Kreativpotentiale im Dialog umfasst derzeit rund 140 Schulen in elf Bundesländern, die sich auf den Weg gemacht haben, Kulturelle Bildung im Schulalltag zu verankern. Doch mit Blick auf die Gesamtzahl weiterführender Schulen in Deutschland wird deutlich: Die Kre-ativpotentiale-Schulen nehmen eine Modellfunktion in ihren Bundesländern ein. Damit dies nicht so bleibt und mehr Schüler*innen und Lehrkräfte von den Potentialen künstlerischer Zugänge profitieren, braucht es strukturelle Ver-änderungen: in den Schulen und in den Bildungssystemen der Länder.

Die Zusammenarbeit im multiprofessionellen Kreativpotentiale-Netz-werk zeigt uns immer wieder, dass hieran ganz unterschiedliche Bedarfe geknüpft sind. Gerade Lehrer*innen und Künstler*innen benötigen praxis-orientierte Beispiele und Materialien zur Anwendung kreativer Ansätze im Unterricht. Schulleitungen etwa suchen nach Anregungen, wie sie mit den Vorgaben der Schulaufsicht kreativ umgehen, wie sie den Gestaltungsspiel-

Hier finden Sie Videos aus

dem KreativCamp und

weiterführende Links:

www .mutik .org/projekte/

kreativpotentiale-im-dialog

Mehr Kulturelle Bildung in SchulenWie wird das Potential Kultureller Bildung für die Schulentwicklung sichtbar und wirksam?

E D I T O R I A L

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3Mehr Kulturelle Bildung in Schulen

raum ideal nutzen, um im Rahmen der Vorgaben durch die Schulaufsicht ihr kulturelles Schulentwicklungsziel zu realisieren. Wiederum andere Akteur*in-nen möchten wissen, wie sie Kolleg*innen, Eltern und die Schulverwaltung vom Mehrwert Kultureller Bildung überzeugen können.

Diese unterschiedlichen Bedarfe aus Schule, Schulverwaltung, Kunst, Kultur und Bildungspolitik standen im Zentrum des KreativCamps 2018. Unter dem Titel »Mehr Kulturelle Bildung in Schule« kamen rund 120 Teilneh-mende – darunter Lehrkräfte, Schüler*innen, Künstler*innen, Schulentwick-lungsberater*innen sowie Referent*innen aus Schul- und Kulturministerien – am 14. und 15. November in Hamburg zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: Mit

Kultureller Bildung nachhaltig den Schulalltag und die Schulentwicklung gestalten.

In den elf Workshops und Gesprächsrunden stellten 18 Expert*innen aus Schule und Kultur ihre erprobten Methoden und Projekte vor. Was muss noch getan wer-den, damit mehr Schüler*innen Kunst und Kultur als fes-ten Bestandteil ihres Schulalltags erfahren? Wie gelingt es uns mehr Kulturelle Bildung selbstverständlich in den Schulalltag zu integrieren? Wie binden wir Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern gleichsam ein in die Schulentwick-lung mit Kultureller Bildung? Diese Fragen standen sym-bolisch auf der Flagge, die wir über dem KreativCamp im Kulturpalast Hamburg hissten.

Auf den folgenden Seiten widmen sich Teilnehmende des KreativCamps zentralen Themen und Fragestellun-gen. Die Künstler*innen Stefanie Manhillen und Marco

Jodes veranschaulichen anhand von zwei Unterrichtseinheiten, wie Lehr-kräfte und Künstler*innen im Tandem Fachunterricht gestalten. Die Schü-ler*innen Jessica Purkus und Ebru Topҫu erklären im Interview, wie Kunst im Unterricht sie auf das Leben nach der Schule vorbereitet. Prof. Dr. Torsten Meyer beleuchtet in seinem Essay die Kulturtechniken der digital gepräg-ten Schüler*innen und welche Bedingungen sich daraus für die Next Arts Educators ergeben.

Außerdem Thema dieser Dokumentation: Partizipation. Marina Weisband plädiert im Interview für mehr Beteiligung von Schüler*innen. Anhand von neun Kriterien zeigen Matthias Berthold und Andreas Schön konkret, wie künstlerische Beteiligungsprojekte an Schulen gelingen. Was es auf Länder-ebene noch braucht, um Kulturelle Bildung nachhaltig zu verankern, skiz-ziert Pia Hegener, Referentin im Ministerium für Schule und Bildung NRW, im Interview.

Und natürlich wäre es kein KreativCamp, wenn die Teilnehmenden nicht wie immer kreativ-künstlerisch aktiv geworden wären: Unsere Fotostrecken bieten den Blick hinter den Kulissen: in die Workshops, Gesprächsrunden und die Begegnungsarchitektur von Gert-Jan Stam »KreativCamp-Tipi«.

Seida BahtovicProjektmanagerinKreativpotentiale im Dialog

Kristin NaujokatProjektmanagerinKreativpotentiale im Dialog

Ivana ScharfBereichsleiterin Bildung Mitglied der Geschäftsleitung MUTIK

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Unter dem Motto »Viel erreicht oder viel zu tun?« disku-tierten Referent*innen aus den Bildungs- und Kultur-mi nisterien den aktuellen Umsetzungsstand der »Emp-fehlung der Kultusministerkonferenz zur kulturellen Kinder- und Jugendbildung«. Aufgrund der diversen Strukturen und Ressortzuständigkeiten sehen sich die einzelnen Länder mit individuellen Herausforderungen konfrontiert. Dennoch: Der Austausch von Erfahrungs-werten und Projektbeispielen zu gemeinsamen Themen wie der Verstetigung Kultureller Bildung, der Finanzie-rung oder der Lehrer*innenausbildung inspirierte die Teilnehmenden der Gesprächsrunde, die von Pia Hege-ner, Referentin im Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen und KMK-Berichterstat-terin für Kulturelle Bildung, moderiert wurde.

Länder- und ressortübergreifender Austausch

Einblicke in die Workshops F O T O S T R E C K E

Welchen Handlungsspielraum Schulleitungen an kre-ativen Schulen grundsätzlich haben, präsentierten Dr. Armin Lohmann und Birgit Xylander, Hamburger Schul-leiterin, in ihrer Gesprächsrunde »Rolle der Schulleiter*in-nen an selbstverantwortlichen (Kultur-)Schulen«. Das Schulgesetz hindere Schulleitungen zwar vermeintlich daran, Bedingungen für kreatives Arbeiten an Schulen zu schaffen, jedoch sei die Auslegung dieser Vorgaben vielseitig möglich, so Dr. Armin Lohmann.

Kreative Schulen brauchen kreative Schulleitungen

Einblicke in die Workshops

Die Referent*innen der Bildung- und Kulturministerien im Gespräch.

Birgit Xylander berichtet über ihr Rollenverständnis als Schulleiterin einer Kulturagenten-Schule.

Teilnehmerinnen des Workshops »Rolle der Schul-leiter*innen an selbstverantwortlichen (Kultur-)Schulen«

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Dr. Armin Lohmann leitete die Gesprächsrunde »Rolle der Schulleiter*innen an selbstverant-wortlichen (Kultur-)Schulen«. Derzeit ist er Seniorberater an der Philipps-Universität in Marburg für den Masterstudiengang »Kulturelle Bildung in Schulen – KuBiS«.

»Eine Schulleitung braucht eine konkrete Vorstellung und ein klares Konzept, wie Kulturelle Bildung an der eigenen Schule aussehen soll. Eine Umsetzung ist nur durch Teamarbeit möglich. Deshalb ist entscheidend, dass die Schulleitung Empathie für Kollegium und Schüler*innen mitbringt, ihnen vertraut und bereit ist, mit ihnen gemeinsam in Prozessen zu arbeiten.«

Schulen bekommen durch die Schulaufsicht Unterstüt-zung für die Zielfindung und Maßnahmenplanung in einem Schulentwicklungsprozess. Wie aber gelingt es in Schule, eine gemeinsame Vision zu formulieren, die glei-chermaßen Schüler*innen, Lehrkräfte und Schulleitung hinter sich versammelt? Die Kulturagentin Silke Ballath vermittelte in ihrem Workshop künstlerisch-praktische Ansätze zur Visionsfindung und sensibilisierte die Teil-

nehmer*innen dafür, wie eine Zukunfts-vorstellung der eigenen Schule im Team entwickelt wird. An dem Workshop nah-men neben Lehrer*innen, Schulleitun-gen und Projektkoordinator*innen auch Schüler*innen teil, die ihre Visionen mit-einander teilten.

Schulvision und Programmarbeit: mit kreativen Methoden zu einer gemeinsam entwickelten und gelebten Schulkultur finden

Einblicke in die Workshops

Wie soll unsere Schule in Zukunft aussehen und wie wollen wir in ihr zusammenarbeiten? Schüler*innen, Lehrkräfte, Schulleitungen und Künstler*innen gestalteten und diskutierten gemeinsame Zukunfts-visionen im Workshop mit Kulturagentin Silke Ballath.

