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80. Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. Tagungsort: Hansestadt Lübeck Musikhochschule an der Obertrave Kammermusiksaal AG Neolithikum „Das 4. Jahrtausend“ Programm und Zusammenfassungen der Vorträge am 2. und 3. September 2013 Stand: 12. April 2013 Homepage: www.ag-neolithikum.de Kontakt: [email protected]

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80. Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V.

Tagungsort: Hansestadt Lübeck Musikhochschule an der Obertrave

Kammermusiksaal

AG Neolithikum

„Das 4. Jahrtausend“

Programm und Zusammenfassungen der Vorträge

am 2. und 3. September 2013

Stand: 12. April 2013

Homepage: www.ag-neolithikum.de

Kontakt: [email protected]

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■■■■■■ Das 4. Jahrtausend Montag, 02.09.2013

8.30 Uhr Florian Klimscha: Diffusionsprozesse und autochthone Entwicklungen im 4. Jahrtausend.

8.30 Uhr Henny Piezonka/Nadezhda G. Nedomolkina: Steinzeitliche Pfahlbauten im Russischen Wald? Neue Forschungen am Schlüsselfundplatz Veska im Suchonabecken, Nordwestrussland.

9.00 Uhr Miroslav Daňhel/Jaroslav Peška: Erste Schanzen. Anfänge der Errichtung von komplizierten Befestigungen im Laufe vom 4. Jahr-tausend in Mähren.

9.30 Uhr Ralf Gleser: Thrakien im vierten Jahrtausend vor Christus.

10.00 Uhr ■ Kaffeepause

10.30 Uhr Thomas Saile: 100 Jahre Altheim – Neues von einem alten Platz.

11.00 Uhr Florian Eibl: Michelsberg in Südbayern – ein Update zum Stand der Forschung.

11.30 Uhr Martin Nadler: Was ist eigentlich im 4. Jt. in Nordbayern los?

12.00 Uhr Marion Heumüller: Neue Gräben und Gruben auf dem Michaelsberg bei Bruchsal-Untergrombach. Forschungen im Rahmen des DGF-Projektes „Siedlungsstrukturen der Michelsberger Kultur im Kraichgau“.

12.30 Uhr ■ Mittagspause

14.00 Uhr Jutta Lechterbeck/Matthias Merkl: Heute hier – morgen dort? Die Besiedlungsdynamik im 4. Jahrtausend v. Chr. im Lkr. Konstanz.

14.30 Uhr Edith Schmidt: Käferreste aus der endneolithischen Moorsiedlung Torwiesen II (3283 - 3278) Federseemoor/Oberschwaben.

15.00 Uhr Irenäus Matuschik/Karlheinz Steppan/Tilman Baum/André Billamboz/Michael Kaiser/Ursula Maier/Adalbert Müller/Helmut Schlichtherle/Elisabeth Stephan/Richard Vogt: Die Pfahlbau-siedlungen von Sipplingen "Osthafen", Bodenseekreis: Besiedlungs-dynamik, wirtschaftliche Entwicklung und Umweltwandel

15.30 Uhr ■ Kaffeepause

16.00 Uhr B. Schlenker/K.W. Alt/G. Brandt/S. Friedrich/S. Karimnia/C. Knipper/ M. Stecher: Salzmünde – Neue Rituale in einer Stressituation?

16.30 Uhr Christoph Rinne: Kategorie C – Binnengliederung und Funktionswandel kleinerer Grabenwerke im Nordharzraum.

17.00 Uhr Jonas Beran: Das 4. Jahrtausend im norddeutschen Havelland und in der ostmitteleuropäischen Lausitz. Neues zu Siedlungsstrukturen und Kulturentwicklung im Land Brandenburg auf Grund von Rettungsgrabungen seit 1998.

17.30 Uhr Ingrid Koch/Silviane Scharl/Daniel Schyle: Neues zum Spätneolithikum aus dem Rheinland.

18.00 Uhr Walter Dörfler: Salz im Neolithikum Norddeutschlands.

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■■■■■■ Das 4. Jahrtausend Dienstag, 03.09.2013

8.00 Uhr Johannes Müller: Einführung in das DFG-Schwerpunktprogramm 1400 „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung“

8.10 Uhr Johannes Müller: Die Entwicklung neolithischer Häuser in Nord-mitteleuropa und Südskandinavien im 4. vorchristlichen Jahrtausend.

8.30 Uhr Martin Hinz: Die Dynamik der Siedlungsintensität im vierten vorchristlichen Jahrtausend in Nordmitteleuropa.

9.00 Uhr Moritz Mennenga: Neue siedlungsarchäologische Forschungen zur Trichterbecherkultur Nordwestdeutschlands.

9.30 Uhr Annette Kramer/Felix Bittmann: Vegetations- und Landschaftsdynamik als Spiegelbild neolithischer Siedlungstätigkeit in Nordwestdeutschland während des vierten Jahrtausends vor Christus.

