Corporate Social · PDF fileCorporate Social Responsibility (CSR) 2 Inhalt Dieses Projekt...

32
Corporate Social Responsibility Schein oder Nichtschein – Das ist hier die Frage! Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) Juni 2012

Transcript of Corporate Social · PDF fileCorporate Social Responsibility (CSR) 2 Inhalt Dieses Projekt...

1

C or p orate Social Responsibility

Schein oder Nichtschein ndash Das ist hier die Frage

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

CorporateSocialResponsibility(CSR)

2

Inhalt

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bundesministe-riums fuumlr Arbeit Soziales und Konsumentenschutz(BMASK)sowiederArbeiterkammerWiengefoumlrdert

Vorwort 3

Einleitung 4

Definitionenvon(C)SR 5

DerneoliberaleHintergrund 6

CSRalsGegenreaktionderIndustrie 7

Image 8

VerhinderungvonRegulierung 9

FreiwilligeVereinbarungenndashamBeispielderAutoindustrie 10

DasEU-Umweltmanagementsystem 11

UNGlobalCompactISO26000ampCo 12

CSRBerichterstattung 15

DerFallBP 16

DerUnternehmeralsSozialreformer 18

DerbdquoBusinessCaseldquo 19

VerantwortlicheKonsumentInnen 22

StakeholderstattDemokratie 23

PositiveAnsaumltze 24

ResuumlmeederCSR-Konzeptanalyse 25

CSR-PolitikinOumlsterreichundinderEU 26

DerRuggie-Prozess 27

EineandereKonzeptiongesellschaftlicherVerantwortung 28

BeispielefuumlrrelevanteHandlungsfeldergesellschaftlicher

VerantwortungundmoumlglicheMaszlignahmen 29

Impressum 32

Cov

erb

ildemsp

Cle

men

semspLouml

cker

Bild

eremsp

pri

vat

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

3

Cov

erb

ildemsp

Cle

men

semspLouml

cker

Vorwort

Europa kriselt das vierte Jahr Fuumlr das Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) Anlass genug die Krise woumlrtlich zu nehmen Krise kommt von grie-chisch kriacutesis und heiszligt so viel wie Meinung Beur-teilung Wendepunkt

Wir haben uns vor 6 Jahren gegruumlndet mit dem Ziel Unternehmensverantwortung einzufordern In dieser Zeit sprossen CSR-Initiativen aus dem Boden und lieszligen so manche von uns hoffen

6 Jahre spaumlter flieszligen Milliarden an Steuergeldern in die Finanzmaumlrkte um die Banken zu retten Die privaten Schulden werden oumlffentlich Die Durch-setzung von Unternehmensverantwortung soll aber weiterhin primaumlr privat organisiert bleiben denn bdquobei der Entwicklung von CSR sollten die Unter-nehmen selbst federfuumlhrend seinldquo heiszligt es in der Mitteilung der Europaumlischen Kommission bdquoEine neue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verant-wortung von Unternehmen (CSR)ldquo (KOM(2011) 681 endguumlltig) Das Freiwilligendogma wird nicht angeruumlhrt Grund genug also erneut die Frage zu stellen durch wen und wie im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens oumlkologische und soziale Unterneh-mensfuumlhrung garantiert werden kann und welche Rolle hierbei das Konzept CSR spielt sowie welche Rolle einzelnen CSR-Initiativen zukommen kann

NeSoVe ist der Uumlberzeugung dass gesellschaftlich verantwortliches Unternehmenshandeln auf frei-williger Grundlage nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist Wenn wir die Konsequenzen un-ternehmerischen Handelns zu tragen haben sollen auch die Paradigmen unternehmerischen Handelns in einem demokratisch legitimierten Prozess fest-legen werden

Sicherlich CSR-Initiativen haben hier und da po-sitive Veraumlnderungen hervorgebracht Um Unter-nehmensverantwortung nachhaltig und durch-gehend durchzusetzen reichen jedoch weder der Wirkungskreis des bdquoBusiness Caseldquo CSR noch die Ressourcen gesellschaftlich verantwortlicher Un-ternehmensprojekte Sollen also soziale und oumlko-logische Prinzipien Kernbestandteil unseres wirt-schaftlichen Handelns sein fuumlhrt der Weg nur uumlber anspruchsvolle regulative Kriterien und Maszligstaumlbe der Unternehmensfuumlhrung Freiwillige - aber nicht unverbindliche ndash Selbstverpflichtungen von Unter-

nehmen koumlnnen daruumlber hinaus Handlungsoptio-nen fuumlr gesellschaftlich verantwortliche Unterneh-mensfuumlhrungen aufzeigen

Das Netzwerk Soziale Verantwortung will mit die-ser Broschuumlre den Mythos CSR entpuppen die ge-sellschaftlich dringenden Aufgaben der Unterneh-mensverantwortung formulieren Loumlsungsansaumltze und Handlungsfelder aufzeigen um diese mit der interessierten LeserInnenschaft zu diskutieren

Wien Juni 2012

Vorsitzender Geschaumlftsfuumlhrerin

Bild

eremsp

pri

vat

CorporateSocialResponsibility(CSR)

4

Einleitung

bdquoCorporate Social Responsibility (CSR) wurde als Antwort auf konzernfeindliche Kampagnen entwi-ckelt welche die gesellschaftliche Akzeptanz von Unternehmen bedrohten Aber gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist ein Wider-spruch in sich selbst Firmen sind gesetzlich ver-pflichtet Profite im Interesse ihrer Aktienbesitzer zu maximieren Dieser Auftrag Geld verdienen uumlber alle anderen Uumlberlegungen zu stellen bedeu-tet dass Unternehmen nur dann sbquogesellschaftlich verantwortlichlsquo sein koumlnnen wenn sie unaufrichtig sind Der fragwuumlrdige soziale Nutzen von CSR wird von Verlusten fuumlr die Gesellschaft in anderen Be-reichen uumlberboten CSR ist eine effektive Strategie um das oumlffentliche Image eines Unternehmens zu staumlrken Regulierung zu verhindern Legitimitaumlt Zugang zu Maumlrkten und Entscheidungstraumlgern zu gewinnen und den Boden fuumlr Privatisierung oumlf-fentlicher Aufgaben zu bereiten CSR ermoumlglicht der Wirtschaft ineffektive freiwillige marktori-entierte Loumlsungen fuumlr soziale und umweltbezogene Krisen unter dem Vorwand verantwortlich zu sein vorzuschlagen Das lenkt von Problemen ab welche durch wirtschaftliche Taumltigkeiten entstehen und schuumltzt die Interessen von Unternehmen waumlhrend Bemuumlhungen zur Bekaumlmpfung der Ursachen sozia-ler und Umwelt bezogener Ungerechtigkeit behin-dert werdenldquo

So beginnt die Einleitung einer Publikation mit dem Titel bdquoWhatrsquos wrong with Corporate Social Responsibilityldquo (Corporate Watch Report 20061) eine der wenigen umfassenden kritischen Ana-lysen der Grundkonzeptionen von CSR Sie stellt den Startpunkt fuumlr die vorliegende Broschuumlre dar Es soll gezeigt werden dass CSR im Kern der Ver-such der groszligen Konzerne ist dem neoliberalen Kapitalismus eine gruumlne bzw nachhaltige Fassade zu geben Regulierung zu verhindern und damit Shareholder-Value zu generieren An diesem Ge-schaumlft wollen viele partizipieren (zB BeraterInnen ZertifiziererInnen Marketingfirmen)

Freilich bedeutet dies nicht dass alle CSR-Projekte oder Initiativen schlecht sind Selbstverstaumlndlich gibt es auch positive Beispiele die natuumlrlich von NeSoVe unterstuumltzt werden Doch sie sind erstens rar und zweitens kaum in der Lage die notwendi-gen Kurskorrekturen in Richtung Nachhaltigkeit und die erforderlichen Aumlnderungen des Wirt-

schaftssystems zu bewirken Denn wir werden im Lichte der sich immer deutlicher manifestierenden umfassenden wirtschaftlichen sozialen und oumlkolo-gischen Krise und der zur Neige gehenden Rohstof-fe um fundamentale Aumlnderungen unserer gesamten Lebensweise nicht herumkommen Kosmetische Korrekturen bringen uns da nicht viel weiter Dazu noch ein Zitat vom Beginn der oben erwaumlhnten Pu-blikation bdquoLetztlich ist CSR kein Schritt in Rich-tung grundlegender Reformen der wirtschaftlichen Strukturen sondern lenkt davon abldquo (Corporate Watch Report 2006)

Turbokapitalismus und ernst gemeinte gesell-schaftliche Verantwortung sind nicht kompatibel Daher muss die Fesselung der entfesselten Markt-kraumlfte die (Re-)regulierung der Rahmenbedingun-gen unternehmerischen Handelns oberste Prioritaumlt haben Das schlieszligt ergaumlnzende freiwillige Leis-tungen der Industrie (und anderer Organisationen) nicht aus vorausgesetzt dass anspruchsvolle und verifizierbare bzw kontrollierbare Regeln in einem demokratischen Prozess festgelegt werden Ob die Wirtschaft daran Interesse hat scheint aber mehr als fraglich

1httpwwwcorporatewatchorgdownloadphpid=55

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

5

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Definitionen von (C)SR

Auch wenn es derzeit noch verschiedene Definitio-nen zum Begriff (Corporate) Social Responsibility - (C)SR - gibt so besteht doch weitgehende Uumlber-einstimmung uumlber die wesentlichen Grundelemen-te dieses Managementkonzepts

Kurz und buumlndig definierte die Europaumlische Kommission im Gruumlnbuch 20012 bdquoSoziale Ver-antwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility - CSR) ist ein Konzept das den Un-ternehmen als Grundlage dient um auf freiwilliger Basis soziale und oumlkologische Belange in ihre Un-ternehmenstaumltigkeit und in die Beziehungen zu den Stakeholdern zu integrierenldquo (Gruumlnbuch ldquoEuropaumli-sche Rahmenbedingungen fuumlr die soziale Verant-wortung der Unternehmenrdquo KOM(2001) 366)

Etwas umfassender definiert die ISO 26000 bdquoLeitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortungldquo Social Responsibility als bdquoVerantwortung einer Or-ganisation fuumlr die Auswirkungen ihrer Entschei-dungen und Aktivitaumlten auf die Gesellschaft und die Umwelt durch transparentes und ethisches Ver-halten das zur nachhaltigen Entwicklung Gesund-heit und Gemeinwohl eingeschlossen beitraumlgt die Erwartungen der Anspruchsgruppen beruumlcksich-tigt anwendbares Recht einhaumllt und im Einklang

mit internationalen Verhaltensstandards steht und in der gesamten Organisation integriert ist und in ihren Beziehungen gelebt wirdldquo

Es zeigt sich dass diese Definitionen so breit gehal-ten sind dass sie von fast allen (nicht-kriminellen) Organisationen erfuumlllt werden koumlnnen Denn die meisten Unternehmen tun irgend etwas Nuumltzli-ches fuumlr die Gesellschaft und gehen dabei uumlber ge-setzliche Anforderungen hinaus Energieintensive Unternehmen werden beispielsweise (freiwillig) versuchen durch Energiesparen Kosten zu senken Das ist ein ganz normaler marktwirtschaftlicher Vorgang Von Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung koumlnnte man allenfalls sprechen wenn die Reduktion uumlber das betriebswirtschaftli-che Kalkuumll hinausgehend deutlich uumlber der Ener-giereduktion vergleichbarer anderer Unternehmen liegt

Hier stellen sich einige fundamentale Fragen

Wer bestimmt was unter gemeinwohlorientiertem Verhalten zu verstehen ist und auf welchem Weg dies zu erreichen ist

Wo liegen die Grenzen zwischen bdquoBusiness as usualldquo und daruumlber hinausgehendem Enga-gement jenseits rein betriebswirtschaftlicher Rentabilitaumltsuumlberlegung

Wenn CSR-Maszlignahmen im Interesse der Gesell-schaft Kosten verursachen (und das wird wohl zu-meist der Fall sein) - werden die Unternehmen be-reit sein reduzierte Profite oder VerbraucherInnen erhoumlhte Kosten zu akzeptieren

Wenn solche Maszlignahmen profitabel sind - warum werden sie in einer kapitalistischen auf Profit-maximierung beruhenden Wirtschaft nicht laumlngst durchgefuumlhrt

Gibt es empirische Belege dass die Wirtschaft durch freiwillige Maszlignahmen zu einer signifikan-ten Verbesserung sozialer und oumlkologischer Belan-ge beigetragen hat

Warum betreibt die Wirtschaft intensives Lobby-ing um solche Verbesserungen mit allen Mitteln auf der politischen Ebene zu hintertreiben

2ZurneuenDefinitionderKommissionsieheKapitelbdquoCSR-PolitikinOumlsterreichundinderEUldquo

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

CorporateSocialResponsibility(CSR)

6

Der neoliberale Hintergrund

Zu Beginn des 21 Jahrhunderts zeigen sich die zer-stoumlrerischen Konsequenzen von drei Jahrzehnten neoliberaler Politik des schrankenlosen Marktes der Privatisierung der Deregulierung und Libera-lisierung im Interesse des Kapitals

Die Reichen werden reicher die Armen aumlrmer Schon lange nicht haben sich die Wohlhabenden so schamlos bedient und den Mittellosen die Butter vom Brot gestohlen Die oumlkonomische Konsequenz ist die Drosselung der Wirtschaft durch mangelnde Nachfrage auf der einen Seite Auf der anderen Sei-te stehen Milliarden die aufgrund geringerer Ge-winnerwartungen produktiver Investitionen in den spekulativen Finanzsektor abwandern

Das Finanzsystem steht nach der Krise die durch den Handel mit wertlosen Finanzderivaten (bdquoSub-primesldquo) ausgeloumlst wurde vor dem Crash und droht die Realoumlkonomie mit in den Abgrund zu ziehen

Soziale Sicherungssysteme werden im Eilzugstem-po zerstoumlrt Pensionen werden bdquogesichertldquo - solan-ge bis nichts mehr uumlbrig bleibt Besonders radikal wurde diese Politik unter Margret Thatcher um-gesetzt Die staatliche Pension wurde weitgehend abgeschafft Ergebnis ist die im Vergleich deutlich houmlhere Altersarmut in diesem Land

Massenentlassungen und Verlagerungen der Pro-duktion in Niedriglohnlaumlnder werden ndash zum Teil mit staatlichen Mitteln gefoumlrdert - auch von oumlkono-misch gesunden Betrieben zwecks Profitmaximie-rung durchgefuumlhrt Ein Steuerwettlauf nach unten sorgt dafuumlr dass Unternehmen immer weniger zum Gemeinwohl beitragen

Die Kritik am Neoliberalismus ist mittlerweile auch im (konservativen) politischen Mainstream angekommen Der ehemalige Ministerpraumlsident Bayerns Guumlnther Beckstein erklaumlrte in der Suumld-deutschen Zeitung bdquoDie freie Marktwirtschaft ist gescheitert ebenso wie die staatliche Uumlberregulie-rungldquo und forderte eine neue Wirtschaftsordnung (vgl SZ vom 1032009) Nicolas Sarkozy sprach beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2010 gar von einer bdquoEntartung des Kapitalismusldquo (Welt Online vom 27012010)

Eine durchaus tendenziell anti-kapitalistische (zu-

mindest anti-neoliberale) Stimmung macht sich breit Die Zustimmung der Bevoumllkerung zu buumlr-gerlich-demokratischen Systemen schwindet und macht sich etwa durch steigende Wahlenthaltung bemerkbar Es wird auch klar erkannt dass der Ein-fluss der Konzerne auf die Politik zu groszlig ist (etwa in Bruumlssel) und daher reduziert werden sollte

In einer globalen Umfrage von BBC World Ser-vice die 2009 in 27 Laumlndern durchgefuumlhrt wurde zeigte sich wenig Begeisterung fuumlr den marktlibera-len Kapitalismus gerade mal 11 fanden ihn gut und meinten dass mehr Regulierung keine gute Idee ist (vgl BBC World Service Poll Wide Dissa-tisfaction with Capitalism mdash Twenty Years after Fall of Berlin Wall November 2009)

Uumlberwiegend wurde seine Reformierung durch Re-gulierung gefordert ndash und zwar von 51 der 29000 Befragten Auch eine staumlrkere Kontrolle der groszligen Industrie wird mehrheitlich unterstuumltzt

Immerhin 23 sahen im kapitalistischen System keine Perspektive (mehr) und moumlchten ihn gerne abschaffen In Frankreich waren es sogar 44

Doch trotz alledem scheint der Neoliberalismus aber heute fester im Sattel zu sitzen als je zuvor Colin Crouch spricht in diesem Zusammenhang bdquovom befremdlichen Uumlberleben des Neoliberalis-musldquo (Suhrkamp Verlag 2011)

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

7

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

bdquoNeue Soziale Bewegungenldquo entstanden im An-schluss an die StudentInnenenbewegung in den 70er und 80er Jahren in Westeuropa und den USA Diese inhaltlich sehr heterogene Bewegung - die Themen Frieden Frauen Oumlkologie Dritte Welt seien nur exemplarisch erwaumlhnt ndash war auch ideolo-gisch sehr unterschiedlich Besonders die Umwelt-bewegung hatte mit ihren Schwerpunkten Atom und Chemie die Industrie als bdquonatuumlrlicheldquo Gegne-rin attackiert und in die Defensive gedraumlngt Der ldquoOumllschockrdquo fuumlhrte zur Diskussion um begrenzte Ressourcen ndash die ldquoGrenzen des Wachstumsldquo wur-den aufgezeigt ndash und damit ein zentrales Paradigma kapitalistischer Produktion in Frage gestellt

Die globalisierungskritische Bewegung ruumlckte in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die nun vorherrschenden neoliberalen Politikmuster und die sie propagierenden Institutionen wie WTO und IMF mit ihrer vorherrschenden Shareholder-Value-Orientierung in den Mittelpunkt der Kritik

Das Verhalten von bestimmten Bekleidungskon-zernen wie zB Nike Puma oder Adidas wurde an den Pranger gestellt Es stellte sich heraus dass die Produkte dieser Unternehmen teilweise unter schlimmsten sozialen Bedingungen - mit Kinderar-beit und woumlchentliche Arbeitszeiten von weit uumlber 60 Stunden usw - hergestellt werden und dabei so-gar die Normen der ILO (International Labour Or-ganisation) verletzten Bilder sogenannter ldquoSweat-Shopsrdquo die an Zwangsarbeitslager erinnern gingen durch die Medien

Der Oumllkonzern Shell wurde 1995 bei einer Aktion von Greenpeace mit Tankboykotten fuumlr die beab-sichtigte Versenkung einer Oumllplattform (Brent Spar) und Verbindungen zu Menschenrechtsver-letzungen abgestraft

Heute ist zu beobachten dass die unterschiedli-chen Straumlnge der Bewegung immer staumlrker zusam-menwachsen Damit kommt es nunmehr auch zu Kooperationen die uumlber fruumlhere Beschraumlnkungen organisatorischer bzw geographischer Natur hin-ausgehen wobei neue anti-neoliberale strategische Allianzen gebildet werden ndash etwa die Zusammen-arbeit von gewerkschaftlichen Einrichtungen mit NGOs auf nationaler wie internationaler Ebene

Trotz aller Verschiedenheit vereint sie ein zentra-les Element die Einsicht dass dem multinational agierenden Kapital eine multinationale anti-neoli-berale Bewegung entgegentreten muss Nicht das reaktionaumlre zuruumlck zum Nationalstaat (wie von der Rechten gefordert) sondern die regulierte an so-zialen und oumlkologische Zielen ausgerichtete Welt-oumlkonomie (bzw das regulierte Europa) soll an Stel-le des marktradikalen Kapitalismus treten

Teile des Kapitals ndash insbesondere die Groszligkonzerne - reagieren auf den befuumlrchteten bdquoRollbackldquo mit einer scheinbaren Modifizierung des Prinzips der uneinge-schraumlnkten Profitmaximierung (bdquoshareholder valueldquo) und beteuern gesellschaftlichen Verantwortung fort-an bei der Unternehmensfuumlhrung wahrnehmen zu wollen Dabei spielen die in den folgenden Kapiteln erwaumlhnten Strategien eine wichtige Rolle

CSR als Gegenreaktion der Industrie

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

CorporateSocialResponsibility(CSR)

8

Image

Unternehmen moumlchten von NGOs nicht gerne atta-ckiert werden oder Zielscheibe eines Kaufboykotts werden Dies betrifft hauptsaumlchlich Markenfir-men die Produkte fuumlr VerbraucherInnen herstel-len Wenig Sorgen muumlssen sich in dieser Hinsicht ProduzentInnen von Investitionsguumltern oder auch unbekannte HerstellerInnen machen Nur weni-ge Aktionen sind allerdings so erfolgreich wie der Boykott von Shell im Jahr 1995 bei dem in der BRD bis zu 50 Umsatzruumlckgaumlnge beobachtet wurden und der tatsaumlchlich die Versenkung der Oumllplatt-form Brent Spar verhindern konnte

Die Schlieszligung eines Werkes von Nokia 2008 in Bochum fuumlhrte zwar in der Folge zum Verlust von Marktanteilen aber wirklich schmerzhaft und ab-schreckend fuumlr zukuumlnftige Aktionen dieser Art war er vermutlich nicht Daraus folgt dass Markenun-ternehmen eigentlich nur ausnahmsweise mit star-ken und andauernden Absatzeinbuszligen als Ergebnis von Kaufboykott-Aufrufen rechnen muumlssen womit wenig Anreiz fuumlr umfassend nachhaltige Unter-nehmenspolitik geboten wird Dennoch ist dies ein Faktor den Geschaumlftsfuumlhrungen groszliger Konzerne beruumlcksichtigen muumlssen ndash zumindest um zu ver-meiden mit houmlchst anruumlchigen Praktiken wie Kin-derarbeit in Verbindung gebracht zu werden

Aumlhnlich gelagert ist der Fall bei drohenden Image-schaumlden Wie Naomi Klein in ihrem 2000 erschie-nenem Buch bdquoNo Logoldquo zeigen konnte wandelt sich die klassisch produzierende Industrie mehr und mehr in Vermarktungsunternehmen die von exter-nen Unternehmen produzierte Artikel verkaufen (Beispiel Nike) Mit Milliardenaufwand fuumlr Wer-bung werden diese Produkte mit passenden Logos und Botschaften verknuumlpft die ein neues Lebens-gefuumlhl versprechen Die Marke wird mit attraktiven Bildern Begriffen und Prominenten in Verbindung gebracht Wichtig sind die mit dem Produkt asso-ziierten Vorstellungen ndash die wirklichen Eigenschaf-ten der Produkte treten in den Hintergrund

Das gilt auch fuumlr die produzierende Industrie Da-none zB verkauft die Illusion eines einzigartigen Joghurts welches nicht nur das Immunsystem (und damit die Gesundheit) in den Turbo-Modus bringt sondern auch nebenbei die Verdauung saniert

Organisationen wie bdquoFood Watchldquo (BRD) koumlnnen mit Negativpreisen wie dem bdquoGoldenen Windbeu-telldquo die fragwuumlrdigen Werbepraktiken solcher Un-ternehmen anprangern und das mit viel Geld auf-gebaute Image ein wenig erschuumlttern Aber setzen sich negative Imagewerte in (laumlngerfristige) Um-satzruumlckgaumlnge um Und reichen diese um Danone zu zwingen das Businessmodell zu aumlndern Das ist eher ungewiss

Zahnlose Gesetze erleichtern Unternehmen wie Danone zudem irrefuumlhrende Werbung zu verbrei-ten So verlor der Verein fuumlr Konsumenteninforma-tion (VKI) einen Prozess in mehreren Instanzen ge-gen Danone in Sachen Actimel3 Das Unternehmen hatte mit dem Satz bdquoDie positive Wirkung wurde vom Gesundheitsministerium bestaumltigtldquo geworben und damit den Eindruck erweckt dass die gesund-heitsbezogenen Angaben Danones amtlich bestauml-tigt wurden Tatsaumlchlich wurde aber nur die damals in Oumlsterreich guumlltige gesetzliche Vorschrift erfuumlllt Werbeaussagen vorab dem Ministerium zu melden

Potentielle Imageschaumlden sind zumindest eine be-schraumlnkte Triebkraft in Richtung (wirklicher) ge-sellschaftlicher Verantwortung Es ist aber vielfach extrem schwierig und mit hohem Aufwand verbun-den Unternehmen (schuldhaftes) Fehlverhalten nachzuweisen Dazu kommt dass das oumlffentliche Interesse haumlufig nur von kurzer Dauer ist

3httpwwwverbraucherrechtatcmsindexphpid=49ampno_cache=1amptx_ttnews[swords]=danoneamptx_ttnews[tt_news]=570amptx_ttnews[backPid]=2030

Bild

emspfo

od

wat

ch

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

2

Inhalt

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bundesministe-riums fuumlr Arbeit Soziales und Konsumentenschutz(BMASK)sowiederArbeiterkammerWiengefoumlrdert

Vorwort 3

Einleitung 4

Definitionenvon(C)SR 5

DerneoliberaleHintergrund 6

CSRalsGegenreaktionderIndustrie 7

Image 8

VerhinderungvonRegulierung 9

FreiwilligeVereinbarungenndashamBeispielderAutoindustrie 10

DasEU-Umweltmanagementsystem 11

UNGlobalCompactISO26000ampCo 12

CSRBerichterstattung 15

DerFallBP 16

DerUnternehmeralsSozialreformer 18

DerbdquoBusinessCaseldquo 19

VerantwortlicheKonsumentInnen 22

StakeholderstattDemokratie 23

PositiveAnsaumltze 24

ResuumlmeederCSR-Konzeptanalyse 25

CSR-PolitikinOumlsterreichundinderEU 26

DerRuggie-Prozess 27

EineandereKonzeptiongesellschaftlicherVerantwortung 28

BeispielefuumlrrelevanteHandlungsfeldergesellschaftlicher

VerantwortungundmoumlglicheMaszlignahmen 29

Impressum 32

Cov

erb

ildemsp

Cle

men

semspLouml

cker

Bild

eremsp

pri

vat

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

3

Cov

erb

ildemsp

Cle

men

semspLouml

cker

Vorwort

Europa kriselt das vierte Jahr Fuumlr das Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) Anlass genug die Krise woumlrtlich zu nehmen Krise kommt von grie-chisch kriacutesis und heiszligt so viel wie Meinung Beur-teilung Wendepunkt

Wir haben uns vor 6 Jahren gegruumlndet mit dem Ziel Unternehmensverantwortung einzufordern In dieser Zeit sprossen CSR-Initiativen aus dem Boden und lieszligen so manche von uns hoffen

6 Jahre spaumlter flieszligen Milliarden an Steuergeldern in die Finanzmaumlrkte um die Banken zu retten Die privaten Schulden werden oumlffentlich Die Durch-setzung von Unternehmensverantwortung soll aber weiterhin primaumlr privat organisiert bleiben denn bdquobei der Entwicklung von CSR sollten die Unter-nehmen selbst federfuumlhrend seinldquo heiszligt es in der Mitteilung der Europaumlischen Kommission bdquoEine neue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verant-wortung von Unternehmen (CSR)ldquo (KOM(2011) 681 endguumlltig) Das Freiwilligendogma wird nicht angeruumlhrt Grund genug also erneut die Frage zu stellen durch wen und wie im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens oumlkologische und soziale Unterneh-mensfuumlhrung garantiert werden kann und welche Rolle hierbei das Konzept CSR spielt sowie welche Rolle einzelnen CSR-Initiativen zukommen kann

NeSoVe ist der Uumlberzeugung dass gesellschaftlich verantwortliches Unternehmenshandeln auf frei-williger Grundlage nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist Wenn wir die Konsequenzen un-ternehmerischen Handelns zu tragen haben sollen auch die Paradigmen unternehmerischen Handelns in einem demokratisch legitimierten Prozess fest-legen werden

Sicherlich CSR-Initiativen haben hier und da po-sitive Veraumlnderungen hervorgebracht Um Unter-nehmensverantwortung nachhaltig und durch-gehend durchzusetzen reichen jedoch weder der Wirkungskreis des bdquoBusiness Caseldquo CSR noch die Ressourcen gesellschaftlich verantwortlicher Un-ternehmensprojekte Sollen also soziale und oumlko-logische Prinzipien Kernbestandteil unseres wirt-schaftlichen Handelns sein fuumlhrt der Weg nur uumlber anspruchsvolle regulative Kriterien und Maszligstaumlbe der Unternehmensfuumlhrung Freiwillige - aber nicht unverbindliche ndash Selbstverpflichtungen von Unter-

nehmen koumlnnen daruumlber hinaus Handlungsoptio-nen fuumlr gesellschaftlich verantwortliche Unterneh-mensfuumlhrungen aufzeigen