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Wie Fachunterricht gemeinsam und kreativ von Künst-ler*innen und Lehrkräften entwickelt wird, bewiesen Vertreter*innen des Projekts »Generation K« aus Rhein-land-Pfalz und des Programms »Learning Through The Arts (LTTA)« in ihrem Workshop. Die Künstler*in-nen und Lehrkräfte erprobten mit den Teilnehmenden unter anderem, wie Vokabeln durch Musik und Zeichnen effektiv erlernt werden. Kreative Methoden gestalten den Unterricht und werden den Lernplananforderungen gerecht. Fazit einer Schülerin: Man lernt durch das Krea-tive im Unterricht besser und eigene Talente kennen, die man auch nach der Schule weiterverfolgt.

Lernen ist Erleben: Tandem-Unterricht von Künstler*innen und Lehrkräften

Wenn Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern bei Prozessen der Schulentwicklung aktiv eingebunden werden, erhöht dies die Akzeptanz und Unterstützung des geplanten Vorhabens. Im Workshop lernten die Teilnehmenden zwei Praxisansätze kennen, die Partizipation in Schule fördern.

Gerade die Schüler*innen müssen oft erst lernen, was Partizipation konkret bedeutet und welche neue Rolle ihnen damit in der Schule zukommt. Mit dem digitalen Partizipationsprojekt »aula – Schule gemeinsam gestal-ten« will Marina Weisband den Schüler*innen demokrati-sche Prozesse und Kompetenzen vermitteln: »Sie lernen, zusammenzuarbeiten, wie sie sinnvoll Werbung für ihre Ideen machen und dass Partizipation Arbeit ist, die sich lohnt«, so Weisband im Workshop.

Dass künstlerische Ansätze Prozesse öffnen, zeigte das Künstler-Duo Matthias Berthold und Andreas Schön: Die beiden setzten bereits mehrere partizipative Kunstprojekte an Schulen um, zum Beispiel »Tausend Kisten« im Rahmen des Kulturagenten-Programms. Im Workshop präsentierten sie wichtige Gelingenskriterien für Beteiligungsprojekte.

Partizipation lernen, Verantwortung übernehmen

Einblicke in die Workshops

Stefanie Mannhillen (links oben) und Marco Jodes (rechts unten) zeigen wie Kunst und Kultur Teil des Unterrichts werden.

Matthias Berthold erläutert Rahmenbedingungen für partizipative Schüler*innen-Kunstprojekte

Marina Weisband stellt das Partizipationsinstrument »aula« vor und ermuntert, mehr Schüler*innen-Parti-zipation in Schule zu ermöglichen.

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Nach dem großen Erfolg beim KreativCamp 2017 stellte das niederländische Kollektiv »Building Conversation« auch dieses Jahr wieder performative Ansätze der Gesprächsführung vor. Am eigens inszenierten Stand ließen sich die Teilnehmenden auf kommunikative Pro-zesse ein: Mit seiner Performance »Agonistic Conversa-tion« erzeugte das Kollektiv eine Gesprächssituation zur gegensätzlichen Meinungsäußerung und thematisierte veränderte Sprecherpositionen in Konflikten. Praktiken, die von den Teilnehmenden in der alltäglichen Interes-sensaushandlung in Schulen verwendet werden können.

Die Kunst der Kommunikation

Einblicke in die Workshops

Kulturelle Bildung hat als Schulentwicklungsthema noch immer einen schwierigen Stand: Es gilt, Eltern die Bedeutung für Bildung zu vermitteln, skeptische Leh-rer*innen vom Mehrwert für ihre Arbeit zu überzeugen und Presse und Öffentlichkeit zu gewinnen. Schullei-tungen, Lehrkräfte und Künstler*innen übernehmen häufig Kommunikationsaufgaben zusätzlich zum All-tagsgeschäft. Wie Schulen mit ihren knappen perso-nellen und zeitlichen Ressourcen dennoch wirksam nach innen und außen kommunizieren, vermittelten die beiden Medienprofis Prasanna Oohmen-Hirschberg und Jessica Hoppe in ihrem Workshop. An vorderster Stelle steht demnach die interne Kommunikation: Sie ist das A und O, um Kulturelle Bildung nachhaltig in der eigenen Institution zu verankern. Erst wenn eine nach-haltige interne Kommunikationsstrategie etabliert ist, sollten Ressourcen auf die Öffentlichkeitsarbeit ver-wendet werden.

Mit strategischer Kommunikation Kulturelle Bildung an Schule stärken

KreativCamp heißt Feldforschung: Architekturhistori-kerin Dr. Turit Fröbe erkundete mit ihren Workshop-Teil-nehmenden die Gebäude und Plätze in Hamburg-Bill-stedt. »Schaut euch um: Welches Haus ist das älteste? Warum? Welche Geschichte könnte es haben?« – Fra-gen wie diese eröffneten selbst Neulingen der Architek-tur einen einfachen Zugang zu Baukultur. Der Workshop zeigte: Mit Baukultur werden gleichzeitig Fächer wie Geschichte und Kunst kreativ in Schule vermittelt.

Baukultur spielerisch vermitteln

Kommunikation geht durch den Kopf und Magen: Bücher und Getränke am Begegnungsstand von »Building Conversation«.

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8 Wenn Lehrkräfte und Künstler*innen im Tandem unterrichten

Auf den folgenden Seiten finden Sie zwei beispielhafte Unterrichtseinheiten, wie Künstler*innen mit Lehrkräften Fachunterricht gestalten können. Die Unterrichtseinheiten sind im Rahmen von »Generation K« entstanden, dem rheinland-pfälzischen Programm im Rahmenprogramm Kreativpotentiale. Ein Projektbaustein sieht die gemeinsame Fortbildung von Lehrer*innen und Künstler*innen im Programm Learning Through The Arts (LTTA) vor.

LTTA, Learning Through The Arts – Lernen durch die Künstehat seinen Ursprung am Royal Conservatory in Toronto. Künstler*innen ver-mitteln im regulären Vormittagsunterricht Lehrplaninhalte in Kernfächern wie Mathematik, Deutsch, Geschichte u.w. mit den Mitteln ihrer Kunstform. Dabei besteht eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Partnerlehrkraft, die Lehrplaninhalte und Lernziele bestimmt. In dieser Zusammenarbeit begeg-nen sich die Partner*innen auf Augenhöhe und steuern ihre jeweiligen Kom-petenzen bei zu Gunsten eines kreativen, Eigenverantwortung fördernden Unterrichts für ihre Schüler*innen.

LTTA Künstler*innen und Lehrkräfte durchlaufen eine dreijährige praxis-bezogene Ausbildung. Im Laufe dieser intensiven, kreativen Zusammen-arbeit entwickelt sich eine respektvolle, kreative Haltung des Lehrens, die auch in Fehlern und im Scheitern neue Wege des Lernens erkennt und weit-aus mehr darstellt, als nur eine weitere Unterrichtsmethode.

Wenn Lehrkräfte und Künstler*innen im Tandem unterrichten

F O T O S T R E C K E

Unterrichtsmaterialen von Stefanie Manhillen und Marco Jodes

Mehr Informationen zum

Programm finden Sie hier:

www .ltta .de

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Phase Inhalte, Interaktion Material / Sonstiges

Raumvorbereitung • Tische und Stühle sind an die Seite geschoben Faltdecken liegen auf dem Boden

• Musik bereit• weitere Materialien bereit: Stifte und Blätter für die Gruppenar-

beit

Im Vorfeld wurden 4 Decken in den Farben grün, orange, weiß, blau vorbe-reitet. Diese wurden mit Graffiti-Farbe besprüht und mit einem Marker mit einem 32-Kästchen-Raster versehen (Falt-Linien). Wiedergabegerät zum Abspielen von Musik ist im Klassenraum vorhanden.

Ankommen der Schüler*innen (5 Minuten)

Warm up: Schüler*innen kommen an, Musik läuft, 4 Falt-Decken liegen auf dem Boden, Lehrkraft stellt 32er-Gruppe aus Schü-ler*innen und Lehrer*innen zusammen (Anmerkung: es hospitierten zwei Lehrer.)

Das Lied »Summer Groove« oder andere »beschwingte« Musik läuft, dann Musik aus

Einleitung(5 Minuten)

Wir beginnen mit einem bewegten Einstieg. Spielanleitung durch Künstler*in: »Ich mache die Musik an und immer wenn diese ausgeht, gebe ich eine Anweisung, z.B. `Die Hälfte von euch geht aufs orangefarbene Quadrat .́ Bedenkt, ihr seid jetzt 32 Personen.«

Musik aus.

Spiel (10 Minuten)

Künstler*in steuert die Musik und gibt die Anweisungen: »Die Hälfte, ein Viertel, ein Sechzehntel, ein Zweiundreißigstel von euch geht aufs rote, orangefarbene, weiße und/oder blaue Quadrat« (ca. 10 Anweisungen im ersten Durchlauf möglich).

Falt-Wettbewerb(10 Minuten)

Anweisung durch Künstler*in: »Verteilt euch gleichmäßig auf die vier Quadrate.« Wenn die Lehrkraft gleich ein Zeichen gibt, machen wir ein Wett-Falten. Ziel ist es, die Decke möglichst klein zu falten und dabei immer entlang der Linien zu halbieren (Außenkante auf Außenkante, Künstler*in macht es einmal vor). Voraussetzung: Während des gesamten Spiels müssen alle Grup-penmitglieder mit einem Körperteil (Fuß, Hand) auf der Decke blei-ben. Gewonnen hat die Gruppe, die auf der kleinsten Fläche stehen bleibt und – falls es mehrere sind – die, die zuerst fertig ist.« Die Lehrkraft gibt das Zeichen, das Spiel beginnt.

