Change - Chance durch Veränderung n e g n u h c i l t n e ... · Im Rahmen des Modellversuchs...

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Veröffentlichungen 2007 Change - Chance durch Veränderung

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Change - Chance durch Veränderung

Inhaltsverzeichnis

Welche Stärken und Eigenschaften helfen Jugendlichen Seite 1

Erfahrungsraum Fahrsicherheitstraining Seite 3

Berufsbildung - Zeitschriftkopie Seite 7

Entwicklung von Veränderungskompetenzen Seite 13

Strategisches Ausbildungsmarketing Seite 18

Lernen in Erfahrungsräumen Seite 29

Auszubildende als Experten Seite 40

Gestaltung der Flexibilitätsspielräume in der Berufsausbildung Seite 50

Gestaltung der Flexibilitätsspielräume in der Berufsausbildung 2 Seite 57

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� Im Rahmen des Modellversuchs „Change –

Chance / Förderung der Beschäftigungsfähig-

keit bei Auszubildenden und Mitarbeitern

durch Erwerb von Veränderungskompetenz“

(Laufzeit: September

2004 bis August 2008)

wurden in Ostwest -

falen-Lippe 1.051 Aus -

zubildende im ersten

Ausbildungsjahr zum

Um gang mit Verände-

rungssituationen – ins-

besondere zum Über-

gang von der Schule in

die berufliche Ausbil-

dung – befragt. Dabei wurden ge schlechts -

spezifische Unterschiede festgestellt. Bei der

Bewältigung dieser Situationen spielen zudem

die individuellen Stärken der Auszubildenden

eine wichtige Rolle.

Umgang mit neuen Situationen erfordert Veränderungskompetenz

Veränderungssituationen stellen ungewisse Situationen dar,die neu, mehrdeutig und komplex sind und zunächst oft alsunlösbar erscheinen (vgl. KÖNIG/DALBERT 2004), die aberdennoch bewältigt werden müssen. Die Frage ist, welche(Veränderungs-)Kompetenzen Auszubildende zur Bewälti-gung dieser Situationen benötigen. Mit Veränderungskom-petenz ist die Bereitschaft und Fähigkeit gemeint, auf dieunterschiedlichen und wechselnden (qualifikatorischen)Anforderungen der gesellschaftlichen Entwicklungs- undVeränderungsprozesse einzugehen und diese im Hinblick aufdie eigene Biographie verarbeiten zu können (vgl. WITT-WER 2001, S. 246). Der Begriff nimmt bewusst die Perspek-tive der Subjekte ein. Diese wird trotz der einschneiden-den Veränderungen, mit denen heute Subjekte konfrontiertwerden, vernachlässigt. Veränderungen werden noch über-wiegend aus der Position der Organisation betrachtet. Vordem Hintergrund zieloffener Entwicklungsprozesse unddem hohen Entwicklungstempo ist Veränderungskompetenzheute eine immer wichtigere Voraussetzung sowohl für dieindividuelle (berufliche) Entwicklung (vgl. WITTWER 1998)als auch für die Innovations- und Wandlungsfähigkeit einesUnternehmens (vgl. BULLINGER 2000). Wichtig ist daher,dass Organisationsstrukturen entwickelt werden, „die Lern-und Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen, in denen Verän-derungskompetenz erworben und nach Möglichkeit als stabile Fähigkeit in der Organisation verankert wird“(DYBOWSKI 1998, S. 1). Die Ergebnisse der Untersuchungkönnen u. a. dem Ausbilder Hinweise darüber geben, wobzw. welche Probleme Jugendliche bei Veränderungenhaben. Sie können somit darauf reagieren.1

Selbsteinschätzungsbögen helfen beider Stärken-Diagnose

Die Befragung wurde mit Hilfe eines standardisiertenSelbsteinschätzungsbogens mit einigen offenen Fragen vonOktober bis Dezember 2005 durchgeführt (Stichprobe vgl.Kasten). Die Methode der Selbsteinschätzung wird zuneh-

