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15 CODE «Es muss sich etwas ändern!» Die Kollektionen des Basler Designers Sandro Marzo sind klassisch aber mo- dern, gewagt aber zurückhaltend – und ordnen sich mitunter darum nicht dem gängigen Modediktat unter. Miriam Suter hat sich mit dem 29-Jährigen zu einem Gespräch getroffen, in dem es eigentlich um Nachhaltigkeit gehen sollte. Entstanden ist ein schonungsloses Porträt über die Modeindustrie, das die Autorin zum Nachdenken gebracht hat. Text MIRIAM SUTER Bild PRUNE SIMON-VERMOT DEINE TÄGLICHE INSPIRATION AUF UNSEREM BLOG: FRIDAY-MAGAZINE.CH HOL DIR JETZT DIE APP

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«Es muss sich etwas ändern!»

Die Kollektionen des Basler Designers Sandro Marzo sind klassisch aber mo-dern, gewagt aber zurückhaltend – und ordnen sich mitunter darum nicht dem gängigen Modediktat unter. Miriam Suter hat sich mit dem 29-Jährigen zu einem Gespräch getroffen, in dem es eigentlich um Nachhaltigkeit gehen sollte. Entstanden ist ein schonungsloses Porträt über die Modeindustrie,

das die Autorin zum Nachdenken gebracht hat.

Text MIRIAM SUTERBild PRUNE SIMON-VERMOT

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16 17CODE CODEE s ist ein heisser Tag im Juli, an dem ich mich auf den Weg nach Basel mache. Das Thermometer klettert stetig. Als ich im Zug sitze, muss es ungefähr 35 Grad erreicht haben. Ich denke an mei-nen Aufenthalt in Paris wenige Tage vor diesem Termin, freue mich über die bei-den neuen Bücher, die ich in meiner liebsten Pariser Buchhandlung abge-staubt habe und träume sehnsüchtig von den abkühlenden Atlantikwellen bei meinem kurzen Ausflug in die Norman-die. Wohl darum ertappe ich mich dabei, wie ich nach einem neuen Bikini google – und merke plötzlich, dass ich den Ter-min falsch in meiner Agenda notiert habe. Panik! Ich komme glatte zwei Stun-den zu spät; zum ersten Mal in meiner noch jungen Karriere als Journalistin. Mit wirrem Kopf und vor allem komplett durchgeschwitzt setze ich mich am Basler Bahnhof ins Tram Rich-tung Aesch und steige im Industrievier-tel kurz hinter dem M-Parc wieder aus. Man scheint sich hier ym Dreispitz be-müht zu haben, dem Viertel einen mon-dänen Touch zu verleihen: Hier gibt’s die Florenz-Strasse, eine Neapel-Strasse oder die Helsinki-Strasse. An der Oslo- Strasse schliesslich hat sich Sandro in ei-nem der vielen Ateliers, subventioniert von der Christoph Merian Stiftung, ein-gemietet. Hier scheint viel im Umbruch zu sein, auf dem Areal wird neben bereits fertigen Neubauten noch mehr gebaut und seit Kurzem liegt auch das Kunst- Departement der Fachhochschule Nord-westschweiz auf dem Dreispitz-Areal.

«TOD FÜR MUT UND RISIKOBEREITSCHAFT»

Ich treffe Sandro im Café vom Haus der elektronischen Künste, direkt hinter dem Atelierkomplex. Ich schlürfe einen Mate-Eistee, rauche eine Stress-Zigi und habe mich langsam wieder beruhigt. «Wirklich, voll easy. Ich finde es beruhi-gend, dass nicht nur ich zu spät komme», steigt Marzo lässig in unser Gespräch ein und holt sich an der Bar einen Latte Mac-chiato. Er trägt Kleider aus seiner eige-nen Kollektion, komplett in Schwarz, die Materialien wirken leicht und sanft. Sandros Stücke zeichnen sich durch eine zurückhaltende Eleganz aus, sind trotz-dem zeitgenössisch und eigen. Stücke, in die man investiert, und die man ein Le-ben lang tragen möchte. Wir sitzen draussen, es weht eine abkühlende Brise und Sandro dreht sich eine Zigarette. Ich erzähle ihm von mei-nem Aufenthalt in Frankreich – dem kur-zen Ausflug an den Atlantik, sowie die Zeit in Paris, wo ich zum Schreiben war, nicht zur Fashion Week. «Paris ist eine dreckige, dreckige Stadt», kommentiert Sandro. Ja, dreckig sei es manchmal wirklich, stimme ich ihm zu. «Für mei-nen Geschmack bin ich viel zu oft in Pa-ris», meint er knapp. Diese Saison endet Marzos Vertrag für seinen Showroom im Pariser Szeneviertel Marais. «Alle ver-schwinden aus dem Marais. Die Galeris-ten, die dort das Sagen haben, setzen ein-fach viel zu hohe Preise: zwischen CHF