Falt-Wettbewerb(5 Minuten)

Künstler*in: »Gruppen halbieren sich, erste Gruppe (4.P.) macht das Spiel.« Andere Gruppe wartet und schaut zu.

Während des Spiels wird die Musik angeschaltet: Ein geeignetes Lied ist »Wir tanzen im Quadrat, wir tanzen im Viereck, ich tanz mit dir, du tanzt mit mir

…« von Stereo Total. Lehrkraft koordiniert die Gruppen, andere Lehrer helfen ggf.

Fortsetzung Falt-Wettbewerb (15 Minuten)

Künstler*in: »Zweite Vierer-Gruppe …« u.s.w.

Umräumen für Arbeitsphase(5 Minuten)

Decken werden weggeräumt, Tische zu Vierertischen zusammen-geschoben und alle sitzen in Viergruppen, die sie im Falt-Wettbe-werb gebildet hatten.

Einleitung in inhaltliche Vertiefung (5 Minuten)

Lehrkraft: »Jetzt schauen wir uns an, was das Wett-Falten mit Mathematik zu tun habt. Ihr bekommt ein Arbeitsblatt*, das ihr in der Gruppe gemeinsam bearbeitet.

Gruppenarbeit (10 Minuten)

Die Schüler*innen bearbeiten die Fragestellung mit dem Ziel, ihre Antworten anschließend zu präsentieren.

Blätter, Stifte

Präsentation und Besprechung der Ergebnisse (10 Minuten)

Lehrkraft und Künstler*in: »Was habt ihr rausgekriegt? Jede Gruppe hat jetzt 1 Minute Zeit, das Ergebnis zu präsentieren. Kommt nach vorn.« Ergebnisse werden an der Tafel festgehalten.

Tafelbild vorbereiten

Reflektion (5 Minuten) Künstler*in: »Vielen Dank fürs Mitmachen, was habt ihr gelernt, was fiel euch leicht, wo hattet ihr Probleme?«

Abschluss Lehrkraft: bezugnehmende Hausaufgabe, Aufgreifen des Themas in der folgenden Stunde

Fach: Mathematik

Schulform: Haupt-, Real- und Gesamtschule, Gymnasium

Jahrgang: Klasse 6

Dauer: zwei Unterrichtsstunden

Kunstsparte: Bildende Kunst, interdisziplinär

Voraussetzung: 32 im Klassenraum anwesende Personen

Autor*innen: Stefanie Manhillen, Bildende Künstlerin (KHB), Kunstschulleiterin, Kunstvermittlerin Museum, Kulturwissenschaftlerin MA, Referenzkünstle-rin Generation K und LTTA-Künstlerin, Kunst-projekt-Leiterin und Workshop-Leiterin »Kunst in Schulen« (www.stefanie-manhillen.de)

Stefan Klafke, Lehrer für Mathematik und Erdkunde an der IGS Pellenz, nimmt an der LTTA-Fortbildung seit Beginn des Programms in Rheinland-Pfalz (Oktober 2017) teil.

Kurzbeschreibung: Die Schüler*innen sollen auf spielerische Weise in das Multiplizieren von Brüchen einführt werden. In diesem Fall wird ein aus 32 Einzelstücken bestehendes Ganzes immer weiter geteilt (also jeweils mit ½ mal genommen): Aus einem Halben wird ein Viertel, wird ein Achtel, ein Sechzehntel usw. Dieses Teilen und Verkleinern wird selbst ausgeführt, mit dem eigenen Körper erlebt und schließlich reflektiert und präsentiert.

Wenn Lehrkräfte und Künstler*innen im Tandem unterrichten

Multiplizieren von Brüchen anhand des »von«-Ansatzes Fachunterricht im Lehrer*innen-Künstler*innen-Tandem

Ablauf der Unterrichtseinheit:

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Spiel mit Kraft! Fachunterricht im Lehrer*innen-Künstler*innen-Tandem

Kunstsparte: Tanz/ Theater

Fach: Physik

Thema: Kraft

Schulform: Gesamtschule, Gymnasium

Jahrgang: Klasse 8

Dauer: zwei Unterrichtsstunden

Voraussetzung: zwei Unterrichtstunden einplanen

Autoren: Marco Jodes ist Bühnentänzer, Tanzpäd-agoge und -therapeut, LTTA Artist und arbeitet im Feld der Kulturellen Bildung an Grund- und wei-terführenden Schulen. Darüber hinaus arbeitet er im Rahmen des Landesprogramms zur Schulent-wicklung mit Kultureller Bildung in Rheinland-Pfalz »Generation K« am Gutenberg Gymnasium Mainz. Im Rahmen dieses Landesprogramms ist die vor-liegende Unterrichtseinheit in Zusammenarbeit mit Gerd Kremer entstanden. Gerd Kremer ist Fachlehrer für Physik am Gutenberg Gymnasium Mainz und unterrichtet darüber hinaus Darstellen-des Spiel.

Kurzbeschreibung: Arten von Kraft, Angriffspunkte und Richtungs-begriff, Wechselwirkung der Kräfte erfahrbar machen. Die Einheit dient der Einführung und dem vertiefenden Erleben in körperliche und darüber hinaus in das physikalische Konzept von Kräften.Die Schüler erleben über den körperlichen Einsatz im Zusammenspiel mit Stühlen die kreativen Mög-lichkeiten, wie Kräfte wirken und sich zueinander verhalten.

Ablauf der Unterrichtseinheit:

Phase Inhalte, Interaktion Material / Sonstiges

Ankommen der Schüler*innen und Aufwärmeinheit(5 Minuten)

Aufwärmübung: Künstler*in baut Skulptur mit dem Titel »Stühle in Balance« aus 3-5 Stühlen. Dazu werden einige Stühle zu einem chaotischen Haufen gestapelt: Stühle sind balanciert, angelehnt und aufeinander gestellt. Ziel ist es, die Schüler*innen neugierig zu machen.

In einem nächsten Schritt sollen die Schüler*innen mit ihrem Körper Figuren an einem Stuhl einnehmen. Dazu wird Musik abgespielt. Zu Beginn kann der*die Künstler*in zur Anregung Beispielfiguren aufzeigen, die die Schü-ler*innen zunächst nachahmen können, um im Anschluss selbst Figuren zu erfinden. (Mehrere Durchgänge)

Tische zur Seite schieben, Künstler*in baut Skulptur aus 3 bis 5 Stühlen

Möglichkeit Musik abzuspielen, sollte gewährleistet sein.

Praktische Einleitung und Einar-beitung in das Thema »Kraft«(25 Minuten)

Anleitung: Nehmt den Stuhl mit auf einen Spaziergang durch den Raum. Macht insgesamt 16 Schritte mit dem Stuhl. Danach macht einen Spazier-gang ohne Stuhl, geht auch hierbei 16 Schritte. Dies abwechselnd werden mehrere Durchgänge durchgeführt. Voraussetzung ist, dass der Spazier-gang mit dem Stuhl variiert, in der Art wie der Stuhl bewegt wird. Ziel der niedrigschwelligen Übung ist es, die Schüler*innen sensibel für ihr Erleben zu machen und von der Erwartung, »etwas richtig machen zu müs-sen«, zu befreien. Hier kann schon mit ersten Anregungen gearbeitet wer-den: den Stuhl schweben, fliegen lassen, den Stuhl schieben, ziehen (je nach Raumgröße anwenden).

Nächster Schritt: Entfernt die Hälfte der Stühle. Geht danach zu zweit (3er Gruppen sind nach Bedarf auch möglich) zu einem Stuhl.« Nachdem die Schüler*innen 2er-Teams gebildet haben, fordert der*die Künstler*in/ Lehrkraft die Schüler*innen auf, den Stuhl zwischen sich hin und her zu bewegen und zwischen ihnen tanzen zu lassen. Die Bewegun-gen erfolgen jeweils in 16 Taktzeiten in der Musik. Statt Taktzeiten kann der*die Anleiter*in auch ein Klatschsignal geben, welches Beginn und Ende signalisiert, bzw. die Unterbrechung mit dem Einnehmen der Kontaktfigur markiert.

Neue Anweisung: Findet eine gemeinsame Figur, bei der ihr beide Kontakt zueinander und zum Stuhl habt.Die folgenden Anweisungen sind wie Regieanweisung an die Schüler*innen zu verstehen. Das heißt, sie sind Anregungen, die die Schüler*innen auf eine neue Fährte bringen sollen.Bsp. 1.»Während der nächsten Runde lasst Ihr den Stuhl in Zeitlupe zwischen euch tanzen!«Bsp. 2.»... lasst ihr den Stuhl unter Einsatz aller Körperteile außer den Hände« zwischen euch tanzen!«

Anregungen, um die kreativen Möglichkeiten der Figuren zu erkunden:• die Körpergewichte am Stuhl anlehnen, oder am Stuhl hängen• von Stuhl zu Stuhl hangeln, • eine Figur, die den Stuhl wegtragen will• zu zweit um einen Stuhl ringen• Nicht den Boden berühren, oder nur mit einem Körperteil (vllt. auch »außer

mit den Füßen«)

Musik läuft.