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WOLFGANG WITTWER

Prof. Dr., Dipl.-Soz., Lehrstuhl für „Berufliche

Bildung – insbesondere Betriebliches

Bildungswesen“, Universität Bielefeld

YVONNE STAACK

Dipl.-Päd., wiss. Mitarbeiterin im

Modellversuch Chang(c)e, Universität Bielefeld

Entwicklung von Veränderungskom-petenz in der Ausbildung fördern –Geschlechtsspezifische Strategien

I M B L I C K P U N K T K O M P E T E N Z E N T W I C K L U N G

Stichprobenbeschreibung

Gut die Hälfte der befragten Auszubil-

denden aus insgesamt sechs Ausbil-

dungsbereichen hat die Realschule

absolviert, ein Viertel hat das Abitur

bzw. Fachabitur abgelegt und gut ein

Fünftel den Hauptschulabschluss erwor-

ben. Ein Prozent der befragten Jugend-

lichen kann keinen allgemeinbildenden

Abschluss vorweisen. Die Mehrheit von

ihnen befindet sich in der Altersgrup-

pe der 18- bis 20-Jährigen. Der Anteil

von jungen Männern und Frauen ist

ausgeglichen.

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mend zur Diagnostik von Kompetenzen eingesetzt (vgl.AMELANG & BARTUSSEK 2001). Die Kritik an dieser Metho-de bezieht sich zumeist auf die Gefahr der Nennung von„sozial Erwünschtem“ (MUMMENDEY 1995). MOSER (1999)nennt hierzu mehrere Aspekte, die diese Tendenz verrin-gern, u. a. die Gewährleistung der Anonymität. Als Bei-spiel für Befragungen auf der Grundlage von Selbstein-schätzung sei hier auf die Jugendstudien der DEUTSCHEN

SHELL (2006) verwiesen.2

Wie schätzen Auszubildende allge-meine Veränderungssituationen ein?

Die Jugendlichen wurden zunächst anhand von Itemsdanach gefragt, was für sie ganz allgemein wichtige Ver-änderungssituationen sind. An erster Stelle wurden vonihnen Veränderungen im sozialen Umfeld genannt. Einewichtige Veränderungssituation stellt der Wohnortwechseldar, aber auch Veränderungen der finanziellen sowie dergesundheitlichen Situation. Weiter wurden genannt: Ver-änderungen im Tagesablauf, sei es, dass sich das Verhält-nis zwischen Arbeit und Freizeit verändert, sei es, dasssich Kontakte zu neuen Menschen ergeben.

Differenzen nach GeschlechtAus geschlechtsspezifischer Perspektive ergeben sich signi-fikante Unterschiede. Für junge Frauen haben Verände-rungen im sozialen Umfeld eine deutlich höhere Bedeutungals für die männlichen Befragten. In gleicher Weise ver-hält es sich hinsichtlich der Veränderung des Wohnortes.Auch hier fällt die Zustimmung deutlich höher aus als beiden Männern. In Verbindung hiermit artikulieren Frauensignifikant häufiger die Sorge, dass sie durch die sozialenVeränderungen auf sich allein gestellt sind und für sie dasgewohnte soziale Umfeld nicht mehr greifbar ist.

Veränderungssituationen haben zwei„Gesichter“

Die Jugendlichen wurden auch danach gefragt, was für sieallgemein an Veränderungssituationen problematisch bzw.positiv ist. Veränderungssituationen sind für diese vor allemdann problematisch, wenn Veränderungen finanzielle Sor-gen mit sich bringen und sie mit gesundheitlichen Proble-men verbunden sind. Darüber hinaus sind für die befragtenJugendlichen Situationen problematisch, die mit Unge-wissheiten und Schwierigkeiten behaftet sind, d. h, wenn sieAngst haben, eine falsche Entscheidung getroffen zu habenoder Erwartungen nicht zu erfüllen. Relativ unproblema-tisch ist für die Jugendlichen, sich an neue Regeln gewöh-nen oder sich in vorhandene Strukturen eingliedern zumüssen.