Das Netzwerk Soziale Verantwortung will mit die-ser Broschuumlre den Mythos CSR entpuppen die ge-sellschaftlich dringenden Aufgaben der Unterneh-mensverantwortung formulieren Loumlsungsansaumltze und Handlungsfelder aufzeigen um diese mit der interessierten LeserInnenschaft zu diskutieren

Wien Juni 2012

Vorsitzender Geschaumlftsfuumlhrerin

Bild

eremsp

pri

vat

CorporateSocialResponsibility(CSR)

4

Einleitung

bdquoCorporate Social Responsibility (CSR) wurde als Antwort auf konzernfeindliche Kampagnen entwi-ckelt welche die gesellschaftliche Akzeptanz von Unternehmen bedrohten Aber gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist ein Wider-spruch in sich selbst Firmen sind gesetzlich ver-pflichtet Profite im Interesse ihrer Aktienbesitzer zu maximieren Dieser Auftrag Geld verdienen uumlber alle anderen Uumlberlegungen zu stellen bedeu-tet dass Unternehmen nur dann sbquogesellschaftlich verantwortlichlsquo sein koumlnnen wenn sie unaufrichtig sind Der fragwuumlrdige soziale Nutzen von CSR wird von Verlusten fuumlr die Gesellschaft in anderen Be-reichen uumlberboten CSR ist eine effektive Strategie um das oumlffentliche Image eines Unternehmens zu staumlrken Regulierung zu verhindern Legitimitaumlt Zugang zu Maumlrkten und Entscheidungstraumlgern zu gewinnen und den Boden fuumlr Privatisierung oumlf-fentlicher Aufgaben zu bereiten CSR ermoumlglicht der Wirtschaft ineffektive freiwillige marktori-entierte Loumlsungen fuumlr soziale und umweltbezogene Krisen unter dem Vorwand verantwortlich zu sein vorzuschlagen Das lenkt von Problemen ab welche durch wirtschaftliche Taumltigkeiten entstehen und schuumltzt die Interessen von Unternehmen waumlhrend Bemuumlhungen zur Bekaumlmpfung der Ursachen sozia-ler und Umwelt bezogener Ungerechtigkeit behin-dert werdenldquo

So beginnt die Einleitung einer Publikation mit dem Titel bdquoWhatrsquos wrong with Corporate Social Responsibilityldquo (Corporate Watch Report 20061) eine der wenigen umfassenden kritischen Ana-lysen der Grundkonzeptionen von CSR Sie stellt den Startpunkt fuumlr die vorliegende Broschuumlre dar Es soll gezeigt werden dass CSR im Kern der Ver-such der groszligen Konzerne ist dem neoliberalen Kapitalismus eine gruumlne bzw nachhaltige Fassade zu geben Regulierung zu verhindern und damit Shareholder-Value zu generieren An diesem Ge-schaumlft wollen viele partizipieren (zB BeraterInnen ZertifiziererInnen Marketingfirmen)

Freilich bedeutet dies nicht dass alle CSR-Projekte oder Initiativen schlecht sind Selbstverstaumlndlich gibt es auch positive Beispiele die natuumlrlich von NeSoVe unterstuumltzt werden Doch sie sind erstens rar und zweitens kaum in der Lage die notwendi-gen Kurskorrekturen in Richtung Nachhaltigkeit und die erforderlichen Aumlnderungen des Wirt-

schaftssystems zu bewirken Denn wir werden im Lichte der sich immer deutlicher manifestierenden umfassenden wirtschaftlichen sozialen und oumlkolo-gischen Krise und der zur Neige gehenden Rohstof-fe um fundamentale Aumlnderungen unserer gesamten Lebensweise nicht herumkommen Kosmetische Korrekturen bringen uns da nicht viel weiter Dazu noch ein Zitat vom Beginn der oben erwaumlhnten Pu-blikation bdquoLetztlich ist CSR kein Schritt in Rich-tung grundlegender Reformen der wirtschaftlichen Strukturen sondern lenkt davon abldquo (Corporate Watch Report 2006)

Turbokapitalismus und ernst gemeinte gesell-schaftliche Verantwortung sind nicht kompatibel Daher muss die Fesselung der entfesselten Markt-kraumlfte die (Re-)regulierung der Rahmenbedingun-gen unternehmerischen Handelns oberste Prioritaumlt haben Das schlieszligt ergaumlnzende freiwillige Leis-tungen der Industrie (und anderer Organisationen) nicht aus vorausgesetzt dass anspruchsvolle und verifizierbare bzw kontrollierbare Regeln in einem demokratischen Prozess festgelegt werden Ob die Wirtschaft daran Interesse hat scheint aber mehr als fraglich

1httpwwwcorporatewatchorgdownloadphpid=55

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

5

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Definitionen von (C)SR

Auch wenn es derzeit noch verschiedene Definitio-nen zum Begriff (Corporate) Social Responsibility - (C)SR - gibt so besteht doch weitgehende Uumlber-einstimmung uumlber die wesentlichen Grundelemen-te dieses Managementkonzepts

Kurz und buumlndig definierte die Europaumlische Kommission im Gruumlnbuch 20012 bdquoSoziale Ver-antwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility - CSR) ist ein Konzept das den Un-ternehmen als Grundlage dient um auf freiwilliger Basis soziale und oumlkologische Belange in ihre Un-ternehmenstaumltigkeit und in die Beziehungen zu den Stakeholdern zu integrierenldquo (Gruumlnbuch ldquoEuropaumli-sche Rahmenbedingungen fuumlr die soziale Verant-wortung der Unternehmenrdquo KOM(2001) 366)

Etwas umfassender definiert die ISO 26000 bdquoLeitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortungldquo Social Responsibility als bdquoVerantwortung einer Or-ganisation fuumlr die Auswirkungen ihrer Entschei-dungen und Aktivitaumlten auf die Gesellschaft und die Umwelt durch transparentes und ethisches Ver-halten das zur nachhaltigen Entwicklung Gesund-heit und Gemeinwohl eingeschlossen beitraumlgt die Erwartungen der Anspruchsgruppen beruumlcksich-tigt anwendbares Recht einhaumllt und im Einklang

mit internationalen Verhaltensstandards steht und in der gesamten Organisation integriert ist und in ihren Beziehungen gelebt wirdldquo

Es zeigt sich dass diese Definitionen so breit gehal-ten sind dass sie von fast allen (nicht-kriminellen) Organisationen erfuumlllt werden koumlnnen Denn die meisten Unternehmen tun irgend etwas Nuumltzli-ches fuumlr die Gesellschaft und gehen dabei uumlber ge-setzliche Anforderungen hinaus Energieintensive Unternehmen werden beispielsweise (freiwillig) versuchen durch Energiesparen Kosten zu senken Das ist ein ganz normaler marktwirtschaftlicher Vorgang Von Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung koumlnnte man allenfalls sprechen wenn die Reduktion uumlber das betriebswirtschaftli-che Kalkuumll hinausgehend deutlich uumlber der Ener-giereduktion vergleichbarer anderer Unternehmen liegt

Hier stellen sich einige fundamentale Fragen

Wer bestimmt was unter gemeinwohlorientiertem Verhalten zu verstehen ist und auf welchem Weg dies zu erreichen ist

Wo liegen die Grenzen zwischen bdquoBusiness as usualldquo und daruumlber hinausgehendem Enga-gement jenseits rein betriebswirtschaftlicher Rentabilitaumltsuumlberlegung

Wenn CSR-Maszlignahmen im Interesse der Gesell-schaft Kosten verursachen (und das wird wohl zu-meist der Fall sein) - werden die Unternehmen be-reit sein reduzierte Profite oder VerbraucherInnen erhoumlhte Kosten zu akzeptieren

Wenn solche Maszlignahmen profitabel sind - warum werden sie in einer kapitalistischen auf Profit-maximierung beruhenden Wirtschaft nicht laumlngst durchgefuumlhrt

Gibt es empirische Belege dass die Wirtschaft durch freiwillige Maszlignahmen zu einer signifikan-ten Verbesserung sozialer und oumlkologischer Belan-ge beigetragen hat

Warum betreibt die Wirtschaft intensives Lobby-ing um solche Verbesserungen mit allen Mitteln auf der politischen Ebene zu hintertreiben

2ZurneuenDefinitionderKommissionsieheKapitelbdquoCSR-PolitikinOumlsterreichundinderEUldquo

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

CorporateSocialResponsibility(CSR)

6

Der neoliberale Hintergrund

Zu Beginn des 21 Jahrhunderts zeigen sich die zer-stoumlrerischen Konsequenzen von drei Jahrzehnten neoliberaler Politik des schrankenlosen Marktes der Privatisierung der Deregulierung und Libera-lisierung im Interesse des Kapitals

Die Reichen werden reicher die Armen aumlrmer Schon lange nicht haben sich die Wohlhabenden so schamlos bedient und den Mittellosen die Butter vom Brot gestohlen Die oumlkonomische Konsequenz ist die Drosselung der Wirtschaft durch mangelnde Nachfrage auf der einen Seite Auf der anderen Sei-te stehen Milliarden die aufgrund geringerer Ge-winnerwartungen produktiver Investitionen in den spekulativen Finanzsektor abwandern

Das Finanzsystem steht nach der Krise die durch den Handel mit wertlosen Finanzderivaten (bdquoSub-primesldquo) ausgeloumlst wurde vor dem Crash und droht die Realoumlkonomie mit in den Abgrund zu ziehen

Soziale Sicherungssysteme werden im Eilzugstem-po zerstoumlrt Pensionen werden bdquogesichertldquo - solan-ge bis nichts mehr uumlbrig bleibt Besonders radikal wurde diese Politik unter Margret Thatcher um-gesetzt Die staatliche Pension wurde weitgehend abgeschafft Ergebnis ist die im Vergleich deutlich houmlhere Altersarmut in diesem Land

Massenentlassungen und Verlagerungen der Pro-duktion in Niedriglohnlaumlnder werden ndash zum Teil mit staatlichen Mitteln gefoumlrdert - auch von oumlkono-misch gesunden Betrieben zwecks Profitmaximie-rung durchgefuumlhrt Ein Steuerwettlauf nach unten sorgt dafuumlr dass Unternehmen immer weniger zum Gemeinwohl beitragen

Die Kritik am Neoliberalismus ist mittlerweile auch im (konservativen) politischen Mainstream angekommen Der ehemalige Ministerpraumlsident Bayerns Guumlnther Beckstein erklaumlrte in der Suumld-deutschen Zeitung bdquoDie freie Marktwirtschaft ist gescheitert ebenso wie die staatliche Uumlberregulie-rungldquo und forderte eine neue Wirtschaftsordnung (vgl SZ vom 1032009) Nicolas Sarkozy sprach beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2010 gar von einer bdquoEntartung des Kapitalismusldquo (Welt Online vom 27012010)

Eine durchaus tendenziell anti-kapitalistische (zu-

mindest anti-neoliberale) Stimmung macht sich breit Die Zustimmung der Bevoumllkerung zu buumlr-gerlich-demokratischen Systemen schwindet und macht sich etwa durch steigende Wahlenthaltung bemerkbar Es wird auch klar erkannt dass der Ein-fluss der Konzerne auf die Politik zu groszlig ist (etwa in Bruumlssel) und daher reduziert werden sollte

In einer globalen Umfrage von BBC World Ser-vice die 2009 in 27 Laumlndern durchgefuumlhrt wurde zeigte sich wenig Begeisterung fuumlr den marktlibera-len Kapitalismus gerade mal 11 fanden ihn gut und meinten dass mehr Regulierung keine gute Idee ist (vgl BBC World Service Poll Wide Dissa-tisfaction with Capitalism mdash Twenty Years after Fall of Berlin Wall November 2009)

Uumlberwiegend wurde seine Reformierung durch Re-gulierung gefordert ndash und zwar von 51 der 29000 Befragten Auch eine staumlrkere Kontrolle der groszligen Industrie wird mehrheitlich unterstuumltzt

Immerhin 23 sahen im kapitalistischen System keine Perspektive (mehr) und moumlchten ihn gerne abschaffen In Frankreich waren es sogar 44

Doch trotz alledem scheint der Neoliberalismus aber heute fester im Sattel zu sitzen als je zuvor Colin Crouch spricht in diesem Zusammenhang bdquovom befremdlichen Uumlberleben des Neoliberalis-musldquo (Suhrkamp Verlag 2011)

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

7

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

bdquoNeue Soziale Bewegungenldquo entstanden im An-schluss an die StudentInnenenbewegung in den 70er und 80er Jahren in Westeuropa und den USA Diese inhaltlich sehr heterogene Bewegung - die Themen Frieden Frauen Oumlkologie Dritte Welt seien nur exemplarisch erwaumlhnt ndash war auch ideolo-gisch sehr unterschiedlich Besonders die Umwelt-bewegung hatte mit ihren Schwerpunkten Atom und Chemie die Industrie als bdquonatuumlrlicheldquo Gegne-rin attackiert und in die Defensive gedraumlngt Der ldquoOumllschockrdquo fuumlhrte zur Diskussion um begrenzte Ressourcen ndash die ldquoGrenzen des Wachstumsldquo wur-den aufgezeigt ndash und damit ein zentrales Paradigma kapitalistischer Produktion in Frage gestellt

Die globalisierungskritische Bewegung ruumlckte in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die nun vorherrschenden neoliberalen Politikmuster und die sie propagierenden Institutionen wie WTO und IMF mit ihrer vorherrschenden Shareholder-Value-Orientierung in den Mittelpunkt der Kritik

Das Verhalten von bestimmten Bekleidungskon-zernen wie zB Nike Puma oder Adidas wurde an den Pranger gestellt Es stellte sich heraus dass die Produkte dieser Unternehmen teilweise unter schlimmsten sozialen Bedingungen - mit Kinderar-beit und woumlchentliche Arbeitszeiten von weit uumlber 60 Stunden usw - hergestellt werden und dabei so-gar die Normen der ILO (International Labour Or-ganisation) verletzten Bilder sogenannter ldquoSweat-Shopsrdquo die an Zwangsarbeitslager erinnern gingen durch die Medien

Der Oumllkonzern Shell wurde 1995 bei einer Aktion von Greenpeace mit Tankboykotten fuumlr die beab-sichtigte Versenkung einer Oumllplattform (Brent Spar) und Verbindungen zu Menschenrechtsver-letzungen abgestraft

Heute ist zu beobachten dass die unterschiedli-chen Straumlnge der Bewegung immer staumlrker zusam-menwachsen Damit kommt es nunmehr auch zu Kooperationen die uumlber fruumlhere Beschraumlnkungen organisatorischer bzw geographischer Natur hin-ausgehen wobei neue anti-neoliberale strategische Allianzen gebildet werden ndash etwa die Zusammen-arbeit von gewerkschaftlichen Einrichtungen mit NGOs auf nationaler wie internationaler Ebene

Trotz aller Verschiedenheit vereint sie ein zentra-les Element die Einsicht dass dem multinational agierenden Kapital eine multinationale anti-neoli-berale Bewegung entgegentreten muss Nicht das reaktionaumlre zuruumlck zum Nationalstaat (wie von der Rechten gefordert) sondern die regulierte an so-zialen und oumlkologische Zielen ausgerichtete Welt-oumlkonomie (bzw das regulierte Europa) soll an Stel-le des marktradikalen Kapitalismus treten

Teile des Kapitals ndash insbesondere die Groszligkonzerne - reagieren auf den befuumlrchteten bdquoRollbackldquo mit einer scheinbaren Modifizierung des Prinzips der uneinge-schraumlnkten Profitmaximierung (bdquoshareholder valueldquo) und beteuern gesellschaftlichen Verantwortung fort-an bei der Unternehmensfuumlhrung wahrnehmen zu wollen Dabei spielen die in den folgenden Kapiteln erwaumlhnten Strategien eine wichtige Rolle

CSR als Gegenreaktion der Industrie

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

CorporateSocialResponsibility(CSR)

8

Image

Unternehmen moumlchten von NGOs nicht gerne atta-ckiert werden oder Zielscheibe eines Kaufboykotts werden Dies betrifft hauptsaumlchlich Markenfir-men die Produkte fuumlr VerbraucherInnen herstel-len Wenig Sorgen muumlssen sich in dieser Hinsicht ProduzentInnen von Investitionsguumltern oder auch unbekannte HerstellerInnen machen Nur weni-ge Aktionen sind allerdings so erfolgreich wie der Boykott von Shell im Jahr 1995 bei dem in der BRD bis zu 50 Umsatzruumlckgaumlnge beobachtet wurden und der tatsaumlchlich die Versenkung der Oumllplatt-form Brent Spar verhindern konnte

Die Schlieszligung eines Werkes von Nokia 2008 in Bochum fuumlhrte zwar in der Folge zum Verlust von Marktanteilen aber wirklich schmerzhaft und ab-schreckend fuumlr zukuumlnftige Aktionen dieser Art war er vermutlich nicht Daraus folgt dass Markenun-ternehmen eigentlich nur ausnahmsweise mit star-ken und andauernden Absatzeinbuszligen als Ergebnis von Kaufboykott-Aufrufen rechnen muumlssen womit wenig Anreiz fuumlr umfassend nachhaltige Unter-nehmenspolitik geboten wird Dennoch ist dies ein Faktor den Geschaumlftsfuumlhrungen groszliger Konzerne beruumlcksichtigen muumlssen ndash zumindest um zu ver-meiden mit houmlchst anruumlchigen Praktiken wie Kin-derarbeit in Verbindung gebracht zu werden

Aumlhnlich gelagert ist der Fall bei drohenden Image-schaumlden Wie Naomi Klein in ihrem 2000 erschie-nenem Buch bdquoNo Logoldquo zeigen konnte wandelt sich die klassisch produzierende Industrie mehr und mehr in Vermarktungsunternehmen die von exter-nen Unternehmen produzierte Artikel verkaufen (Beispiel Nike) Mit Milliardenaufwand fuumlr Wer-bung werden diese Produkte mit passenden Logos und Botschaften verknuumlpft die ein neues Lebens-gefuumlhl versprechen Die Marke wird mit attraktiven Bildern Begriffen und Prominenten in Verbindung gebracht Wichtig sind die mit dem Produkt asso-ziierten Vorstellungen ndash die wirklichen Eigenschaf-ten der Produkte treten in den Hintergrund

Das gilt auch fuumlr die produzierende Industrie Da-none zB verkauft die Illusion eines einzigartigen Joghurts welches nicht nur das Immunsystem (und damit die Gesundheit) in den Turbo-Modus bringt sondern auch nebenbei die Verdauung saniert

Organisationen wie bdquoFood Watchldquo (BRD) koumlnnen mit Negativpreisen wie dem bdquoGoldenen Windbeu-telldquo die fragwuumlrdigen Werbepraktiken solcher Un-ternehmen anprangern und das mit viel Geld auf-gebaute Image ein wenig erschuumlttern Aber setzen sich negative Imagewerte in (laumlngerfristige) Um-satzruumlckgaumlnge um Und reichen diese um Danone zu zwingen das Businessmodell zu aumlndern Das ist eher ungewiss

Zahnlose Gesetze erleichtern Unternehmen wie Danone zudem irrefuumlhrende Werbung zu verbrei-ten So verlor der Verein fuumlr Konsumenteninforma-tion (VKI) einen Prozess in mehreren Instanzen ge-gen Danone in Sachen Actimel3 Das Unternehmen hatte mit dem Satz bdquoDie positive Wirkung wurde vom Gesundheitsministerium bestaumltigtldquo geworben und damit den Eindruck erweckt dass die gesund-heitsbezogenen Angaben Danones amtlich bestauml-tigt wurden Tatsaumlchlich wurde aber nur die damals in Oumlsterreich guumlltige gesetzliche Vorschrift erfuumlllt Werbeaussagen vorab dem Ministerium zu melden

Potentielle Imageschaumlden sind zumindest eine be-schraumlnkte Triebkraft in Richtung (wirklicher) ge-sellschaftlicher Verantwortung Es ist aber vielfach extrem schwierig und mit hohem Aufwand verbun-den Unternehmen (schuldhaftes) Fehlverhalten nachzuweisen Dazu kommt dass das oumlffentliche Interesse haumlufig nur von kurzer Dauer ist

3httpwwwverbraucherrechtatcmsindexphpid=49ampno_cache=1amptx_ttnews[swords]=danoneamptx_ttnews[tt_news]=570amptx_ttnews[backPid]=2030

Bild

emspfo

od

wat

ch

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

3

Cov

erb

ildemsp

Cle

men

semspLouml

cker

Vorwort

Europa kriselt das vierte Jahr Fuumlr das Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) Anlass genug die Krise woumlrtlich zu nehmen Krise kommt von grie-chisch kriacutesis und heiszligt so viel wie Meinung Beur-teilung Wendepunkt

Wir haben uns vor 6 Jahren gegruumlndet mit dem Ziel Unternehmensverantwortung einzufordern In dieser Zeit sprossen CSR-Initiativen aus dem Boden und lieszligen so manche von uns hoffen

6 Jahre spaumlter flieszligen Milliarden an Steuergeldern in die Finanzmaumlrkte um die Banken zu retten Die privaten Schulden werden oumlffentlich Die Durch-setzung von Unternehmensverantwortung soll aber weiterhin primaumlr privat organisiert bleiben denn bdquobei der Entwicklung von CSR sollten die Unter-nehmen selbst federfuumlhrend seinldquo heiszligt es in der Mitteilung der Europaumlischen Kommission bdquoEine neue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verant-wortung von Unternehmen (CSR)ldquo (KOM(2011) 681 endguumlltig) Das Freiwilligendogma wird nicht angeruumlhrt Grund genug also erneut die Frage zu stellen durch wen und wie im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens oumlkologische und soziale Unterneh-mensfuumlhrung garantiert werden kann und welche Rolle hierbei das Konzept CSR spielt sowie welche Rolle einzelnen CSR-Initiativen zukommen kann

NeSoVe ist der Uumlberzeugung dass gesellschaftlich verantwortliches Unternehmenshandeln auf frei-williger Grundlage nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist Wenn wir die Konsequenzen un-ternehmerischen Handelns zu tragen haben sollen auch die Paradigmen unternehmerischen Handelns in einem demokratisch legitimierten Prozess fest-legen werden

Sicherlich CSR-Initiativen haben hier und da po-sitive Veraumlnderungen hervorgebracht Um Unter-nehmensverantwortung nachhaltig und durch-gehend durchzusetzen reichen jedoch weder der Wirkungskreis des bdquoBusiness Caseldquo CSR noch die Ressourcen gesellschaftlich verantwortlicher Un-ternehmensprojekte Sollen also soziale und oumlko-logische Prinzipien Kernbestandteil unseres wirt-schaftlichen Handelns sein fuumlhrt der Weg nur uumlber anspruchsvolle regulative Kriterien und Maszligstaumlbe der Unternehmensfuumlhrung Freiwillige - aber nicht unverbindliche ndash Selbstverpflichtungen von Unter-

nehmen koumlnnen daruumlber hinaus Handlungsoptio-nen fuumlr gesellschaftlich verantwortliche Unterneh-mensfuumlhrungen aufzeigen

Das Netzwerk Soziale Verantwortung will mit die-ser Broschuumlre den Mythos CSR entpuppen die ge-sellschaftlich dringenden Aufgaben der Unterneh-mensverantwortung formulieren Loumlsungsansaumltze und Handlungsfelder aufzeigen um diese mit der interessierten LeserInnenschaft zu diskutieren

Wien Juni 2012

Vorsitzender Geschaumlftsfuumlhrerin

Bild

eremsp

pri

vat

CorporateSocialResponsibility(CSR)

4

Einleitung

bdquoCorporate Social Responsibility (CSR) wurde als Antwort auf konzernfeindliche Kampagnen entwi-ckelt welche die gesellschaftliche Akzeptanz von Unternehmen bedrohten Aber gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist ein Wider-spruch in sich selbst Firmen sind gesetzlich ver-pflichtet Profite im Interesse ihrer Aktienbesitzer zu maximieren Dieser Auftrag Geld verdienen uumlber alle anderen Uumlberlegungen zu stellen bedeu-tet dass Unternehmen nur dann sbquogesellschaftlich verantwortlichlsquo sein koumlnnen wenn sie unaufrichtig sind Der fragwuumlrdige soziale Nutzen von CSR wird von Verlusten fuumlr die Gesellschaft in anderen Be-reichen uumlberboten CSR ist eine effektive Strategie um das oumlffentliche Image eines Unternehmens zu staumlrken Regulierung zu verhindern Legitimitaumlt Zugang zu Maumlrkten und Entscheidungstraumlgern zu gewinnen und den Boden fuumlr Privatisierung oumlf-fentlicher Aufgaben zu bereiten CSR ermoumlglicht der Wirtschaft ineffektive freiwillige marktori-entierte Loumlsungen fuumlr soziale und umweltbezogene Krisen unter dem Vorwand verantwortlich zu sein vorzuschlagen Das lenkt von Problemen ab welche durch wirtschaftliche Taumltigkeiten entstehen und schuumltzt die Interessen von Unternehmen waumlhrend Bemuumlhungen zur Bekaumlmpfung der Ursachen sozia-ler und Umwelt bezogener Ungerechtigkeit behin-dert werdenldquo

So beginnt die Einleitung einer Publikation mit dem Titel bdquoWhatrsquos wrong with Corporate Social Responsibilityldquo (Corporate Watch Report 20061) eine der wenigen umfassenden kritischen Ana-lysen der Grundkonzeptionen von CSR Sie stellt den Startpunkt fuumlr die vorliegende Broschuumlre dar Es soll gezeigt werden dass CSR im Kern der Ver-such der groszligen Konzerne ist dem neoliberalen Kapitalismus eine gruumlne bzw nachhaltige Fassade zu geben Regulierung zu verhindern und damit Shareholder-Value zu generieren An diesem Ge-schaumlft wollen viele partizipieren (zB BeraterInnen ZertifiziererInnen Marketingfirmen)

Freilich bedeutet dies nicht dass alle CSR-Projekte oder Initiativen schlecht sind Selbstverstaumlndlich gibt es auch positive Beispiele die natuumlrlich von NeSoVe unterstuumltzt werden Doch sie sind erstens rar und zweitens kaum in der Lage die notwendi-gen Kurskorrekturen in Richtung Nachhaltigkeit und die erforderlichen Aumlnderungen des Wirt-

schaftssystems zu bewirken Denn wir werden im Lichte der sich immer deutlicher manifestierenden umfassenden wirtschaftlichen sozialen und oumlkolo-gischen Krise und der zur Neige gehenden Rohstof-fe um fundamentale Aumlnderungen unserer gesamten Lebensweise nicht herumkommen Kosmetische Korrekturen bringen uns da nicht viel weiter Dazu noch ein Zitat vom Beginn der oben erwaumlhnten Pu-blikation bdquoLetztlich ist CSR kein Schritt in Rich-tung grundlegender Reformen der wirtschaftlichen Strukturen sondern lenkt davon abldquo (Corporate Watch Report 2006)

Turbokapitalismus und ernst gemeinte gesell-schaftliche Verantwortung sind nicht kompatibel Daher muss die Fesselung der entfesselten Markt-kraumlfte die (Re-)regulierung der Rahmenbedingun-gen unternehmerischen Handelns oberste Prioritaumlt haben Das schlieszligt ergaumlnzende freiwillige Leis-tungen der Industrie (und anderer Organisationen) nicht aus vorausgesetzt dass anspruchsvolle und verifizierbare bzw kontrollierbare Regeln in einem demokratischen Prozess festgelegt werden Ob die Wirtschaft daran Interesse hat scheint aber mehr als fraglich

1httpwwwcorporatewatchorgdownloadphpid=55

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

5

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Definitionen von (C)SR

Auch wenn es derzeit noch verschiedene Definitio-nen zum Begriff (Corporate) Social Responsibility - (C)SR - gibt so besteht doch weitgehende Uumlber-einstimmung uumlber die wesentlichen Grundelemen-te dieses Managementkonzepts