Wenn Lehrkräfte und Künstler*innen im Tandem unterrichten

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Übersetzung der Erfahrungen in physikalische Termini(20 Minuten)

Abfrage in der Klassengemeinschaft: (1) Welche Kräfte sind im Spiel?Kraftarten werden an der Tafel festgehalten.Muskelkraft, Reibungskraft, GravitationskraftAuflagekraft (des Tisches, des Stuhls)

(2) Was bewirken diese Kräfte?Beschleunigung, Verzögerung, Richtungsänderung, Verformung

(3) Welche Möglichkeit haben wir, diese Kräfte zu veranschaulichen? Warum eignen sich Vektoren besonders gut?

An einer Stuhlskizze werden mögliche Vektoren an der Tafel eingezeichnet.Anleiter*in demonstriert eine Figur, ein*e Schüler*in zeigt mit einem vorbe-reiteten Pfeil aus Pappe oder einem Maßstab den Vektor. Hier kann man noch eine Runde einfügen, in der die Schüler*innen in zwei Gruppen arbeiten. Eine Gruppe macht eine Figur, die andere Gruppe legt jeweils bei einem*einer Schüler*in den Vektor an.

Schriftliche Aufgabe, die Anknüpfungspunkt für die nächste Unterrichts-stunde sein kann: Zeichnet eine eurer Figuren auf ein Blatt und fügt mögli-che Vektoren ein, die Angriffspunkte und Richtungen der Kräfte beschrei-ben.

Arbeit in der Klassengemeinschaft.

Anwendung des Erfahrenen, Gelernten (30 Minuten)

»Metermaß Spiel« (5 Minuten) Kraft-Choreografie als Skizze festhalten (10 Min.)

Stop-Motion-Choreografie (15 Minuten)

Anleitung zum Metermaß Spiel: Arbeitet jetzt mit eurer*m Nachbar*in zusammen, zu dritt ist auch möglich. Eine*r von euch gibt mit Hilfe des Metermaßes den Angriffspunkt und die Richtung vor, der*die andere setzt die Vorgabe als Bewegung um. Alle können bis zu fünfmal Choreograf*in sein.

Aufgabe: Haltet eure Anweisungen in Form einer schematischen Zeichnun-gen fest.

Das Erlebte und inhaltlich Verstandene soll/ kann in einem weiteren Schritt (oder in einer nächsten Unterrichtsstunde) künstlerisch angewendet und so vertieft werden. Dazu erarbeiten die Schüler*innen eine Stop-Motion-Cho-reografie.*Anleitung: Erfindet abschließend einen kurzen Ablauf bestehend aus den heute gezeigten Figuren und überlegt euch einen interessanten/ lustigen Titel, z.B. »Der widerspenstige Stuhl«, oder »Tanz der Federstühle«.

»Stop-Motion«, »Zeitlupe«, »Daumenkino«, »Körper- oder Figurentheater« sind Begriffe, die sich aus Erfahrung des Künstlers Marco Jodes gut als Mittler zur Bewegung und speziell »Tanz« dienen.Andere Übersetzungen sind denkbar.

Material:15 x Metermaß oder vorbereitete Pfeile aus PappeStiftePapier

Der*die Lehrer*in kann in der Folgestunde die Fachbegriffe wiederholen und anhand der gebräuchlichen Schemazeichnungen des Physikunterrichts erweitern, sodass die Schüler*innen eine Brücke schlagen von ihren Zeichnungen zu den korrekten schematischen Darstellungen.

Wenn Lehrkräfte und Künstler*innen im Tandem unterrichten

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12 »Für das Leben nach der Schule müssen wir

unsere Talente besser kennenlernen«

»Für das Leben nach der Schule müssen wir unsere Talente besser kennenlernen«

Ebru Topҫu und Jessica Purkus gehen in die siebte Klasse der Stadtteilschule Ham-burg-Mitte. Im Interview erklären sie, wie Schule zu einem besseren Ort wird und

warum kreative Projekte dafür unerlässlich sind.

MUTIK: Was würdet ihr an eurer Schule verändern?Jessica Purkus: Ich möchte, dass wir mehr Mitspracherecht haben. Heute im Workshop LTTA, also Learning Through The Arts, haben wir Vokabeln mal ganz anders gelernt: mit Singen, mit Instrumenten. Wenn wir Schüler*innen mehr Mitspracherecht hätten, könnten wir in der Schule dasselbe machen. Also andere Methoden wählen, um zum Beispiel Vokabeln und auch andere Inhalte zu lernen. Ebru Topçu: Die Lehrer*innen könnten mehr Musikalisches, Kreatives in den Unterricht einbauen, sodass man nicht das Gefühl hat: Da vorne steht jemand, wir hören dem jetzt zu und machen halt das, was wir immer machen. Schüler*innen sollten auch mal machen können, was sie wollen. Zum Beispiel Projekte, wo man sich selber besser kennenlernt. Denn es gibt ja auch noch

I N T E R V I E W

Ebru Topҫu und Jessica

Purkus im Interview

https://youtu .be/uH-

QE-0pQD34

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13»Für das Leben nach der Schule müssen wir

unsere Talente besser kennenlernen«

ein Leben nach der Schule und darauf müssen wir mehr vorbereitet werden. Dafür müssen wir uns selber und unsere Talente besser kennenlernen.

MUTIK: Habt ihr Lieblingsfächer? Was gefällt euch daran?Ebru Topçu: Ja, Musik. Also der Musikkurs und danach habe ich noch eine Band. Darauf freue ich mich wirklich die ganze Woche. Die Lehrer fragen einen, was für Lieder man möchte und man arbeitet mit den Schüler*innen zusammen. Danach hat man etwas, was man selbst produziert hat, man bekommt gute Kommentare von anderen Leuten und auf der Bühne zu stehen, mag ich sehr gerne. Ich bin immer sehr aufgeregt, habe auch schon öfters Texte vergessen, aber es ist halt schön, weil danach kommen immer Leute und sagen, dass sie es sehr gut fanden. Das motiviert mich so und das ist auch der Grund, warum ich Musik so mag: Es gibt Feedback. In den anderen Fächern ist das nicht so. Jessica Purkus: Also ich spiele Schlagzeug in einer Band und ich finde das auch total cool, weil du beim Schlagzeug alles ausdrücken kannst mit dem Ins-trument. Je besser du dich ausdrückst, umso besser spielst du und dann bekommst du auch positive Feedbacks wie »Wow, du hast das toll gemacht!«. In Mathe ist das zum Beispiel schwieriger, da bist du dir eben unsicherer: Mache ich das richtig oder mache ich das falsch? Aber in Musik gibt es kein richtig oder falsch. Wenn du das falsch machst, ist es halt immer noch rich-tig, weil du ja übst. Wenn man viele Fehler macht, weiß man auch: Ok, das mache ich nächstes Mal nicht mehr, ich habe meine Fehler eingesehen, ich komme besser voran damit und kann später sagen, dass ich es erfolgreich geschafft habe.

MUTIK: Was habt ihr heute beim KreativCamp gemacht? Was nehmt ihr mit?Jessica Purkus: Also wir waren wie gesagt in dem Workshop LTTA und dort haben wir zum Beispiel gelernt, wie man sich auch nonverbal ausdrücken kann, weil manche Leute sich so besser ausdrücken können als verbal. Ebru Topçu: Mir hat die Veranstaltung richtig gut gefallen und auch mein Work-shop, also LTTA, weil man einen Einblick bekommen hat, dass man Schule auch mit Spaß verbinden kann – also im Unterricht, nicht nur in den Pausen. Man lernt trotzdem viel dabei und lernt vielleicht andere Talente oder Sachen kennen, die man auch nach der Schule weitermachen möchte. Und man lernt sich selbst besser kennen durch das Kreative im Unterricht. Das hat mir an dem Workshop sehr gefallen.

Das Interview führten Simone Schiffer und Katja Borch.

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Next Arts Educators

Torsten Meyer, Dr. phil., ist Professor für Kunst und ihre Didaktik Schwerpunkt aktu-elle Medienkultur an der Universität zu Köln. Arbeitsschwerpunkte: Next Art Educa-tion, Post Internet Art Education, Globalisierung & Digitalisation, pädagogische Medientheorie, Schul- und Hochschulentwicklung im Horizont grundsätzlich verän-derter Medienkultur

Die symbolischen Aktivitäten einer Gesellschaft – zum Beispiel ihre Religion, ihre Ideologien, ihre Kunst, ihr Umgang mit Wissen – lassen sich nicht unab-hängig von den Technologien erklären, die diese Gesellschaft benutzt, um ihre symbolischen Spuren zu erfassen, zu archivieren und zirkulieren zu las-sen.1 Kaum etwas hat so große Bedeutung für die Strukturen einer Gesell-schaft, die Formen einer Kultur und die Ordnung der Wissensproduktion wie die jeweils »geschäftsführenden« Verbreitungsmedien. In diesem Sinn macht der Soziologe und Kulturtheoretiker Dirk Baecker in seinen »Studien zur nächsten Gesellschaft«2 soziologische Entwicklungen an Aufkommen und Gebrauch bestimmter Medientechnologien fest: Die Einführung der Sprache konstituierte die Stammesgesellschaft, die Einführung der Schrift die antike

Kulturelle Bildung im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert und ihr Lehrpersonal

E S S A Y

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Hochkultur, die Einführung des Buchdrucks die moderne Gesellschaft und die Einführung des Computers wird die »nächste Gesellschaft« konstituieren.Diese nächste Gesellschaft bringt eine nächste Wirtschaft hervor, eine nächste Politik, eine nächste Wissenschaft, eine nächste Universität, eine nächste Kunst, eine nächste Schule usw. – und eine nächste Kulturelle Bildung.