Danach gefragt, was für sie an Veränderungssituationen posi-tiv ist, wurde insbesondere genannt: fachlich etwas zu ler-nen, mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen, zu bewei-sen, was man kann, dass man mehr über seine eigenenStärken erfährt und lernt, sich in etwas Neues einzuleben.

Differenzen nach Geschlecht Geschlechtsspezifische Differenzen sind bei diesem Fra-genkomplex besonders deutlich erkennbar (vgl. Abb. 1 undAbb. 2): Von den jungen Frauen werden die Verände-rungssituationen durchgängig problematischer, von jungenMännern stets positiver bewertet. Die Frauen sehen vorallem gesundheitliche Probleme, finanzielle Sorgen undmangelnde soziale Kontakte als problematisch an – insbe-sondere, wenn Menschen fehlen, mit denen über die Ver-änderungssituation gesprochen werden kann. Darüber hin-aus ist für die befragten Frauen problematisch, wenn sievon der Veränderungssituation nicht überzeugt sind undAngst haben, Erwartungen nicht erfüllen zu können. Siesind dementsprechend auch zurückhaltender bei der posi-

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Abbildung 1 Problematisch an Veränderungssituationen ist, wenn … Differenzen nach Geschlecht (Angaben in Prozent, N = 1.051)

... ich mein Verhalten ändern muss

... mir Menschen fehlen, mit denen ich über dieVeränderungssituation sprechen kann

... die Veränderung nicht meine Entscheidung war

... ich Angst habe, die Erwartungen nicht erfüllenzu können

... ich von der Veränderung nicht überzeugt bin

... gesundheitliche Probleme damit verbundensind

... sie finanzielle Sorgen mit sich bringen

1009080706050403020100

� Insgesamt � Weiblich � Männlich

Abbildung 2 Positiv an Veränderungssituationen ist, dass … Differenzen nach Geschlecht (Angaben in Prozent, N = 1.051)

... ich mit neuen Menschen in Kontakt komme

1009080706050403020100

... ich mehr über meine Stärken erfahre

... ich lerne, mich in Neues einzuleben

� Insgesamt � Weiblich � Männlich

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tiven Bewertung von allgemeinen Veränderungssituationen.In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich deutlich von denmännlichen Jugendlichen. Diese sind sehr optimistisch,mehr über ihre eigenen Stärken zu erfahren, mit neuenMenschen in Kontakt zu kommen und sich in Neues ein-zuleben.

Wie schätzen Auszubildende beruf -liche Veränderungssituationen ein?

Im Hinblick auf das Berufsleben spielen institutionelle Ver-änderungen eine große Rolle. Auf die Frage, was dieJugendlichen in diesem Zusammenhang unter einer Ver-änderungssituation verstehen, wurde an erster Stelle derBetriebswechsel genannt, gefolgt von dem Wechsel von derSchule in die Ausbildung sowie die Zusammenarbeit mitneuen Arbeitskollegen.

Im Hinblick auf berufliche Veränderungssituationen domi-nieren bei den Jugendlichen eindeutig die positiven Emp-findungen. Fast alle bewerten diese Situation als einen

Erfolg, als eine wichtige Erfahrung und als eine Lernchan-ce, auch wenn diese zunächst als ungewohnt empfundenwird. Nur etwa ein Viertel der Befragten berichtet von nega-tiven Empfindungen. Es wäre interessant, diesen Aspektnoch einmal am Ende der Ausbildung zu untersuchen.

Differenzen nach Geschlecht Die negativen Empfindungen werden größtenteils von denFrauen geäußert. So stellt der Wechsel von der Schule indie berufliche Ausbildung für manche von ihnen einen Bruchin ihrem Leben dar. Er wird als belastend empfunden oder alseine Situation gesehen, in der sie sich allein gefühlt haben.