Kurz und buumlndig definierte die Europaumlische Kommission im Gruumlnbuch 20012 bdquoSoziale Ver-antwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility - CSR) ist ein Konzept das den Un-ternehmen als Grundlage dient um auf freiwilliger Basis soziale und oumlkologische Belange in ihre Un-ternehmenstaumltigkeit und in die Beziehungen zu den Stakeholdern zu integrierenldquo (Gruumlnbuch ldquoEuropaumli-sche Rahmenbedingungen fuumlr die soziale Verant-wortung der Unternehmenrdquo KOM(2001) 366)

Etwas umfassender definiert die ISO 26000 bdquoLeitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortungldquo Social Responsibility als bdquoVerantwortung einer Or-ganisation fuumlr die Auswirkungen ihrer Entschei-dungen und Aktivitaumlten auf die Gesellschaft und die Umwelt durch transparentes und ethisches Ver-halten das zur nachhaltigen Entwicklung Gesund-heit und Gemeinwohl eingeschlossen beitraumlgt die Erwartungen der Anspruchsgruppen beruumlcksich-tigt anwendbares Recht einhaumllt und im Einklang

mit internationalen Verhaltensstandards steht und in der gesamten Organisation integriert ist und in ihren Beziehungen gelebt wirdldquo

Es zeigt sich dass diese Definitionen so breit gehal-ten sind dass sie von fast allen (nicht-kriminellen) Organisationen erfuumlllt werden koumlnnen Denn die meisten Unternehmen tun irgend etwas Nuumltzli-ches fuumlr die Gesellschaft und gehen dabei uumlber ge-setzliche Anforderungen hinaus Energieintensive Unternehmen werden beispielsweise (freiwillig) versuchen durch Energiesparen Kosten zu senken Das ist ein ganz normaler marktwirtschaftlicher Vorgang Von Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung koumlnnte man allenfalls sprechen wenn die Reduktion uumlber das betriebswirtschaftli-che Kalkuumll hinausgehend deutlich uumlber der Ener-giereduktion vergleichbarer anderer Unternehmen liegt

Hier stellen sich einige fundamentale Fragen

Wer bestimmt was unter gemeinwohlorientiertem Verhalten zu verstehen ist und auf welchem Weg dies zu erreichen ist

Wo liegen die Grenzen zwischen bdquoBusiness as usualldquo und daruumlber hinausgehendem Enga-gement jenseits rein betriebswirtschaftlicher Rentabilitaumltsuumlberlegung

Wenn CSR-Maszlignahmen im Interesse der Gesell-schaft Kosten verursachen (und das wird wohl zu-meist der Fall sein) - werden die Unternehmen be-reit sein reduzierte Profite oder VerbraucherInnen erhoumlhte Kosten zu akzeptieren

Wenn solche Maszlignahmen profitabel sind - warum werden sie in einer kapitalistischen auf Profit-maximierung beruhenden Wirtschaft nicht laumlngst durchgefuumlhrt

Gibt es empirische Belege dass die Wirtschaft durch freiwillige Maszlignahmen zu einer signifikan-ten Verbesserung sozialer und oumlkologischer Belan-ge beigetragen hat

Warum betreibt die Wirtschaft intensives Lobby-ing um solche Verbesserungen mit allen Mitteln auf der politischen Ebene zu hintertreiben

2ZurneuenDefinitionderKommissionsieheKapitelbdquoCSR-PolitikinOumlsterreichundinderEUldquo

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

CorporateSocialResponsibility(CSR)

6

Der neoliberale Hintergrund

Zu Beginn des 21 Jahrhunderts zeigen sich die zer-stoumlrerischen Konsequenzen von drei Jahrzehnten neoliberaler Politik des schrankenlosen Marktes der Privatisierung der Deregulierung und Libera-lisierung im Interesse des Kapitals

Die Reichen werden reicher die Armen aumlrmer Schon lange nicht haben sich die Wohlhabenden so schamlos bedient und den Mittellosen die Butter vom Brot gestohlen Die oumlkonomische Konsequenz ist die Drosselung der Wirtschaft durch mangelnde Nachfrage auf der einen Seite Auf der anderen Sei-te stehen Milliarden die aufgrund geringerer Ge-winnerwartungen produktiver Investitionen in den spekulativen Finanzsektor abwandern

Das Finanzsystem steht nach der Krise die durch den Handel mit wertlosen Finanzderivaten (bdquoSub-primesldquo) ausgeloumlst wurde vor dem Crash und droht die Realoumlkonomie mit in den Abgrund zu ziehen

Soziale Sicherungssysteme werden im Eilzugstem-po zerstoumlrt Pensionen werden bdquogesichertldquo - solan-ge bis nichts mehr uumlbrig bleibt Besonders radikal wurde diese Politik unter Margret Thatcher um-gesetzt Die staatliche Pension wurde weitgehend abgeschafft Ergebnis ist die im Vergleich deutlich houmlhere Altersarmut in diesem Land

Massenentlassungen und Verlagerungen der Pro-duktion in Niedriglohnlaumlnder werden ndash zum Teil mit staatlichen Mitteln gefoumlrdert - auch von oumlkono-misch gesunden Betrieben zwecks Profitmaximie-rung durchgefuumlhrt Ein Steuerwettlauf nach unten sorgt dafuumlr dass Unternehmen immer weniger zum Gemeinwohl beitragen

Die Kritik am Neoliberalismus ist mittlerweile auch im (konservativen) politischen Mainstream angekommen Der ehemalige Ministerpraumlsident Bayerns Guumlnther Beckstein erklaumlrte in der Suumld-deutschen Zeitung bdquoDie freie Marktwirtschaft ist gescheitert ebenso wie die staatliche Uumlberregulie-rungldquo und forderte eine neue Wirtschaftsordnung (vgl SZ vom 1032009) Nicolas Sarkozy sprach beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2010 gar von einer bdquoEntartung des Kapitalismusldquo (Welt Online vom 27012010)

Eine durchaus tendenziell anti-kapitalistische (zu-

mindest anti-neoliberale) Stimmung macht sich breit Die Zustimmung der Bevoumllkerung zu buumlr-gerlich-demokratischen Systemen schwindet und macht sich etwa durch steigende Wahlenthaltung bemerkbar Es wird auch klar erkannt dass der Ein-fluss der Konzerne auf die Politik zu groszlig ist (etwa in Bruumlssel) und daher reduziert werden sollte

In einer globalen Umfrage von BBC World Ser-vice die 2009 in 27 Laumlndern durchgefuumlhrt wurde zeigte sich wenig Begeisterung fuumlr den marktlibera-len Kapitalismus gerade mal 11 fanden ihn gut und meinten dass mehr Regulierung keine gute Idee ist (vgl BBC World Service Poll Wide Dissa-tisfaction with Capitalism mdash Twenty Years after Fall of Berlin Wall November 2009)

Uumlberwiegend wurde seine Reformierung durch Re-gulierung gefordert ndash und zwar von 51 der 29000 Befragten Auch eine staumlrkere Kontrolle der groszligen Industrie wird mehrheitlich unterstuumltzt

Immerhin 23 sahen im kapitalistischen System keine Perspektive (mehr) und moumlchten ihn gerne abschaffen In Frankreich waren es sogar 44

Doch trotz alledem scheint der Neoliberalismus aber heute fester im Sattel zu sitzen als je zuvor Colin Crouch spricht in diesem Zusammenhang bdquovom befremdlichen Uumlberleben des Neoliberalis-musldquo (Suhrkamp Verlag 2011)

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

7

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

bdquoNeue Soziale Bewegungenldquo entstanden im An-schluss an die StudentInnenenbewegung in den 70er und 80er Jahren in Westeuropa und den USA Diese inhaltlich sehr heterogene Bewegung - die Themen Frieden Frauen Oumlkologie Dritte Welt seien nur exemplarisch erwaumlhnt ndash war auch ideolo-gisch sehr unterschiedlich Besonders die Umwelt-bewegung hatte mit ihren Schwerpunkten Atom und Chemie die Industrie als bdquonatuumlrlicheldquo Gegne-rin attackiert und in die Defensive gedraumlngt Der ldquoOumllschockrdquo fuumlhrte zur Diskussion um begrenzte Ressourcen ndash die ldquoGrenzen des Wachstumsldquo wur-den aufgezeigt ndash und damit ein zentrales Paradigma kapitalistischer Produktion in Frage gestellt

Die globalisierungskritische Bewegung ruumlckte in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die nun vorherrschenden neoliberalen Politikmuster und die sie propagierenden Institutionen wie WTO und IMF mit ihrer vorherrschenden Shareholder-Value-Orientierung in den Mittelpunkt der Kritik

Das Verhalten von bestimmten Bekleidungskon-zernen wie zB Nike Puma oder Adidas wurde an den Pranger gestellt Es stellte sich heraus dass die Produkte dieser Unternehmen teilweise unter schlimmsten sozialen Bedingungen - mit Kinderar-beit und woumlchentliche Arbeitszeiten von weit uumlber 60 Stunden usw - hergestellt werden und dabei so-gar die Normen der ILO (International Labour Or-ganisation) verletzten Bilder sogenannter ldquoSweat-Shopsrdquo die an Zwangsarbeitslager erinnern gingen durch die Medien

Der Oumllkonzern Shell wurde 1995 bei einer Aktion von Greenpeace mit Tankboykotten fuumlr die beab-sichtigte Versenkung einer Oumllplattform (Brent Spar) und Verbindungen zu Menschenrechtsver-letzungen abgestraft

Heute ist zu beobachten dass die unterschiedli-chen Straumlnge der Bewegung immer staumlrker zusam-menwachsen Damit kommt es nunmehr auch zu Kooperationen die uumlber fruumlhere Beschraumlnkungen organisatorischer bzw geographischer Natur hin-ausgehen wobei neue anti-neoliberale strategische Allianzen gebildet werden ndash etwa die Zusammen-arbeit von gewerkschaftlichen Einrichtungen mit NGOs auf nationaler wie internationaler Ebene

Trotz aller Verschiedenheit vereint sie ein zentra-les Element die Einsicht dass dem multinational agierenden Kapital eine multinationale anti-neoli-berale Bewegung entgegentreten muss Nicht das reaktionaumlre zuruumlck zum Nationalstaat (wie von der Rechten gefordert) sondern die regulierte an so-zialen und oumlkologische Zielen ausgerichtete Welt-oumlkonomie (bzw das regulierte Europa) soll an Stel-le des marktradikalen Kapitalismus treten

Teile des Kapitals ndash insbesondere die Groszligkonzerne - reagieren auf den befuumlrchteten bdquoRollbackldquo mit einer scheinbaren Modifizierung des Prinzips der uneinge-schraumlnkten Profitmaximierung (bdquoshareholder valueldquo) und beteuern gesellschaftlichen Verantwortung fort-an bei der Unternehmensfuumlhrung wahrnehmen zu wollen Dabei spielen die in den folgenden Kapiteln erwaumlhnten Strategien eine wichtige Rolle

CSR als Gegenreaktion der Industrie

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

CorporateSocialResponsibility(CSR)

8

Image

Unternehmen moumlchten von NGOs nicht gerne atta-ckiert werden oder Zielscheibe eines Kaufboykotts werden Dies betrifft hauptsaumlchlich Markenfir-men die Produkte fuumlr VerbraucherInnen herstel-len Wenig Sorgen muumlssen sich in dieser Hinsicht ProduzentInnen von Investitionsguumltern oder auch unbekannte HerstellerInnen machen Nur weni-ge Aktionen sind allerdings so erfolgreich wie der Boykott von Shell im Jahr 1995 bei dem in der BRD bis zu 50 Umsatzruumlckgaumlnge beobachtet wurden und der tatsaumlchlich die Versenkung der Oumllplatt-form Brent Spar verhindern konnte

Die Schlieszligung eines Werkes von Nokia 2008 in Bochum fuumlhrte zwar in der Folge zum Verlust von Marktanteilen aber wirklich schmerzhaft und ab-schreckend fuumlr zukuumlnftige Aktionen dieser Art war er vermutlich nicht Daraus folgt dass Markenun-ternehmen eigentlich nur ausnahmsweise mit star-ken und andauernden Absatzeinbuszligen als Ergebnis von Kaufboykott-Aufrufen rechnen muumlssen womit wenig Anreiz fuumlr umfassend nachhaltige Unter-nehmenspolitik geboten wird Dennoch ist dies ein Faktor den Geschaumlftsfuumlhrungen groszliger Konzerne beruumlcksichtigen muumlssen ndash zumindest um zu ver-meiden mit houmlchst anruumlchigen Praktiken wie Kin-derarbeit in Verbindung gebracht zu werden

Aumlhnlich gelagert ist der Fall bei drohenden Image-schaumlden Wie Naomi Klein in ihrem 2000 erschie-nenem Buch bdquoNo Logoldquo zeigen konnte wandelt sich die klassisch produzierende Industrie mehr und mehr in Vermarktungsunternehmen die von exter-nen Unternehmen produzierte Artikel verkaufen (Beispiel Nike) Mit Milliardenaufwand fuumlr Wer-bung werden diese Produkte mit passenden Logos und Botschaften verknuumlpft die ein neues Lebens-gefuumlhl versprechen Die Marke wird mit attraktiven Bildern Begriffen und Prominenten in Verbindung gebracht Wichtig sind die mit dem Produkt asso-ziierten Vorstellungen ndash die wirklichen Eigenschaf-ten der Produkte treten in den Hintergrund

Das gilt auch fuumlr die produzierende Industrie Da-none zB verkauft die Illusion eines einzigartigen Joghurts welches nicht nur das Immunsystem (und damit die Gesundheit) in den Turbo-Modus bringt sondern auch nebenbei die Verdauung saniert

Organisationen wie bdquoFood Watchldquo (BRD) koumlnnen mit Negativpreisen wie dem bdquoGoldenen Windbeu-telldquo die fragwuumlrdigen Werbepraktiken solcher Un-ternehmen anprangern und das mit viel Geld auf-gebaute Image ein wenig erschuumlttern Aber setzen sich negative Imagewerte in (laumlngerfristige) Um-satzruumlckgaumlnge um Und reichen diese um Danone zu zwingen das Businessmodell zu aumlndern Das ist eher ungewiss

Zahnlose Gesetze erleichtern Unternehmen wie Danone zudem irrefuumlhrende Werbung zu verbrei-ten So verlor der Verein fuumlr Konsumenteninforma-tion (VKI) einen Prozess in mehreren Instanzen ge-gen Danone in Sachen Actimel3 Das Unternehmen hatte mit dem Satz bdquoDie positive Wirkung wurde vom Gesundheitsministerium bestaumltigtldquo geworben und damit den Eindruck erweckt dass die gesund-heitsbezogenen Angaben Danones amtlich bestauml-tigt wurden Tatsaumlchlich wurde aber nur die damals in Oumlsterreich guumlltige gesetzliche Vorschrift erfuumlllt Werbeaussagen vorab dem Ministerium zu melden

Potentielle Imageschaumlden sind zumindest eine be-schraumlnkte Triebkraft in Richtung (wirklicher) ge-sellschaftlicher Verantwortung Es ist aber vielfach extrem schwierig und mit hohem Aufwand verbun-den Unternehmen (schuldhaftes) Fehlverhalten nachzuweisen Dazu kommt dass das oumlffentliche Interesse haumlufig nur von kurzer Dauer ist

3httpwwwverbraucherrechtatcmsindexphpid=49ampno_cache=1amptx_ttnews[swords]=danoneamptx_ttnews[tt_news]=570amptx_ttnews[backPid]=2030

Bild

emspfo

od

wat

ch

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

4

Einleitung

bdquoCorporate Social Responsibility (CSR) wurde als Antwort auf konzernfeindliche Kampagnen entwi-ckelt welche die gesellschaftliche Akzeptanz von Unternehmen bedrohten Aber gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist ein Wider-spruch in sich selbst Firmen sind gesetzlich ver-pflichtet Profite im Interesse ihrer Aktienbesitzer zu maximieren Dieser Auftrag Geld verdienen uumlber alle anderen Uumlberlegungen zu stellen bedeu-tet dass Unternehmen nur dann sbquogesellschaftlich verantwortlichlsquo sein koumlnnen wenn sie unaufrichtig sind Der fragwuumlrdige soziale Nutzen von CSR wird von Verlusten fuumlr die Gesellschaft in anderen Be-reichen uumlberboten CSR ist eine effektive Strategie um das oumlffentliche Image eines Unternehmens zu staumlrken Regulierung zu verhindern Legitimitaumlt Zugang zu Maumlrkten und Entscheidungstraumlgern zu gewinnen und den Boden fuumlr Privatisierung oumlf-fentlicher Aufgaben zu bereiten CSR ermoumlglicht der Wirtschaft ineffektive freiwillige marktori-entierte Loumlsungen fuumlr soziale und umweltbezogene Krisen unter dem Vorwand verantwortlich zu sein vorzuschlagen Das lenkt von Problemen ab welche durch wirtschaftliche Taumltigkeiten entstehen und schuumltzt die Interessen von Unternehmen waumlhrend Bemuumlhungen zur Bekaumlmpfung der Ursachen sozia-ler und Umwelt bezogener Ungerechtigkeit behin-dert werdenldquo

So beginnt die Einleitung einer Publikation mit dem Titel bdquoWhatrsquos wrong with Corporate Social Responsibilityldquo (Corporate Watch Report 20061) eine der wenigen umfassenden kritischen Ana-lysen der Grundkonzeptionen von CSR Sie stellt den Startpunkt fuumlr die vorliegende Broschuumlre dar Es soll gezeigt werden dass CSR im Kern der Ver-such der groszligen Konzerne ist dem neoliberalen Kapitalismus eine gruumlne bzw nachhaltige Fassade zu geben Regulierung zu verhindern und damit Shareholder-Value zu generieren An diesem Ge-schaumlft wollen viele partizipieren (zB BeraterInnen ZertifiziererInnen Marketingfirmen)

Freilich bedeutet dies nicht dass alle CSR-Projekte oder Initiativen schlecht sind Selbstverstaumlndlich gibt es auch positive Beispiele die natuumlrlich von NeSoVe unterstuumltzt werden Doch sie sind erstens rar und zweitens kaum in der Lage die notwendi-gen Kurskorrekturen in Richtung Nachhaltigkeit und die erforderlichen Aumlnderungen des Wirt-

schaftssystems zu bewirken Denn wir werden im Lichte der sich immer deutlicher manifestierenden umfassenden wirtschaftlichen sozialen und oumlkolo-gischen Krise und der zur Neige gehenden Rohstof-fe um fundamentale Aumlnderungen unserer gesamten Lebensweise nicht herumkommen Kosmetische Korrekturen bringen uns da nicht viel weiter Dazu noch ein Zitat vom Beginn der oben erwaumlhnten Pu-blikation bdquoLetztlich ist CSR kein Schritt in Rich-tung grundlegender Reformen der wirtschaftlichen Strukturen sondern lenkt davon abldquo (Corporate Watch Report 2006)

Turbokapitalismus und ernst gemeinte gesell-schaftliche Verantwortung sind nicht kompatibel Daher muss die Fesselung der entfesselten Markt-kraumlfte die (Re-)regulierung der Rahmenbedingun-gen unternehmerischen Handelns oberste Prioritaumlt haben Das schlieszligt ergaumlnzende freiwillige Leis-tungen der Industrie (und anderer Organisationen) nicht aus vorausgesetzt dass anspruchsvolle und verifizierbare bzw kontrollierbare Regeln in einem demokratischen Prozess festgelegt werden Ob die Wirtschaft daran Interesse hat scheint aber mehr als fraglich

1httpwwwcorporatewatchorgdownloadphpid=55

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

5

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Definitionen von (C)SR

Auch wenn es derzeit noch verschiedene Definitio-nen zum Begriff (Corporate) Social Responsibility - (C)SR - gibt so besteht doch weitgehende Uumlber-einstimmung uumlber die wesentlichen Grundelemen-te dieses Managementkonzepts

Kurz und buumlndig definierte die Europaumlische Kommission im Gruumlnbuch 20012 bdquoSoziale Ver-antwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility - CSR) ist ein Konzept das den Un-ternehmen als Grundlage dient um auf freiwilliger Basis soziale und oumlkologische Belange in ihre Un-ternehmenstaumltigkeit und in die Beziehungen zu den Stakeholdern zu integrierenldquo (Gruumlnbuch ldquoEuropaumli-sche Rahmenbedingungen fuumlr die soziale Verant-wortung der Unternehmenrdquo KOM(2001) 366)

Etwas umfassender definiert die ISO 26000 bdquoLeitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortungldquo Social Responsibility als bdquoVerantwortung einer Or-ganisation fuumlr die Auswirkungen ihrer Entschei-dungen und Aktivitaumlten auf die Gesellschaft und die Umwelt durch transparentes und ethisches Ver-halten das zur nachhaltigen Entwicklung Gesund-heit und Gemeinwohl eingeschlossen beitraumlgt die Erwartungen der Anspruchsgruppen beruumlcksich-tigt anwendbares Recht einhaumllt und im Einklang

mit internationalen Verhaltensstandards steht und in der gesamten Organisation integriert ist und in ihren Beziehungen gelebt wirdldquo

Es zeigt sich dass diese Definitionen so breit gehal-ten sind dass sie von fast allen (nicht-kriminellen) Organisationen erfuumlllt werden koumlnnen Denn die meisten Unternehmen tun irgend etwas Nuumltzli-ches fuumlr die Gesellschaft und gehen dabei uumlber ge-setzliche Anforderungen hinaus Energieintensive Unternehmen werden beispielsweise (freiwillig) versuchen durch Energiesparen Kosten zu senken Das ist ein ganz normaler marktwirtschaftlicher Vorgang Von Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung koumlnnte man allenfalls sprechen wenn die Reduktion uumlber das betriebswirtschaftli-che Kalkuumll hinausgehend deutlich uumlber der Ener-giereduktion vergleichbarer anderer Unternehmen liegt

Hier stellen sich einige fundamentale Fragen

Wer bestimmt was unter gemeinwohlorientiertem Verhalten zu verstehen ist und auf welchem Weg dies zu erreichen ist

Wo liegen die Grenzen zwischen bdquoBusiness as usualldquo und daruumlber hinausgehendem Enga-gement jenseits rein betriebswirtschaftlicher Rentabilitaumltsuumlberlegung

Wenn CSR-Maszlignahmen im Interesse der Gesell-schaft Kosten verursachen (und das wird wohl zu-meist der Fall sein) - werden die Unternehmen be-reit sein reduzierte Profite oder VerbraucherInnen erhoumlhte Kosten zu akzeptieren

Wenn solche Maszlignahmen profitabel sind - warum werden sie in einer kapitalistischen auf Profit-maximierung beruhenden Wirtschaft nicht laumlngst durchgefuumlhrt

Gibt es empirische Belege dass die Wirtschaft durch freiwillige Maszlignahmen zu einer signifikan-ten Verbesserung sozialer und oumlkologischer Belan-ge beigetragen hat

Warum betreibt die Wirtschaft intensives Lobby-ing um solche Verbesserungen mit allen Mitteln auf der politischen Ebene zu hintertreiben

2ZurneuenDefinitionderKommissionsieheKapitelbdquoCSR-PolitikinOumlsterreichundinderEUldquo

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

CorporateSocialResponsibility(CSR)

6

Der neoliberale Hintergrund

Zu Beginn des 21 Jahrhunderts zeigen sich die zer-stoumlrerischen Konsequenzen von drei Jahrzehnten neoliberaler Politik des schrankenlosen Marktes der Privatisierung der Deregulierung und Libera-lisierung im Interesse des Kapitals

Die Reichen werden reicher die Armen aumlrmer Schon lange nicht haben sich die Wohlhabenden so schamlos bedient und den Mittellosen die Butter vom Brot gestohlen Die oumlkonomische Konsequenz ist die Drosselung der Wirtschaft durch mangelnde Nachfrage auf der einen Seite Auf der anderen Sei-te stehen Milliarden die aufgrund geringerer Ge-winnerwartungen produktiver Investitionen in den spekulativen Finanzsektor abwandern

Das Finanzsystem steht nach der Krise die durch den Handel mit wertlosen Finanzderivaten (bdquoSub-primesldquo) ausgeloumlst wurde vor dem Crash und droht die Realoumlkonomie mit in den Abgrund zu ziehen

Soziale Sicherungssysteme werden im Eilzugstem-po zerstoumlrt Pensionen werden bdquogesichertldquo - solan-ge bis nichts mehr uumlbrig bleibt Besonders radikal wurde diese Politik unter Margret Thatcher um-gesetzt Die staatliche Pension wurde weitgehend abgeschafft Ergebnis ist die im Vergleich deutlich houmlhere Altersarmut in diesem Land

Massenentlassungen und Verlagerungen der Pro-duktion in Niedriglohnlaumlnder werden ndash zum Teil mit staatlichen Mitteln gefoumlrdert - auch von oumlkono-misch gesunden Betrieben zwecks Profitmaximie-rung durchgefuumlhrt Ein Steuerwettlauf nach unten sorgt dafuumlr dass Unternehmen immer weniger zum Gemeinwohl beitragen

Die Kritik am Neoliberalismus ist mittlerweile auch im (konservativen) politischen Mainstream angekommen Der ehemalige Ministerpraumlsident Bayerns Guumlnther Beckstein erklaumlrte in der Suumld-deutschen Zeitung bdquoDie freie Marktwirtschaft ist gescheitert ebenso wie die staatliche Uumlberregulie-rungldquo und forderte eine neue Wirtschaftsordnung (vgl SZ vom 1032009) Nicolas Sarkozy sprach beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2010 gar von einer bdquoEntartung des Kapitalismusldquo (Welt Online vom 27012010)

Eine durchaus tendenziell anti-kapitalistische (zu-

mindest anti-neoliberale) Stimmung macht sich breit Die Zustimmung der Bevoumllkerung zu buumlr-gerlich-demokratischen Systemen schwindet und macht sich etwa durch steigende Wahlenthaltung bemerkbar Es wird auch klar erkannt dass der Ein-fluss der Konzerne auf die Politik zu groszlig ist (etwa in Bruumlssel) und daher reduziert werden sollte

In einer globalen Umfrage von BBC World Ser-vice die 2009 in 27 Laumlndern durchgefuumlhrt wurde zeigte sich wenig Begeisterung fuumlr den marktlibera-len Kapitalismus gerade mal 11 fanden ihn gut und meinten dass mehr Regulierung keine gute Idee ist (vgl BBC World Service Poll Wide Dissa-tisfaction with Capitalism mdash Twenty Years after Fall of Berlin Wall November 2009)

Uumlberwiegend wurde seine Reformierung durch Re-gulierung gefordert ndash und zwar von 51 der 29000 Befragten Auch eine staumlrkere Kontrolle der groszligen Industrie wird mehrheitlich unterstuumltzt

Immerhin 23 sahen im kapitalistischen System keine Perspektive (mehr) und moumlchten ihn gerne abschaffen In Frankreich waren es sogar 44

Doch trotz alledem scheint der Neoliberalismus aber heute fester im Sattel zu sitzen als je zuvor Colin Crouch spricht in diesem Zusammenhang bdquovom befremdlichen Uumlberleben des Neoliberalis-musldquo (Suhrkamp Verlag 2011)

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

7

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

bdquoNeue Soziale Bewegungenldquo entstanden im An-schluss an die StudentInnenenbewegung in den 70er und 80er Jahren in Westeuropa und den USA Diese inhaltlich sehr heterogene Bewegung - die Themen Frieden Frauen Oumlkologie Dritte Welt seien nur exemplarisch erwaumlhnt ndash war auch ideolo-gisch sehr unterschiedlich Besonders die Umwelt-bewegung hatte mit ihren Schwerpunkten Atom und Chemie die Industrie als bdquonatuumlrlicheldquo Gegne-rin attackiert und in die Defensive gedraumlngt Der ldquoOumllschockrdquo fuumlhrte zur Diskussion um begrenzte Ressourcen ndash die ldquoGrenzen des Wachstumsldquo wur-den aufgezeigt ndash und damit ein zentrales Paradigma kapitalistischer Produktion in Frage gestellt

Die globalisierungskritische Bewegung ruumlckte in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die nun vorherrschenden neoliberalen Politikmuster und die sie propagierenden Institutionen wie WTO und IMF mit ihrer vorherrschenden Shareholder-Value-Orientierung in den Mittelpunkt der Kritik

Das Verhalten von bestimmten Bekleidungskon-zernen wie zB Nike Puma oder Adidas wurde an den Pranger gestellt Es stellte sich heraus dass die Produkte dieser Unternehmen teilweise unter schlimmsten sozialen Bedingungen - mit Kinderar-beit und woumlchentliche Arbeitszeiten von weit uumlber 60 Stunden usw - hergestellt werden und dabei so-gar die Normen der ILO (International Labour Or-ganisation) verletzten Bilder sogenannter ldquoSweat-Shopsrdquo die an Zwangsarbeitslager erinnern gingen durch die Medien