Unter dem Titel Next Arts Educa-tion habe ich den Versuch unter-nommen, an diese Vermutung mit der Frage nach adäquaten Reakti-onen im Feld der Verkoppelung von Kunst und Bildung anzuschließen.3

Science Fiction-PädagogikVor dem Hintergrund dieser medi-enkulturell hoch dynamischen Aus-gangsbedingungen diskutiere ich mit meinen Studierenden der Lehr-ämter Kunst und Ästhetische Erzie-hung gern eine eigentlich einfache Rechenaufgabe: Wie lange wirken Sie in die Zukunft hinein? Wenn Sie als Lehramtsstudierende*r zum Bei-spiel 1994 geboren wurden, jetzt 25 Jahre alt sind und in schätzungsweise zwei Jahren in den Schuldienst eintre-ten, dann werden Sie bis zu Ihrer Pensionierung – das wird ca. 40 Jahre spä-ter, also im Jahr 2059, sein – mit Schüler*innen zu tun haben. Sie haben dann vielleicht in Ihrem letzten Dienstjahr mit 10-jährigen Schüler*innen zu tun, die Sie dann auf deren Zukunft vorbereiten sollen. Das Leben dieser Schü-ler*innen, Jahrgang 2049, wird, wenn die Lebenserwartung der Menschen so bleibt wie im Moment, ca. 70 Jahre später, also im Jahr 2129, enden. Ihre päd-agogischen Anstrengungen im letzten Dienstjahr sollten also darauf zielen, dass Ihre Schüler*innen an der Gesellschaft des Jahres 2129 noch kompe-tent partizipieren können. Und meine Tätigkeit als Hochschullehrer könnte ich so verstehen, dass ich jetzt darauf zielen muss, Sie dazu zu befähigen.

Das ist ein Riesensprung in die Zukunft. 110 Jahre. Und es ist ohne Frage hier, der Deutlichkeit wegen, etwas überdramatisiert. Aber auch wenn wir etwas realistischer werden und nur einmal davon ausgehen, dass Sie in Ihrem 50. Lebensjahr einer*m zehnjährigen Schüler*in etwas mitgeben wollen, von dem diese*r profitiert, wenn sie*er selbst 50 Jahre alt ist, sind wir bereits im Jahr 2084.

Das wäre ein allgemeiner Ausgangspunkt für eine Next Arts Education: Sie muss, wie jede Pädagogik, radikal in Richtung Zukunft gedacht werden. Es geht um das Werden, nicht um das Sein. Das erreicht man am besten, indem man sich ernsthaft am Jetzt orientiert.

Für die Lehrer*innen in einer nächsten Schule ist das, was sich hier so scheinbar einfach formuliert, eine wirklich große Herausforderung. Denn das Neue ist – prinzipiell – eigentlich nicht Sache der Schule, jedenfalls nicht als Gegenstand des Unterrichts. Die Schule hat andere Aufgaben. Die Schule ist einer jener Orte, deren expliziter Zweck es ist, den Kommunikationsprozess am Laufen zu halten, der die Übertragung von im Gedächtnis einer Gene-ration enthaltenen Informationen in das Gedächtnis der nächsten erlaubt. Es geht um die Weitergabe von als kulturell bedeutsam erachteten Inhalten,

1 Vgl. Debray, Régis (1994): Für eine Mediologie, in: Pias, Claus; Vogl, Joseph; Engell, Lorenz (Hg.): Kursbuch Medienkultur. Die maß-geblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard, Stuttgart: DVA 2004, S. 67–75, 67.

2 Baecker, Dirk: Studien zur nächs-ten Gesellschaft, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2007.

3 Vgl. ausführlicher Meyer, Tors-ten: Next Art Education. Erste Befunde. In: Johannes M. Hedin-ger, Torsten Meyer (Hg.): What’s Next? Kunst nach der Krise. Berlin: Kadmos 2013, S. 377-284.

4 Belting, Hans; Buddensieg, Andrea: Zeitgenossenschaft als Axiom von Kunst im Zeitalter der Globalisierung, in: Kunstforum international, Nr. 220, März- April/2013, S. 61–69, 61.

Prof. Torsten Meyer erläutert in seiner Keynote beim Kreativ-Camp, weshalb Schulen »Next Arts Educators« brauchen und welche Implikationen dies für die Lehrkräfteausbildung hat.

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um die Tradition dessen, was sich kulturell bewährt hat und deshalb als des Bewahrens wert angesehen wird. Mit ihren Schulen bewähren und bewahren sich Kulturen.

In Zeiten hochdynamischen kulturellen Wandels, wie wir sie zurzeit erle-ben, ist das ein Problem. Die damit zusammenhängenden Herausforderun-gen für Lehrer*innen lassen sich recht gut verdeutlichen entlang, erstens, der Metapher vom umgestülpten Cyberspace und, zweitens, entlang einer For-mulierung aus dem Feld der Kunst: The Global Contemporary, so war einen Ausstellung im Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe im Sommer 2012 betitelt, die in betonter Abgrenzung zur kolonial geprägten Moderne den Versuch unternahm, die aktuell auf dem Planeten entstehende trans- und hyperkulturelle Kunst mit dem Anspruch auf »Zeitgenossenschaft ohne Grenzen und ohne Geschichte«4 auszustellen.

Umgestülpter CyberspaceMit der Metapher vom Cyberspace haben wir in den frühen Jahren des Inter-nets versucht, das Neue des neuen Mediums irgendwie fassbar, greifbar, begreifbar zu machen. Als William Gibson das Wort 1984 erfand, prägte er damit nachhaltig unsere Vorstellungswelt. Science-Fiction-Filme der 1990er

Jahre trugen ihren Teil dazu bei und so stellten wir uns diesen Cyberspace folglich vor als einen großen, dunk-len, kalten (am Bild des Weltraums orientierten), »vir-tuellen« Raum, als eine Art Jenseits-Welt, eine Virtual Reality. Diese Virtual Reality war scharf abgegrenzt vom sogenannten Real Life. Das musste streng auseinander gehalten werden in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Wer sich zu sehr ins Jenseits der virtuellen Realitäten bewegte, zu tief drin war im Cyberspace, für den bestand Gefahr, nicht mehr herauszufinden, süchtig zu werden, unter »Realitätsverlust« zu leiden usw.

Inzwischen ist der Cyberspace bewohnbar gewor-den. Ein Großteil der Weltbevölkerung ist drin in dieser vermeintlich virtuellen Welt. Aber das Internet wird nicht von den schrägen Cyborgs der frühen Science-Ficti-

on-Phantasien bewohnt. Die Eingeborenen der Digitalkultur tragen keine Cybernauten-Anzüge, um sich in parallele Welten zu versenken. Stattdes-sen tragen sie das Internet in der Hosentasche mit sich herum. Sie haben das Internet ins Real Life geholt und damit gewissermaßen den Cyberspace von drinnen nach draußen gestülpt.

Das entsprechend veränderte Selbstverständnis der Generation Digital Native beschreibt Piotr Czerki in seinem Web Kids’ Manifesto sehr eindring-lich: »we do not ‘surf’ and the internet to us is not a ‘place’ or ‘virtual space’. The Internet to us is not something external to reality but a part of it: an invisible yet constantly present layer intertwined with the physical environ-ment.«5

Next Arts Education muss sich orientieren an den Prinzipien des ins Real Life gestülpten Cyberspace: der Verbindung aller mit allen, der Schaffung virtueller Gemeinschaften und der kollektiven Intelligenz.6 Kulturelle Bildung muss die Themen, Problemstellungen und Phänomene, an denen ihre Ziel-gruppe sich bilden soll, in den Horizont und Kontext der digital vernetzten Weltgesellschaft stellen. Sie muss sich orientieren an der Zerstreuung in die Netzwerke und am operativen Umgang mit Komplexität.7

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Zoe Ragnit, Schülerin der Stadtteil-schule Winterhude, bei der Lager-feuer-Diskussion

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The Global ContemporaryMenschen kommunizieren miteinander in Raum und Zeit. Die aktuelle Medi-enkultur bevorzugt die Kommunikationsmittel zur Verbreitung von Infor-mationen im Raum, vernachlässigt aber die Mittel zur Verbreitung von Informationen in der Zeit. Den tendenziell innovierenden Kommunikations-

prozessen im Raum der globalen Zeitgenossenschaft stehen die prinzipiell konservierenden Kommunikations-prozesse in der Zeit entgegen, die – siehe oben, in Fami-lie, Schule, Universität, Museum usw. – das kulturelle Wissen und Können und das kulturelle Selbstverständ-nis einer Generation von Menschen in das Bewusstsein der nächsten Generation übertragen. Diese kulturellen Übermittlungsprozesse hängen traditionellerweise eher mit Ort- oder Raum-Genossenschaft als mit Zeit-Ge-nossenschaft zusammen. Kulturelle Traditionen und kul-turelles Erbe sind – so kennen wir es aus der Vergangen-heit – auf ein Territorium bezogen, auf Nationalstaaten, Sprachgemeinschaften usw.