10.00 Uhr ■ Kaffeepause

10.30 Uhr Wiebke Kirleis/Elske Fischer: Systemwandel? Landwirtschaft im südskandinavischen und norddeutschen Neolithikum im 4. Jt. v. Chr.

11.00 Uhr Rüdiger Kelm: Spuren der Feldwechselwirtschaft bei den ersten Bauern Norddeutschlands – Neue Erkenntnisse zur Landschafts-geschichte des 4. Jahrtausends v. Chr. auf der Dithmarscher Geest.

11.30 Uhr Martin Furholt: Kern und Peripherie oder diverse Handlungsräume in der Trichterbecher-Nordgruppe?

12.00 Uhr Tim Grünewald: Eine Chronologie der Tiefstichkeramischen Gruppe der Trichterbecherkultur.

12.30 Uhr ■ Wahl des Themas für den Archäologie-Kongress in Berlin 2014

13.00 Uhr ■ Mittagspause

14.00 Uhr Kerstin Schierhold: Die Soester Börde im 4. Jt. v. Chr.: Von Erdwerken zu Galeriegräbern bzw. von der Monumentalisierung einer Landschaft.

14.30 Uhr Sandra Fetsch: Facetten zu Funktion und Bedeutung michelsberg-zeitlicher Erdwerke.

15.00 Uhr Tim Kerig/Katie Manning: Erdwerke und Rinderherden im 4. Jahr-tausend: Ein evolutionärer Ansatz.

15.30 Uhr ■ Kaffeepause

16.00 Uhr Anne-Sophie Marçais/Eleonore Pape/Laura Salanova/Philippe Chambon: The 4th millennium gallery graves from Western Germany and the Paris Basin – a comparison of the architecture and funerary practices.

16.30 Uhr Arnaud Blin: The use of the Paris Basin collective burials at the end of the forth millennium BC.

17.00 Uhr Katrin Struckmeyer: Neue archäometrische Untersuchungen an trichterbecherzeitlicher Keramik.

17.30 Uhr Luise Lorenz: Rekonstruktion von Kommunikationsstrukturen früh- und mittelneolithischer Gesellschaften im Nordmitteleuropäischen Flachland.

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Zusammenfassungen der Vorträge

Diffusionsprozesse und autochthone Entwicklungen im 4. Jahrtausend Florian Klimscha (Berlin) Während ab der Mitte des 4. Jahrtausends in Nordafrika und Vorderasien erste Staaten entstehen, lassen sich vergleichbare Prozesse in Mitteleuropa nicht nachweisen. Ist deswegen ein gegenseitiger Kontakt auszuschließen? Die ausgesprochen frühen C14 Daten einiger Innovationen scheinen dafür zu sprechen. So wurde von verschiedener Seite beispielsweise die Mehrfacherfindung von Räderfahrzeugen postuliert. Jedoch funktionieren derartige Kulturmodelle nur wenn die gegenseitige Beeinflussung und Kontakte marginalisiert und wichtige Grundparameter von Technikgenesen ignoriert werden. Ausgehend von Überlegungen zur Entstehung und Verbreitung von Innovationen und den im archäologischen Quellenbestand nachweisbaren Verbindungen soll gezeigt werden, dass sich diffusionistische Ansätze neu bewerten und weiterhin mit dem Quellenbestand in Einklang bringen lassen. Während in der 2. Hälfte des 4. Jahrtausend mit der Badener-Kultur großflächige Verbindungen deutlich sichtbar sind, werden vergleichbare Netzwerke des frühen 4. Jahrtausends eher selten beachtet, obwohl diese durchaus vorhanden sind (z.B. Flintbeilhorte). Diese werden in meinem Vortrag in den Vordergrund gerückt und hinsichtlich ihrer Bedeutung und Effizienz diskutiert. Daran anschließend werden ausgewählte technische Innovationen des 4. Jahrtausends besprochen und Rückschlüsse auf die Art und Intensität weitreichender Kontakte gezogen.

Steinzeitliche Pfahlbauten im Russischen Wald? Neue Forschungen am Schlüsselfundplatz Veska im Suchonabecken, Nordwestrussland Henny Piezonka/ Nadezhda G. Nedomolkina (Greifswald, Vologda/Russland) Der Fundplatz Veksa im Nordwesten Russlands hat eine zentrale Bedeutung für die Vor- und Frühgeschichte der nordosteuropäischen Waldzone, weil er in seiner bis zu 3 m dicken Kulturschichtfolge exzellent erhaltene Zeugnisse vom Mesolithikum (6. Jahrtausend v. Chr.) bis ins Mittelalter vereint, die in ihrer stratigraphischen Abfolge ein einzigartiges Archiv der regionalen und überregionalen Kulturgeschichte bilden. Seit 2011 widmen sich deutsche und russische Archäologen der gemeinsamen Erforschung dieses Platzes. Dabei gelang es unter anderem, eine Konzentration von fast 2000 Holzpfählen und -ruten im Flussuferbereich erstmals zu vermessen und sie mittels 14C-Datierung einer entwickelten Phase der jüngeren Steinzeit am Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. zuzuweisen. Die regelmäßige, teilweise rechtwinklige Anordnung der Hölzer lässt vor dem Hintergrund von Vergleichsplätzen vermuten, dass es sich bei den größeren Pfosten um Reste von Pfahlbauten handelt, während Konstruktionen aus schmalen Ruten mit Fischfang in Zusammenhang stehen können. Im Beitrag sollen der Fundplatz und insbesondere diese Holzstrukturen vorgestellt und in ihrem überregionalen Kontext betrachtet werden. In die Diskussion werden weitere steinzeitliche Pfahlbausiedlungen im europäischen Russland, aber auch die zirkumalpinen Fundstellen einbezogen.