900 und CHF 1200 für eine Galerie – pro Tag!» Zu teuer für viele Jungdesigner. Immer mehr wandern in andere Viertel ab. Hier sieht Marzo ein grundsätzliches Problem der Modebranche: Die Schere zwischen den Grossen und den Kleinen öffnet sich immer weiter. Und das hat verschiedene Gründe. Als Designer habe man heute beispielsweise kaum noch Zeit, eine Kollektion zu entwickeln. «Ich muss heute wahnsinnig schnell produ-zieren. Wir verkaufen bereits jetzt Win-terware an die Läden – beim aktuellen Wetter würde ich persönlich die Kleider noch nicht mal anschauen wollen!», sagt Marzo und streicht sich über den Dreita-gebart. «Keine Zeit zu haben ist der Tod für Mut und Risikobereitschaft. ← Viele bringen einfach das, was schon ein-mal funktioniert hat, vielleicht in einer anderen Farbe. Dafür, dass sich Mode ei-gentlich so schnell entwickeln sollte, ist sie extrem langsam und schwerfällig. Wir sind immer noch in einem alten Sys-tem gefangen, das nicht funktioniert: Die Käufer der Boutiquen haben das Ge-fühl, dass sie am längeren Hebel sitzen. Aber sie sind ja auch von uns Kreativen abhängig. Wir sollten uns dieser Position bewusster werden und ein Zeichen set-zen. Dafür wäre es wirklich an der Zeit!» Ich nehme einen Schluck von meinem Mate-Eistee und wir reden dar-über, wo Sandro seine Kleidung produ-zieren lässt: «Ich würde liebend gerne nur in der Schweiz produzieren, aber ich kann es mir einfach nicht leisten. Mo-mentan lasse ich meine Kollektionen vor allem in Portugal, Belgien und Deutsch-land herstellen. Dort kann ich aber nicht innerhalb von ein paar Stunden vor Ort sein und sehen, was läuft.» Diese Kont-rolle sei ihm wichtig, erzählt Sandro. Schlechte Erfahrungen mit Produzenten seien leider fast schon an der Tagesord-nung: «Sie liefern zu spät, mit Fehlern, und erhöhen dann auch noch den Preis. Da will ich nachhaltig sein und muss gleichzeitig wegen solchen Vorfällen hier in der Schweiz drei Leute zu Dum-pinglöhnen anstellen, weil ich sie nicht angemessen bezahlen kann!»

SINNBILD DREISPITZFür den Jungdesigner ist klar, dass sich etwas ändern muss. Die Schweizer Tex-tilkultur müsste beispielsweise stärker subventioniert werden, sodass die Händ-ler wieder vermehrt im eigenen Land einkaufen und nicht die gleiche Qualität für weniger Geld aus dem Ausland bezie-hen würden. Marzo findet dafür klare Worte: «Man sieht es ja bei den Chine-sen, die sind extrem gut im Nachmachen – auf qualitativ gleichwertigem Niveau. Wenn wir nicht aufpassen, wird die Schweiz bald ein Exportproblem ha-ben.» Mit entsprechenden Subventionen könnte diese Kultur gepflegt und geret-tet werden. So könne man in der Schweiz auch eine Arbeitsethik, die vertretbar ist, aufrecht erhalten, so Marzo. «Und wir müssen aufhören, über Irrelevantes zu diskutieren. Ob die Klubs in der Stadt zu laut sind, oder ob dieser Tisch hier draus-

Viele bringen einfach das, was schon einmal funktio-niert hat, vielleicht in einer anderen Farbe.

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18CODEsen jetzt jemanden stört. Das Drei-spitz-Areal ist eigentlich das perfekte Sinnbild für dieses Problem: Man konst-ruiert einen Campus für Kunststudenten und subventionierte Ateliers für Künst-ler und Designer – das ist lobenswert. Aber gleichzeitig baut man hier wahnsin-nig teure Wohnungen für junge Bestver-diener, die nach dem kleinsten Lärm die Polizei rufen. Das ist total widersprüch-lich! Viel zu oft treffen Leute Entschei-dungen, die keine Ahnung haben.» Nach unserem einstündigen Ge-spräch verabschiede ich mich von Sandro und verlasse nachdenklich das Areal. Mich beschleicht ein leicht deprimieren-des Gefühl. Mein Kopf ist voller Fragen: Ist die Schweiz überhaupt bereit, etwas zu ändern? Die Veränderungen müssten ja weitgreifender sein, als nur in der Tex-tilindustrie. Kann sich die Wirtschaft hierzulande irgendwann vorstellen, Menschen nicht nur als gewinnbringen-de Arbeiter, sondern als Bewohner ihres Landes zu sehen? Und wann sind die Menschen bereit, ihren Konsum wirklich zu reflektieren und zu merken, dass es auch mit weniger geht? Weniger Geld, weniger kaufen, weniger arbeiten? Brau-chen wir ein bedingungsloses Grundein-kommen? Und brauche ich wirklich einen neuen Bikini? Ich beschliesse, meine Bü-cher auch weiterhin vor allem aus dem bestens sortierten Aarauer Bücherbrocki zu holen – und meinen Bikini noch min-destens fünf weitere Saisons zu tragen.

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