Der Oumllkonzern Shell wurde 1995 bei einer Aktion von Greenpeace mit Tankboykotten fuumlr die beab-sichtigte Versenkung einer Oumllplattform (Brent Spar) und Verbindungen zu Menschenrechtsver-letzungen abgestraft

Heute ist zu beobachten dass die unterschiedli-chen Straumlnge der Bewegung immer staumlrker zusam-menwachsen Damit kommt es nunmehr auch zu Kooperationen die uumlber fruumlhere Beschraumlnkungen organisatorischer bzw geographischer Natur hin-ausgehen wobei neue anti-neoliberale strategische Allianzen gebildet werden ndash etwa die Zusammen-arbeit von gewerkschaftlichen Einrichtungen mit NGOs auf nationaler wie internationaler Ebene

Trotz aller Verschiedenheit vereint sie ein zentra-les Element die Einsicht dass dem multinational agierenden Kapital eine multinationale anti-neoli-berale Bewegung entgegentreten muss Nicht das reaktionaumlre zuruumlck zum Nationalstaat (wie von der Rechten gefordert) sondern die regulierte an so-zialen und oumlkologische Zielen ausgerichtete Welt-oumlkonomie (bzw das regulierte Europa) soll an Stel-le des marktradikalen Kapitalismus treten

Teile des Kapitals ndash insbesondere die Groszligkonzerne - reagieren auf den befuumlrchteten bdquoRollbackldquo mit einer scheinbaren Modifizierung des Prinzips der uneinge-schraumlnkten Profitmaximierung (bdquoshareholder valueldquo) und beteuern gesellschaftlichen Verantwortung fort-an bei der Unternehmensfuumlhrung wahrnehmen zu wollen Dabei spielen die in den folgenden Kapiteln erwaumlhnten Strategien eine wichtige Rolle

CSR als Gegenreaktion der Industrie

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

CorporateSocialResponsibility(CSR)

8

Image

Unternehmen moumlchten von NGOs nicht gerne atta-ckiert werden oder Zielscheibe eines Kaufboykotts werden Dies betrifft hauptsaumlchlich Markenfir-men die Produkte fuumlr VerbraucherInnen herstel-len Wenig Sorgen muumlssen sich in dieser Hinsicht ProduzentInnen von Investitionsguumltern oder auch unbekannte HerstellerInnen machen Nur weni-ge Aktionen sind allerdings so erfolgreich wie der Boykott von Shell im Jahr 1995 bei dem in der BRD bis zu 50 Umsatzruumlckgaumlnge beobachtet wurden und der tatsaumlchlich die Versenkung der Oumllplatt-form Brent Spar verhindern konnte

Die Schlieszligung eines Werkes von Nokia 2008 in Bochum fuumlhrte zwar in der Folge zum Verlust von Marktanteilen aber wirklich schmerzhaft und ab-schreckend fuumlr zukuumlnftige Aktionen dieser Art war er vermutlich nicht Daraus folgt dass Markenun-ternehmen eigentlich nur ausnahmsweise mit star-ken und andauernden Absatzeinbuszligen als Ergebnis von Kaufboykott-Aufrufen rechnen muumlssen womit wenig Anreiz fuumlr umfassend nachhaltige Unter-nehmenspolitik geboten wird Dennoch ist dies ein Faktor den Geschaumlftsfuumlhrungen groszliger Konzerne beruumlcksichtigen muumlssen ndash zumindest um zu ver-meiden mit houmlchst anruumlchigen Praktiken wie Kin-derarbeit in Verbindung gebracht zu werden

Aumlhnlich gelagert ist der Fall bei drohenden Image-schaumlden Wie Naomi Klein in ihrem 2000 erschie-nenem Buch bdquoNo Logoldquo zeigen konnte wandelt sich die klassisch produzierende Industrie mehr und mehr in Vermarktungsunternehmen die von exter-nen Unternehmen produzierte Artikel verkaufen (Beispiel Nike) Mit Milliardenaufwand fuumlr Wer-bung werden diese Produkte mit passenden Logos und Botschaften verknuumlpft die ein neues Lebens-gefuumlhl versprechen Die Marke wird mit attraktiven Bildern Begriffen und Prominenten in Verbindung gebracht Wichtig sind die mit dem Produkt asso-ziierten Vorstellungen ndash die wirklichen Eigenschaf-ten der Produkte treten in den Hintergrund

Das gilt auch fuumlr die produzierende Industrie Da-none zB verkauft die Illusion eines einzigartigen Joghurts welches nicht nur das Immunsystem (und damit die Gesundheit) in den Turbo-Modus bringt sondern auch nebenbei die Verdauung saniert

Organisationen wie bdquoFood Watchldquo (BRD) koumlnnen mit Negativpreisen wie dem bdquoGoldenen Windbeu-telldquo die fragwuumlrdigen Werbepraktiken solcher Un-ternehmen anprangern und das mit viel Geld auf-gebaute Image ein wenig erschuumlttern Aber setzen sich negative Imagewerte in (laumlngerfristige) Um-satzruumlckgaumlnge um Und reichen diese um Danone zu zwingen das Businessmodell zu aumlndern Das ist eher ungewiss

Zahnlose Gesetze erleichtern Unternehmen wie Danone zudem irrefuumlhrende Werbung zu verbrei-ten So verlor der Verein fuumlr Konsumenteninforma-tion (VKI) einen Prozess in mehreren Instanzen ge-gen Danone in Sachen Actimel3 Das Unternehmen hatte mit dem Satz bdquoDie positive Wirkung wurde vom Gesundheitsministerium bestaumltigtldquo geworben und damit den Eindruck erweckt dass die gesund-heitsbezogenen Angaben Danones amtlich bestauml-tigt wurden Tatsaumlchlich wurde aber nur die damals in Oumlsterreich guumlltige gesetzliche Vorschrift erfuumlllt Werbeaussagen vorab dem Ministerium zu melden

Potentielle Imageschaumlden sind zumindest eine be-schraumlnkte Triebkraft in Richtung (wirklicher) ge-sellschaftlicher Verantwortung Es ist aber vielfach extrem schwierig und mit hohem Aufwand verbun-den Unternehmen (schuldhaftes) Fehlverhalten nachzuweisen Dazu kommt dass das oumlffentliche Interesse haumlufig nur von kurzer Dauer ist

3httpwwwverbraucherrechtatcmsindexphpid=49ampno_cache=1amptx_ttnews[swords]=danoneamptx_ttnews[tt_news]=570amptx_ttnews[backPid]=2030

Bild

emspfo

od

wat

ch

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

5

ww

wc

orp

ora

tew

atch

org

Definitionen von (C)SR

Auch wenn es derzeit noch verschiedene Definitio-nen zum Begriff (Corporate) Social Responsibility - (C)SR - gibt so besteht doch weitgehende Uumlber-einstimmung uumlber die wesentlichen Grundelemen-te dieses Managementkonzepts

Kurz und buumlndig definierte die Europaumlische Kommission im Gruumlnbuch 20012 bdquoSoziale Ver-antwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility - CSR) ist ein Konzept das den Un-ternehmen als Grundlage dient um auf freiwilliger Basis soziale und oumlkologische Belange in ihre Un-ternehmenstaumltigkeit und in die Beziehungen zu den Stakeholdern zu integrierenldquo (Gruumlnbuch ldquoEuropaumli-sche Rahmenbedingungen fuumlr die soziale Verant-wortung der Unternehmenrdquo KOM(2001) 366)

Etwas umfassender definiert die ISO 26000 bdquoLeitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortungldquo Social Responsibility als bdquoVerantwortung einer Or-ganisation fuumlr die Auswirkungen ihrer Entschei-dungen und Aktivitaumlten auf die Gesellschaft und die Umwelt durch transparentes und ethisches Ver-halten das zur nachhaltigen Entwicklung Gesund-heit und Gemeinwohl eingeschlossen beitraumlgt die Erwartungen der Anspruchsgruppen beruumlcksich-tigt anwendbares Recht einhaumllt und im Einklang

mit internationalen Verhaltensstandards steht und in der gesamten Organisation integriert ist und in ihren Beziehungen gelebt wirdldquo

Es zeigt sich dass diese Definitionen so breit gehal-ten sind dass sie von fast allen (nicht-kriminellen) Organisationen erfuumlllt werden koumlnnen Denn die meisten Unternehmen tun irgend etwas Nuumltzli-ches fuumlr die Gesellschaft und gehen dabei uumlber ge-setzliche Anforderungen hinaus Energieintensive Unternehmen werden beispielsweise (freiwillig) versuchen durch Energiesparen Kosten zu senken Das ist ein ganz normaler marktwirtschaftlicher Vorgang Von Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung koumlnnte man allenfalls sprechen wenn die Reduktion uumlber das betriebswirtschaftli-che Kalkuumll hinausgehend deutlich uumlber der Ener-giereduktion vergleichbarer anderer Unternehmen liegt

Hier stellen sich einige fundamentale Fragen

Wer bestimmt was unter gemeinwohlorientiertem Verhalten zu verstehen ist und auf welchem Weg dies zu erreichen ist

Wo liegen die Grenzen zwischen bdquoBusiness as usualldquo und daruumlber hinausgehendem Enga-gement jenseits rein betriebswirtschaftlicher Rentabilitaumltsuumlberlegung

Wenn CSR-Maszlignahmen im Interesse der Gesell-schaft Kosten verursachen (und das wird wohl zu-meist der Fall sein) - werden die Unternehmen be-reit sein reduzierte Profite oder VerbraucherInnen erhoumlhte Kosten zu akzeptieren

Wenn solche Maszlignahmen profitabel sind - warum werden sie in einer kapitalistischen auf Profit-maximierung beruhenden Wirtschaft nicht laumlngst durchgefuumlhrt

Gibt es empirische Belege dass die Wirtschaft durch freiwillige Maszlignahmen zu einer signifikan-ten Verbesserung sozialer und oumlkologischer Belan-ge beigetragen hat

Warum betreibt die Wirtschaft intensives Lobby-ing um solche Verbesserungen mit allen Mitteln auf der politischen Ebene zu hintertreiben

2ZurneuenDefinitionderKommissionsieheKapitelbdquoCSR-PolitikinOumlsterreichundinderEUldquo

Bild

emsp[Y

anik

emspCha

uvi

n]1

23R

FC

OM

CorporateSocialResponsibility(CSR)

6

Der neoliberale Hintergrund

Zu Beginn des 21 Jahrhunderts zeigen sich die zer-stoumlrerischen Konsequenzen von drei Jahrzehnten neoliberaler Politik des schrankenlosen Marktes der Privatisierung der Deregulierung und Libera-lisierung im Interesse des Kapitals

Die Reichen werden reicher die Armen aumlrmer Schon lange nicht haben sich die Wohlhabenden so schamlos bedient und den Mittellosen die Butter vom Brot gestohlen Die oumlkonomische Konsequenz ist die Drosselung der Wirtschaft durch mangelnde Nachfrage auf der einen Seite Auf der anderen Sei-te stehen Milliarden die aufgrund geringerer Ge-winnerwartungen produktiver Investitionen in den spekulativen Finanzsektor abwandern

Das Finanzsystem steht nach der Krise die durch den Handel mit wertlosen Finanzderivaten (bdquoSub-primesldquo) ausgeloumlst wurde vor dem Crash und droht die Realoumlkonomie mit in den Abgrund zu ziehen

Soziale Sicherungssysteme werden im Eilzugstem-po zerstoumlrt Pensionen werden bdquogesichertldquo - solan-ge bis nichts mehr uumlbrig bleibt Besonders radikal wurde diese Politik unter Margret Thatcher um-gesetzt Die staatliche Pension wurde weitgehend abgeschafft Ergebnis ist die im Vergleich deutlich houmlhere Altersarmut in diesem Land

Massenentlassungen und Verlagerungen der Pro-duktion in Niedriglohnlaumlnder werden ndash zum Teil mit staatlichen Mitteln gefoumlrdert - auch von oumlkono-misch gesunden Betrieben zwecks Profitmaximie-rung durchgefuumlhrt Ein Steuerwettlauf nach unten sorgt dafuumlr dass Unternehmen immer weniger zum Gemeinwohl beitragen

Die Kritik am Neoliberalismus ist mittlerweile auch im (konservativen) politischen Mainstream angekommen Der ehemalige Ministerpraumlsident Bayerns Guumlnther Beckstein erklaumlrte in der Suumld-deutschen Zeitung bdquoDie freie Marktwirtschaft ist gescheitert ebenso wie die staatliche Uumlberregulie-rungldquo und forderte eine neue Wirtschaftsordnung (vgl SZ vom 1032009) Nicolas Sarkozy sprach beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2010 gar von einer bdquoEntartung des Kapitalismusldquo (Welt Online vom 27012010)

Eine durchaus tendenziell anti-kapitalistische (zu-

mindest anti-neoliberale) Stimmung macht sich breit Die Zustimmung der Bevoumllkerung zu buumlr-gerlich-demokratischen Systemen schwindet und macht sich etwa durch steigende Wahlenthaltung bemerkbar Es wird auch klar erkannt dass der Ein-fluss der Konzerne auf die Politik zu groszlig ist (etwa in Bruumlssel) und daher reduziert werden sollte

In einer globalen Umfrage von BBC World Ser-vice die 2009 in 27 Laumlndern durchgefuumlhrt wurde zeigte sich wenig Begeisterung fuumlr den marktlibera-len Kapitalismus gerade mal 11 fanden ihn gut und meinten dass mehr Regulierung keine gute Idee ist (vgl BBC World Service Poll Wide Dissa-tisfaction with Capitalism mdash Twenty Years after Fall of Berlin Wall November 2009)

Uumlberwiegend wurde seine Reformierung durch Re-gulierung gefordert ndash und zwar von 51 der 29000 Befragten Auch eine staumlrkere Kontrolle der groszligen Industrie wird mehrheitlich unterstuumltzt

Immerhin 23 sahen im kapitalistischen System keine Perspektive (mehr) und moumlchten ihn gerne abschaffen In Frankreich waren es sogar 44

Doch trotz alledem scheint der Neoliberalismus aber heute fester im Sattel zu sitzen als je zuvor Colin Crouch spricht in diesem Zusammenhang bdquovom befremdlichen Uumlberleben des Neoliberalis-musldquo (Suhrkamp Verlag 2011)

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

7

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

bdquoNeue Soziale Bewegungenldquo entstanden im An-schluss an die StudentInnenenbewegung in den 70er und 80er Jahren in Westeuropa und den USA Diese inhaltlich sehr heterogene Bewegung - die Themen Frieden Frauen Oumlkologie Dritte Welt seien nur exemplarisch erwaumlhnt ndash war auch ideolo-gisch sehr unterschiedlich Besonders die Umwelt-bewegung hatte mit ihren Schwerpunkten Atom und Chemie die Industrie als bdquonatuumlrlicheldquo Gegne-rin attackiert und in die Defensive gedraumlngt Der ldquoOumllschockrdquo fuumlhrte zur Diskussion um begrenzte Ressourcen ndash die ldquoGrenzen des Wachstumsldquo wur-den aufgezeigt ndash und damit ein zentrales Paradigma kapitalistischer Produktion in Frage gestellt

Die globalisierungskritische Bewegung ruumlckte in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die nun vorherrschenden neoliberalen Politikmuster und die sie propagierenden Institutionen wie WTO und IMF mit ihrer vorherrschenden Shareholder-Value-Orientierung in den Mittelpunkt der Kritik

Das Verhalten von bestimmten Bekleidungskon-zernen wie zB Nike Puma oder Adidas wurde an den Pranger gestellt Es stellte sich heraus dass die Produkte dieser Unternehmen teilweise unter schlimmsten sozialen Bedingungen - mit Kinderar-beit und woumlchentliche Arbeitszeiten von weit uumlber 60 Stunden usw - hergestellt werden und dabei so-gar die Normen der ILO (International Labour Or-ganisation) verletzten Bilder sogenannter ldquoSweat-Shopsrdquo die an Zwangsarbeitslager erinnern gingen durch die Medien

Der Oumllkonzern Shell wurde 1995 bei einer Aktion von Greenpeace mit Tankboykotten fuumlr die beab-sichtigte Versenkung einer Oumllplattform (Brent Spar) und Verbindungen zu Menschenrechtsver-letzungen abgestraft

Heute ist zu beobachten dass die unterschiedli-chen Straumlnge der Bewegung immer staumlrker zusam-menwachsen Damit kommt es nunmehr auch zu Kooperationen die uumlber fruumlhere Beschraumlnkungen organisatorischer bzw geographischer Natur hin-ausgehen wobei neue anti-neoliberale strategische Allianzen gebildet werden ndash etwa die Zusammen-arbeit von gewerkschaftlichen Einrichtungen mit NGOs auf nationaler wie internationaler Ebene

Trotz aller Verschiedenheit vereint sie ein zentra-les Element die Einsicht dass dem multinational agierenden Kapital eine multinationale anti-neoli-berale Bewegung entgegentreten muss Nicht das reaktionaumlre zuruumlck zum Nationalstaat (wie von der Rechten gefordert) sondern die regulierte an so-zialen und oumlkologische Zielen ausgerichtete Welt-oumlkonomie (bzw das regulierte Europa) soll an Stel-le des marktradikalen Kapitalismus treten

Teile des Kapitals ndash insbesondere die Groszligkonzerne - reagieren auf den befuumlrchteten bdquoRollbackldquo mit einer scheinbaren Modifizierung des Prinzips der uneinge-schraumlnkten Profitmaximierung (bdquoshareholder valueldquo) und beteuern gesellschaftlichen Verantwortung fort-an bei der Unternehmensfuumlhrung wahrnehmen zu wollen Dabei spielen die in den folgenden Kapiteln erwaumlhnten Strategien eine wichtige Rolle

CSR als Gegenreaktion der Industrie

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

CorporateSocialResponsibility(CSR)

8

Image

Unternehmen moumlchten von NGOs nicht gerne atta-ckiert werden oder Zielscheibe eines Kaufboykotts werden Dies betrifft hauptsaumlchlich Markenfir-men die Produkte fuumlr VerbraucherInnen herstel-len Wenig Sorgen muumlssen sich in dieser Hinsicht ProduzentInnen von Investitionsguumltern oder auch unbekannte HerstellerInnen machen Nur weni-ge Aktionen sind allerdings so erfolgreich wie der Boykott von Shell im Jahr 1995 bei dem in der BRD bis zu 50 Umsatzruumlckgaumlnge beobachtet wurden und der tatsaumlchlich die Versenkung der Oumllplatt-form Brent Spar verhindern konnte

Die Schlieszligung eines Werkes von Nokia 2008 in Bochum fuumlhrte zwar in der Folge zum Verlust von Marktanteilen aber wirklich schmerzhaft und ab-schreckend fuumlr zukuumlnftige Aktionen dieser Art war er vermutlich nicht Daraus folgt dass Markenun-ternehmen eigentlich nur ausnahmsweise mit star-ken und andauernden Absatzeinbuszligen als Ergebnis von Kaufboykott-Aufrufen rechnen muumlssen womit wenig Anreiz fuumlr umfassend nachhaltige Unter-nehmenspolitik geboten wird Dennoch ist dies ein Faktor den Geschaumlftsfuumlhrungen groszliger Konzerne beruumlcksichtigen muumlssen ndash zumindest um zu ver-meiden mit houmlchst anruumlchigen Praktiken wie Kin-derarbeit in Verbindung gebracht zu werden

Aumlhnlich gelagert ist der Fall bei drohenden Image-schaumlden Wie Naomi Klein in ihrem 2000 erschie-nenem Buch bdquoNo Logoldquo zeigen konnte wandelt sich die klassisch produzierende Industrie mehr und mehr in Vermarktungsunternehmen die von exter-nen Unternehmen produzierte Artikel verkaufen (Beispiel Nike) Mit Milliardenaufwand fuumlr Wer-bung werden diese Produkte mit passenden Logos und Botschaften verknuumlpft die ein neues Lebens-gefuumlhl versprechen Die Marke wird mit attraktiven Bildern Begriffen und Prominenten in Verbindung gebracht Wichtig sind die mit dem Produkt asso-ziierten Vorstellungen ndash die wirklichen Eigenschaf-ten der Produkte treten in den Hintergrund

Das gilt auch fuumlr die produzierende Industrie Da-none zB verkauft die Illusion eines einzigartigen Joghurts welches nicht nur das Immunsystem (und damit die Gesundheit) in den Turbo-Modus bringt sondern auch nebenbei die Verdauung saniert

Organisationen wie bdquoFood Watchldquo (BRD) koumlnnen mit Negativpreisen wie dem bdquoGoldenen Windbeu-telldquo die fragwuumlrdigen Werbepraktiken solcher Un-ternehmen anprangern und das mit viel Geld auf-gebaute Image ein wenig erschuumlttern Aber setzen sich negative Imagewerte in (laumlngerfristige) Um-satzruumlckgaumlnge um Und reichen diese um Danone zu zwingen das Businessmodell zu aumlndern Das ist eher ungewiss

Zahnlose Gesetze erleichtern Unternehmen wie Danone zudem irrefuumlhrende Werbung zu verbrei-ten So verlor der Verein fuumlr Konsumenteninforma-tion (VKI) einen Prozess in mehreren Instanzen ge-gen Danone in Sachen Actimel3 Das Unternehmen hatte mit dem Satz bdquoDie positive Wirkung wurde vom Gesundheitsministerium bestaumltigtldquo geworben und damit den Eindruck erweckt dass die gesund-heitsbezogenen Angaben Danones amtlich bestauml-tigt wurden Tatsaumlchlich wurde aber nur die damals in Oumlsterreich guumlltige gesetzliche Vorschrift erfuumlllt Werbeaussagen vorab dem Ministerium zu melden

Potentielle Imageschaumlden sind zumindest eine be-schraumlnkte Triebkraft in Richtung (wirklicher) ge-sellschaftlicher Verantwortung Es ist aber vielfach extrem schwierig und mit hohem Aufwand verbun-den Unternehmen (schuldhaftes) Fehlverhalten nachzuweisen Dazu kommt dass das oumlffentliche Interesse haumlufig nur von kurzer Dauer ist

3httpwwwverbraucherrechtatcmsindexphpid=49ampno_cache=1amptx_ttnews[swords]=danoneamptx_ttnews[tt_news]=570amptx_ttnews[backPid]=2030

Bild

emspfo

od

wat

ch

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

6

Der neoliberale Hintergrund

Zu Beginn des 21 Jahrhunderts zeigen sich die zer-stoumlrerischen Konsequenzen von drei Jahrzehnten neoliberaler Politik des schrankenlosen Marktes der Privatisierung der Deregulierung und Libera-lisierung im Interesse des Kapitals

Die Reichen werden reicher die Armen aumlrmer Schon lange nicht haben sich die Wohlhabenden so schamlos bedient und den Mittellosen die Butter vom Brot gestohlen Die oumlkonomische Konsequenz ist die Drosselung der Wirtschaft durch mangelnde Nachfrage auf der einen Seite Auf der anderen Sei-te stehen Milliarden die aufgrund geringerer Ge-winnerwartungen produktiver Investitionen in den spekulativen Finanzsektor abwandern

Das Finanzsystem steht nach der Krise die durch den Handel mit wertlosen Finanzderivaten (bdquoSub-primesldquo) ausgeloumlst wurde vor dem Crash und droht die Realoumlkonomie mit in den Abgrund zu ziehen

Soziale Sicherungssysteme werden im Eilzugstem-po zerstoumlrt Pensionen werden bdquogesichertldquo - solan-ge bis nichts mehr uumlbrig bleibt Besonders radikal wurde diese Politik unter Margret Thatcher um-gesetzt Die staatliche Pension wurde weitgehend abgeschafft Ergebnis ist die im Vergleich deutlich houmlhere Altersarmut in diesem Land

Massenentlassungen und Verlagerungen der Pro-duktion in Niedriglohnlaumlnder werden ndash zum Teil mit staatlichen Mitteln gefoumlrdert - auch von oumlkono-misch gesunden Betrieben zwecks Profitmaximie-rung durchgefuumlhrt Ein Steuerwettlauf nach unten sorgt dafuumlr dass Unternehmen immer weniger zum Gemeinwohl beitragen

Die Kritik am Neoliberalismus ist mittlerweile auch im (konservativen) politischen Mainstream angekommen Der ehemalige Ministerpraumlsident Bayerns Guumlnther Beckstein erklaumlrte in der Suumld-deutschen Zeitung bdquoDie freie Marktwirtschaft ist gescheitert ebenso wie die staatliche Uumlberregulie-rungldquo und forderte eine neue Wirtschaftsordnung (vgl SZ vom 1032009) Nicolas Sarkozy sprach beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2010 gar von einer bdquoEntartung des Kapitalismusldquo (Welt Online vom 27012010)

Eine durchaus tendenziell anti-kapitalistische (zu-

mindest anti-neoliberale) Stimmung macht sich breit Die Zustimmung der Bevoumllkerung zu buumlr-gerlich-demokratischen Systemen schwindet und macht sich etwa durch steigende Wahlenthaltung bemerkbar Es wird auch klar erkannt dass der Ein-fluss der Konzerne auf die Politik zu groszlig ist (etwa in Bruumlssel) und daher reduziert werden sollte

In einer globalen Umfrage von BBC World Ser-vice die 2009 in 27 Laumlndern durchgefuumlhrt wurde zeigte sich wenig Begeisterung fuumlr den marktlibera-len Kapitalismus gerade mal 11 fanden ihn gut und meinten dass mehr Regulierung keine gute Idee ist (vgl BBC World Service Poll Wide Dissa-tisfaction with Capitalism mdash Twenty Years after Fall of Berlin Wall November 2009)

Uumlberwiegend wurde seine Reformierung durch Re-gulierung gefordert ndash und zwar von 51 der 29000 Befragten Auch eine staumlrkere Kontrolle der groszligen Industrie wird mehrheitlich unterstuumltzt

Immerhin 23 sahen im kapitalistischen System keine Perspektive (mehr) und moumlchten ihn gerne abschaffen In Frankreich waren es sogar 44

Doch trotz alledem scheint der Neoliberalismus aber heute fester im Sattel zu sitzen als je zuvor Colin Crouch spricht in diesem Zusammenhang bdquovom befremdlichen Uumlberleben des Neoliberalis-musldquo (Suhrkamp Verlag 2011)

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

7

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

bdquoNeue Soziale Bewegungenldquo entstanden im An-schluss an die StudentInnenenbewegung in den 70er und 80er Jahren in Westeuropa und den USA Diese inhaltlich sehr heterogene Bewegung - die Themen Frieden Frauen Oumlkologie Dritte Welt seien nur exemplarisch erwaumlhnt ndash war auch ideolo-gisch sehr unterschiedlich Besonders die Umwelt-bewegung hatte mit ihren Schwerpunkten Atom und Chemie die Industrie als bdquonatuumlrlicheldquo Gegne-rin attackiert und in die Defensive gedraumlngt Der ldquoOumllschockrdquo fuumlhrte zur Diskussion um begrenzte Ressourcen ndash die ldquoGrenzen des Wachstumsldquo wur-den aufgezeigt ndash und damit ein zentrales Paradigma kapitalistischer Produktion in Frage gestellt

Die globalisierungskritische Bewegung ruumlckte in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die nun vorherrschenden neoliberalen Politikmuster und die sie propagierenden Institutionen wie WTO und IMF mit ihrer vorherrschenden Shareholder-Value-Orientierung in den Mittelpunkt der Kritik

Das Verhalten von bestimmten Bekleidungskon-zernen wie zB Nike Puma oder Adidas wurde an den Pranger gestellt Es stellte sich heraus dass die Produkte dieser Unternehmen teilweise unter schlimmsten sozialen Bedingungen - mit Kinderar-beit und woumlchentliche Arbeitszeiten von weit uumlber 60 Stunden usw - hergestellt werden und dabei so-gar die Normen der ILO (International Labour Or-ganisation) verletzten Bilder sogenannter ldquoSweat-Shopsrdquo die an Zwangsarbeitslager erinnern gingen durch die Medien

Der Oumllkonzern Shell wurde 1995 bei einer Aktion von Greenpeace mit Tankboykotten fuumlr die beab-sichtigte Versenkung einer Oumllplattform (Brent Spar) und Verbindungen zu Menschenrechtsver-letzungen abgestraft