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Erste Schanzen. Anfänge der Errichtung von komplizierten Befestigungen im Laufe vom 4. Jahrtausend in Mähren Miroslav Daňhel, Jaroslav Peška (Olomouc) Mähren, der östliche Teil der Tschechischen Republik, knüpft an das Mitteldonaugebiet an und bildet einen Übergangskorridor in die mitteleuropäische Niederung und nach Böhmen. Am Anfang des Äneolithikums wurde hier der Lengyel/Epilengyel Kreis durch die Trichterbecherkultur (TRBK) abgelöst, nachfolgend wendet sich die Entwicklung zur Badener-Kultur hin. Neben der Existenz der landwirtschaftlichen Siedlungen gehört zu den charakteristischen Zügen dieser Zeit die Errichtung der ersten tatsächlich monumentalen Befestigungen auf Höhenlagen. Ihre Zusammenfassung ist Gegenstand dieses Beitrags. Im Lengyel/Epilengyel Kreis begegnen wir ausgedehnte Umwehrungen (Hluboké Mašůvky), die an Grabenwerke/Erdwerke vom westlichen Teil Mitteleuropas erinnern. Die Situation ändert sich im Milieu der TRBK, wann die Menschen auch in Mähren Höhenlagen besiedeln beginnen und hier Siedlungen mit komplizierten Fortifikationen errichten (z. B. Náměšť na Hané – „Rmíz u Laškova“). Eine markante Ausbreitung vom diesen Siedlungstyp ist in der Boleráz-Periode der Badener Kultur evident (Kultur/Gruppe Boleráz?). Das Bild vom Verhältnis der Burgwälle zum zeitgenössischen Siedlungsnetz ist voll vom Forschungsstand abhängig, von den Erkenntnissen über die Siedlungsstruktur, von den Befestigungsformen, von der Funktion dieser Siedlungen und vom Charakter der Funde. Es ist nötig zuzugeben, dass die Mehrzahl der Fundstellen nur beschränkt in Form von Suchschnitten durch die Befestigung untersucht wurde. Die besten Kenntnisse haben wir vom Gebiet der Drahanská vrchovina (Drahaner Bergland), von wo die Mehrheit der Informationen über die Burgwälle stammt (z. B. Bílovice – „Hrad“, Ohrozim – „Čubernice“, Otaslavice – „Obrova noha“). Ein Gegengewicht vom Rand des Mährischen Tores ist Hlinsko bei Lipník nad Bečvou. Neu haben sich die Untersuchungen in Form der Prädiktion der archäologischen Areale auf das bisher nicht untersuchte Gebiet im Norden von Mittelmähren konzentriert und diese erbrachten im letzten Jahr die Entdeckung von zwei bisher unbekannten Burgwällen – Senička und Stavenice-Úsov. Auf der Fundstelle Stavenice-Úsov, Flur Na flecích wurde die magnetometrische Prospektion realisiert und mit der Rettungsgrabung begonnen (228 Qm Fläche, Suchschnitt durch die Befestigung). Die umwehrte Fläche nimmt 3 ha um dem Gipfel einer Anhöhe ein. Die magnetometrische Prospektion (Fläche 2,2 ha) deckte zwei Streifen von Gräben und die Palisade auf, welche durch mindestens drei Eingänge unterbrochen sind (am auffäligsten ist das Tor mit einem Quergraben?), und eine große Anzahl eingetiefter Objekte. An der gegenüberliegenden Seite wurde der Suchschnitt durch die Relikte der Befestigung gelegt. Nach bisherigen Feststellungen bestand die Fortifikation aus zwei Wällen und einem Gräben, und außerdem 2 bis 3 Palisaden die höher über den Hang führten. Das zahlreiche archäologische Inventar reiht die Fundstelle in den jüngeren Boleráz ein. Es ist offensichtlich, das auch die neu entdeckten befestigten Fundstellen sich in das ausgedehnte Siedlungsnetz mit regelmäßig errichteten Burgwällen des älteren und mittleren Äneolithikum einfügen.