Der jugendkulturelle Alltag hingegen findet statt im Global Contemporary als »weltweiter Raum des Aus-

tauschs«.8 Der umgestülpte Cyberspace entwickelt sich zum Medium einer globalen Zeitgenossenschaft. Kulturelle Globalisierung wird zum »constantly present layer of reality«.9

Für die nächste Schule ist das eine nicht zu unterschätzende Herausfor-derung. Sie ist nun nicht mehr zuständig für einen festen Kanon eurozen-trischer Selbstverständlichkeiten, sondern für die Teilhabequalifikation an einer Gesellschaft, die es im Moment noch gar nicht gibt. Sie hat nun zu tun mit dem Neuen, Fremden, Ungewissen, Unvorhersehbaren, mit dem zurzeit nur Möglichen.

Für die Lehrer*innen dieser nächste Schule ist das – vor dem Hinter-grund ihrer zurzeit gängigen Ausbildung – eine hochgradige Überforde-rung. Anstelle des Selbstverständnisses als Sach- oder besser Fachver-ständige müssten sie nun Expert*innen und Vorbild sein für den Umgang mit dem Neuen, mit dem Fremden, Unvertrauten, mit dem Ungewissen und dem Ungewussten. Sie müssen Profis sein für Komplexität, für das wechseln der Perspektiven, dafür, dass die Dinge immer auch andere Seiten und die Menschen immer auch andere Interessen haben, als man ihnen unterstellt hat, und dass die Vernetzungen der Dinge mit den Menschen im globalen Maßstab Formkomplexe generiert, die prinzipiell und unreduzierbar das Ver-ständnis jedes*r Beobachter*in überfordern.10

Was sie brauchen, ist – wie Christoph Kucklick einmal sehr schön tref-fend formuliert hat11 – eine Überforderungsbewältigungskompetenz.

5 Czerski, Piotr: We, the Web Kids, zitiert nach http://boingboing.net/2012/02/22/web-kids-mani-festo.html [11.1.2019].

6 Vgl. Lévy, Pierre: Menschliche Kollektivintelligenz bedeutet Symbolische Kollektivintelli-genz. Ein Gespräch mit Klaus Neumann-Braun. In: Kunstforum international Bd. 190/2008, S. 72–75, 72.

7 Vgl. Baecker 2007, 143.8 Bourriaud, Nicolas: Postproduc-

tion. Culture as Screenplay: How Art Reprograms the World, New York: Lucas & Sternberg 2002, S. 17.

9 Vgl. Czerski 2012.10 Vgl. Baecker 2007, 169.11 Kucklick, Christoph: 3 ½ Digi-

talkompetenzen in Arbeit und Leben – Notwendige Fähigkeiten fürs (Über)Leben. Vortrag zur D21-Fachkongress-Digitale Gesellschaft, 15.11.2016; https://www.youtube.com/watch?v=BizTFt2tRNg [11.1.2019

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Dörthe Gerhard, Kulturschulkoor-dinatorin und Lehrerin an der Richtsbergschule in Marburg, bei der Diskussion am Lagerfeuer

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18 KreativCamp Tipi –

Eine Begegnungs architektur von Gert-Jan Stam

Zwei Schnüre, acht Holzlatten und eine Gruppe Teilnehmender mit Anleitung in der Hand – schon begannen der gemeinsame Tipi-Bau, die Begegnung und das Kennenlernen in der Architektur. Der professionsübergreifende Aus-tausch stand beim KreativCamp im Zentrum und wurde auch räumlich mit den von Gert-Jan Stam, Theatermacher und Architekt, entworfenen Tipis umgesetzt.

Gemeinsam errichteten und gestalteten die Teilnehmenden ihre 12 Tipis, die mit ihren recht eigenwilligen Namen wie »Apfelmus« oder »Banana Split« für nicht wenig Verwunderung sorgten. Schnell füllte sich das KreativCamp mit den Stimmen der Teilnehmenden: An welchen Indizien bemerkt ihr, dass Kulturelle Bildung in eurem Arbeitsumfeld an Bedeutung gewinnt? Welche Spielräume siehst du für dich, um Kultureller Bildung bei deiner Tätigkeit grö-ßere Bedeutung zu verleihen? Die Leitfragen brachten Schüler*in und Lehrer*in, Künstler*in und Referent*in ins Gespräch. Kurzum: Dialogpartner*innen, die sich im All-tag nur selten in Ruhe austauschen.

Ob Schüler*innenpartizipation, Kulturelle Bildung als Bestandteil der Lehrer*innenausbildung oder die eigene

F O T O S T R E C K E

KreativCamp Tipi – Eine Begegnungs architektur von Gert-Jan Stam

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19KreativCamp Tipi –

Eine Begegnungs architektur von Gert-Jan Stam

Erfahrung mit künstlerischen Schaffensprozes-sen – immer wieder reflektierten die Teilnehmen-den die besuchten Workshops und Gesprächs-runden, fanden sich in angeregter Diskussion zusammen und kamen auf den Geschmack ganz unterschiedlicher Blickwinkel.

Apropos Geschmack: Was wäre ein Tipi-Aus-flug ohne Küchendienst? Den mittäglichen Nachtisch bereiteten die Teilnehmen am zwei-ten Tag selbst zu. Aus den verteilten Zutaten und Rezepten ergaben sich nicht nur neue Gruppen-

konstellationen, sondern auch endlich der Sinn hinter den geheimnisvollen Tipi-Namen. Beim gemeinsamen Dessert ließen sich die Teilnehmenden das KreativCamp und Himbeercreme durch Kopf und Magen gehen.

Gert-Jan Stam, Theatermacher und Architekt, entwarf die Tipis für das KreativCamp und beglei-tete die Teilnehmenden. Fokus seiner Arbeit sind künstlerische Interventionen, die er als Begeg-nungsarchitektur bezeichnet: soziale und räumli-che Strukturen, welche menschliche Begegnun-gen ermöglichen und intensivieren.

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I N T E R V I E W

Marina Weisband ist Psychologin und war von Mai 2011 bis April 2012 politische Geschäftsführerin und Mitglied des Bundesvorstands der Piratenpartei Deutsch-land. Als Projektleiterin von »aula – Schule gemeinsam gestalten« ist es ihr ein Anlie-gen, die Entwicklung demokratischer Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen zu fördern. Im KreativCamp-Workshop »Partizipation an Schulen: Ein Thema – zwei Wege der Annäherung« stellte sie die Beteiligungsplattform für Schüler*innen vor.

MUTIK: Warum ist die Partizipation von Schüler*innen wichtig?Marina Weisband: Schule ist der Lebensort von Schüler*innen und wir alle müssen unsere Lebensorte mitgestalten. Wir können nicht erwarten, dass jemand bis er*sie 18 ist fragen muss, ob er*sie auf Klo darf, und dann plötz-lich die Demokratie mitgestaltet. Wir können nicht in einem autoritären Sys-tem lernen, wie wir mündige Bürger*innen werden. Das müssen wir durch Erfahrung tun: Verantwortung kann nur lernen, wer Verantwortung trägt. Durch Projekte wie »aula« lernen Schüler*innen in erster Linie, dass sie selbst Gestalter*innen ihrer Umgebung sind und nicht Konsument*innen. Sie ler-nen, zusammenzuarbeiten, sie lernen, wie sie sinnvoll Werbung für ihre Ideen machen, sie lernen aber auch, wo Stolpersteine sind. Und sie lernen ganz zentral, dass Partizipation Arbeit ist, Mühe kostet und dass diese Mühe sich lohnt.

»Verantwortung kann nur lernen, wer Verantwortung trägt«

»Verantwortung kann nur lernen,

wer Verantwortung trägt«

Marina Weisband

im Interview

https://youtu .be/ENdDrz-

nEmBs

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21»Verantwortung kann nur lernen,

wer Verantwortung trägt«

MUTIK: Wie profitieren die Lehrer*innen und die Schulen allgemein von Schüler*innenpartizipation?Marina Weisband: Die Lehrer*innen lernen meistens, dass sie Schüler*innen viel mehr zutrauen können, als sie es tun. Ich glaube, dass das Potential von Jugendlichen massiv unterschätzt wird und dass auch der Beruf von Leh-rer*innen ein Stück entspannter sein kann, wenn sie ihren eigenen Schü-ler*innen mehr vertrauen und diese partizipativen Strukturen aufbauen. Die Schule soll ja ein Ort der Gemeinschaft werden. Sie soll ein Ort werden, wo ich hinkomme, weil ich eine Neugier auf die Welt habe, weil ich dort die Werk-zeuge habe, die ich zum Lernen brauche, und die Menschen, mit denen ich lerne. Wir alle müssen von diesem 19. Jahrhundert-Modell von Schule weg, wo ich zum Belehrt-Werden gezwungen werde. Wenn ich einen Lebensort schaffen will, muss ich ihn mitgestalten.