Heute ist zu beobachten dass die unterschiedli-chen Straumlnge der Bewegung immer staumlrker zusam-menwachsen Damit kommt es nunmehr auch zu Kooperationen die uumlber fruumlhere Beschraumlnkungen organisatorischer bzw geographischer Natur hin-ausgehen wobei neue anti-neoliberale strategische Allianzen gebildet werden ndash etwa die Zusammen-arbeit von gewerkschaftlichen Einrichtungen mit NGOs auf nationaler wie internationaler Ebene

Trotz aller Verschiedenheit vereint sie ein zentra-les Element die Einsicht dass dem multinational agierenden Kapital eine multinationale anti-neoli-berale Bewegung entgegentreten muss Nicht das reaktionaumlre zuruumlck zum Nationalstaat (wie von der Rechten gefordert) sondern die regulierte an so-zialen und oumlkologische Zielen ausgerichtete Welt-oumlkonomie (bzw das regulierte Europa) soll an Stel-le des marktradikalen Kapitalismus treten

Teile des Kapitals ndash insbesondere die Groszligkonzerne - reagieren auf den befuumlrchteten bdquoRollbackldquo mit einer scheinbaren Modifizierung des Prinzips der uneinge-schraumlnkten Profitmaximierung (bdquoshareholder valueldquo) und beteuern gesellschaftlichen Verantwortung fort-an bei der Unternehmensfuumlhrung wahrnehmen zu wollen Dabei spielen die in den folgenden Kapiteln erwaumlhnten Strategien eine wichtige Rolle

CSR als Gegenreaktion der Industrie

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

CorporateSocialResponsibility(CSR)

8

Image

Unternehmen moumlchten von NGOs nicht gerne atta-ckiert werden oder Zielscheibe eines Kaufboykotts werden Dies betrifft hauptsaumlchlich Markenfir-men die Produkte fuumlr VerbraucherInnen herstel-len Wenig Sorgen muumlssen sich in dieser Hinsicht ProduzentInnen von Investitionsguumltern oder auch unbekannte HerstellerInnen machen Nur weni-ge Aktionen sind allerdings so erfolgreich wie der Boykott von Shell im Jahr 1995 bei dem in der BRD bis zu 50 Umsatzruumlckgaumlnge beobachtet wurden und der tatsaumlchlich die Versenkung der Oumllplatt-form Brent Spar verhindern konnte

Die Schlieszligung eines Werkes von Nokia 2008 in Bochum fuumlhrte zwar in der Folge zum Verlust von Marktanteilen aber wirklich schmerzhaft und ab-schreckend fuumlr zukuumlnftige Aktionen dieser Art war er vermutlich nicht Daraus folgt dass Markenun-ternehmen eigentlich nur ausnahmsweise mit star-ken und andauernden Absatzeinbuszligen als Ergebnis von Kaufboykott-Aufrufen rechnen muumlssen womit wenig Anreiz fuumlr umfassend nachhaltige Unter-nehmenspolitik geboten wird Dennoch ist dies ein Faktor den Geschaumlftsfuumlhrungen groszliger Konzerne beruumlcksichtigen muumlssen ndash zumindest um zu ver-meiden mit houmlchst anruumlchigen Praktiken wie Kin-derarbeit in Verbindung gebracht zu werden

Aumlhnlich gelagert ist der Fall bei drohenden Image-schaumlden Wie Naomi Klein in ihrem 2000 erschie-nenem Buch bdquoNo Logoldquo zeigen konnte wandelt sich die klassisch produzierende Industrie mehr und mehr in Vermarktungsunternehmen die von exter-nen Unternehmen produzierte Artikel verkaufen (Beispiel Nike) Mit Milliardenaufwand fuumlr Wer-bung werden diese Produkte mit passenden Logos und Botschaften verknuumlpft die ein neues Lebens-gefuumlhl versprechen Die Marke wird mit attraktiven Bildern Begriffen und Prominenten in Verbindung gebracht Wichtig sind die mit dem Produkt asso-ziierten Vorstellungen ndash die wirklichen Eigenschaf-ten der Produkte treten in den Hintergrund

Das gilt auch fuumlr die produzierende Industrie Da-none zB verkauft die Illusion eines einzigartigen Joghurts welches nicht nur das Immunsystem (und damit die Gesundheit) in den Turbo-Modus bringt sondern auch nebenbei die Verdauung saniert

Organisationen wie bdquoFood Watchldquo (BRD) koumlnnen mit Negativpreisen wie dem bdquoGoldenen Windbeu-telldquo die fragwuumlrdigen Werbepraktiken solcher Un-ternehmen anprangern und das mit viel Geld auf-gebaute Image ein wenig erschuumlttern Aber setzen sich negative Imagewerte in (laumlngerfristige) Um-satzruumlckgaumlnge um Und reichen diese um Danone zu zwingen das Businessmodell zu aumlndern Das ist eher ungewiss

Zahnlose Gesetze erleichtern Unternehmen wie Danone zudem irrefuumlhrende Werbung zu verbrei-ten So verlor der Verein fuumlr Konsumenteninforma-tion (VKI) einen Prozess in mehreren Instanzen ge-gen Danone in Sachen Actimel3 Das Unternehmen hatte mit dem Satz bdquoDie positive Wirkung wurde vom Gesundheitsministerium bestaumltigtldquo geworben und damit den Eindruck erweckt dass die gesund-heitsbezogenen Angaben Danones amtlich bestauml-tigt wurden Tatsaumlchlich wurde aber nur die damals in Oumlsterreich guumlltige gesetzliche Vorschrift erfuumlllt Werbeaussagen vorab dem Ministerium zu melden

Potentielle Imageschaumlden sind zumindest eine be-schraumlnkte Triebkraft in Richtung (wirklicher) ge-sellschaftlicher Verantwortung Es ist aber vielfach extrem schwierig und mit hohem Aufwand verbun-den Unternehmen (schuldhaftes) Fehlverhalten nachzuweisen Dazu kommt dass das oumlffentliche Interesse haumlufig nur von kurzer Dauer ist

3httpwwwverbraucherrechtatcmsindexphpid=49ampno_cache=1amptx_ttnews[swords]=danoneamptx_ttnews[tt_news]=570amptx_ttnews[backPid]=2030

Bild

emspfo

od

wat

ch

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

7

Bild

emspD

aviu

semspS

anct

ex

bdquoNeue Soziale Bewegungenldquo entstanden im An-schluss an die StudentInnenenbewegung in den 70er und 80er Jahren in Westeuropa und den USA Diese inhaltlich sehr heterogene Bewegung - die Themen Frieden Frauen Oumlkologie Dritte Welt seien nur exemplarisch erwaumlhnt ndash war auch ideolo-gisch sehr unterschiedlich Besonders die Umwelt-bewegung hatte mit ihren Schwerpunkten Atom und Chemie die Industrie als bdquonatuumlrlicheldquo Gegne-rin attackiert und in die Defensive gedraumlngt Der ldquoOumllschockrdquo fuumlhrte zur Diskussion um begrenzte Ressourcen ndash die ldquoGrenzen des Wachstumsldquo wur-den aufgezeigt ndash und damit ein zentrales Paradigma kapitalistischer Produktion in Frage gestellt

Die globalisierungskritische Bewegung ruumlckte in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die nun vorherrschenden neoliberalen Politikmuster und die sie propagierenden Institutionen wie WTO und IMF mit ihrer vorherrschenden Shareholder-Value-Orientierung in den Mittelpunkt der Kritik

Das Verhalten von bestimmten Bekleidungskon-zernen wie zB Nike Puma oder Adidas wurde an den Pranger gestellt Es stellte sich heraus dass die Produkte dieser Unternehmen teilweise unter schlimmsten sozialen Bedingungen - mit Kinderar-beit und woumlchentliche Arbeitszeiten von weit uumlber 60 Stunden usw - hergestellt werden und dabei so-gar die Normen der ILO (International Labour Or-ganisation) verletzten Bilder sogenannter ldquoSweat-Shopsrdquo die an Zwangsarbeitslager erinnern gingen durch die Medien

Der Oumllkonzern Shell wurde 1995 bei einer Aktion von Greenpeace mit Tankboykotten fuumlr die beab-sichtigte Versenkung einer Oumllplattform (Brent Spar) und Verbindungen zu Menschenrechtsver-letzungen abgestraft

Heute ist zu beobachten dass die unterschiedli-chen Straumlnge der Bewegung immer staumlrker zusam-menwachsen Damit kommt es nunmehr auch zu Kooperationen die uumlber fruumlhere Beschraumlnkungen organisatorischer bzw geographischer Natur hin-ausgehen wobei neue anti-neoliberale strategische Allianzen gebildet werden ndash etwa die Zusammen-arbeit von gewerkschaftlichen Einrichtungen mit NGOs auf nationaler wie internationaler Ebene

Trotz aller Verschiedenheit vereint sie ein zentra-les Element die Einsicht dass dem multinational agierenden Kapital eine multinationale anti-neoli-berale Bewegung entgegentreten muss Nicht das reaktionaumlre zuruumlck zum Nationalstaat (wie von der Rechten gefordert) sondern die regulierte an so-zialen und oumlkologische Zielen ausgerichtete Welt-oumlkonomie (bzw das regulierte Europa) soll an Stel-le des marktradikalen Kapitalismus treten

Teile des Kapitals ndash insbesondere die Groszligkonzerne - reagieren auf den befuumlrchteten bdquoRollbackldquo mit einer scheinbaren Modifizierung des Prinzips der uneinge-schraumlnkten Profitmaximierung (bdquoshareholder valueldquo) und beteuern gesellschaftlichen Verantwortung fort-an bei der Unternehmensfuumlhrung wahrnehmen zu wollen Dabei spielen die in den folgenden Kapiteln erwaumlhnten Strategien eine wichtige Rolle

CSR als Gegenreaktion der Industrie

Bild

emspw

ww

hum

anri

ght

sd

eB

ildemsp

Dav

idemspS

hank

bo

ne

CorporateSocialResponsibility(CSR)

8

Image

Unternehmen moumlchten von NGOs nicht gerne atta-ckiert werden oder Zielscheibe eines Kaufboykotts werden Dies betrifft hauptsaumlchlich Markenfir-men die Produkte fuumlr VerbraucherInnen herstel-len Wenig Sorgen muumlssen sich in dieser Hinsicht ProduzentInnen von Investitionsguumltern oder auch unbekannte HerstellerInnen machen Nur weni-ge Aktionen sind allerdings so erfolgreich wie der Boykott von Shell im Jahr 1995 bei dem in der BRD bis zu 50 Umsatzruumlckgaumlnge beobachtet wurden und der tatsaumlchlich die Versenkung der Oumllplatt-form Brent Spar verhindern konnte

Die Schlieszligung eines Werkes von Nokia 2008 in Bochum fuumlhrte zwar in der Folge zum Verlust von Marktanteilen aber wirklich schmerzhaft und ab-schreckend fuumlr zukuumlnftige Aktionen dieser Art war er vermutlich nicht Daraus folgt dass Markenun-ternehmen eigentlich nur ausnahmsweise mit star-ken und andauernden Absatzeinbuszligen als Ergebnis von Kaufboykott-Aufrufen rechnen muumlssen womit wenig Anreiz fuumlr umfassend nachhaltige Unter-nehmenspolitik geboten wird Dennoch ist dies ein Faktor den Geschaumlftsfuumlhrungen groszliger Konzerne beruumlcksichtigen muumlssen ndash zumindest um zu ver-meiden mit houmlchst anruumlchigen Praktiken wie Kin-derarbeit in Verbindung gebracht zu werden

Aumlhnlich gelagert ist der Fall bei drohenden Image-schaumlden Wie Naomi Klein in ihrem 2000 erschie-nenem Buch bdquoNo Logoldquo zeigen konnte wandelt sich die klassisch produzierende Industrie mehr und mehr in Vermarktungsunternehmen die von exter-nen Unternehmen produzierte Artikel verkaufen (Beispiel Nike) Mit Milliardenaufwand fuumlr Wer-bung werden diese Produkte mit passenden Logos und Botschaften verknuumlpft die ein neues Lebens-gefuumlhl versprechen Die Marke wird mit attraktiven Bildern Begriffen und Prominenten in Verbindung gebracht Wichtig sind die mit dem Produkt asso-ziierten Vorstellungen ndash die wirklichen Eigenschaf-ten der Produkte treten in den Hintergrund

Das gilt auch fuumlr die produzierende Industrie Da-none zB verkauft die Illusion eines einzigartigen Joghurts welches nicht nur das Immunsystem (und damit die Gesundheit) in den Turbo-Modus bringt sondern auch nebenbei die Verdauung saniert

Organisationen wie bdquoFood Watchldquo (BRD) koumlnnen mit Negativpreisen wie dem bdquoGoldenen Windbeu-telldquo die fragwuumlrdigen Werbepraktiken solcher Un-ternehmen anprangern und das mit viel Geld auf-gebaute Image ein wenig erschuumlttern Aber setzen sich negative Imagewerte in (laumlngerfristige) Um-satzruumlckgaumlnge um Und reichen diese um Danone zu zwingen das Businessmodell zu aumlndern Das ist eher ungewiss

Zahnlose Gesetze erleichtern Unternehmen wie Danone zudem irrefuumlhrende Werbung zu verbrei-ten So verlor der Verein fuumlr Konsumenteninforma-tion (VKI) einen Prozess in mehreren Instanzen ge-gen Danone in Sachen Actimel3 Das Unternehmen hatte mit dem Satz bdquoDie positive Wirkung wurde vom Gesundheitsministerium bestaumltigtldquo geworben und damit den Eindruck erweckt dass die gesund-heitsbezogenen Angaben Danones amtlich bestauml-tigt wurden Tatsaumlchlich wurde aber nur die damals in Oumlsterreich guumlltige gesetzliche Vorschrift erfuumlllt Werbeaussagen vorab dem Ministerium zu melden

Potentielle Imageschaumlden sind zumindest eine be-schraumlnkte Triebkraft in Richtung (wirklicher) ge-sellschaftlicher Verantwortung Es ist aber vielfach extrem schwierig und mit hohem Aufwand verbun-den Unternehmen (schuldhaftes) Fehlverhalten nachzuweisen Dazu kommt dass das oumlffentliche Interesse haumlufig nur von kurzer Dauer ist

3httpwwwverbraucherrechtatcmsindexphpid=49ampno_cache=1amptx_ttnews[swords]=danoneamptx_ttnews[tt_news]=570amptx_ttnews[backPid]=2030

Bild

emspfo

od

wat

ch

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

8

Image

Unternehmen moumlchten von NGOs nicht gerne atta-ckiert werden oder Zielscheibe eines Kaufboykotts werden Dies betrifft hauptsaumlchlich Markenfir-men die Produkte fuumlr VerbraucherInnen herstel-len Wenig Sorgen muumlssen sich in dieser Hinsicht ProduzentInnen von Investitionsguumltern oder auch unbekannte HerstellerInnen machen Nur weni-ge Aktionen sind allerdings so erfolgreich wie der Boykott von Shell im Jahr 1995 bei dem in der BRD bis zu 50 Umsatzruumlckgaumlnge beobachtet wurden und der tatsaumlchlich die Versenkung der Oumllplatt-form Brent Spar verhindern konnte

Die Schlieszligung eines Werkes von Nokia 2008 in Bochum fuumlhrte zwar in der Folge zum Verlust von Marktanteilen aber wirklich schmerzhaft und ab-schreckend fuumlr zukuumlnftige Aktionen dieser Art war er vermutlich nicht Daraus folgt dass Markenun-ternehmen eigentlich nur ausnahmsweise mit star-ken und andauernden Absatzeinbuszligen als Ergebnis von Kaufboykott-Aufrufen rechnen muumlssen womit wenig Anreiz fuumlr umfassend nachhaltige Unter-nehmenspolitik geboten wird Dennoch ist dies ein Faktor den Geschaumlftsfuumlhrungen groszliger Konzerne beruumlcksichtigen muumlssen ndash zumindest um zu ver-meiden mit houmlchst anruumlchigen Praktiken wie Kin-derarbeit in Verbindung gebracht zu werden

Aumlhnlich gelagert ist der Fall bei drohenden Image-schaumlden Wie Naomi Klein in ihrem 2000 erschie-nenem Buch bdquoNo Logoldquo zeigen konnte wandelt sich die klassisch produzierende Industrie mehr und mehr in Vermarktungsunternehmen die von exter-nen Unternehmen produzierte Artikel verkaufen (Beispiel Nike) Mit Milliardenaufwand fuumlr Wer-bung werden diese Produkte mit passenden Logos und Botschaften verknuumlpft die ein neues Lebens-gefuumlhl versprechen Die Marke wird mit attraktiven Bildern Begriffen und Prominenten in Verbindung gebracht Wichtig sind die mit dem Produkt asso-ziierten Vorstellungen ndash die wirklichen Eigenschaf-ten der Produkte treten in den Hintergrund

Das gilt auch fuumlr die produzierende Industrie Da-none zB verkauft die Illusion eines einzigartigen Joghurts welches nicht nur das Immunsystem (und damit die Gesundheit) in den Turbo-Modus bringt sondern auch nebenbei die Verdauung saniert

Organisationen wie bdquoFood Watchldquo (BRD) koumlnnen mit Negativpreisen wie dem bdquoGoldenen Windbeu-telldquo die fragwuumlrdigen Werbepraktiken solcher Un-ternehmen anprangern und das mit viel Geld auf-gebaute Image ein wenig erschuumlttern Aber setzen sich negative Imagewerte in (laumlngerfristige) Um-satzruumlckgaumlnge um Und reichen diese um Danone zu zwingen das Businessmodell zu aumlndern Das ist eher ungewiss

Zahnlose Gesetze erleichtern Unternehmen wie Danone zudem irrefuumlhrende Werbung zu verbrei-ten So verlor der Verein fuumlr Konsumenteninforma-tion (VKI) einen Prozess in mehreren Instanzen ge-gen Danone in Sachen Actimel3 Das Unternehmen hatte mit dem Satz bdquoDie positive Wirkung wurde vom Gesundheitsministerium bestaumltigtldquo geworben und damit den Eindruck erweckt dass die gesund-heitsbezogenen Angaben Danones amtlich bestauml-tigt wurden Tatsaumlchlich wurde aber nur die damals in Oumlsterreich guumlltige gesetzliche Vorschrift erfuumlllt Werbeaussagen vorab dem Ministerium zu melden

Potentielle Imageschaumlden sind zumindest eine be-schraumlnkte Triebkraft in Richtung (wirklicher) ge-sellschaftlicher Verantwortung Es ist aber vielfach extrem schwierig und mit hohem Aufwand verbun-den Unternehmen (schuldhaftes) Fehlverhalten nachzuweisen Dazu kommt dass das oumlffentliche Interesse haumlufig nur von kurzer Dauer ist

3httpwwwverbraucherrechtatcmsindexphpid=49ampno_cache=1amptx_ttnews[swords]=danoneamptx_ttnews[tt_news]=570amptx_ttnews[backPid]=2030

Bild

emspfo

od

wat

ch

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

9

Bild

emspfo

od

wat

ch

Ein glaumlnzendes Image hat Vorteile nicht nur hin-sichtlich der KonsumentInnen Eine bdquoverantwor-tungsvolleldquo Industrie muss weniger reguliert wer-den Immer staumlrker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbaumlnden von der Schokoladenseite und er-greift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltig-keit Damit gelingt es ihr die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wuumlnschen zu gestalten Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen ndash manchmal mit enormem Lobby-Auf-wand ndash mit allen Mitteln verschleppt verwaumlssert oder ganz verhindert

RobertReich

Dazu Robert Reich ehemaliger Arbeitsminister der Clinton Regierung ldquoUnternehmen hindern die Regierung immer effektiver daran Maszlignahmen zu ergreifen die sie zu unerwuumlnschten Veraumlnde-rungen zwingen koumlnnten Warum aber sollte die Privatwirtschaft ploumltzlich bereit sein Fragen aufzu-greifen die sie in der Politik nach Kraumlften blockiert hatrdquo (Robert Reich Superkapitalismus 2007 S 220)

An dieser Bereitschaft mangelt es tatsaumlchlich Je-doch gelingt es der Wirtschaft recht gut ndash auch auf der internationalen Buumlhne - den Eindruck zu erwecken dass sie ein umfassendes Interesse an ge-sellschaftlich verantwortlichem Unternehmenshan-deln hat In Wirklichkeit beeinflussen insbesondere transnationale Konzerne in hohem Ausmaszlig auch internationale Organisationen Die Konferenz der

Vereinten Nationen uumlber Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 hat erfreulicherweise Nachhaltigkeit zum globalen Leitprinzip erhoben und in der Rio-Deklaration bzw Agenda 21 verankert Daruumlber hinaus wurden die Klimarahmenkonvention und die Biodiversitaumlts-Konvention angenommen Aller-dings gelang es den Industrieverbaumlnden angefuumlhrt vom Wirtschaftsrat fuumlr nachhaltige Entwicklung (Business Council for Sustainable Development BCSD) und der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce ICC) Plauml-ne zur weitergehenden Regulierung zu vereiteln bdquoDer BCSD und die Internationale Handelskam-mer (ICC) haben im Doppelspiel die Richtung der Debatte verschoben Auf der einen Seite attackierte ICC alle Maszlignahmen die in Richtung Regulierung von Unternehmen gingen und der BCSD posaun-te die sbquoKursaumlnderung der Industrielsquo in Richtung freiwillige Selbstregulierung hinaus Diese Art von Strategie wurde zum Markenzeichen von Wirt-schaftslobbying gegen fortschreitende Regulie-rungldquo (Corporate Watch 2006 S 6)

Auch auf europaumlischer Ebene wurde der bdquoSelbstre-gulierungldquo bzw bdquoCo-Regulierungldquo der Wirtschaft ein hoher Stellenwert im Konzept der Deregulie-rung gegeben Dabei wird Deregulierung oft als bdquoVereinfachung der Rechtsvorschriftenldquo oder bdquoBuuml-rokratieabbauldquo bezeichnet was das Wesen der De-regulierung verschleiert Sie nimmt verschiedene Formen an wie beispielsweise freiwillige Verein-barungen (besonders im Umweltbereich) Regelset-zung durch Normung im Rahmen der sogenannten bdquoNeuen Konzeptionldquo Branchencodes und so wei-ter Dazu gehoumlrt natuumlrlich auch CSR All diesen Formen der Selbstregulierung bzw der Co-Regu-lierung ist gemein dass die Industrie (weitgehend) die Regeln bestimmt

Diese Form der Regelsetzung bewegt sich typischer Weise auf geringem Niveau so dass die Erfuumlllung der bdquoAnforderungenldquo keine Probleme bereitet Es uumlberrascht daher nicht dass die OECD im Rahmen einer Studie zu freiwilligen Umweltvereinbarungen zu einem sehr negativen Ergebnis kam bdquohellipes gibt nur wenige Faumllle wo solche Loumlsungsansaumltze zu si-gnifikanten Umweltverbesserungen gefuumlhrt haben die nicht ohnehin passiert waumlrenldquo (OECD Volun-tary Approaches for Environmental Policy 2003)

Verhinderung von Regulierung

Bild

emspP

olic

yemspN

etw

ork

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

10

Die Begrenzung der CO2-Emissionen von Auto-mobilen ist ein sehr gutes und instruktives Bei-spiel dafuumlr wie die Industrie unter Vorgaukelung proaktiven Verhaltens Sabotage von Umweltschutz zwecks Profitmaximierung betreiben kann

Bereits im Jahr 1994 hatte der Umweltrat die Euro-paumlische Kommission aufgefordert die Moumlglichkeit einer Verringerung des Verbrauchs von Neuwagen bis 2005 zu pruumlfen - ein durchschnittlicher Treib-stoffverbrauch von 5 Liter je 100 km fuumlr Benzin-fahrzeuge und 45 Liter je 100 km fuumlr Dieselfahr-zeuge sollte erreicht werden entsprechend einem Ausstoszlig von 120 g CO2km Die Kommission schlug ein Jahr spaumlter bdquoEine Strategie der Gemein-schaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durch-schnittlichen Kraftstoffverbrauchsldquo (KOM(95) 689) vor in der die oben genannten Zielwerte uumlbernom-men wurden

Unter dem Druck der Automobilindustrie wurden die Zielsetzungen gleich mehrfach verwaumlssert und der Zeitrahmen betraumlchtlich in die Laumlnge gezogen Dazu sollte angemerkt werden dass bereits die ur-spruumlnglichen Werte von vielen als nicht ambitio-niert genug kritisiert wurden Insbesondere gelang es der Industrie zunaumlchst Regulierung durch eine freiwillige Vereinbarung (1998) zu unterlaufen - das Gesetz (Verordnung EG Nr 4432009) wurde erst 2008 beschlossen

Die Organisation Transport amp Environment be-schreibt dies so

bdquoDie erste Terminverschiebung passierte 1996 als der Umweltrat die Frist lsquobis 2005 oder bis spaumltes-tens 2010 einfuumlhrtersquo

Die zweite Terminverschiebung fand 1998 statt als sich der Europaumlische Verband der Automobilher-steller (ACEA) gegenuumlber der EU verpflichtete die CO2-Emissionen neuer in der EU verkaufter Autos bis 2008 auf 140 gkm zu reduzieren Die Kommis-sion akzeptierte die Verschiebung der Deadline fuumlr das lsquo120rsquo Ziel auf 2012

Eine dritte Abschwaumlchung gab es Dezember 2007 als die Europaumlische Kommission vorschlug den Zielwert fuumlr 2012 von 120 auf 130 gkm zu erhouml-hen Die Kommission sagte dass die fehlenden 10 gkm durch nicht-autobezogene Maszlignahmen wie Nutzung von Biotreibstoffen Reifen und durch Reduktion der Emissionen von Kleinbussen erzielt werden sollten

Eine vierte Abschwaumlchung fand statt als das Gesetz schlieszliglich im Dezember 2008 beschlossen wurde wobei die vollstaumlndige Erfuumlllung der lsquo130rsquo von 2012 auf 2015 verschoben wurde und einige Schlupflouml-cher zugefuumlgt wurden die sogar durchschnittliche CO2-Werte von etwa 140 gkm erlauben

Insgesamt haben all diese Schritte zu einer 10-jaumlh-rigen Verzoumlgerung und Abschwaumlchung des Ziels um etwa 20 gkm (15) gefuumlhrtldquo (Transport amp En-vironment bdquoHow clean are Europersquos cars An ana-lysis of carmaker progress towards EU CO2 targets in 2009ldquo 2010)

Freiwillige Vereinbarungen ndash am Beispiel der Autoindustrie

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

11

Bild

emsp[emspS

tefa

nemspR

edel

]12

3R

FC

OM

Bild

emspH

eiko

emspMey

erG

reen

pea

ce

EMAS ist die Kurzbezeichnung fuumlr Eco-Manage-ment and Audit System ndash das Umweltmanagement-System der EU (EG-Verordnung Nr 12212009) dessen erste Fassung 1993 beschlossen wurde Es ist in vielerlei Hinsicht ein Vorlaumlufer von CSR aber auf die Umweltdimension beschraumlnkt Die Grund-konzeption ist dieselbe wie bei CSR die Industrie und andere Organisationen welche das System anwenden haben weitgehend Gestaltungsfreiheit da es substanzielle Leistungsanforderungen nicht gibt (abgesehen von der Anforderung die relevan-ten Gesetze einzuhalten) Es werden in EMAS nur die Prozesse festgelegt (zB Identifizierung der we-sentlichen Umweltaspekte Festlegung einer Politik etc) das zu erreichende Niveau kann aber frei ge-waumlhlt werden

Das hat zu entschiedener Kritik seitens der Um-welt- und Verbraucherorganisationen gefuumlhrt (Joint ANEC BEUC ECOS EEB position on Making EMAS a system of excellence - Going bey-ond EMS Oktober 2006)

Die zentralen Kritikpunkte sind

bull Eine tendenzielle Verschiebung umweltpoliti-scher Entscheidungen von demokratischen Ein-richtungen hin zu Unternehmen

bull Das Interesse der Businesswelt beschraumlnkt sich auf Umweltinvestitionen die sich rechnen Viele Umweltmaszlignahmen sind aber nicht profitabel

bull Die Umweltmanagementsysteme verlangen kei-ne Mindestumweltleistung

bull Die Berichtspflichten sind unzureichend weil klar definierte vergleichbare Indikatoren der Umweltleistung und Benchmarks fehlen

bull Daher ist keine Unterscheidung zwischen guten und schlechten Betrieben moumlglich

bull Es gibt keine uumlberzeugenden Belege fuumlr wesent-lich erhoumlhte Umweltleistung

bull Daher sind Anreize wie Steuerermaumlszligigungen oder reduzierte behoumlrdliche Uumlberwachung fuumlr EMAS-Betriebe fragwuumlrdig