Thrakien im vierten Jahrtausend vor Christus Ralf Gleser (Münster) Im Staatsgebiet Bulgariens sind Hinweise auf vorgeschichtliche Besiedlung für lange Abschnitte des vierten Jahrtausends, trotz günstiger naturräumlicher Voraussetzungen, bemerkenswert selten. In Thrakien, der Landschaft südlich des Balkangebirges, war bis vor wenigen Jahren für die Spanne zwischen dem Ausklang der spätchalkolithischen, „klassischen“ Karanovo-VI-Kultur nach 4200 calBC und dem Beginn der frühbronzezeitlichen Ezero-Kultur nach 3200 calBC eine Fundlücke vorhanden. Ältere Interpretationsansätze gingen zur Erklärung des Phänomens von klimatischen Krisen und einem totalen Bevölkerungskollaps aus. Heute verfügbare Daten sprechen eher für einen Rückgang der Bevölkerungsdichte und -größe und auch für Veränderungen im Siedlungswesen. Im Beitrag

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werden die neuesten Forschungsergebnisse zur Besiedlung Thrakiens im sog. Endchalkolithikum und zur Zeit des Cernavodă III-Horizontes vorgestellt. Die Inventare neu entdeckter Cernavodă-III-Siedlungen zwischen 3650 und 3200 calBC können stilistisch in einen danubisch geprägten Formenkreis mit kannelierter Keramik eingeordnet werden – nach bulgarischer Chronologie in die früheste Bronzezeit – und damit in die Periode zwischen der sogenannten Protobronzezeit (Hotnica-Vodopada; Cernavodă-I) und der erste Stufe der klassischen thrakischen Frühbronzezeit (Ezero). Typologisch zeigt das Fundmaterial Verbindungen zu beiden Perioden und insbesondere zu Ezero bestehen genügende Parallelen, um Cernavodă III in Thrakien stilistisch als dessen Vorläufer betrachten zu können. Wegen des Fehlens protobronzezeitlicher Fundkomplexe in Thrakien ist das frühestbronzezeitliche Fundgut nicht zweifelsfrei aus dieser älteren Periode abzuleiten. Dennoch ist davon auszugehen, dass es sich bei den frühestbronzezeitlichen Bevölkerungen, deren Umfang wesentlich kleiner gewesen sein muss als in der Kupferzeit, nicht um Ortsfremde gehandelt haben kann, sondern um lokal verwurzelte Gemeinschaften, die das Wohnen auf den Tells aufgegeben hatten und eine Siedlungsweise mit geringerer Ortsbindung praktizierten. Gerade deshalb sind Fundkomplexe des 4. Jahrtausends archäologisch kaum fassbar beziehungsweise konnten noch nicht erfasst werden.

100 Jahre Altheim – Neues von einem alten Platz Thomas Saile (Regensburg) Das von Paul Reinecke als Ringgrabenbefestigung bezeichnete Erdwerk von Altheim wurde vor einem Jahrhundert entdeckt und gehört zu den klassischen Stätten der mitteleuropäischen Jungsteinzeit. Die während der Ausgrabung von 1914 angefertigten und hier erstmals vorgestellten Planskizzen zeigen hinsichtlich der Fundverteilung in den untersuchten Grabenabschnitten bemerkenswerte Einzelheiten, die im umfangreichen Diskurs über die einstige Funktion der Anlage nur wenig Beachtung gefunden haben. Im August 2012 wurde begonnen, ein Magnetbild des Erdwerkes und seiner Umgebung zu erstellen. Hinsichtlich verschiedener Details (Erdbrücken, Palisade) sind die bisherigen Pläne zu modifizieren. Bereits die erste Messung erbrachte zudem etwa 60 m südöstlich ein weiteres kleines Rechteck-Grabenwerk, das offenbar in räumlichem Bezug zu dem altbekannten Geländedenkmal steht. Vor diesem Hintergrund und der potentiellen Langlebigkeit von Grabenstrukturen sind Deutungen zu prüfen, die von einem Siedlungsplatz ausgehen, auf dem ein mehrphasiges Erdwerk errichtet wurde, das als Fest-, Spiel- und Kultplatz diente und an dem es zu einem bewaffneten Konflikt kam, der schließlich zur Aufgabe der Anlage führte.

Michelsberg in Südbayern – ein Update zum Stand der Forschung. Florian Eibl (Regensburg) Funde von „Michelsberger Keramik“ sind seit Jahrzehnten im Bereich des Donauknies in einiger Zahl bekannt während solche Belege in den weiter südlich gelegenen Regionen bis vor einigen Jahren nur vereinzelt vorhanden waren. Durch mehrere neue Grabungen hat sich das Fundbild in beiden Regionen inzwischen deutlich verdichtet. Neben der reinen Zunahme der Fundquantitäten erscheint es vor allem bemerkenswert, dass in den letzten Jahren auch im Bereich des Isartales bei Landshut intentionelle Deponierungen von zum Teil mehreren „Michelsberger“ Gefäßen dokumentiert werden konnten. Damit liegen Befunde vor, welche man in dieser Art kaum so weit südlich erwartet hätte. Bereits in den 1990er-Jahren wurde von verschiedenen Forschern die Frage kontrovers diskutiert ob die Michelsberger Funde in Südbayern auf Enklaven dieser Kultur hindeuten