Individuelle Stärken helfen in Veränderungssituationen

Ein ganz wichtiger Aspekt der Untersuchung ist die Fragenach den Ressourcen in Veränderungssituationen. Hier wirdnach den persönlichen Eigenschaften bzw. Fähigkeitengefragt, die den Jugendlichen in der Veränderungssitua tiongeholfen haben. Den Jugendlichen wurden 40 Aussagen

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B L I C K P U N K T

Mechaniker, Elektriker, SozialeBerufe vollzeitschulisch, übrigeGesundheitsberufe.

4 WITTWER, W.; STAACK, Y.:Welche Stärken und Eigen-schaften helfen Jugendlichenbeim Übergang in die Ausbil-dung? In: Berufsbildung, 61(2007) 103/104, S. 47–49

5 Subjektive Einschätzung,inwieweit eine Anforderungmit Hilfe eigener Kompetenzenbewältigt werden kann

6 Vgl. hierzu das transaktionaleStresskonzept nach Lazarus1990.

7 Die Unterscheidung „internal –external“ greift hier weniger,weil die Jugendlichen nachihren eingesetzten Fähigkeitenbefragt wurden. Dennoch stel-len Stärken, wie die, auf seineErfahrungen und fachlichesWissen zurückgreifen zu kön-nen, Fähigkeiten dar, die stär-ker an die Person gebundensind als eher „passive“ Fähig-keiten wie Beobachtungsfähig-keit, Geduld, Hilfsbereitschaftund Anpassungsfähigkeit.

8 In Frage 2 wurde offen nachihren Stärken in ihrer Jugend-zeit gefragt. Die Antwortenwurden in der Auswertung in15 Cluster zusammengefasst.

WITTWER, W.: Berufliche Weiter-bildung. In: SCHANZ, H. (Hrsg.):Berufs- und wirtschaftspädagogi-sche Grundprobleme. Bd. 1. Balt-mannsweiler 2001, S. 229–247WITTWER, W.; GENRICH, M.;STAACK, Y.: Veränderungskompe-tenz – Welche Fähigkeiten helfenJugendlichen beim Übergang vonder Schule in die Ausbildung? InCRAMER, G.; SCHMIDT, H.;WITTWER, W.: Ausbilder-Hand-buch. Köln, 88. Erg.-Lfg. 2006WITTWER, W.; STAACK, Y.: Wel-che Stärken und Eigenschaftenhelfen Jugendlichen beim Über-gang in die Ausbildung? In:Berufsbildung, 61 (2007) 103/104,S. 47–49

Anmerkungen

1 Aus dem Fragebogen ist einSelbsteinschätzungsbogen ent-wickelt worden, mit dessenHilfe Jugendliche im Hinblickauf ihre Veränderungskompe-tenz anhand einer Typologiebeschrieben werden können(vgl. Wittwer/Genrich/Staack2006; Wittwer/Staack 2007).