Das bdquoGuumltesiegelldquo ist so konzipiert dass es prak-tisch jede Person erhalten kann die es sich leisten kann Zu den EMAS-Zertifizierten zaumlhlen dem-nach HerstellerInnen von Automobilen mit hohem Treibstoffverbrauch (bis hin zu Porsche) genauso wie von Atomkraftwerken (wie der Webauftritt des Kernkraftwerks Isar belegt4)

Eine groszlige Schar von BeraterInnen und Zertifi-ziererInnen preisen EMAS (wie auch das noch an-spruchslosere ISO 14001-System) als umweltpoli-tische Meisterleistung ndash nicht zuletzt deshalb weil dies ihr Geschaumlftsfeld ist Vermarktet werden die Zertifikate oft sogar als groszlige Umweltauszeichnung

Das Beispiel zeigt dass nicht jede Regulierung und Zertifizierung notwendigerweise zu brauchbaren Ergebnissen fuumlhrt

Das EU-Umweltmanagementsystem

4httpwwwemasdefileadminuser_uploadumwelterklaerungen2010DE-163-000027_E-ON-Kernkraft-GmbH_2010pdf

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

12

Es scheint ein Grundprinzip von CSR zu sein dass es vorwiegend allgemein gehaltene subs-tanzlose Regelwerke bzw Leitfaumlden gibt die so verfasst sind dass sie fast jedes Unternehmen er-fuumlllen kann Gemein ist den Regelungen folgende Grundkonzeption

bull Es gibt nur fakultative Empfehlungen (bdquosollteldquo) aber keine klaren normativen zwingenden Vor-gaben (bdquomussldquo) Das bedeutet Wahlmoumlglichkeit der AnwenderInnen dh die Freiheit die Emp-fehlungen auch zu ignorieren

bull Es gibt zwar normative Anforderungen sie be-treffen aber nur Prozesse (zB Verantwortli-che zu bestimmen) nicht aber substanzielle Anforderungen

bull Die Vorgaben sind vage und unbestimmt gestat-ten den AnwenderInnen weitgehend die Festle-gung des Anspruchsniveaus selbst (zB reduzie-re negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt)

bull Die materiellen Anforderungen sind auf nied-rigstem Niveau (zB ILO-Grundnormen)

bull Gesetzestexte werden wiederholt

Die meisten der vorhandenen Regeln wenden ei-nes oder mehrere der oben genannten Prinzipien an Einige Beispiele werden im Folgenden genauer betrachtet

UN Global Compact

Dieser bdquoPaktldquo wurde vom ehemaligen UN Gene-ralsekretaumlr Kofi Annan 1999 der Industrie bdquoange-botenldquo mit dem Ziel bei der Globalisierung soziale und oumlkologische Aspekte zu beruumlcksichtigen Um der Wahrheit die Ehre zu geben war es wohl eher umgekehrt ausgearbeitet wurde diese weltbewe-gende Initiative in enger Abstimmung mit der In-ternationalen Handelskammer Demnach sollen die Unternehmen

UN Global Compact ISO 26000 amp Co

1 die international verkuumlndeten Menschen-rechte respektieren und ihre Einhaltung in-nerhalb ihrer Einflusssphaumlre foumlrdern

2 sicherstellen dass sie nicht bei Menschen-rechtsverletzungen mitwirken

3 die Rechte ihrer Beschaumlftigten sich gewerk-schaftlich zu betaumltigen respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen ef-fektiv anerkennen

4 alle Formen von Zwangsarbeit bzw erzwun-gener Arbeit ausschlieszligen

5 an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken

6 jede Diskriminierung in Bezug auf Beschaumlfti-gung und Beruf ausschlieszligen

7 eine vorsorgende Haltung gegenuumlber Um-weltgefaumlhrdungen einnehmen

8 Initiativen zur Foumlrderung groumlszligeren Umwelt-bewusstseins ergreifen

9 zur Entwicklung und Verbreitung umwelt-freundlicher Technologien ermutigen

10 gegen alle Arten der Korruption eintreten einschlieszliglich Erpressung und Bestechung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

13

Die zehnte Regel wurde erst nachtraumlglich aufge-nommen Diese bdquoAnforderungenldquo sind auf niedrigs-tem Niveau ndash die bloszlige Einhaltung der elementars-ten Menschenrechte ist kein Ausdruck besonderer gesellschaftlicher Verantwortung vielmehr ist ihre Nichtbeachtung als illegales Handeln zu werten

Der Sinn des unverbindlichen Global Compact liegt gerade darin den Anschein einer internati-onalen Regulierung zu erwecken um damit an-spruchsvolle und verbindliche Regeln zu verhin-dern Verpflichtungen gehen die teilnehmenden Unternehmen nicht wirklich ein ndash eine einfache Unterstuumltzungserklaumlrung sowie ein jaumlhrlicher Be-richt der frei gestaltbar ist reicht aus um den An-forderungen des Global Compact zu genuumlgen Eine Uumlberpruumlfung gibt es nicht Zu Recht wurde diese Initiative von vielen NGOs heftig kritisiert

Der Global Compact ist auch Ausdruck der Tat-sache dass Konzerne die UNO und andere inter-nationale Organisationen weitgehend direkt und indirekt kontrollieren und fuumlr ihre Zwecke instru-mentalisieren Er ist kein bdquoSchritt in die richtige Richtungldquo ndash sinnvoll ist nur seine Abschaffung bdquoEs ist heute eine zentrale Aufgabe fuumlr den Schutz und die Foumlrderung von Menschenrechten und eine sozi-al gerechte Welt einzutreten Ein Weg dies zu tun ist mit einer Stimme zu verlangen dass der Global Compact aufgeloumlst wird und die UN Fuumlhrer an ihr Mandat zu erinnern Staaten bei der Kontrolle der Wirtschaftsmacht durch Aufstellung gesetzlich ver-bindlicher Regeln fuumlr transnationale Unternehmen zu unterstuumltzenldquo (Building on Quicksand - The Global Compact democratic governance and Nest-leacute Judith Richter published by CETIM IBFANGIFA and Berne Declaration October 2003)

Dieser Meinung ist auch Jean Ziegler bdquoIch den-ke wir muumlssen den Global Compact bekaumlmpfen nicht nur kritisieren weil er eine PR-Aktion der groszligen Multis istldquo (Inter Press News Service vom 06072007)

UN Principles for Sustainable Investment (PRI)

Wie der Global Compact gehen auch diese bdquoGrund-saumltze fuumlr verantwortungsbewusstes Investmentldquo auf eine Initiative des damaligen UN Generalsekretaumlrs Kofi Annan zuruumlck Auch hier fuumlhrte die Wirtschaft Regie die groumlszligten 20 institutionellen InvestorIn-nen der Welt wurden eingeladen die Richtlinie zu entwickeln

Es uumlberrascht nicht dass diese Grundsaumltze5 in noch staumlrkerem Ausmaszlig als der Global Compact (im-merhin verpflichtet er auf die Einhaltung grund-legender Menschenrechte) aus verbalen Nebelwol-ken bestehen Die InvestorInnen bekennen sich dazu dass sie Umwelt- Sozial- und Corporate Governance bezogene Themen bdquoin die Analyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einbeziehenldquo diesbezuumlglich bdquoeine angemessene Of-fenlegung (hellip) bei den Unternehmen und Koumlrper-schaften fordern in die wir investierenldquo und bdquodie Akzeptanz und die Umsetzung dieser Grundsaumltze in der Investmentbranche vorantreiben zusam-menarbeiten um unsere Wirksamkeit bei der Um-setzung dieser Grundsaumltze zu steigernldquo sowie dar-uumlber berichten Welcher Art diese bdquoEinbeziehungldquo ist bleibt dabei voumlllig offen

In einer kuumlrzlich publizierten Studie bescheinigten die AutorInnen daher nicht uumlberraschend dass PRI und aumlhnliche Prinzipen kaum irgendwelche posi-tiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben

bdquoDie verfuumlgbaren Belege weisen darauf hin dass die Anlagegrundsaumltze begrenzte Auswirkungen auf die Ergebnisse nachhaltiger Entwicklung haben Die Investoren werden nicht renditestarke Anlagen fuumlr mehr Nachhaltigkeit aufs Spiel setzenldquo (Inves-ting for Sustainable Development IIED 2011)

5httpwwwunpriorgprinciplesgermanphp

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

14

ISO 26000

Im November 2010 wurde die ISO 26000 bdquoGuidance on social responsibilityldquo der bdquoLeitfaden zur gesell-schaftlichen Verantwortungldquo von der International Standards Organization (ISO) veroumlffentlicht Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat dieses Doku-ment stark kritisiert6 Die wichtigsten Punkte sind

bull Keine normativen Anforderungen - nur Empfeh-lungen (daher nicht zertifizierbar)

bull Ein Bauchladen der Optionen - Organisationen koumlnnen daher weitgehend selbst den Umfang gesellschaftlicher Verantwortung definieren (bdquopick and choseldquo)

bull Niedriges Anforderungsniveau - in vielen Faumlllen liegt das Niveau unterhalb der in Europa bzw Oumlsterreich geltenden Gesetze

bull Uumlberpruumlfbarkeit und externe Verifizierung ist nicht sichergestellt Empfehlungen sind oft nicht ausreichend praumlzise formuliert und vielfaumlltig in-terpretierbar Mangelhafte Regeln bezuumlglich der Erstellung von SR-Berichten bzw Indikatoren

bull Die Gesellschaft wird nicht ausreichend einbezo-gen - es ist nicht klargestellt dass die Arbeitneh-merInnenvertretung jedenfalls und (kritische) NGOs wenn moumlglich einbezogen werden sollten

In den NeSoVe Schlussfolgerungen wird zwar auch auf die positiven Aspekte der ISO 26000 hinge-wiesen (Verfuumlgbarkeit einer globalen Definition gesellschaftlicher Verantwortung unter Einschluss aller wesentlichen Themen Stakeholder-Orientie-rung bei der Erstellung der Norm in Abweichung vom uumlblichen ISO-Prozedere) aber dann vermerkt bdquoDas Anspruchsniveau ist aber leider aus der Per-spektive eines entwickelten Landes wie Oumlsterreich absolut unzureichend und stellt sogar einen Ruumlck-schritt gegenuumlber bestehenden gesetzlichen Regeln dar Es ist auch zu befuumlrchten dass ISO 26000 miss-braumluchlich verwendet werden koumlnnte indem Un-ternehmen schmalbruumlstige oder fragwuumlrdige SR-Konzepte bzw bloszlige Marketingaktivitaumlten unter Bezugnahme auf ISO 26000 (oder abgeleitete Do-kumente) legitimieren Dies wuumlrde bedeuten dass der Leitfaden sein Ziel ndash einen Beitrag zur nachhal-tigen Entwicklung zu leisten - nicht erreichtldquo

ON-Regel 192500

Aufbauend auf dem ISO-Leitfaden hat das Austri-an Standards Institut eine ON-Regel (normatives Dokument niedrigerer Stufe) bdquoGesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)ldquo erstellt Im Wesentlichen wurde dem ISO-Text ein Manage-mentsystem hinzugefuumlgt und viele Empfehlungen des Leitfadens (bdquosollteldquo) in normative Anforderun-gen (bdquomussldquo oder aumlquivalente Ausdruumlcke) umge-wandelt Das ist sicher ein Fortschritt Andererseits bleibt das Problem bestehen dass diese Anforde-rungen uumlberwiegend entweder nicht uumlber bestehen-de gesetzliche Verpflichtungen hinausgehen oder weitgehend frei gestaltbar sind Aus der Sicht des Netzwerks Soziale Verantwortung7 ist diese bdquoRegelldquo keine brauchbare Grundlage um gesellschaftliche bzw soziale Belange Umweltbelange und nachhal-tiges Wirtschaften in nennenswertem Umfang in die Taumltigkeit von Organisationen zu integrieren Die teilweise Substitution von Empfehlungen durch Anforderungen hat also nicht zu einer wirklichen Verbesserung gefuumlhrt

6httpneunetzwerksozialeverantwortungatmediapresseNewsPI_ISO2026000pdf7httpwwwnetzwerksozialeverantwortungatmediaPM_ON-Regel20192500_finalpdf

Organizationalshygovernante

Human rights

Labourpractices

The seven core subjects at a glance

Theenviroment

Fair operationpracties

Consumerissues

Communityinvolvement

anddevelopment

SocialResponsibility

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

15

Nachhaltigkeitsberichte bzw CSR-Berichte sollen die sozialen und umweltbezogenen Taumltigkeiten und Leistungen von Unternehmen darstellen und fuumlr Transparenz gegenuumlber den Anspruchsgrup-pen (Stakeholdern) sorgen Soweit die Theorie In der Praxis lassen solche Berichte wenn uumlberhaupt nur sehr beschraumlnkt Ruumlckschluumlsse auf die CSR-Performance zu Berichterstattung wird so zur Marketingaktivitaumlt

Nach einer Studie von Ernst amp Young haben oumlster-reichische Unternehmen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung 80 der oumlster-reichischen Top-Unternehmen (die 100 umsatz-staumlrksten) der fuumlnf Top-Kreditinstitute und der 5 Top-Versicherungen 77 der boumlrsennotierten bdquoPrime Marktldquo-Unternehmen und 59 der 17 um-satzstaumlrksten oumlffentlichen Unternehmen verfuumlgen uumlber keine solche Berichterstattung (vgl Ernst amp Young Transparenz im Visier Nachhaltigkeitsbe-richterstattung der oumlsterreichischen Top-Unter-nehmen 2011)

Auszliger der Frage wie viele Unternehmen solche Re-ports uumlberhaupt herstellen werden in dieser Unter-suchung keine Fragen nach Qualitaumlt und Sinnhaf-tigkeit gestellt Dabei waumlre genau das zentral

bdquoBerichte geben vor die unternehmerische Re-chenschaftspflicht ihren Stakeholdern gegenuumlber zu verbessern aber ihr Wert wird aus einer Reihe von Gruumlnden zunehmend in Frage gestellt es gibt keine gemeinsamen Benchmarks mit welchen man die Performance unterschiedlicher Firmen verglei-chen kann der Inhalt liegt voumlllig im Ermessen des Unternehmens was zum Vorwurf der Schoumlnfaumlr-berei fuumlhrt da gibt es Probleme mit der Verifizie-rung und die Erwartung dass eine Vielzahl von Interessensgruppen diese Berichte lesen hat sich als falsch herausgestellt Der Leserkreis beschraumlnkt sich weitgehend auf die Gemeinde der nachhalti-gen Anlegerldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Ernst amp Young nehmen in ihrer Studie positiv Bezug auf die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) da sie bdquoauch in Zukunft ein ent-sprechendes Rahmenwerk zur Nachhaltigkeitsbe-richterstattung bietenldquo (vgl ebenda) Gerade die GRI-Richtlinien sind aber sehr fragwuumlrdig wie im Folgenden ausgefuumlhrt

Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 gegruumlndet und gilt heute als Quasi-Standard im Bereich der Nachhaltigkeit Sie wird als bdquoMulti-stakeholder-Initiativeldquo gesehen Allerdings zeigt ein kurzer Blick auf die sogenannten bdquoOrganiza-tional Stakeholdersldquo dass auch hier eindeutig die Businesswelt mit den Kategorien bdquoBusinessldquo mit uumlber 200 Mitgliedern und bdquoMediating Institu-tionsldquo (zB Beratungsfirmen) mit rund 300 Firmen dominieren

Die Liste der Unternehmen sieht aus wie das bdquoWho is Wholdquo der Konzern- und BeraterInnenwelt BASF Bayer Bosch BP Daimler Deutsche Bank GM ING Group Nike Petrobras Royal Dutch Shell RWE SAP Siemens Vattenfall Arthur D Little Ernst amp Young KPMG etc Auf der anderen Seite stehen etwa 80 Organisationen in der Sparte bdquoCivil Societyldquo wobei nur wenige bekannte Organisatio-nen wie Oxfam aufscheinen dafuumlr aber Namen wie bdquoAmerican Industrial Hygiene Associationldquo bdquoEnt-repreneurs Foundationldquo oder bdquoKorean Standards Associationldquo die nicht gerade auf Zivilgesellschaft hindeuten

Der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative haben zudem 2006 eine strategische Alli-anz gebildet ndash nach dem Motto bdquogleich und gleich gesellt sich gernldquo Damit wird das Gewicht beider Systeme jedoch nicht ihre Substanz erhoumlht

Die Industrie kontrolliert also ganz wesentlich die GRI Es verwundert nicht dass Zahlen in Nachhal-tigkeitsberichten die auf der Basis der GRI-Richt-linien entstanden sind kaum fuumlr die Bewertung der Performance eines Unternehmens taugen denn die Indikatoren sind fuumlr Benchmarking und Ver-gleiche nicht gemacht Daruumlber hinaus taumluscht die Momentaufnahme und ndashberichterstattung oftmals uumlber die wirkliche Unternehmensfuumlhrung hinweg denn viele Indikatoren koumlnnen bestenfalls uumlber mehrere Jahre verglichen werden (zB der Ener-gieverbrauch) ndash und auch das geht nur bedingt weil der Verbrauch von vielen Faktoren wie Um-satzschwankungen Ein- und Verkaumlufe Klima etc abhaumlngt

CSR Berichterstattung

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

16

BP ist geradezu ein Lehrbeispiel welches zeigt wie ein Unternehmen das Publikum mit CSR foumlrmlich bdquoan der Nase herumfuumlhrtldquo und dabei ndash trotz einer langen Liste von Vergehen gegen Mensch und Um-welt - sogar noch mit Nachhaltigkeitspreisen be-dacht wird und damit Profit maximieren kann

Mit einem Budget von einigen 100 Millionen Euro wurde das Image des Unternehmens auf Vorder-mann gebracht und das alte Logo durch eine gruumln-gelbe Sonne ersetzt BP sollte von nun an nicht mehr fuumlr bdquoBritish Petrolldquo sondern fuumlr bdquoBeyond Petrolldquo stehen - der Oumllkonzern mutierte zur Son-nenfirma Dass dennoch nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes mit Solarenergie erzielt wurde konn-ten attraktive Nachhaltigkeitsberichte ndash selbstver-staumlndlich GRI-konform - fast vergessen machen Daruumlber hinaus waren die meisten Produktions-staumltten nach der ISO 14001 Norm zertifiziert

Im bdquoSchwarzbuch Markenfirmen ndash Die Machen-schaften der Weltkonzerneldquo werden BP schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen unter anderem Finanzierung von Buumlrgerkrieg und Waf-fenhandel Zerstoumlrung der Lebensgrundlagen in Oumllfoumlrdergebieten und Kooperation mit Militaumlrre-gimen (vgl Klaus Werner Lobo Hans Weiss Das neue Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machen-schaften der Weltkonzerne 2010 S 176f)

Auf der anderen Seite wurde BP 2007 sogar von der US Wirtschaftszeitschrift Fortune8 in Zusammen-arbeit mit einschlaumlgigen Organisationen bdquoAccoun-tabilityldquo und bdquoCSR-Networkldquo zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gewaumlhlt Der Jury war nicht entgangen dass BP einige Schaumlden gewaltigen Aus-maszliges verursacht hat - zB 2005 die groumlszligte Oumllkata-strophe in Alaska aufgrund mangelhaft gewarteter Oumllleitungen sowie eine Explosion in einer Texani-schen Raffinerie bei der aufgrund unzureichender

Sicherheitsmaszlignahmen 15 Arbeiter getoumltet und 180 verletzt wurden Da BP einige Koumlpfe rollen lieszlig gab es dafuumlr weitere Pluspunkte mit der Begruumlndung dass BP aus den Unfaumlllen gelernt haumltte

Die Explosion der Oumllplattform bdquoDeepwater Hori-zonldquo am 20 April 2010 brachte die Oumlffentlichkeit jedoch wieder vom CSR-Himmel zuruumlck auf den Boden der Realitaumlt Und diesmal gab es nicht nur 11 Tote insgesamt traten aus dem Bohrloch etwa 500000 bis 1 Million Tonnen Oumll aus Die BP-In-genieurInnen hatten schon lange vorher vergeblich vor den Gefahren gewarnt

Der Fall BP

8httpmoneycnncomgalleries2007fortune0710galleryaccountabilityfortuneindexhtml

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

17

Bild

emspU

SemspC

oas

temspG

uard

Bild

emspht

tp

tin

yurl

com

3k3

lgb

v Nach der Katastrophe zeigte sich BP einmal mehr bdquohoumlchst verantwortlichldquo BP sagt zu fuumlr alle Schauml-den ungeachtet gesetzlicher Verpflichtungen auf-zukommen Doch der Konzern wird schon bald danach wegen schleppender Abwicklung und un-zureichender Houmlhe der Zahlungen kritisiert Der Konzern moumlchte Geschaumldigte mit geringen Sum-men fuumlr juristisches Stillhalten abspeisen ldquoDer Energiekonzern BP zahlt Geschaumldigten der Oumllkata-strophe im Golf von Mexiko erstmals Geld damit sie auf Klagen gegen das Unternehmen verzichten Kritiker warnen davor die Einmalzahlungen anzu-nehmenrdquo (Der Spiegel Online vom 28122010)

Die US Untersuchungskommission fuumlr Oumllunfaumllle des Weiszligen Hauses kommt im Jaumlnner 2011 zum Schluss dass die involvierten Firmen Sicherheits-risiken in Kauf genommen haben um Profite zu erhoumlhen

bdquoSicherheit habe fuumlr die Verantwortlichen der am De-saster beteiligten Firmen BP Halliburton und Tran-socean keine Prioritaumlt gehabt (hellip) Die Explosion der Bohrinsel bdquoDeepwater Horizonldquo am 20 April 2010 sei sbquodas Ergebnis verschiedener individueller Fehltritte und Versehen durch BP Halliburton und Transoceanlsquo heiszligt es im Abschlussbericht der Kommission hellip

Viele der von den beteiligten Unternehmen getrof-fenen Entscheidungen haumltten ob sbquobeabsichtigt oder nichtlsquo den Firmen bedeutende Zeit- und Kosten-vorteile verschafft heiszligt es in dem Bericht des von US-Praumlsident Barack Obama eingesetzten Gremi-umldquo (manager magazin online vom 06012011)

Aber auch das System der Selbst-Regulierung geriet unter Beschuss so schreibt das Wall Street Journal ldquoDie kleine US Behoumlrde welche Offshore-Boh-rungen uumlberwacht schreibt keine Sicherheitsregeln vor oder vollzieht sie sondern hat diese Verant-wortung im Laufe eines Jahrzehnts schrittweise der Oumllindustrie uumlbertragen Stattdessen hat das Mi-nerals Management Service - nun in Beschlag ge-nommen durch die Krise der Deepwater Horizon Oumllplattform aus welcher seit Wochen Rohoumll in den Golf von Mexico sprudelt ndash nur vage Leistungsvor-gaben fuumlr die Industrie festgelegt Oumllproduzenten und Bohrfirmen koumlnnen dann frei entscheiden wie sie diese Ziele erfuumlllen sagen Fuumlhrungskraumlfte der Branche und ehemalige Regulierungsbehoumlrdenrdquo

(Wall Street Journal vom 07052010) Praumlsident Obama kritisierte dies in einer Rede am 15 Juni 2010 als ldquogescheiterte Anschauung die jeder Regu-lierung feindlich gegenuumlbersteht - einer Haltung die sagt dass Unternehmen ihre eigenen Spielre-geln festlegen und sich selbst kontrollieren solltenldquo

Dazu die Financial Times Deutschland bdquoDer Kon-zern wird nicht zugunsten von Umweltschutz auf Profit verzichten (hellip) Konzerne sind Systeme die nicht auf Moral ausgerichtet sind Selbst wenn er wollte der Chef von BP koumlnnte gar nicht einfach auf die umstrittenen Tiefwasserbohrungen verzich-ten Er ist in seiner Funktion nicht der Gesellschaft verpflichtet sondern seinen Arbeitgebern den Eig-nern des Oumllkonzernldquo (FTD vom 07082010)

Und so werden auch schon im Maumlrz 2011 wieder neue Lizenzen fuumlr Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vergeben bdquoZwar erwarten BP noch straf-rechtliche Konsequenzen aber insgesamt befin-det sich die Oumllindustrie wieder im Aufwind Die Obama-Regierung hat im vergangenen Monat mit der Vergabe neuer Lizenzen fuumlr die Bohrloumlcher im Golf begonnen ndash die ersten seit der Explosion In Bezug auf die wirklich draumlngenden Fragen die sich angesichts der Katastrophe stellen muss der Kon-gress allerdings erst handeln Angefangen mit der Erhoumlhung der Haftung der Oumllunternehmen bis hin zu schaumlrferen Umweltschutz-Auflagenldquo (der FREI-TAG online vom 22042011)

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

18

Das Thema ldquogesellschaftliche Verantwortungrdquo ist nicht neu Initiativen einzelner UnternehmerInnen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gab es in der Geschichte des Kapitalismus immer wieder Eines der besten Beispiele dafuumlr ist Robert Owen ein britischer Unternehmer und Fruumlhsozialist der auch als Begruumlnder des Genossenschaftswesens gilt

Robert Owen verkuumlrzte in seiner schottischen Baum-wollspinnerei in New Lanark Anfang des 19 Jahr-hunderts die uumlbliche taumlgliche Arbeitszeit von 13 bis 14 Stunden auf 105 Stunden zahlte Loumlhne auch bei Produktionsstop aufgrund von Rohstoffengpaumlssen verbot die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren rich-tete Kranken- und Altersrentenversicherungen ein bot Lebensmittel zu guumlnstigen Preisen an raumlumte Mietverguumlnstigungen ein und richtete sogar Schulen fuumlr Kinder ein ndash um nur einige seiner Initiativen auf-zuzeigen Auf der anderen Seite erhoumlhte er die Arbeits-intensitaumlt und auch den Druck auf die ArbeiterInnen durch ein Bewertungssystem und fuumlhrte Disziplinie-rungsmaszlignahmen wie zB das Verbot von Alkohol ein

RobertOwen

Dieses Experiment welches die Lebensbedingun-gen der ArbeiterInnen stark verbesserte erregte groszlige Aufmerksamkeit und zog zahlreiche Be-sucherInnen an ndash unter anderem den russischen Zaren Nikolaus I Man sollte meinen dass die-ses Modell groszlige Begeisterung ausloumlste und viele NachahmerInnen fand Doch dem war nicht so

Robert Owen hatte groszlige Schwierigkeiten seine GeschaumlftspartnerInnen von der Zweckmaumlszligigkeit der Vorgangsweise besserer Arbeits- und Lebens-bedingungen fuumlr die ArbeiterInnen zu uumlberzeugen Zwar war die Produktivitaumlt sehr hoch aber das Un-ternehmen war schon vor Einfuumlhrung der verbes-serten Arbeitsbedingungen ein Musterbetrieb der sich durch technologische Innovationen und nicht zuletzt durch die unternehmerischen Qualitaumlten Owens gut behauptete Die MiteigentuumlmerInnen des Unternehmens sahen in den Maszlignahmen reine Geldverschwendung Weitergefuumlhrt werden konnte das Projekt nur durch wohlhabende FreundInnen und SympathisantInnen

Seine Versuche andere FabrikantInnen zu motivieren dem Beispiel zu folgen oder politische Unterstuumltzung zu erwirken scheiterten klaumlglich Seine Publikatio-nen wurden nicht beachtet ndash an einer grundlegenden Verbesserung der Lage der arbeitenden Menschen be-stand wenig Interesse Daher zog er sich aus diesem Projekt zuruumlck und widmete sich anderen Initiativen Das Beispiel Owens zeigt nur zu deutlich dass selbst die beste Intention unternehmerischer Initiative nicht gesamtgesellschaftlich durchsetzbar ist

Gluumlckliche Menschen houmlhere Produktivitaumlt und mehr Gewinn ndash sozusagen Win-Win - alle machen es nach und innerhalb kuumlrzester Zeit gehoumlren alle sozi-alen oumlkologischen und oumlkonomischen Probleme der Vergangenheit an So etwas funktioniert leider nur im CSR-Maumlrchen Typischerweise bleiben solche Errun-genschaften isoliert und setzen sich nicht uumlber Markt-mechanismen gesamtgesellschaftlich durch