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oder eher als Kontaktfunde in „fremden Kulturmilieu“ anzusehen sind. Die Neufunde und der in den letzten 15 Jahren deutlich verbesserte Forschungs- und Auswertungsstand im Michelsberger Kerngebiet bieten für diese Diskussion neue Argumente. Neben einem Update zur Verbreitung von Michelsberger Funden in Südbayern und einer Vorstellung ausgewählter Befundsituationen aus Niederbayern und der südlichen Oberpfalz, wird deshalb im Vortrag auch auf die Frage der relativchronologischen Einordnung der südbayerischen Funde anhand der aktuellen Michelsbergchronologie und der bayerischen Kultursequenz eingegangen.

Was ist eigentlich im 4. Jt. in Nordbayern los? Martin Nadler (Nürnberg) Beim Blick auf die verschiedensten Verbreitungskarten fällt auf, dass der gesamte nordbayerische Raum im 4. Jt. keine eigenständige Entwicklung genommen hat. Viele Gruppen und Kulturen greifen in ihrer kartierten Ausdehnung aus allen Himmelsrichtungen randlich mehr oder weniger weit auf das große, durchaus morphologisch und geologisch heterogene Gebiet aus. Dabei ist zu fragen, ob dies auf der Grundlage der mehr als dünnen Fundstellen- und Materialbasis überhaupt gerechtfertigt ist. Für die erste Hälfte des Jahrtausends sieht es mit einem sich in jüngerer Zeit kontinuierlich verdichtenden Niederschlag Epi-Rössener Fundbestände und Siedlungsplätze sowie einem zwar dünnen, aber doch flächig verfolgbaren Schleier von Siedlungsniederschlägen der älteren und mittleren Michelsberger Kultur noch einigermaßen gut aus. Aber dann? Es ist kaum eine handvoll in der Literatur fassbarer Fundkomplexe, die man für die Zeit bis zum Einsetzen der Schnurkeramik benennen kann. Selbst durch die in den letzten 20 Jahren auch im nordbayerischen Raum verstärkte Grabungsaktivität hat sich an diesem Bild nichts geändert. Warum klaffen unsere Kenntnis und die anzunehmende historische Wirklichkeit so weit auseinander? Anhand exemplarischer Fundstücke und Erscheinungen lässt sich nämlich aufzeigen, dass der große nordbayerische Raum durchaus in das weitgespannte Netzwerk gesamteuropäischer Entwicklungen eingespannt war.

Neue Gräben und Gruben auf dem Michaelsberg bei Bruchsal-Untergrombach. Forschungen im Rahmen des DFG-Projektes „Siedlungsstrukturen der Michelsberger Kultur im Kraichgau“ Marion Heumüller (Konstanz) Ein das späte 5. und frühe 4. Jahrtausend kennzeichnendes Phänomen sind Erdwerke der Michelsberger Kultur. Die erste dieser Anlagen wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Michaelsberg bei Bruchsal-Untergrombach entdeckt. Seit Herbst 2009 ist der Michaelsberg Teil des Forschungsprojektes „Siedlungsstrukturen der Michelsberger Kultur im Kraichgau“, das gemeinsam von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart und der Archäologischen Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Karlsruhe getragen wird. Zu den Projektzielen gehört es, mehr über das Siedlungswesen der Michelsberger Kultur sowie die Nutzung der Erdwerke im Kraichgau herauszufinden und die Ergebnisse in überregionalen Zusammenhang zu stellen. Für den Michaelsberg brachte das Studium alter Grabungsdokumente in Kombination mit modernen Prospektionsmethoden grundlegende Neuentdeckungen. Statt eines einzelnen, nur streckenweise an die Topografie des Berges angepassten Grabens konnten zwei, stellenweise sogar drei umlaufende Gräben an drei Seiten des Berges nachgewiesen werden. Ein Teil des inneren Grabens wurde im Spätsommer 2010 auf 10 m Länge ausgegraben. Verkohlte Hölzer, verziegelter Löß und zahlreiche verstürzte

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Gesteinsbruchstücke lassen auf massive Toreinbauten oder eine Wallverblendung aus Holz und Steinen schließen. Nach Ausweis der Keramik wurden der Graben bereits während der späten MK III bis frühen MK IV – also etwa zeitgleich mit den ältesten Gruben auf dem Michaelsberg – angelegt bzw. verfüllt. Die calibrierten Daten decken einen Zeitraum von rund 3940 bis 3800 cal. BC ab. Die Siedlungsgruben umfassende Fläche ist größer als bislang bekannt. Die Gruben reichen im Osten bis an den inneren Graben heran. Weitere Details zur Besiedlungsstruktur ließen sich aus der größtenteils unpublizierten Grabungsdokumentation der 1950er Jahre erschließen. Damals wurde auf der Südseite des Berges eine maximal 10 x 15 m große, terrassenartig in den Hang eingegrabene Struktur in Ausschnitten erforscht, bei der es sich höchstwahrscheinlich um ein Grubenhaus handelt.