MUTIK: Welche Rolle spielen Kreativität und Kunst in diesem Partizipationsprozess?Marina Weisband: Wir können ohne dieses kreative und künstlerische Denken gar nicht partizipieren, also unsere Ideen verwirklichen, denn erst die Kreati-vität erlaubt uns, uns vorzustellen, dass die Welt nicht so sein muss, wie sie ist, sondern dass sie auch anders sein könnte. Ich kann mir eine Zusammen-arbeit mit Künstler*innen bei »aula« sehr gut vorstellen: Mit künstlerischen Methoden helfen sie den Schüler*innen, ihren Gedankenhorizont zu öffnen und sich von Sorgen um Noten und Leistung zu lösen. Damit wäre der Grund-stein für sinnvolle Partizipation gelegt.

MUTIK: Welche Unterstützung benötigen Schulen auf ihrem Weg zu mehr Schüler*innen-Partizipation?Marina Weisband: Erstens brauchen Schulen mehr Freiraum und das bedeutet mehr Geld und mehr Personal. Das ist ein gemeinsames politisches Ziel, das wir als Organisationen haben müssen – ich und MUTIK und alle, die irgend-wie an Bildung interessiert sind. Das zweite ist, dass wir uns viel mehr mitei-nander unterhalten müssen, also zum Beispiel die politischen Akteur*innen müssen ganz dringend mit den Kulturpädagog*innen in mehr Austausch tre-ten. Wir müssen viel stärker mit den Schulen zusammenarbeiten und gerade da, wo Lehrermangel besteht, müssen die Externen stärker an die Schulen gehen, müssen stärker unterstützen und eben auch den Blick von außen, diese frische Energie dort hineintragen. Ich habe mich zum Beispiel heute beim KreativCamp zum ersten Mal mit Kulturpädagog*innen vernetzt und das war für mich ein riesiger Gewinn.

Das Interview führte Simone Schiffer.

»aula – Schule gemeinsam gestalten« ermöglicht Schüler*innen mithilfe einer Online-Plattform und didaktischer Begleitung die aktive Mitbestimmung im Schulalltag und fördert so demokratische Praktiken und Kompetenzen. Weitere Infos finden Sie auf der Website des Projekts: aula-blog.website

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22 Neun Gelingenskriterien für künstlerische

Beteiligungsprojekte an Schulen

Neun Gelingenskriterien für künstlerische Beteiligungs-projekte an Schulen

In künstlerischen Projekten entdecken Schüler*innen neben der eigenen Kre-aitvität ihre Verantwortung und Selbstwirksamkeit in gemeinschaftlichen Prozessen. Eine partizipative Gestaltung der Projekte durch Künstler*innen und Lehrkräfte kann diese einschlägige, demokratische Erfahrung verstär-ken und somit nachhaltig zur sozialen Entwicklung der Schüler*innen bei-tragen. Im Workshop »Partizipation mit Schulen: Ein Thema – zwei Wege der Annäherung« stellten Matthias Berthold und Andreas Schön ihre par-tizipativen Projekte an Schulen vor und improvisierten ein gemeinschaftli-ches Kunstprojekt mit den Teilnehmenden. Ihre Grundlage: 9 Gelingenskrite-rien für Beteiligungsprojekte an Schulen – hier auf den Punkt gebracht von Andreas Schön.

1. Klare Grundregeln und einfache GrundstrukturEinfache Grundregeln mit gut nachvollziehbarem Sinn sollten gemeinsam

L E I T F A D E N F Ü R D I E P R A X I S

Andreas Schön und Matthias Berthold

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23Neun Gelingenskriterien für künstlerische

Beteiligungsprojekte an Schulen

mit den Schüler*innen erarbeitet oder zumindest in einem »Gruppenvertrag« von allen verabschiedet werden. Als gute Basis dient auch eine klare Grund-struktur der Zeitabläufe – zum Beispiel vormittags Einzelarbeit, mittags Plenum, nachmittags Gruppenarbeit.

2. Thematische Relevanz für Schüler*innenUm eine wirkliche Beteiligung der Schüler*innen zu erreichen, muss das zen-trale Thema etwas bieten, wofür sie sich auch in ihrer Freizeit interessieren würden, bzw. was die Schüler*innen je nach Altersgruppe wirklich beschäf-tigt. Im Alter von 14 bis 18 Jahren können das beispielsweise Themen sein, die sich mit der Herausbildung der eigenen Persönlichkeit befassen oder mit dem individuellen Blick auf gesellschaftliche Themen, mit denen sie unmit-telbar im Alltag in Kontakt kommen.

3. Offenheit bezüglich der Ergebnisse und LernzieleBei einem offenen Projekt gibt es unterschiedliche soziale, handwerkliche und inhaltliche Lernfelder, wie künstlerischer Ausdruck oder Kooperati-onsfähigkeit. Um maximal davon profitieren zu können, sollten Schüler*in-nen diese individuell gewichten dürfen, beispielsweise indem sie bestimmte

Techniken wählen (herstellend oder darstellend), oder sich für übergeordnete Gruppen-Aufgaben eintragen. Die Authentizität der Ergebnisse zählt im Zweifelsfall mehr als von außen definierte Qualität oder die Über-einstimmung mit dem Lehrplan.

4. Künstlerischer Rahmen und BesonderheitInsgesamt sollte das Projekt über das hinausweisen, was Schule alltäglich für Schüler*innen bietet. Bezüg-lich der Größe, der Ungewöhnlichkeit, des Wagnisses oder der Coolness des Projekts gilt die Regel: Mehr ist mehr! Je mehr das Ereignis aus dem üblichen Rahmen fällt, umso größer ist die Chance, dass Schüler*innen es zu ihrem eigenen »Ding« machen. Bei unserem Pro-jekt »1000-Kisten« bauten die Teilnehmenden über eine ganze Woche hinweg in der Aula eine Stadt aus Kartons.

5. Vielfältige Möglichkeiten, sich einzubringenDie Jugendlichen brauchen unterschiedliche Ange-bote, um sich entsprechend ihrer Fähigkeiten und Interessen einbringen zu können. Dies kann durch

künstlerische Techniken abgebildet werden oder auch durch die Bildung von Teilgruppen, die sich mit übergeordneten Themen befassen wie Konfliktlö-sung, Musik und gute Stimmung, Moderation des Plenums, Organisation des Abschlussfests. Entscheidend ist auch, dass die Wahl der Techniken die Jugendlichen nicht überfordert oder viel Anleitung nötig macht. Im Idealfall erlauben sie ein direktes und intuitives Arbeiten ohne allzu große technische Hürden.

6. Selbstorganisation und SelbstverantwortungAuch wenn einiges an Hilfestellung von außen nötig ist, sollte es bei den Jugendlichen so ankommen, dass ihr Engagement für ein Gelingen des Pro-

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24 Leitfaden-Gelingenskriterien

jekts ausschlaggebend ist. Dafür ist es sinnvoll, je nach Alter und Fähigkeiten der Gruppe möglichst viele Elemente der Selbstorganisation in die Projekt-struktur mit einzubauen – zum Beispiel ein regelmäßiges Plenum, in dem der aktuelle Verlauf diskutiert und gemeinsame Entscheidungen gefällt werden.

7. Großzügige ZeitplanungDiesbezüglich sind zwei unterschiedliche Aspekte in Balance zu halten:

1. Unstrukturierte Zeit ist großzügig einzuplanen, d. h. für alle Arbeiten sollte mehr Zeit vorhanden sein als eigentlich nötig. Schüler*innen sollen ihren eigenen Rhythmus finden dürfen. Pausen sind Keimzellen der Kreativität!

2. Es sind möglichst zusammenhängende Zeitblöcke einzurichten und diese in enger Folge aneinander anzuschließen , um die Spannung im Prozess aufrecht zu erhalten.

8. Scheitern ist erlaubtEine großzügige Zeitplanung erlaubt es auch, Pannen geschehen zu las-sen und als Anleiter*innen auf solche gelassen zu reagieren. Frustration und Ärger können gute Lehrer sein. Manchmal wollen Schüler*innen lieber aus Fehlern lernen, als vor solchen bewahrt zu werden. Die Möglichkeit zu schei-tern sollte auch von vornherein im Konzept vermerkt sein, und Sie sollten sich diesbezüglich bei Schulleitung und Geldgebern absichern.

9. Präsentation, Feier, WürdigungDas Ergebnis muss in jedem Fall gefeiert und gewürdigt werden. Alles, was an Presse und prominenter Öffentlichkeit zu bekommen ist, sollte mobilisiert und den Schüler*innen unbedingt auch schon im Vorfeld angekündigt wer-den. Verweise über das Projekt hinaus, etwa eine Filmdokumentation, sind ebenfalls sinnvoll.

Hier können Sie sich das

Video zum Projekt »1000

Kisten«ansehen:

https://youtu .be/LO-X__

XLlWw

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25Länderübergreifender Austausch für eine

strukturelle Verankerung von Kultureller Bildung

I N T E R V I E W

Länderübergreifender Austausch für eine strukturelle Verankerung von Kultureller Bildung

Beim diesjährigen KreativCamp kamen Referent*innen aus den Bildungs- und Kultusministerien der beteiligten Bundesländer zusammen, um den aktuellen Umsetzungsstand der »Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur kulturellen Kinder- und Jugendbildung zu diskutieren. Pia Hegener, Refe-rentin im Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfa-len und KMK-Berichterstatterin für Kulturelle Bildung moderierte den Aus-tausch und ermöglichte einen Einblick in die Perspektive der Länder, die noch nicht im Netzwerk »Kreativpotentiale im Dialog« vertreten sind. Ein Inter-view über thematische Schwerpunkte, strukturelle Herausforderungen und nächste Schritte.