Initiativen Einzelner ndash so wertvoll sie auch immer gewesen sein moumlgen ndash haben nicht zu einer wesent-lichen Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen insgesamt gefuumlhrt Fortschritte wurden nicht durch freiwillige Leistungen der UnternehmerInnen sondern durch Festlegung verbindlicher Regeln ndash meist gegen den Widerstand der Unternehme-rInnen ndash durch politische oder gewerkschaftliche Aktion erreicht Es gibt wenig Anhaltspunkte da-fuumlr dass diese Grundkonzepte heute obsolet sind Das schmaumllert keineswegs die Verdienste von au-szligergewoumlhnlichen Pionieren wie Robert Owen die der Gesellschaft den Weg in die bessere Zukunft weisen

Der Unternehmer als Sozialreformer

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

19

Bild

emspht

tp

im

ages

ind

iana

hist

ory

org

u

V0

00

26

98emsp

Die ProponentInnen des CSR-Modells gehen da-von aus dass gesellschaftliche Verantwortung und finanzieller Unternehmenserfolg grundsaumltzlich vereinbar sind also keine Mehrkosten anfallen die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Profitmin-derung bzw illegitime Ressourcenverschwendung interpretiert werden koumlnnten Mitunter wird sogar behauptet dass das Thema CSR einen bdquoerfolgskri-tischen Faktorldquo darstellt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung eine notwendige Bedingung fuumlr den Geschaumlftserfolg ist (zB um die Wettbewerbsposition zu staumlrken)

Der neoliberale Oumlkonom Milton Friedman hinge-gen hat eine andere Erklaumlrung fuumlr CSR bdquoEs gibt wenige Entwicklungstendenzen die so gruumlndlich das Fundament unserer freien Gesellschaft unter-graben koumlnnen wie die Annahme einer anderen sozialen Verantwortung durch Unternehmer als die fuumlr die Aktionaumlre ihrer Gesellschaften so viel Gewinn wie moumlglich zu erwirtschaften Alles an-dere ist eine zutiefst subversive Doktrinldquo (Milton Friedmann Kapitalismus und Freiheit 2004 S 165) Ob subversiv oder nicht ndash die Vorstellung dass ein Teil der Profite eines Unternehmens fuumlr gemeinnuumltzige Zwecke (was immer das sein mag) ausgegeben wird ist vom Standpunkt des Kapitals voumlllig absurd Das mag einem sympathisch sein oder nicht es ist aber eine korrekte Beschreibung des Status Quo

Das kapitalistische Unternehmen ldquoopfertrdquo nicht Profite im Interesse des Allgemeinwohls Das ist nicht einfach eine Frage des Willens oder der Uumlber-zeugung sondern eine systembedingte Notwendig-keit Dazu Robert Reich ldquoDas Bekenntnis zu einem sozialen Gewissen Verantwortung von Unterneh-men ist ein Schlagwort Es sorgt fuumlr gute Presse es beschwichtigt die Oumlffentlichkeit In Wahrheit kann es sich kein Unternehmen auf Dauer leisten sozia-le Verantwortung wahrzunehmen die mit houmlheren Kosten verbunden istrdquo (Robert Reich im Interview mit dem Stern 19012009)

Die durch die Globalisierung deutlich verschaumlrfte Konkurrenz laumlsst hier wenig Spielraumlume ndash die Jagd nach Maximalprofit zwingt die Unternehmens-leitungen zu Kostensenkung und zum Abbau von Arbeitskraumlften ldquoBMW verkauft so viele Autos wie nierdquo lautete die Schlagzeile des Tagesspiegels am 10

Jaumlnner 2008 Und weiter ldquoTrotz des Rekordabsat-zes hatte BMW kurz vor Weihnachten den Abbau Tausender Arbeitsplaumltze angekuumlndigt um profita-bler zu werdenrdquo denn ldquoBei der Umsatzrendite ist der Konzern aber hinter andere Premiumhersteller zuruumlckgefallenrdquo Wenige Unternehmen werden sich aus gesellschaftlicher Verantwortung mit weniger als der maximalen Profitrate zufrieden geben um zB Arbeitsplaumltze zu sichern Daran aumlndern sal-bungsvolle CSR-Bekenntnisse nichts

Wenn also Profitminderung fuumlr gemeinnuumltzige Zielsetzungen kategorisch ausgeschlossen ist was bewegt Unternehmen dazu sich dem Thema CSR zu widmen ndash gibt es gar den so oft beschworenen ldquoBusiness Caserdquo und wie sieht er aus Diese Fragen wurden auch im Rahmen eines Seminars an der Harvard University behandelt (Bruce L Hay ea Environmental protection and the social responsi-bility of firms Washington 2005)

Der bdquoBusiness Caseldquo

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

20

Forest L Reinhard von der Harvard Business School diskutiert in seinem Beitrag ldquoEnvironmen-tal protection and the social responsibility of firms ndash Perspectives from the business literatureldquo (vgl ebenda S 151 ff ) die Frage unter welchen Bedin-gungen es sich auszahlt bdquogruumlnldquo zu handeln (bdquowhen might it pay to be greenldquo) und behandelt folgende Handlungmoumlglichkeiten

bull Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

bull Kostenreduktion

bull Verbessertes Risikomanagement

Erhoumlhte Zahlungsbereitschaft der KundInnen

Die Maszlignahmen im Sinne des Allgemeinwohls fuumlhren zu erhoumlhten Kosten die das Unternehmen weitergeben kann Eine Option ist die Produktdif-ferenzierung ndash das Produkt ist besonders bdquowertvollldquo im Sinne der Nachhaltigkeit (zB ein Bioprodukt) und die KonsumentInnen sind bereit einen houmlhe-ren Preis dafuumlr zu bezahlen

Eine andere Moumlglichkeit besteht darin dass Her-stellerInnen strategisch Regulierung benutzen (zB wenn Daumlmmstoffhersteller strenge Grenzwerte fuumlr die Energieeffizienz von Gebaumluden durchsetzen) Erwartete Umweltprobleme lassen sich auch strate-gisch nutzen ndash durch Entwicklung von neuen Tech-nologien die zB bei der vorhersehbaren Knapp-heit von Ressourcen zukuumlnftig zu hohen Preisen verkauft werden koumlnnen

Kostenreduktion

Moumlglich sind auch Einsparungen durch reduzier-ten Ressourcenverbrauch guumlnstigere Finanzie-rungskosten wenn InvestorInnen davon uumlberzeugt sind dass das Unternehmen bdquocleanldquo ist geringe-re Arbeitskosten aufgrund hochmotivierter und

damit produktiver MitarbeiterInnen oder recht-zeitiges Einstellen auf zukuumlnftige gesetzliche Re-geln und entsprechende Beruumlcksichtigung bei Investitionsentscheidungen

Verbessertes Risikomanagement

Es kann teuer werden wenn Unternehmen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten weil sie sich beson-ders schwerwiegender Vergehen schuldig gemacht haben Dies kann nicht nur zu Absatzruumlckgaumlngen sondern auch zu Entschaumldigungszahlungen und im Extremfall sogar zur Betriebsstillegung fuumlhren Daher kann die Vermeidung von Fehlverhalten ge-winnbringend sein

All diese Strategien die durchaus gesellschaft-lich wuumlnschenswerte Ergebnisse bringen koumlnnen zeichnen sich dadurch aus dass sie wenig oder gar nicht uumlber normale marktwirtschaftliche Me-chanismen hinausgehen Sie haben uumlberwiegend nichts mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun sondern stellen primaumlr nur eine Auspraumlgung von Profitmaximierung dar wobei aber die sicher sehr positiv zu bewertenden Umwelt- und Biozeichen wesentlich durch politische Maszlignahmen gefoumlrdert wurden (siehe unten)

Davon abgesehen sind ihnen enge Grenzen ge-setzt der Marktanteil von Produkten mit Bio- oder Umweltzeichen ist sehr klein Kostenoptimierung durch betriebliche Energieeinsparung werden wohl weitgehend schon in der Vergangenheit genutzt worden sein Risikomanagement wird sich uumlber-wiegend auf die Vermeidung von auffaumllligem sehr krassem Fehlverhalten konzentrieren (wie Kinder-

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

21

Bild

emspA

nti-

Dis

neyemsp

Act

ionemsp

Pag

e

arbeit bei der Herstellung von Bekleidungstextili-en) Wie das Beispiel BP zeigt war nicht einmal das eine starke Motivation ndash von Risikominimierung konnte gar keine Rede sein die Profitmaximierung hatte absoluten Vorrang

Daher kommt Forest L Reinhard nach eingehen-der Analyse der relevanten Literatur zum Schluss ldquoGanz allgemein legt jedoch diese Literatur nahe dass Regulierer und Aktivisten skeptisch sein muumls-sen dass sich Firmen in nennenswertem Umfang freiwillig dem Gemeinwohl verpflichten werden ohne ernsthafte Bedrohung durch Regulierung Wenn die Formel ldquoGruumln rechnet sichldquo im Allgemei-nen richtig waumlre dann waumlre es nur eine Zeitfrage bis die Manager dies entdecken und entsprechend verhalten wuumlrden Weil aber die vorliegende Evi-denz nahelegt dass sich fuumlr einige Unternehmen in manchen Laumlndern in gewisser Hinsicht ldquogruumln rechnetldquo aber nicht generell muumlssen Regulierer die mehr Allgemeinwohl wollen dieses durch die Macht des Staates durchsetzenldquo (Forest L Rein-hard ebenda) Auch hier zeigt sich wieder die Einhaltung houmlchster Umwelt- und Sozialstandards wird sich in einigen Faumlllen mit den Gewinnabsich-ten der Unternehmens vereinbaren lassen ndash das ist aber nicht verallgemeinerbar

Wenn allerdings mit relativ geringem Aufwand durch darauf spezialisierte Unternehmen ein gutes Image aufgebaut wird kann sich CSR schon sehr schnell lohnen Durch eine gute Platzierung in Nachhaltigkeitsrankings kann ein Konzern durch-aus seinen Shareholder Value steigern Es gibt eine zahlungskraumlftige Nachfrage nach Aktien von Un-ternehmen die als gesellschaftlich verantwortlich gelten Sogenannte Nachhaltigkeits- bzw Ethik-fonds haben ein geschaumltztes globales Volumen von 76 Billionen Euro (vgl Eurosif European SRI Stu-dy 2010)

Hier zaumlhlt primaumlr der Schein und nicht das Sein So wie bdquoSubprimesldquo solange verkauft werden koumln-nen wie die Leute daran glauben (und von bezahl-ten Ratingagenturen als gut befunden werden) so koumlnnen auch Aktien von Unternehmen die als verantwortlich gelten solange verkauft werden als das gute Image aufrechterhalten werden kann Man kann dies als Geschaumlft mit der Illusion von Nach-haltigkeit bezeichnen

Die Financial Times Deutschland bringt es unter dem Titel bdquoAbzockgefahr mit Gutmenschenpro-duktenldquo auf den Punkt bdquoManche Produktanbieter gaukeln Anlegern vor dass sich Moral und Mone-ten muumlhelos miteinander vereinbaren lieszligen Doch die Wahrheit ist Sie passen nur in den seltensten Faumlllen zusammenldquo (FTD vom 12022010)

BP ist ein gutes Beispiel dafuumlr wie man mit Pseudo-Nachhaltigkeit Gewinn erzielen kann Cary Kro-sinsky fand bei der Analyse von 350 Nachhaltig-keitsfonds aus der ganzen Welt heraus bdquoEnde 2008 hatte BP den zweitgroumlszligten Anteil am gesamten In-vestitionsvolumen dieser Fonds Die fuumlnf groumlszligten Anteilsinhaber waren Royal Dutch Shell BP No-kia Vodafone und HSBC Holding-Gesellschaftenldquo (GreenBiz vom 13072010)

Bild

emsp[c

reat

or7

6]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

22

Was waumlre naheliegender als die bdquomuumlndigenldquo Ver-braucherInnen dazu zu bewegen verstaumlrkt Pro-dukte zu kaufen die einen hohen gesellschaftlichen Wert haben Damit koumlnnten erhoumlhte Profite fuumlr Unternehmen und mehr Nachhaltigkeit miteinan-der in Einklang gebracht werden Doch das ist nicht so einfach

Die Rede von den bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen ist eng mit der neoliberalen Ideologie verknuumlpft Wenn es bdquomuumlndige KonsumentInnenldquo gibt eruumlb-rigt sich weitgehend die Regulierung von Produk-ten Der Schutzgedanke tritt in den Hintergrund wenn umfassend informierte VerbraucherInnen selbst entscheiden koumlnnen was fuumlr sie gut ist bdquoDie-se Annahme ist aber hochgradig verfehlt und ent-spricht nicht der Lebenssituation der Masse der Bevoumllkerung Sie soll lediglich der Oumlkonomie einen ungestoumlrten Rahmen bieten um ungestoumlrt expan-dieren zu koumlnnenldquo (Harald Glatz 30 Jahre Kon-sumentenschutzgesetz 2009 S 5) In der Realitaumlt bedeutet dies nicht nur eine voumlllige Uumlberforderung der Menschen durch eine kaum bewaumlltigbare Infor-mationsflut sondern auch das Abschieben politi-scher Verantwortung

Ein gutes Beispiel fuumlr letzteres ist der Verfall des Mehrwegsystems in Oumlsterreich Seit langem wird der Ruumlckgang des Mehrweganteils bei Getraumln-keverpackungen beklagt Bei Mineralwasser lag er beispielsweise 1994 bei 94 und sank bis 2009 auf rund 18 Verbindliche Mehrwegquoten feh-

len und werden auch von der Wirtschaftskammer sabotiert die vor einer bdquoZwangsbegluumlckung der Konsumentenldquo warnt (vgl Der STANDARD Mehr-weganteil sinkt bestaumlndig vom 16062009) Die In-dustrie setzt auf die bdquomuumlndigenldquo KonsumentInnen um politische Loumlsungen - nur diese koumlnnten eine Trendumkehr ausloumlsen - zu verhindern

Denn die VerbraucherInnen haben andere Prioritauml-ten Eine Karmasin-Studie im Auftrag der ARA mit dem bezeichnenden Titel bdquoPrononcierte Vorliebe fuumlr Mehrweg-Flaschen widerspricht Verkaufs- und Sammelzahlenldquo (2001) zeigte dass Mehrwegfla-schen uumlberwiegend (von 69) als umweltfreund-lich erkannt wurden Eine deutliche Mehrheit (60) gab auch an diese gegenuumlber Einweg zu bevorzugen Die Entwicklung der Verkaufszahlen steht dazu aber in krassem Widerspruch

Es ist bekannt dass Leute bei Interviews nicht die (ganze) Wahrheit sagen sondern sich durch die rosa Brille sozial gewuumlnschter Verhaltensweisen interpre-tieren Man koumlnnte auch sagen der Geist ist willig doch das Fleisch ist schwach - oder mehr wissen-schaftlich - vom bdquoAttitude-Behaviour Gapsldquo spechen

Sozial und oumlkologisch vertraumlgliche Produkte zu kaufen wird zwar grundsaumltzlich fuumlr gut befunden aber in der Realitaumlt sind es doch andere Faktoren welche kaufentscheidend sind In obigem Beispiel ist es die Bequemlichkeit (kein Ruumlcktransport der leeren Flaschen) Aber auch weitere Faktoren spielen eine erhebliche Rolle so Preis Leistung Service Garantie Design Prestige Bedienungs-freundlichkeit etc Grundsaumltzlich optimieren KonsumentInnen ihren eigenen Nutzen (oder was sie dafuumlr halten) Gesellschaftlicher Nutzen ist se-kundaumlr Es sollte auch nicht vergessen werden dass es die Einkommenssituation groszliger Teile der Bevoumllkerung nicht gestattet Produkte nach sozi-al oder oumlkologischen Kriterien auszuwaumlhlen Hier beschneidet schon das Portemonnaie die bdquoMuumlndig-keit der KonsumentInnenldquo Natuumlrlich ist es wichtig die KonsumentInnen zu verantwortlichem Kauf-verhalten (zu der auch der Kaufverzicht gehoumlrt) zu motivieren Doch solchen Bemuumlhungen sind enge Grenzen gezogen nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Konsum stimulierenden Werbebotschaften die die soziale und oumlkologische Unvertraumlglichkeit des Konsums systematisch ausblenden

Verantwortliche KonsumentInnen

Bild

emspN

eSoV

e

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

23

Bild

emspN

eSoV

e

Im CSR-Konzept spielt die Einbeziehung der Interes-sensgruppen bzw der bdquoStakeholderldquo (zB Sharehol-der KundInnen LieferantInnen ArbeitnehmerInnen etc) eine groszlige Rolle bdquoAnspruchsgruppen zu iden-tifizieren und einzubinden ist fuumlr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung von zentraler Be-deutungldquo (ISO 26000 Abschnitt 333) Dabei sollten Organisationen bdquodie Interessen ihrer Anspruchsgrup-pen achten beruumlcksichtigen und auf sie eingehenldquo (ISO 26000 Abschnitte 45 bzw 53) und dabei (verkuumlrzt)

bull Interessensgruppen identifizierenbull ihre Interessen bdquogebuumlhrendldquo beruumlcksichtigen

und auf ihre Anliegen reagierenbull ihre unterschiedlichen Faumlhigkeiten beruumlcksich-

tigen mit der Organisation in Wechselwirkung zu treten

bull nicht uumlbergeordnete gesellschaftliche Anspruumlche uumlbersehen

bull auch Anspruumlche von Interessensgruppen beruumlck-sichtigen die nicht formell artikuliert werden

Government

Suppliers

Local community Employees

Finacecompanies

ShareholdersCustomers

A companyacutesstakeholders

Es stellt sich die Frage was dies konkret bedeutet Wel-che Anspruchsgruppen werden wann und wie einbe-zogen woruumlber wird diskutiert wer legt die Agenda fest und wer entscheidet uumlber die bdquogebuumlhrlicheldquo Be-ruumlcksichtigung welcher Interessen Die Antwort ist bei den Stakeholder-Dialogen sehr einseitig bdquoAllerdings liegen die Entscheidungen daruumlber welche Gruppen von Leuten als Stakeholder gewertet und auf welche Weise ihre Einbeziehung erfolgt voumlllig im Ermessen des Unternehmensldquo (Corporate Watch Report 2006 S 4)

Die Anspruumlche der unterschiedlichen Stakeholder

sind sehr verschieden mitunter gegensaumltzlicher Natur Da die Gewichtung der Einzelinteressen vom Unternehmen vorgenommen wird ist es ein Leichtes mit der Beruumlcksichtigung aller Interes-sen zu argumentieren Damit wird das Konzept bdquoStakeholder-Dialogldquo zum Persilschein ndash alles ist moumlglich und insbesondere strukturell unterlegene Interessengruppen (wie ArbeitnehmerInnenver-tretungen KonsumentInnenvertretungen NGOs) fungieren nur noch als Feigenblatt unternehmeri-scher Selbstgestaltung

Im Rahmen neoliberaler Konzepte wird CSR zum Substitut fuumlr Regulierung bdquoCSR schwaumlcht demo-kratische Entscheidungsfindung und draumlngt sie an den Rand Es wird behauptet dass demokratische Regelsetzung nicht noumltig ist die (entrechtete) Buumlr-gerIn wird durch den sbquoStakeholderlsquo ersetztldquo (Cor-porate Watch Report 2006 S 17)

Im Zusammenhang mit der Teilnahme an Stake-holder-Dialogen stellen sich weitere Fragen Wie viel freie Kapazitaumlt haben NGOs fuumlr Stakeholder-Dialoge Koumlnnte die dafuumlr verwendete Zeit sinn-voller genutzt werden Fuumlhren sie dazu dass NGOs an Kritikfaumlhigkeit verlieren und von der Industrie eingekauft werden Handelt es sich dabei um eine gezielte Strategie der Ruhigstellung Werden NGOs als Feigenblatt missbraucht Werden kritische NGOs gegen angepasste ausgespielt

Klar ist die Industrie sitzt immer am laumlngeren He-bel und behaumllt die Kontrolle uumlber das Geschehen Sie kann den Prozess jederzeit abbrechen und das wissen alle Beteiligten In demokratischen Prozes-sen ist das nicht so einfach moumlglich

Stakeholder statt Demokratie

Bild

emsp[N

atal

iaemspB

anny

kh]

123

RF

CO

M

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

24

In den bisherigen Kapiteln wurde gezeigt dass die von Wirtschaftsseite beworbenen CSR-Konzepte ein-seitig interessegeleitet sind An dieser Stelle sei betont dass es in dieser Broschuumlre primaumlr um eine Konzept-kritik geht ndash und nicht so sehr um eine Kritik der Mo-tivation der handelnden AkteurInnen die sich auch bei besten Intentionen der kapitalistischen Profitlogik nicht entziehen koumlnnen denn ldquoVor dem Hintergrund der sich verschaumlrfenden Weltmarktkonkurrenz und einer Gesellschaftsstruktur die den Gewinn als zent-rales Motiv des Handelns von Unternehmen erzwingt und akzeptiert sind solchen Bemuumlhungen auch enge Grenzen gezogenrdquo (NeSoVe bdquoForderungen an die oumls-terreichische Politikldquo 2008)

Dennoch gibt es auch positive Beispiele freiwilli-ger Initiativen im gesellschaftlichen Interesse die nicht einfach nur der marktwirtschaftlichen Logik geschuldet sind sondern eher gegen diese durchge-setzt wurden

Dies gilt zum einen fuumlr NGO-Initiativen in Staaten die ihren Schutzpflichten gegenuumlber der Bevoumllke-rung nicht nachkommen Hier haben freiwillige Initiativen eine groumlszligere Bedeutung und uumlben teil-weise sogar Druck auf staatliche Politiken aus

Aber auch in unseren Breitengraden gibt es he-raus stechende (Positiv-) Beispiele So der bio-logische Landbau Dieser musste sich gegen die (billige) konventionelle Konkurrenz behaupten Ohne politische Intervention und das staatliche Guumltezeichen das fuumlr anspruchsvolle Kriterien (die allerdings von manchen als zu schwach eingestuft werden) samt glaubwuumlrdiger Kontrolle sorgt wauml-ren die Fortschritte in diesem Bereich weit gerin-ger ausgefallen

Staatliche (und halbstaatliche) Umweltzeichen ndash wie das oumlsterreichische ldquoHundertwasserrdquo-Zeichen der ldquoBlaue Engelrdquo oder die europaumlische Blume - haben dafuumlr gesorgt dass fuumlr viele Produkte mehr oder weniger substanzielle Umweltkriterien ent-wickelt wurden (theoretisch sollten nur die besten 10-20 der Produkte ausgezeichnet werden) die allerdings weitgehend von der Industrie ignoriert werden Immerhin bilden diese Regeln immer haumlu-figer die Grundlage fuumlr oumlffentliche Beschaffungs-kriterien womit die Ebene der Freiwilligkeit de facto verlassen wird

Auch das Fairtrade-Siegel welches immer mehr Produktgruppen erfasst wird zu den positiven Bei-spielen gezaumlhlt (wenn es auch sehr viele kritische Stimmen gibt)

All diese Zeichen die nicht bloszlig ldquobusiness as usualrdquo sind haben dennoch eines gemeinsam sie sind Ni-schenprodukte und quantitativ von nicht gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung obwohl sie seit vielen Jahren beworben wurden und werden Bio-Lebens-mittel haben heute in der EU einen Marktanteil von weniger als 2 (vgl European Commission Directorate-General for Agriculture and Rural De-velopment An analysis of the EU organic sector Juni 2010) Produkte mit Umwelt- oder Fairtrade-Zeichen liegen noch deutlich darunter In der BRD betrug etwa der Anteil von fair gehandelten Le-bensmitteln am gesamten Lebensmittelhandel 2009 bei ca 015 (vgl Patrick Schwan bdquoDie Chance fuumlr den fairen Handelldquo August 2011)

Wesentliche Beitraumlge zur Kursaumlnderung in Rich-tung Nachhaltigkeit wird man sich also von diesen Instrumenten nicht erwarten koumlnnen NeSoVe un-terstuumltzt freiwillige Initiativen wenn sie als Pilot-projekte Handlungsspielraumlume aufzeigen Voraus-setzung ist jedoch dass die Initiativen substantielle Inhalte (im Sinne von hohen Leistungsanforderun-gen) vorzugsweise in einem demokratisch legiti-mierten politischen Prozess festlegen sowie uumlber ein glaubwuumlrdiges und demokratisch legitimiertes Kontrollsystem verfuumlgen

Positive Ansaumltze

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

25

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetriebe-ne Globalisierung und die damit verbundene De-regulierung Privatisierung und Liberalisierung haben den Abbau von sozialen Errungenschaften und die Zerstoumlrung der Umwelt beschleunigt Statt Wohlstand fuumlr alle haben die entfesselten Maumlrkte die Zerstoumlrung der Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme mit sich gebracht In den letzten 30 Jahren hat sich die soziale Differenzierung deutlich verstaumlrkt ndash Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer Weiter denn je sind wir von Nachhaltigkeit entfernt

Besonders skrupellos hat dabei die Finanzindustrie agiert ndash mit Pyramidenspielen aller Art hat sie das Fi-nanzsystem an den Rand des Abgrundes manoumlvriert Dieser konnte bislang auf der Basis des Prinzips bdquoPri-vatisierung der Gewinneldquo und bdquoSozialisierung der Ver-lusteldquo durch Geiselnahme der SteuerzahlerInnen hin-ausgeschoben werden Doch eine Sanierung ist nicht in Sicht US-Notenbankchef Ben Bernanke warnte im Juni 2011 vor dem Zusammenbruch des Finanzsys-tems Bisherige Maszlignahmen scheinen die Lage nicht zu verbessern Sparprogramme ndash wie Griechenland aufgezwungen und nun auf ganz Europa ausgeweitet - drohen den Abstieg noch zu beschleunigen

Hier ist eine radikale Kurskorrektur von Noumlten Die Fesselung der entfesselten Marktkraumlfte kann nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer post-kapitalistischen Ordnung sein welche nicht Pro-fitmaximierung in den Mittelpunkt stellt sondern Gemeinwohlorientierung Benoumltigt werden nun starke Eingriffe in das Marktgeschehen und Re-Regulierung um rasch die schlimmsten Auswuumlchse neoliberaler Politik unter Kontrolle zu bringen

Was gesellschaftlich wuumlnschenswert ist kann nur im Rahmen demokratische Willensbildung im Rah-men der dafuumlr vorgesehenen staatlich-politischen Institutionen bestimmt und nicht an Unternehmen delegiert werden Da diese aber in nicht unerhebli-chem Ausmaszlig von maumlchtigen AkteurInnen der Wirt-schaft bestimmt werden ist deren Einfluss massiv einzudaumlmmen

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die In-itiative von Mitgliedern des europaumlischen Parla-ments welche sich in einem dramatischen Hilferuf gegen die Uumlbermacht der Finanzlobby wehrten bdquolsquoDas Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr fuumlr die Demokratielsquo schreiben die fuumlr die Regulierung des Finanzsektors verantwort-lichen Abgeordneten in einem fraktionsuumlbergrei-fenden Aufruf und forderten die Gruumlndung von schlagkraumlftigen NGOsldquo (Financial Times Deutsch-land vom 21062010)

Die CSR-Konzepte ndash im Sinne der uumlblichen Definiti-onen ndash sind viel zu beschraumlnkt um die notwendigen wirtschaftlichen sozialen und oumlkologischen Kurs-korrekturen voranzutreiben Die damit verbundenen neoliberalen politisch-strategischen Zielsetzungen lassen selbst kleine Beitraumlge zweifelhaft erscheinen bdquoDoch mit der sbquogesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmenlsquo verhaumllt es sich so wie mit Zuckerwat-te je staumlrker man hineinbeiszligt desto schneller loumlst sie sich in Nichts auf ldquo (Robert Reich Superkapitalismus S 223)

Daher verfolgt NeSoVe eine andere Konzeption ge-sellschaftlicher Verantwortung Sie ist gekennzeichnet durch die Verknuumlpfung regulativer und freiwilliger Instrumente wobei aber ersteren die eindeutige Pri-oritaumlt zukommt