Heute hier – morgen dort? Die Besiedlungsdynamik im 4. Jahrtausend v. Chr. im Lkr. Konstanz Jutta Lechterbeck, Matthias Merkl (Hemmenhofen, Stuttgart) Die neolithische Besiedlungsdynamik (ca. 5500 – ca. 2000 v. Chr.) der „Siedlungskammer Hegau“ und am Seeuferstreifen des westlichen Bodensees wird im Rahmen eines DFG-Projektes mit archäologischen und vegetationsgeschichtlichen Methoden erfasst und in einem detaillierten siedlungsgeschichtlichen Vergleich der beiden Naturräume einander gegenüber gestellt. Dadurch wird der Zusammenhang des Besiedlungsgeschehens im Altsiedelland mit dem im unmittelbar angrenzenden präalpinen Feuchtbodengebiet evident: ist die Feuchtbodenbesiedlung, die zu Beginn des 4. Jahrtausends v. Chr. am Bodensee einsetzt, nur aufgrund der Erhaltungsbedingungen oder auch wirtschafts- und kulturgeschichtlich ein Sonderfall? Ein Schwerpunkt liegt in diesem Projekt bei der Frage, in wieweit der Hegau während des 4. Jahrtausends v. Chr. genutzt wurde, wo im Gegensatz zum Seeufergebiet archäologische Quellen eher spärlich sind. Sind archäologische Anhaltspunkte rar, kann die Auswertung hochaufgelöster Pollenprofile die Kontinuität und Diskontinuität der Landnutzung belegen. In der synoptischen Auswertung sollen mit Einsatz geografischer Informationssysteme detaillierte räumlich und zeitlich differenzierte Modelle der neolithischen Landnutzung erarbeitet werden. Die Verknüpfung archäologischer und vegetationsgeschichtlicher Methoden und deren Ergebnisse sollen maßgeblich dazu beitragen, Lücken in der Quellenbasis zu schließen.

Käferreste aus der endneolithischen Moorsiedlung Torwiesen II (3283 – 3278) Federseemoor / Oberschwaben Edith Schmidt (Freiburg) Nur in einem dauerfeuchten Milieu und unter Ausschluss von Sauerstoff können Käfer- und anderen Wirbellosenreste erhalten bleiben. So auch in der Siedlung Torwiesen II, die innerhalb von 5 Jahren (Holzschlagdaten) auf einer Halbinsel im Federsee errichtet und nach einer Siedlungszeit von längstens 10 Jahren wieder systematisch geräumt und aufgegeben wurde. Da alle Baubefunde etwa 1 m unter Torfbedeckung komplett erhalten geblieben waren, entschloss man sich von Seiten des Landesamtes für Denkmalpflege, Regierungspräsidium Stuttgart, Arbeitsstelle Hemmenhofen, die Siedlung in den Jahren 1997 bis 2005 komplett zu ergraben, die bisher einzige Pfahlbausiedlung in Deutschland. In einer flächendeckenden Probennahme im 1 m2 Raster wurden neben botanischen Großresten auch Käfer-/ Wirbellosenreste für insektenkundliche Untersuchungen und Umweltrekonstruktionen entnommen. Insgesamt sind 3013 Insektenreste ausgelesen,

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bestimmt und in einen Gesamtsiedlungsplan aufgezeichnet worden. Die gleichen Wirbellosenfunde wurden dann in detaillierten Flächenverteilungsplänen, unterschieden nach ihren Biotoppräferenzen wie Uferbereiche, Sümpfe/Moore, offene Biotope, Dung/Abfälle, zusammengestellt. Erst durch diese Feinaufteilungen konnten spezielle Siedlungsstrukturen (intra-site-patterns) sichtbar und interpretierbar gemacht werden: � So zeigt die Gesamtfundverteilung aller Wirbellosen eine Fundkonzentration besonders

im Bereich der dichten Bebauung, wie sie wohl unter natürlichen Bedingungen nicht dorthin geraten war. Vielmehr scheint es sich dabei um Faunenreste gehandelt zu haben, die die Siedler zusammen mit unterschiedlichsten Bau- und Futtermaterialien eingetragen hatten.

� Autochthone Faunenelemente waren dennoch vorhanden wie ein Artenvergleich aus Torwiesen II mit Wirbellosenthanatozönosen aus dem „Wilden Ried“, einem unbesiedeltes Übergangsmoor aus dem südlichen Federseegebiet, zeigen konnte. Reste dieser autochthonen Fauna fanden sich an Stellen, außerhalb der Häuser und der Dorfstraße.

� Weitere Wirbellosenreste einer aquatischen/semiaquatischen Uferfauna die sich überwiegend im Bereich von Hauswänden erhalten hatten, lassen annehmen, dass die Tiere oder deren Reste zusammen mit Pflanzenmaterialien in die Siedlung gelangt sein könnten, zusammen mit Baumaterialien; z.B. könnten Moose (siehe Hornmilbenreste) zum Isolieren und Abdichten von Wänden und Dachabdeckungen genutzt worden sein, Schilf zum Wand- und/oder Dachbau u.a.