2 Vgl. zum Thema Selbstein-schätzung auch Frey & Balzer2003 und Braun 2003.

3 Es handelt sich um 13 Ausbil-dungsberufe, aus den sechsAusbildungsbereichen Büro-fachkräfte, Warenkaufleute,

KÖNIG, S.; DALBERT, C.: Unge-wissheitstoleranz, Belastung undBefinden bei Berufsschullehrern/-innen. In: Zeitschrift für Ent-wicklungspsychologie und Pädago-gische Psychologie 36 (2004) 4, S. 190–199LAZARUS, R. S.: Stress undStressbewältigung – ein Paradig-ma. In: FILIPP, S. (Hrsg.): Kriti-sche Lebensereignisse. München1990, S. 198–232MOSER, K.: Selbstbeurteilungberuflicher Leistung: Überblickund offene Fragen. In: Psychologi-sche Rundschau 50 (1999) 1, S. 14–25 MUMMENDEY, H. D.: Die Frage-bogen-Methode. Göttingen 1995SHELL (2006) – DEUTSCHESHELL HOLDING (Hrsg.): Jugend2006: 15. Shell-Jugendstudie.Frankfurt/MainSCHWARZER, R.: OptimistischeKompetenzerwartung: Zur Erfas-sung einer personellen Bewälti-gungsressource. In: Diagnostica 40(1994) 2, S. 105–123WITTWER, W.: Die Entwicklungvon Kern- und Veränderungskom-petenz. In: CRAMER, G.;SCHMIDT, H.; WITTWER, W.(Hrsg.): Ausbilder-Handbuch.Loseblattwerk. Köln, 26. Ergän-zungslieferung 1998

Literatur

AMELANG, M.; BARTUSSEK, D.:Differentielle Psychologie und Per-sönlichkeitsforschung. Stuttgart2001, 5., akt. u. erw. Aufl.BANDURA, A.: Self-efficacy:Toward a unifying theory of beha-vioral change. In: PsychologicalReview 84 (1977) 2, S. 191–215BRAUN, M. W.: Genauigkeit derSelbsteinschätzung beim Erwerbneuer Kompetenzen in Abhängig-keit von Kontrollmeinung, Erfah-rung, Selbstaufmerksamkeit,Ängstlichkeit und Geschlecht.Inauguraldissertation, Bern 2003www.zb.unibe.ch/download/eldiss/03braun_m.pdfBULLINGER, H.-J.: Arbeit imWandel – Perspektiven und Her-ausforderungen für den Arbeits-schutz. 2000.www.http://agency.osha.eu.int/ DYBOWSKI, G.: Wettbewerbsfähig-keit durch Beteiligung in einemlernenden Unternehmen. Vortragbeim Phoenix-Dialog: Wege zurinnovativen Organisation,18. 06.1998 (Vortragsmanuskript)FREY, A.; BALZER, L.: Sozialeund methodische Kompetenzen –der Beurteilungsbogen smk: EinMessverfahren für die Diagnosevon sozialen und methodischenKompetenzen. In: Empirische Päd-agogik 17 (2003) 2, S. 148–175 KALUZA, G.: Stressbewältigung.Trainingsmanual zur psychologi-schen Gesundheitsförderung. Ber-lin u. a. 2004

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bzw. Eigenschaften vorgelegt. Um eine systematische Ana-lyse zu ermöglichen, wurden die Items mit Hilfe der Fak-torenanalyse gebündelt.4 Die Analyse zeigt, dass vor allemFaktoren wie sozial-integratives Verhalten, Engagementund Neugier für die überwiegende Mehrheit der Jugend li-chen hilfreich sind. Hierzu zählen an erster Stelle Eigen-schaften wie Selbständigkeit und Teamfähigkeit. Darüberhinaus sind Verantwortungsbewusstsein, Anpassungs -fähigkeit sowie Aufgeschlossenheit für Neues relevant. Wei-tere bedeutsame Faktoren sind sozial-kommunikatives Han-deln, Veränderungsbereitschaft, strategisches Handeln,Erfahrung und Gelassenheit.

Differenzen nach GeschlechtGeschlechtsspezifische Unterschiede in der Selbstbewertunghilfreicher Fähigkeiten ergeben sich bei folgenden Eigen-schaften (vgl. Tabelle 1): die befragten Frauen schätzen sichverantwortungsvoller, geduldiger, hilfsbereiter und anpas-sungsfähiger ein als die befragten Männer. Schließlich sinddie Frauen ihrer Selbsteinschätzung nach auch kommuni-kativer: Gespräche mit anderen über die Situation undUnterstützung von anderen zu erhalten sind für sie beson-ders hilfreich. Zudem spielt die Beobachtungsfähigkeit einegrößere Rolle. Bei den Männern dominieren in der Selbst-einschätzung vor allem traditionell eher als männlich gel-tende Fähigkeiten. Dies gilt vor allem für den Faktor Erfah-rung: Für die befragten Männer ist es hilfreich, praktischeErfahrungen zu haben und über fachliches Vorwissen zuverfügen. Sie stufen sich als belastbarer, selbstbewussterund gelassener als die Frauen ein.