Resuumlmee der CSR-Konzeptanalyse

Bild

emsp[Y

uriy

emspKo

bet

s]1

23R

FC

OM

Bild

emspo

ccup

yhel

p

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

26

Das im August 2011 vom Ministerrat beschlossene Arbeitsprogramm des Bundes und der Laumlnder zur Umsetzung der bdquoOumlsterreichischen Strategie Nach-haltige Entwicklungldquo (OumlSTRAT) enthaumllt ua den Themenschwerpunkt CSR der die Ausarbeitung ei-nes nationalen CSR-Aktionsplanes vorsieht Dabei ist die Einbeziehung bestehender Initiativen wie respACT ndash Austrian Business Council for Sustaina-ble Development oder auch NeSoVe vorgesehen In diesem Zusammenhang ist eine Reihe von themen-spezifischen Workshops vorgesehen die im Laufe des Jahres 2012 stattfinden sollen

Am 25102011 hat die Europaumlische Kommission die schon erwartete bdquoneue EU-Strategie (2011-14) fuumlr die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)ldquo veroumlffentlicht (KOM(2011) 681 endguumlltig)

Die wesentlichen Elemente der Strategie sind grundlegende Betrachtungen zum Thema soziale Verantwortung von Unternehmen einschlieszliglich einer neuen Definition von CSR sowie ein bdquoAk-tionsplanldquo fuumlr die naumlchsten 4 Jahre mit den we-sentlichen Elementen Promotion Verbreitung be-waumlhrter Verfahren Foumlrderung fuumlr KMUs Staumlrkung des Vertrauens in Unternehmen Erarbeitung von Verhaltenscodizes Schaffung von Martktanrei-zen Sicherstellung von Transparenz Integration ins Bildungswesen Forcierung nationaler Akti-onsplaumlne sowie Abstimmung mit internationalen CSR-Regelwerken

Bei der neuen Definition wonach CSR bdquodie Verant-wortung von Unternehmen fuumlr ihre Auswirkungen auf die Gesellschaftldquo ist handelt es sich um eine Kurzfassung der ISO 26000 Definition Die Freiwil-ligkeit ist zwar nicht mehr ndash wie bei der fruumlheren Definition der Kommission ndash Textbestandteil doch weisen die weiteren Ausfuumlhrungen sehr eindeutig in diese Richtung Wenigstens haumllt die Kommis-sion fest dass sie unter Wahrnehmung sozialer Verantwortung die Integration von sozialen oumlko-logischen ethischen Menschenrechts- und Ver-braucherbelangen in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsfuumlhrung und in ihre Kernstrategie versteht

Aus der Perspektive von NeSoVe faumlllt die Strategie enttaumluschend aus An dem Freiwilligkeitsdogma als bdquonotwendige Flexibilitaumltldquo der Unternehmen fuumlr

ihre Innovation wird nicht geruumlttelt bdquoBei der Ent-wicklung von CSR sollten die Unternehmen selbst federfuumlhrend seinldquo Den Behoumlrden ist nur eine bdquoun-terstuumltzende Rolleldquo zugedacht Freiwilligen Maszlig-nahmen wird Prioritaumlt eingeraumlumt die immerhin bdquonoumltigenfallsldquo () durch ergaumlnzende Vorschriften unterstuumltzt werden sollen Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit bdquoFuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit der Unternehmen ist ein strategischer CSR-Ansatz von zunehmender Bedeutungldquo Ein weiteres zentrales Motiv fuumlr die Kommission ist nicht durch Regulierung fuumlr ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln von Un-ternehmen zu sorgen sondern das durch die Fi-nanz- und Schuldenkrise erschuumltterte Vertrauen der Bevoumllkerung in die europaumlische Wirtschaft wie-der herzustellen ohne grundlegende Aumlnderungen der Wirtschaftsablaumlufe vorzunehmen Dafuumlr sollen zahlreiche bdquoMultistakeholder-CSR-Plattformenldquo gegruumlndet Codizes erarbeitet und Preise vergeben werden (vgl KOM (2011) 681 endguumlltig)

Anspruchslose Richtlinien wie der Global Com-pact die OECD-Leitsaumltzen fuumlr multinationale Un-ternehmen oder die ISO 26000 gelten als richtige wie ausreichende Leitlinien zur Gewaumlhrleistung der gesteckten Ziele Daher sollen sich alle groszligen europaumlischen Unternehmen verpflichten bis 2014 zumindest eines dieser Regelwerke anzuwenden Ebenso sollen die voumlllig nichtssagenden bdquoGrundsaumlt-ze der Vereinten Nationen fuumlr verantwortungsvolle Investitionenldquo im Bereich Verwaltung von Anla-gevermoumlgen insbesondere bei Pensionsfonds zur Anwendung kommen Die Unternehmen wie auch

CSR-Politik in Oumlsterreich und in der EU

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

27

Bild

emspE

UemspC

om

mis

sio

n

Staaten sollen auch die Leitprinzipien der Verein-ten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschen-rechte anwenden bzw umsetzen Allerdings sind auch diese nur ein Ersatz fuumlr die gescheiterten Be-muumlhungen internationale verbindliche Regeln in diesem Bereich zu etablieren

Selbst- und Koregulierungsprozesse werden gefoumlr-dert Zwar sollen auch gesetzliche Regelungen zB im Bereich irrefuumlhrenden Marketings im Umwelt-bereich uumlberpruumlft werden doch diese Aktivitaumlten standen ohnehin auf der Tagesordnung der europauml-ischen Politik Das gilt auch hinsichtlich der ange-dachten verstaumlrkten Integration sozialer und oumlkolo-gischer Erwaumlgungen im oumlffentlichen Vergabewesen bdquoohne dass dadurch zusaumltzlicher Verwaltungsauf-wand fuumlr die Vergabebehoumlrden oder Unternehmen entsteht und ohne den Grundsatz der Auftragsver-gabe an den Bieter mit dem wirtschaftlich vorteil-haftesten Angebot zu untergrabenldquo (vgl ebenda) und die Uumlberarbeitung des Aktionsplans fuumlr nach-haltigen Verbrauch und nachhaltige Produktion

Grundsaumltzlich positiv zu beurteilen ist die Absicht der Kommission einen Vorschlag fuumlr eine Rechts-vorschrift zu praumlsentieren der die Offenlegung von sozialen und oumlkologischen Informationen durch die Unternehmen zum Ziel hat Allerdings ist zu befuumlrchten dass sich diese moumlglichen Berichts-pflichten an den Indikatoren der von den Multis so geschaumltzten GRI-Leitlinien orientieren werden die Vergleiche zwischen Unternehmen bzw Bench-marking weitgehend nicht zulassen

NeSoVe sieht daher keinen Anlass in Jubelstim-mung auszubrechen Mit dieser Mitteilung bleibt die Kommission dem neoliberalen Paradigma treu Unternehmen und Maumlrkte haben die fuumlhrende Rolle demokratische Regelsetzung ist bestenfalls ergaumlnzend vorgesehen ndash und auch das nur bdquonoumlti-genfallsldquo Nachhaltiges Wirtschaften wird man auf diesem Weg nicht erreichen

Ausdruumlcklich Bezug genommen wird in der Strate-gie ndash wie bereits erwaumlhnt - auf bdquoDie Leitprinzipi-en der Vereinten Nationen fuumlr Unternehmen und Menschenrechteldquo die im Juni 2011 angenommen wurden Sie ergaumlnzen den Referenzrahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unter-nehmen aus dem Jahr 2009 der ebenfalls unter der Leitung von John Ruggie erarbeitet wurde

Zuvor waren voumllkerrechtlich verbindliche Regelun-gen fuumlr multinationale Unternehmen (bdquoNorms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to hu-man rightsldquo) welche 2003 von der bdquoSub-Commis-sion on the Promotion and Protection of Human Rightsldquo verabschiedet wurden dem Lobbying der Industrie zum Opfer gefallen und von der UN-Menschenrechtskommission verworfen Die UN Leitprinzipien sind sicher kein Ersatz fuumlr diese ge-scheiterten Bemuumlhungen

Die wesentlichen Saumlulen des Referenzrahmens und der Leitprinzipien sind

bull staatliche Pflicht Menschenrechte zu schuumltzen

bull Verantwortung der Unternehmen Menschen-rechte zu achten

bull Zugang von Opfern zu Wiedergutmachung und Entschaumldigung

Bei der zweiten Saumlule handelt es sich um die bdquomo-ralischeldquo Sorgfaltspflicht (due diligence) der Unter-nehmen - eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht Das schlieszligt nicht aus entsprechen-de Gesetze auf europaumlischer Ebene zu verabschie-den Der politische Wille hierzu ist jedoch nicht zu erkennen

Die Betonung der staatlichen Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung der Unternehmen die auch Investitions- und Handelsuumlbereinkommen einschlieszligt wie auch der eingemahnte Opferschutz bieten genuumlgend Anknuumlpfungspunkte fuumlr weiterge-hende gesetzliche Maszlignahmen

Der Ruggie-Prozess

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

28

Auf der Basis der vorhergehenden Analyse werden in diesem Zusammenhang folgende NeSoVe -An-forderungen abgeleitet

Corporate Social Responsibility (CSR) kann nicht als ein allseits akzeptiertes Konzept betrachtet werden Vielmehr haben die verschiedenen gesell-schaftlichen AkteurInnen ganz unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich einer Oumlkonomie die den Interessen von Mensch und Umwelt verpflich-tet und nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalte-ten ist Daher sollte die oumlsterreichische CSR-Politik den Diskurs daruumlber in den Mittelpunkt stellen was gesellschaftlich wuumlnschenswerte Verhaltens-weisen eigentlich sind wer daruumlber entscheidet bzw auf welchen Wegen sie erreichbar sind Dabei ist insbesondere der Frage breiter Raum zu geben in welchem Verhaumlltnis freiwillige Instrumente wie CSR zu gesetzlicher Regulierung stehen

Die nach neoliberalen Grundsaumltzen vorangetrie-bene Globalisierung und die damit verbundenen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien be-guumlnstigen den Abbau von sozialen Errungenschaf-ten und treiben die Zerstoumlrung der Umwelt voran Dem kann durch freiwillige Entscheidungen auf betrieblicher Ebene ndash auch bei besten Intentionen ndash nur sehr beschraumlnkt entgegengewirkt werden Gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise zeigt sich die Notwendigkeit verbindlicher und effekti-ver Regulierung zum Schutz aller Beteiligten

Turbokapitalismus und gesellschaftliche Verant-wortung sind nicht kompatibel Daher muss die oumlsterreichische CSR-Politik eine Diskussion uumlber Alternativen zum neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftssystem genauso einschlieszligen wie Opti-onen die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte (zB Teilprivatisierung des Pensionssystems) wie-der ruumlckgaumlngig zu machen

Eine oumlsterreichische CSR-Politik kann sich daher auch nicht auf Foumlrdermaszlignahmen und die Regu-lierung der Rahmenbedingungen von CSR-Aktivi-taumlten beschraumlnken Vielmehr braucht es beispiels-weise verbindliche Regeln zur Berichterstattung fuumlr Unternehmen mit aussagekraumlftigen Indikatoren und Benchmarks

Daruumlber hinaus sollen diese Bemuumlhungen ver-knuumlpft werden mit der Uumlberpruumlfung existierender gesetzlicher Bestimmungen bzw der Ermittlung von Regelungsluumlcken (zB in den Bereichen Steu-ern Soziales ArbeitnehmerInnen- Verbrauche-rInnen und Umweltschutz) und das sowohl auf nationaler als auch auf europaumlischer und interna-tionaler Ebene

Darauf aufbauend sollen entsprechende politische Maszlignahmen zur Einfuumlhrung neuer oder Verbes-serung vorhandener gesetzlicher Grundanforde-rungen fuumlr alle Unternehmen abgeleitet werden Primaumlr ist gesellschaftlich verantwortliches Han-deln uumlber fuumlr alle Unternehmen guumlltige gesetzliche Regelungen oder kollektivvertragliche Vereinba-rungen herzustellen Dementsprechend muss ein oumlsterreichischer CSR-Aktionsplan vorwiegend re-gulative Massnahmen vorsehen

Ausgangspunkt fuumlr regulative wie freiwillige Maszlig-nahmen sollten die von oumlsterreichischen Interes-sensgruppen einschlieszliglich der von NGOs identi-fizierten Hauptprobleme bzw Schwerpunkte sein Darauf aufbauend sollten konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern (ArbeitnehmerIn-nenschutz Umweltschutz Verbraucherschutz etc) samt Benchmarks definiert und die Maszlignahmen zu ihrer Erreichung festgelegt werden

Zu diesem Zweck sollte eine Serie von themenspe-zifischen Veranstaltungen abgehalten werden Im Folgenden werden mehrere Beispiele angefuumlhrt die im Laufe des weiteren Diskurses erweitert ergaumlnzt und ggfs modifiziert werden sollen

Einige der Vorschlaumlge wurden der Studie bdquoDer sbquoPu-blic Policy Case for CSRlsquo ndashRahmenbedingungen fuumlr einen starken CSR-Business Case ndash Diskussions-grundlage fuumlr eine oumlsterreichische CSR-Strategieldquo (E Angerler B Ungericht 2011) entnommen

Eine andere Konzeption gesellschaftlicher Verantwortung

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

29

Beispiele fuumlr relevante Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung und moumlgliche Maszlignahmen

Beispiel Arbeitswelt Untersuchungen zeigen dass ein erheblicher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit ihrem Job unzufrieden ist ndash und das mit steigender Ten-denz Dafuumlr verantwortlich sind etwa zuneh-mende Belastungen unsichere Arbeitsplaumltze wie auch Diskriminierung Dies spricht nicht nur fuumlr eine umfassende Uumlberpruumlfung der vorhan-denen einschlaumlgigen gesetzlichen Regelungen (zB ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Gleich-stellungsgesetz) sondern auch fuumlr die Auswei-tung der betrieblichen Mitbestimmung und der Demokratisierung sowie Verpflichtung auf Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft Von zentraler Bedeutung ist auch das Zuruumlckdraumlngen praumlkarisierter Arbeitsverhaumlltnisse Gesellschaft-lich verantwortliche Unternehmen muumlssen sich zur Eliminierung atypischer Arbeitsverhaumlltnis-se bekennen Daruumlber hinaus koumlnnten freiwilli-ge Benchmarks (zB regelmaumlszligige unabhaumlngige Messung der Arbeitszufriedenheit im Unterneh-men mittels standardisierter Verfahren sowie Veroumlffentlichung der Ergebnisse die Vergleiche mit anderen Unternehmen zulassen) abgeleitet werden

Beispiel Menschen mit BehinderungenEin Ziel koumlnnte auch die verstaumlrkte Eingliede-rung von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess sein Dabei waumlre die relevante ge-setzliche Regelung (Behinderteneinstellungsge-setz) zu uumlberpruumlfen (zB ob die zu entrichtende Ausgleichstaxe bei Nichteinstellung hoch genug ist) Gleichzeitig koumlnnte man aber auch entspre-chende steuerlich Anreize zur verstaumlrkten Ein-stellung fixieren (wenn also die Ausgleichstaxe nicht in Anspruch genommen wird) Als ge-sellschaftlich verantwortliches Handeln koumlnnte dann die Nichtinanspruchnahme der Ausgleich-staxe definiert und in freiwilligen CSR-Richtlini-en verankert werden

EinkommensverteilungDie immer ungleichere Einkommensvertei-lung (Reiche werden reicher Arme werden Aumlrmer) ist nicht nur houmlchst unsozial sondern wirtschaftspolitisch kontraproduktiv da die zuruumlckbleibende Reallohnentwicklung zu ent-sprechenden Kaufkraftverlusten und damit zu

Nachfrageruumlckgaumlngen und Wachstumsschwauml-che fuumlhrt Die Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen ist eine der zentra-len Ursachen der derzeitigen wirtschaftlichen Krise Investitionen in die Realwirtschaft wur-den zugunsten spekulativer Anlagen zuruumlck-gestellt Besonders empoumlrend ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Maumlnnern Eine ra-dikale Umverteilung von oben nach unten bzw Abschaffung geschlechtsspezifischer Lohnun-terschiede muss daher ein zentraler Aspekt einer glaubwuumlrdigen Politik der gesellschaftli-chen Verantwortung sein Moumlgliche Maszlignah-men beinhalten ua ausreichende gesetzliche bzw kollektivvertragliche Mindestloumlhne ef-fektive Besteuerung von Vermoumlgen und hohen Gehaumlltern sowie volle Transparenz bei Ge-haumlltern Die diesbezuumlglichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes koumlnnten etwa freiwillig auch von (noch) nicht betroffenen Unternehmen umgesetzt werden Auf freiwil-liger Ebene koumlnnte auch eine Festlegung einer Obergrenze der Lohnspreizung - Verhaumlltnis von houmlchsten zu niedrigsten Loumlhnen - festge-legt werden (zB von 71)

Beispiel FinanzsektorDie neoliberale Politik der Deregulierung hat-te ganz besonders negative Auswirkungen im Finanzsektor Der bdquoCasino-Kapitalismusldquo mit seinen finanziellen Kartenhaumlusern die mit fragwuumlrdigen Finanzprodukten (Wettpapiere und verbriefte Schulden) gebaut wurden der sich durch hemmungslose Spekulation - auch mit Rohstoffen und gegen Staaten ndash auszeich-net muss durch Vergesellschaftung und Re-gulierung gebaumlndigt werden Von zentraler Bedeutung sind Verbote von bestimmten Fi-nanzprodukten sowie Beseitigung von Steu-eroasen und bdquoOffshore-Finanzplaumltzenldquo sowie Einfuumlhrung einer Finanztransaktionssteuer Besonders fragwuumlrdig ist auch der Bereich des sogenannten ethischen Investments (Socially Responsible Investment) mit seinen uumlberwie-genden Pseudo-Regeln (wie oben dargestellt) Eine kritische Evaluierung dieser bdquoRegelnldquo bzw die Ausarbeitung von Alternativen muss daher auch ein zentraler Aspekt eines oumlsterrei-chischen CSR- Aktionsplanes sein

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

30

Beispiel WerbewahnEin weiteres Beispiel waumlre die Zuruumlckdraumlngung der immer weiter um sich greifenden Werbung sowie die Bekaumlmpfung von irrefuumlhrenden Markt-praktiken In diesem Zusammenhang koumlnnten die einschlaumlgigen Rechtsvorschriften (Gesetz ge-gen unlauteren Wettbewerb UWG bzw die EU Richtlinie uumlber unlautere Geschaumlftspraktiken) daraufhin uumlberpruumlft werden ob sie streng genug (zB hinsichtlich an Kinder gerichtete Werbung) und wirkungsvoll sind (es gibt ja keine Behoumlrde die Marktuumlberwachung betreibt) Weiters koumlnn-ten auch die freiwilligen Werbebeschraumlnkun-gen der Industrie (Selbstbeschraumlnkungscodex) evaluiert werden Daneben koumlnnte man auch uumlberlegen ob die freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft (Werberat) nicht besser durch eine wirtschaftsunabhaumlngige Einrichtung oder zu-mindest eine Multistakeholder-Plattform ersetzt werden koumlnnte

Beispiel Energie ndash Gebaumlude und MobilitaumltGebaumlude (Heizung Warmwasser) und Mobili-taumlt sind fuumlr uumlber 60 des Energieverbrauchs in Oumlsterreich verantwortlich (Energiestatus Oumls-terreich 2011 BMWFJ) Dort gibt es auch die groumlszligten Sparpotentiale Zentrale Strategien sind dabei Waumlrmedaumlmmung von Gebaumluden (beson-ders des Altbestandes) Reduktion des Verkehrs und effizientere Transportmittel Uumlberpruumlft bzw verschaumlrft werden sollten etwa veraltete Bau-vorschriften und wenig anspruchsvolle gesetz-liche Bestimmungen zur Energieeffizienz von Automobilen oder auch unzureichende Besteu-erung von Spritfressern Von gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmen koumlnnen in bei-den Bereichen vorbildliche Leistungen erwartet werden Das bedeutet zum Beispiel dass neue Gebaumlude mindestens der Stufe A des Energie-ausweises entsprechen bzw existierende Gebaumlu-de in absehbarer Zeit auf dieses Niveau gebracht werden Sie sollten auch dafuumlr Sorge tragen dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der PKW-Flotte bei maximal 140g CO2km liegt Neue Fahrzeuge sollten bei max 120g CO2km lie-gen Derart sollten Benchmarks fuumlr den Energie-verbrauch (und weitere Umweltparameter) auch in anderen Bereichen (zB industrielle Prozesse) definiert werden

Beispiel Unternehmensaktivitaumlten auszligerhalb OumlsterreichsInternational taumltige groumlszligere Unternehmen soll-ten - insbesondere in Laumlndern mit unzureichend entwickelter Gesetzgebung undoder mangel-haftem Gesetzesvollzug - klare und verbind-liche rechtliche Vorgaben unter Einbeziehung der gesamten Lieferkette erhalten und fuumlr ihre Handlungen rechenschaftspflichtig gemacht werden Dazu gehoumlren voumllkerrechtlich verbind-liche Regeln fuumlr groszlige Unternehmen rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Berichtspflichten verbindliche Verankerung der Menschenrech-te in internationalen Wirtschafts- und Investi-tionsabkommen verbindliche Regeln fuumlr Ex-portfoumlrderung verbindliche Beschwerde- und Sanktionsmechanismen ebenso wie auch die internationale Rechtsdurchsetzung von betroffe-nen Opfern Es sollte auch sichergestellt werde dass Oumlsterreich alle relevanten Normen der ILO ratifiziert (zB Kinderarbeit) und oumlsterreichi-sche Unternehmen fuumlr ihr Handeln in anderen Staaten nach oumlsterreichischen Kriterien haftbar zu machen sind Das umfasst auch ein Unterneh-mensstrafrecht wie eine Aumlnderung des Internati-onalen Privatrechts Auf freiwilliger Ebene koumln-nen insbesondere Transparenzpflichten uumlber die allgemeinen Anforderungen hinaus diskutiert werden sowie die Einfuumlhrung einer Menschen-rechtsklausel in die Allgemeinen Geschaumlftsbe-dingungen fuumlr Unternehmen in internationalen Handelsbeziehungen

Beispiel (oumlffentliche) BeschaffungDer bdquoOumlsterreichischer Aktionsplan zur nach-haltigen oumlffentlichen Beschaffungldquo enthaumllt Um-weltkriterien fuumlr 16 Beschaffungsgruppen (Min-destanforderungen) fuumlr die es allerdings noch keine verbindliche Zielquoten gibt (ist fuumlr 2012 vorgesehen) Damit wurde ein erster wichtiger Schritt gesetzt Die Integration von sozialen Kri-terien ist vorgesehen Man sollte sicherstellen dass diese Kriterien wie auch die Zielquoten an-spruchsvoll genug ausfallen Dieses Regelwerk sollte aber auch auszligerhalb staatlicher Stellen zum Einsatz kommen und daher Bestandteil von Regelwerken der gesellschaftlichen Verant-wortung werden

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

ScheinoderNichtscheinndashdasisthierdieFrage

31

Vorhandene Richtlinien im Bereich von CSR zeich-nen sich vielfach durch ausgepraumlgte Substanzlosig-keit und mangelnde konkrete normative Vorgaben aus wenn auch in unterschiedlichem Ausmaszlig (zB ISO 26000 Global Compact Principles for Respon-sible Investment GRI EMAS ISO 14001 Respact Leitlinien ONR 192500 etc) Charakteristisch ist dass diese Instrumente der Industrie weitgehende Gestaltungsfreiheit einraumlumen kaum greifbare und anspruchsvolle Performance-Anforderungen oder Berichtspflichten mit geringer Aussagekraft enthal-ten (dh ohne Vergleichbarkeit oder Benchmarks) Sie eignen sich daher eher fuumlr Marketingzwecke jedoch nicht fuumlr anspruchsvolle Politik im Sinne der Nachhaltigkeit Ein oumlsterreichischer Aktions-plan muss daher diese vorhandenen Regelwerke im Bereich CSR auf den Pruumlfstand stellen und an-spruchsvollere Alternativen erarbeiten

Es ist sehr schwierig - wenn nicht unmoumlglich - an-spruchsvolle Kriterien umfassend auf allgemeiner Ebene zu definieren Daher ist auch ein oumlsterreichi-sches CSR-Guumltezeichen welches nur solche Krite-rien enthaumllt wenig sinnvoll Es ist unumgaumlnglich sektorspezifische bdquoBest-practiceldquo-Dokumente mit klaren Benchmarks und Berichtspflichten zu erar-beiten Man sollte sich bewusst sein dass mit allge-meinen ldquoweichenldquo eher managementorientierten Kriterien vorhandene substanzielle Regeln ausge-hebelt werden koumlnnen also zB das Umweltzeichen im Bereich Tourismus oder Guumltekriterien im Be-reich Biolandbau Die Ausarbeitung der in Oumlster-reich anwendbaren freiwilligen wie verbindlichen Regeln gesellschaftlicher Verantwortung muumlssen im Rahmen eines demokratisch legitimierten po-litischen Prozesses erfolgen wobei die Positionen aller relevanten Interessengruppen angemessen beruumlcksichtigt werden sollen Wo moumlglich sollten diese Anforderungen (verbindliche Grundanfor-derungen wie freiwillige Benchmarks auf hohem Niveau) in einem gemeinsamen Prozess festgelegt werden

Mit Anreizen Foumlrderungen bzw finanziellen Zu-wendungen fuumlr CSR-Aktivitaumlten sollte man vor-sichtig umgehen Eine finanzielle Foumlrderung sollte - wenn uumlberhaupt - ausschlieszliglich an die Erfuumll-lung von (weitgehend noch nicht vorhandenen) anspruchsvollen und selektiven Anforderungen geknuumlpft werden die eben nicht von jedem erfuumlllt

werden koumlnnen Als Vorbild koumlnnte das EU-Um-weltzeichen dienen welches definitionsgemaumlszlig nur den besten 10-20 der Produkte vorbehalten ist Gesellschaftlich verantwortliches Handeln be-darf nicht nur der Setzung von Regeln und von Anreizen sondern bedarf auch der Sanktionen im Falle gegenteiliger Verhaltensweisen (ldquocarrots and sticksrdquo) Hier ist das Oumlffentlichmachen von fragwuumlrdigen Handlungen der Wirtschaft durch ldquoWatch-Dogsrdquo von zentraler Bedeutung Solche Aktivitaumlten einschlieszliglich entsprechender Inter-netplattformen sollten jedenfalls gefoumlrdert werden (wie etwa die kuumlrzlich in Deutschland mit Unter-stuumltzung der Regierung gegruumlndete Plattform bdquoLe-bensmittelklarheitldquo bei der sich VerbraucherInnen uumlber irrefuumlhrende Lebensmittelkennzeichnung be-schweren koumlnnen) Dies schlieszligt auch die Vergabe eines Negativpreises mit ein (zB nach dem Vorbild der deutschen Organisation Foodwatch welche den Preis bdquoGoldener Windbeutelldquo fuumlr die dreisteste Werbeluumlge im Lebensmittelbereich vergibt oder in Anlehnung an den Public Eye Award der von den Schweizer Organisationen bdquoErklaumlrung von Bernldquo und Greenpeace gestiftet wird)

Existierende Systeme und Regelungen fuumlr Ak-kreditierung und Zertifizierung scheinen fuumlr den Bereich CSR wenig geeignet zu sein da adaumlquates gesellschaftliches Handeln Wertmaszligstaumlbe bzw Be-urteilungen einschlieszligt die sich nur partiell ob-jektivieren lassen (So laumlsst sich die Frage schwer beantworten wann Werbung irrefuumlhrend oder Loumlhne angemessen sind) Hier muumlssen neue Wege beschritten werden welche die Beteiligung von In-teressengruppen bei der Verifizierung im Rahmen staatlicher Kontrollinstanzen vorsehen (zB Bestauml-tigung der Gewerkschaft dass das Unternehmen die Gruumlndung eines Betriebsrates nicht behindert hat) Eine rein privatwirtschaftlich organisierte Zertifizierung ist nicht sinnvoll da die wirtschaft-liche Abhaumlngigkeit der ZertifiziererInnen von den Unternehmen eine unabhaumlngige Pruumlfung kaum zulaumlsst

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum

CorporateSocialResponsibility(CSR)

32

Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe)Juni 2012

Eigentuumlmer Herausgeber und VerlegerNetzwerk Soziale VerantwortungErdbergstraszlige 1037 1030 WienTel +431230 10 30 37Fax +431230 10 30 66ZVR-Nummer 069638267officesozialeverantwortungatwwwsozialeverantwortungat

BankverbindungBAWAGBLZ 14000Konto Nr 17110-026-943

RedaktionDr Franz FialaAssjur Marieta Kaufmann

LayoutChristoph Lepkaofficechristophlepkaat

DruckWienworkIntegrative Betriebe und AusbildungsGmbH

Impressum