� Hingegen stammten allochthone Insektenreste, die das Vorhandensein von Gebüschen, Bäumen, Waldanteilen und Anbauflächen anzeigen, aus Bereichen außerhalb der Siedlung und waren deshalb mit nur wenigen Funden vorhanden. Tiere aus diesen entfernten Lebensräumen waren wahrscheinlich zusammen mit Erntegut und Sammelmaterialien in die Siedlung gelangt.

� Sehr zahlreich waren Käfer- und Fliegenpuparienreste, die einer Dungfauna angehörten bzw. mit Tierhaltung in Zusammenhang zu bringen waren. Die Nutzung von Schilfpflanzen als Viehfutter wird durch Funde von Puparien und Käfer aus dem Röhrichtbereich und die Nutzung von Torf oder Mooslagen als Einstreu durch Funde von Hornmilben und Maulwurfsgrillenreste, sowie durch Puparien und Dungkäfer belegt. Ähnliche Übereinstimmungen von Dungzeigern einerseits und von Wirbellosen die Futterpflanzen und Einstreupflanzenmaterialien anzeigen andererseits, waren auch in anderen Moorsiedlungen in Zusammenhang mit Viehhaltung gesehen worden. Positive Korrelationen liegen folgende kausalen Zusammenhänge zugrunde: o es gab Vieh in der Siedlung, allerdings wohl nur gelegentlich, o Schilf bzw. Röhrichtpflanzen könnten neben andern Futterpflanzen als Viehfutter

genutzt worden sein, o Torf wurde vermutlich zur Einstreu verwendet.

� Da jegliche Hinweise auf Viehhaltung in den hinteren, kleineren Häusern fehlen, scheint dort Großvieh nicht gehalten worden zu sein, was möglicherweise auf soziale Unterschiede im Siedlungsgefüge anzusehen wäre, wie sie auch in anderen Moorsiedlungen des 4. Jahrtausends ausgemacht werden konnten.

Schmidt, E. (2011): Insektenkundliche Flächenuntersuchungen in der endneolithischen Feuchtbodensiedlung Torwiesen II Bad Buchau / Federsee (Kreis Biberach). Hemmenhoferner Skripte 9, Bd. 1: Naturwissenschaftliche Untersuchungen (Freiburg 2011) 281-337.

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Die Pfahlbausiedlungen von Sipplingen "Osthafen", Bodenseekreis: Besiedlungsdynamik, wirtschaftliche Entwicklung und Umweltwandel. Irenäus Matuschik/Karlheinz Steppan/Tilman Baum/André Billamboz/Michael Kaiser/Ursula Maier/Adalbert Müller/Helmut Schlichtherle/Elisabeth Stephan/Richard Vogt Vor dem Hintergrund der Besiedlungsdynamik des vierten und dritten Jahrtausends v. u. Z. in der Flachwasserzone der Sipplinger Bucht lässt sich der Umwelt- und Wirtschaftswandel im prähistorischen Hinterland in hoher zeitlicher Auflösung nachzeichnen. Die Ausmaße und die geomorphologische Beschaffenheit des nutzbaren Naturraumes bilden eine günstige Ausgangslage für die transdiziplinäre Interpretation der dendrologischen, archäobotanischen, archäozoologischen, isotopenchemischen und bodenkundlichen Resultate. Die Chronostratigraphie des Siedlungsareals basiert auf zwei Wegen. In stratigraphischen Aufschlüssen werden Kulturschichten identifiziert, deren Korrelation durch dendro-chronologische Datierungen und verbindende Bohrprofilfluchten erfolgt; einen Beitrag leistet auch die einhergehende Fundanalyse. Parallel dazu werden durch die dendrochronologische Untersuchung des Pfahlfeldes Schlagphasen ermittelt. Eine Verknüpfung der jeweiligen Resultate ist bei einem Teil der Schichten über datiertes liegendes Holz aus Schichtverband und ansonsten nach vertikalstratigraphischen Kriterien möglich. Auf diese Weise sind in Sipplingen-Osthafen im Zeitraum 3918-2855 v.Chr. 12 Besiedlungshorizonte mit Kulturschichterhaltung darzustellen. Die Flächenausdehnung der verschiedenen Kulturschichten lässt unterschiedliche räumliche Lagen und Größen erkennen. Die Dauer der Hiaten ist variabel und beträgt ca. 30-300 Jahre. Auch die jeweilige Besiedlungsdauer ist unterschiedlich, indem sie von einigen wenigen bis zu mindestens 62 Jahren reicht. Während ab dem 39. Jh. eine Anordnung der Gebäude zu uferparallelen Reihen darzustellen ist, waren die Häuser ab dem 32. Jh. v.Chr. zu Zeilen angeordnet, die sich auf stegartig konstruierte, vom Land zum See gerichtete Wege beziehen. Für die jüngste Siedlung sind mehrere solcher Zuwegungen darzustellen. Mit der Änderung der Bebauungsmuster geht eine Zunahme der Hausgrößen einher – die Längen der zweischiffigen „Doppelpfahlkonstruktionen“ betragen in den frühen Phasen 7-9 und ab dem 32. Jh. bis zu 16 m. Mit Ausnahme einer längeren Besiedlungsunterbrechung 3650-3316 v.Chr. liegen umfangreiche und gut stratifizierte Fund- und Probenensembles in dichter zeitlicher Folge vor. Sie erlauben eine sichere Darstellung der Entwicklung der verschiedenen Artefaktkategorien sowie der Bezugs- und Subsistenzsysteme, im ersten Teilvortrag über Sipplingen wird dies am Beispiel der keramischen Gefäße und der Silexbezugssysteme verdeutlicht.