Qualität der Einschätzung einer Veränderungs situation prägt das individuelle Verhalten

Zunächst kann als Fazit der oben beschriebenen Ergebnis-se festgehalten werden, dass es zum einen oft klischeehaftdie „typisch weiblichen“ und „typisch männlichen“ Eigen-schaften und Fähigkeiten sind, die die Jugendlichen zurBewältigung von Veränderungssituationen heranziehen.Sowohl die Einschätzung von Veränderungssituationen imVorhinein als auch die Bewertung der erlebten Verände-rungssituation des Wechsels von der Schule in die berufli-che Ausbildung wird von den Frauen problematischer undvon den Männern positiver beschrieben.Im Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung5 nach BAN-DURA (1977) wird eine Verbindung zwischen der Art der ein-gesetzten Fähigkeiten zur Bewältigung einer Stresssitua tion,der Einschätzung einer Situation als Bedrohung oder Her-ausforderung und dem Erleben einer Situation bestätigt. Die Bewältigung von Veränderungssituationen ist aus psy-chologischer Sicht von zwei Faktoren abhängig:6 einer-seits von der Bewertung der Situation als Herausforderung,als Schaden bzw. Verlust oder als Bedrohung und ande-

rerseits vom Glauben an dieeigene Fähigkeit, die Situa- tion bewältigen zu können.Die Einschätzung einerstressrelevanten Situationals Herausforderung oderBedrohung ist abhängig vonder Einschätzung, inwieweitdie Anforderungen mit deneigenen Kompetenzen be -wältigt werden können: derSelbstwirksamkeitserwar-tung. Personen mit hoherSelbstwirksamkeitserwar-tung beurteilen schwierigeSituationen stärker als Her-ausforderung (vgl. SCHWAR-ZER 1994, S. 113). Nur, werseine Kompetenzen kenntund glaubt, mit Hilfe seinerFähigkeiten die Situationbewältigen zu können, wirdauch motiviert sein, Her-ausforderungen aktiv inAngriff zu nehmen. SolcheMenschen sind beharrlicherbei der Bewältigung derAnforderungen, investierenmehr Anstrengung, erholensich schneller von Rück-schlägen und halten ihreZielbindung länger aufrecht(vgl. KALUZA 2004, S. 45).Zudem „neigen [selbstwirk-same Personen] stärker zurExploration von Neuartigem, als es die wenig selbstwirk-samen Personen tun“ (SCHWARZER 1994, S. 106). Die Selbst-wirksamkeitserwartung steigt mit den positiven Erfahrun-gen, die eine Person mit dem Einsatz ihrer Fähigkeiten zurBewältigung von Anforderungen gemacht hat. Sie schreibtsich ihre Erfolge in diesem Fall internal zu.

In unserer Studie sind diese Zusammenhänge insbesonde-re bei den männlichen Auszubildenden zu identifizieren:Sie beurteilen die Veränderungssituationen eher als Her-ausforderung und sehen darin die Chance, mehr über ihreeigenen Stärken zu erfahren und sich in Neuem zu erle-ben. Das heißt, sie verbinden ungewisse, neue Situationenmit der Chance der erfolgreichen Bewältigung und wer-den zumindest zeitweise eher positive Empfindungengegenüber den Anforderungen haben. Gleichzeitig sind sieauch diejenigen, die bei der Bewältigung des Wechsels vonder Schule in die Ausbildung sich eher „ak tive“ Fähigkei-ten7 zuschreiben, wie über praktische Erfahrungen undfachliches Vorwissen zu verfügen. Frauen dagegen bewer-