MUTIK: Was sind die thematischen Schwerpunkte der »Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur kulturellen Kinder- und Jugendbildung«?

Pia Hegener: Die 2013 von der KMK vorgelegte Neufassung der Empfehlung gibt Handlungshinweise zu einer gemeinsamen Agenda aller Akteur*innen, die an der kulturellen Kinder- und Jugendbildung beteiligt sind – gesell-

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26 Länderübergreifender Austausch für eine

strukturelle Verankerung von Kultureller Bildung

schaftliche wie auch politische Kräfte. Sie umfasst verschiedene Themen: Das reicht von Empfehlungen, Entwicklungs- und Umsetzungshinweise in allen schulischen Curricula zu formulieren, über die vermehrte Nutzung von Kulturorten als außerschulische Lernorte bis hin zu einer gemeinsamen Ver-ständigung von Schulverwaltung, Jugendhilfeplanung und Kulturförderung. Die Empfehlung greift auch jüngere Entwicklungen und wichtige Themen auf. Dazu gehören etwa Ganztag, Inklusion, Interkulturalität, Partizipation und Teilhabe. Die Idee, die beteiligten Kräfte zu vernetzen, sich auf den verschie-denen Handlungsebenen der Akteur*innen zu verständigen und den Dialog anzuregen, steht ganz klar im Fokus.

MUTIK: Welche Bedeutung hat der länder- und ressortübergreifende Austausch zum Thema Kulturelle Bildung?Pia Hegener: Bei allen Unterschiedlichkeiten der Länderbedingungen, -zustän-digkeiten und -rahmungen stellen sich dennoch viele ähnliche Fragen, etwa die nach der Verankerung Kultureller Bildung in Schulen Insbesondere weil sich die Empfehlung an unterschiedliche Akteur*innen richtet, ist es wichtig, darüber in einen Austausch zu treten, durch welche Strukturmerkmale und Formate die einzelnen Länder es ermöglichen, Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass es Schulen, Jugendeinrichtungen und Kultureinrichtungen möglich ist, Kinder und Jugendliche in ihrer Biografie erfolgreich mit dem Thema Kulturelle Bildung zu begleiten. Gerade heute in unserer länderüber-greifenden Gesprächsrunde haben wir darüber gesprochen, welche förder-lichen Bedingungen und auch Hemmnisse es gibt, wenn unterschiedliche Zuständigkeiten in verschiedenen Ressorts liegen. In NRW stellen beispiels-

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27Länderübergreifender Austausch für eine

strukturelle Verankerung von Kultureller Bildung

weise Jugend, Schule und Kultur drei unterschiedliche Ressorts dar. Umso wichtiger ist es – und da haben auch schon alle Länder durch gemeinsame Rahmenkonzepte oder Formate der Zusammenarbeit Strategien entwi-ckelt –, dass die Ressorts miteinander im Planungsdialog sind, Konzepte aufeinander abstimmen und sich über Programme, Initiativen und Unter-stützungsstrukturen austauschen.

MUTIK: Welche Rolle spielen Programme und Projekte wie »Kreativpotentiale im Dialog« und das heutige KreativCamp für die fort-schreitende Verankerung Kultureller Bildung?

Pia Hegener: Sie bieten einen Raum, um unter bestimmten Bedingungen etwas zu erproben, was es vielleicht in dieser Form vorher noch nicht gegeben hat. Es ist entscheidend, dass wir aus all den großen Programmen – »Kreativpotentiale im Dialog« ist eines davon, »Kultur macht stark« wäre ein weiteres Beispiel – Erkenntnisse ziehen und gewonnenes Wissen festhalten und wei-tergeben. Es geht meiner Meinung nach immer weniger darum, nur Leuchtturmprojekte abzu-bilden, sondern eben verstärkt um die Fragen: Wie kommen wir in die Fläche? Wie verankern wir nachhaltige Strukturen? Bei jeder Planung eines neuen Projekts sollten daher der Transfer und die zukünftige Anbindung an länderspezifi-sche Strukturen bedacht werden. Veranstaltun-gen wie das KreativCamp mit dem Titel »Bun-desweite Netzwerke ausbauen« bieten wichtige Räume zum Austausch und zur Verhandlung die-ser Fragen. MUTIK: Was nehmen Sie aus der heutigen Gesprächsrunde mit?Pia Hegener: Unsere Ausgangsfrage war »Die Kultusministerkonferenz und Kulturelle Bildung: Viel erreicht oder viel zu tun?« und es ist unbestritten, dass in allen Ländern beim Thema Kulturelle Bildung viel passiert, wir an unter-schiedlichen Entwicklungsständen stehen und spezifische Schwerpunktset-zungen vorfinden. Heute haben wir vor allem gemeinsame Fragen diskutiert, zum Beispiel nach der Zertifizierung, Sichtbarmachung und Auszeichnung von Schulen mit Kulturprofilen. Ein weiteres Thema war zum Beispiel die Frage nach kultureller Bildung in der Lehrer*innenausbildung und -weiterbil-dung. Ich nehme vor allem Impulse und Interessen der Beteiligten mit, um die nächsten Schritte zu planen. Dazu gehört, die Erfahrungswerte aus den Pro-grammen im Blick zu behalten, sie in den Ländern weiter zu implementieren und natürlich weiterhin dafür zu sorgen, dass der Wille und die Wertschät-zung für Kulturelle Bildung gegeben sind, um die Akteur*innen in diesem Feld zu stärken.

Das Interview führte Simone Schiffer.

Renate Raschen, Referentin für ästhetische und politische Bildung, Wettbewerbe, Stiftun-gen bei der Senatorin für Kinder und Bildung Bremen, und Manfred Lauck, Referent für Schulen als Partner in der Kulturellen Bildung im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Schleswig-Holstein im Gespräch zur Umsetzung der KMK Empfehlungen zu Kultureller Kinder- und Jugendbildung in den Ländern.

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Nach zwei Tagen intensiver Diskussion und kreativer Arbeit im Kreativ-Camp gehen die Teilnehmer*innen gestärkt und mit vielen Ideen, wie sie mehr Kulturelle Bildung in Schule bringen können, im Gepäck nach Hause. Alle Teilnehmenden sind sich einig: In Zukunft wollen sie sich noch mehr dafür einsetzen, dass die Kulturelle Bildung über den aktuellen Modellstatus hin-auswächst und zum selbstverständlichen Teil von Schule wird.

Dafür gilt es gemeinsam darauf hinzuarbeiten, mehr öffentliche Sicht-barkeit guter Ansätze Kultureller Bildung zu ermöglichen und verstärkt als Netzwerk »Kreativpotentiale im Dialog« kommunikativ aufzutreten und sich als solches für eine Steigerung der bildungspolitischen Relevanz Kultureller Bildung einzusetzen.

Gemeinsame Ziele, die das Engagement auf den verschiedenen Ebenen der Schulentwicklung mit Kultureller Bildung einfordern. Welche Aufgaben und Maßnahmen nun auf die Akteur*innen zukommen, illustrieren unsere KreativCamp-Tipis.

Epilog-Schlüssel für mehr Kulturelle Bildung in Schulen

Schlüssel für mehr Kulturelle Bildung in Schulen

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29Epilog-Schlüssel für mehr Kulturelle Bildung in Schulen

Kreative Schulleitungen

für selbstverantwortete

Schulen ausbilden Schulen in der

Kommunikation Kultureller

Bildung stärken

Mehr Schüler*innen -

partizipation in Schule

ermöglichen und Methoden teilenDialogforen für

eine ressorübergreifende

Zusammenarbeit einrichten

(kommunale und Landesebene)

Materialien zu kreativer

Unterrichtspraxis für

Lehrkräfte breitstellen

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Wissen gehört zu jenen Dingen, die größer werden, wenn man sie teilt. Genau darauf basiert das MUTIK-Pro-jekt »Kreativpotentiale im Dialog«. Hierbei fördern wir den länderübergreifenden Wissensaustausch zwischen Akteur*innen aus Kultur und Bildung, die daran mit-wirken, kulturelle Bildung zum festen Bestandteil des Schullebens zu machen. Wissen, Erkenntnisse und Ideen, wie Schulveränderungsprozesse mit und durch kulturelle Bildung erfolgreich gestaltet werden können, werden in diesem Netzwerk zugänglich gemacht.

MUTIK gestaltet den bundesweiten Austausch zu erfolgreichen Ansätzen der Schulentwicklung. Im Dialog mit Partner*innen aus Kultur und Bildung entstehen neue Antworten, die uns unserem Ziel näherbringen: allen Kin-dern und Jugendlichen in Deutschland die Erfahrung von Kunst und Kultur im Schulalltag zu ermöglichen.

Weitere Informationen: www.mutik.org/projekte/kreativpotentiale-im-dialog

Kreativpotentiale im Dialog ist ein Projekt der MUTIK gGmbH, gefördert durch die Stiftung Mercator.

Fotos der Dokumentation: Tina Umlauf

Redaktion: Seida Bahtovic, Kristin Naujokat und Simone Schiffer

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