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Tabelle 1 Welche Umstände und persönlichenEigenschaften haben dir in dieser Verände-rungssituation geholfen? Differenzen nachGeschlecht (Angaben in Prozent)

Geschlecht Gesamt

M W

EngagementBelastbarkeit 84,3 78,5 81,4Geduld 69,1 76,1 72,6Verantwortungsbewusstsein 88,8 94,8 91,8

Neugier…, dass sie interessant war 85,6 80,5 83,0

Sozial-integratives VerhaltenHilfsbereitschaft 87,1 93,4 90,3Anpassungsfähigkeit 89,9 93,6 92,6

StrategieBeobachtungsfähigkeit 80,6 87,8 84,3

Erfahrung… praktische Erfahrungen

zu haben 78,6 71,6 75,0… über fachliches Vorwissen

zu verfügen 70,9 61,4 66,1

SelbstbewusstseinGelassenheit 75,8 66,4 71,2Selbstbewusstsein 86,3 79,5 83,2

Nachdenklichkeit… über die Situation in

Ruhe nachdenken 54,6 60,4 57,4

Sozial-kommunikatives Handeln… Gespräche mit anderen

über die Situation 60,7 81,9 71,3… Unterstützung von

anderen zu erhalten 71,9 87,3 79,7

InsgesamtN 523 522 1045Prozent 50,0 50,0 100

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ten allgemeine Veränderungssituationen durchgängig pro-blematischer und stufen die Veränderungssituation stär kerals Bedrohung ein. Dem zufolge empfinden sie der Situa tiongegenüber eher Angst oder Hilflosigkeit. Frauen setzten zurBewältigung der Veränderungs situ ation eher „pas sive“Fähigkeiten ein wie Geduld, Be obachtungsfähigkeit, Hilfs-bereitschaft und An pas sungsfähigkeit. Lediglich die eben-falls stark genannte Kommunikationsfähigkeit stellt eineaktive Fähigkeit dar. Aussagen zu den per sönlichen Stärkenzu Be ginn des Fragebogens8 un ter streichen die ge schlechts- spezifischen Unterschiede: Männer sehen ihre Stärken inerster Linie in Humor, Teamfähigkeit, Durchhaltevermö-gen und Durchsetzungsvermögen; Frauen in Di rektheit/Ehr-lichkeit, Of fen heit gegenüber Mitmenschen, Geduld, Empa-thie, Anpassungsfähigkeit und Hilfsbereitschaft.

In der Ausbildung sollte differenziertdie Entwicklung von Veränderungs-kompetenz gefördert werden

Da die Bewältigung von Veränderungssituationen deutlichgeschlechtsspezifische Unterschiede aufzeigt, muss die För-derung von Veränderungskompetenz in der Ausbildungdiese tendenziellen Unterschiede berücksichtigen. JungeMänner werden sich vor diesem Hintergrund eher Verän-derungssituationen stellen, diese vielleicht sogar öfter auf-suchen. Ihre Veränderungskompetenzen werden sich durchmehr Erfahrungen vermutlich stärker entwickeln. Frauensetzten eher passive Fähigkeiten wie Anpassung, Beobach-tung, Geduld ein und stehen Veränderungssituationen eher skeptisch und ängstlicher gegenüber. Es ist zu erwarten,dass sie Veränderungssituationen in der Ausbildung ehermeiden werden. Die jungen Frauen sollten daher mehrermutigt werden, sich auf ihre Stärken zu besinnen bzw.zu verlassen und Veränderungssituationen bewusst aufzu-suchen, um so den Einsatz ihrer Stärken in neuen Situa-tionen zu trainieren. Durch gemeinsame Reflexion vonerlebten Veränderungssituationen können z. B. Ausbilderhelfen, dass die jungen Frauen den eigenen Anteil an derBewältigung dieser Situation deutlicher erkennen. DieSelbstwirksamkeitserwartung wird durch diese Erfahrungengesteigert. Die jungen Männer können bestärkt werden, sichweiterhin auf ihre Stärken zu verlassen, jedoch ist bei ihnendas Repertoire von sozialen Kompetenzen zu erweitern, wiebeispielsweise Geduld, Hilfsbereitschaft, oder reflexiveKompetenzen wie Beobachtungsfähigkeit und Nachdenk-lichkeit. �

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Bewusstsein über unterschiedliche Lernkulturen und derIdentifikation von gemeinsamen Werten sollte erreicht werden. Sie sollten auch die Faktoren kennen, die sozialeKohäsion fördern bzw. Exklusion verursachen sowie dieethischen Dimensionen der Wissensgesellschaft kennen.Diese drei Schwerpunkte finden ihre Entsprechungen insbesondere in den Dimensionen „Learning Space“ und„Community“.

Ausblick

Sowohl das TEVAL-Modell als auch verschiedene zentraleeuropäische Studien und Dokumente setzen teilweise ähn-liche sowie kompatible Schwerpunkte von Kompetenz -dimensionen für Lehrende in Europa. Die verschiedenenKompetenzdimensionen gehen von einer Professionalisie-rung in der Lehrerausbildung und im Beruf aus. NationaleStandards sollten auf den Kompetenzdimensionen basie-ren bzw. kompatibel sein und die Kompetenzniveaus genaubenennen. Auf deren Basis können wiederum mit Hilfe vonIndikatoren die beobachtbaren Verhaltensweisen gemes-sen werden. Idealerweise werden die Kompetenzdimensio-nen in die universitäre Lehreraus- und -fortbildung derartintegriert, dass sie die Ausbildung selbst weiterentwickelnund die Vorbereitung auf den Lehrberuf durch eine Kom-petenzorientierung stärken und noch mehr am Berufsfeldausrichten. Die kompetenzorientierte Lehrerausbildung istderzeit nur in Ansätzen realisiert ist und ein Nachholbedarfnicht nur in Deutschland besteht. Außerdem wäre eineDurchgängigkeit der Kompetenzorientierung in den ver-schiedenen Phasen der Lehrerbildung und Evaluation wün-schenswert und könnte zu einer noch stärkeren Selbststeue-rung durch die Studierenden bzw. Lehrenden führen. WeitereUmsetzungsschritte könnten im Rahmen von zu künftigenPilotprojekten realisiert und ausgewertet werden. �

2 http://ec.europa.eu/education/policies/2010/doc/principles_en.pdf

3 www.teval.eu bzw. www.univa -tion.org; hier sind weitere Mate-rialien für Evaluationen m. H.des TEVAL-Modells zu finden.

4 Le Boterf, G.: Développer lacompétence des professionnels,Paris 2003

5 Die Dimension „EU challenges“wurde ergänzend entwickelt undist daher nicht in die Abbildungintegriert.

6 Cort/Härkönen/Volmari/Proff:Professionalisation of VET tea-chers for the future, CedefopPanorama Series 104, Luxem-bourg 2004. Der Bericht basiertauf Fallstudien, die durch TT-netgesammelt wurden.

Anmerkungen

1 Hierzu u. a.: Bericht des Rates(Bildung) an den EuropäischenRat: „Die konkreten und zukünf-tigen Ziele der Systeme der all-gemeinen und beruflichen Bil dung.http://ec.europa.eu/education/po -licies/2010/doc/rep_fut_obj_de.pdf,Education and Training 2010-The Success of the Lisbon Stra -tegy Hinges on Urgent Reforms.http://ec.europa.eu/education/policies/2010/doc/jir_council_final.pdfImplementing the CommunityLisbon Programme: Fosteringentrepreneurial mindsets througheducation and learning:http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/en/com/2006/com2006_0033en01.pdf

� Fortsetzung von S. 36 (Beitrag Speer /Harich)

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