Salzmünde – Neue Rituale in einer Stresssituation? B. Schlenker, K. W. Alt, G. Brandt, S. Friederich, S. Karimnia, Corina Knipper, M. Stecher (Halle/Mainz) Mit Beginn des Altneolithikums zogen sich die heimischen, mesolithischen Jäger und Sammler in die weniger fruchtbaren, von Sandböden geprägten Regionen zurück. Im südlichen Mitteldeutschland dominiert fortan die bäuerliche Lebensweise. Im 4. Jahrtausend tritt mit der Baalberger Kultur erstmals die Trichterbecherkultur in Erscheinung. Ab ca. 3400 v. Chr. kann mit Fundinventaren der Salzmünder Kultur gerechnet werden. Ihre Wurzeln liegen in der Baalberger Kultur, doch sind wesentliche Bestandteile nicht ohne Einflüsse der Badener Kultur denkbar. Nach aktuellen Datierungen endet die Salzmünder Kultur ca. 3000 v. Chr., ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet wird anschließend von der Bernburger Kultur besiedelt, die als Resultat einer Jahrhunderte zuvor erfolgten Einwanderung aus dem Norden zu betrachten ist . Wir fassen hiermit Populationen, in denen sich die ehemals in die nördlichen Refugien verdrängten Jägergruppen wiederfinden. Das Erdwerk von Salzmünde birgt eine Vielzahl von Besonderheiten, in denen sich geradezu beispielhaft eine Zeit des Umbruchs widerspiegelt. In den Gräben finden sich zahlreiche auf

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der Grabensohle abgelegte menschliche Schädel, die in den Kontext eines Ahnenkultes verweisen. Die Scherbenpackungsgräber von Salzmünde deuten mit immer wiederkehrenden „Architekturelementen“ auf ein Ritual hin, in dessen Verlauf das Feuer eine besondere Rolle spielt. Alle Parameter deuten darauf hin, dass vor der Bestattungszeremonie ein Gebäude mitsamt Hausrat zerstört wurde, um dessen Bestandteile pars pro toto und sorgfältig voneinander getrennt in das Grab zu legen. Der hierbei betriebene Aufwand war immens: Die Scherbenpackung einer Mehrfachbestattung enthielt die Reste von 150-200 Gefäßen. Ein aufwendiges Ritual in einer „Untergangsstimmung“? An keinem anderen Fundplatz Mitteldeutschlands wird eine zweite neolithische Revolution, ausgelöst durch die zahlreichen Neuerungen des 4. Jahrtausends, so deutlich wie in Salzmünde.

Kategorie C – Binnengliederung und Funktionswandel kleiner Grabenwerke im Nordharzraum. Christoph Rinne (Kiel) Seit 2009 werden im Rahmen eines Teilprojektes zur frühen Monumentalität und sozialen Differenzierung im Raum Haldensleben (Sachsen-Anhalt) Megalithgräber und ein Grabenwerk der Trichterbecherzeit untersucht. Zum Grabenwerk am Olbetal bietet sich sowohl von der Größe, dem Verlauf der Gräben, der topografischen Position als auch der dokumentierten Innenbesiedlung der Vergleich mit dem Grabenwerk vom Steinkuhlenberg bei Derenburg an (Hille 1986). Beide Grabenwerke sind der Größenklasse Cc nach Raetzel-Fabian zuzuweisen und gehören somit zu den kleineren Grabenwerken der Region (Geschwinde/Raetzel-Fabian 2009; Raetzel-Fabian 1999). Das Grabenwerk am Olbetal weist anhand einer umfangreichen 14C-Serie und der typochronologischen Analyse eine Besiedlung über das gesamte 4. Jahrtausend auf. Innerhalb dieser Besiedlung sind anhand der Verteilung der Siedlungsspuren mit Baalberger, Salzmünder und Bernburger Inventaren und der erkennbaren taphonomischen Prozesse, Veränderungen in der Nutzung und der Bedeutung der Grabenanlage zu belegen. Die Analysen der Makroreste und Holzkohlen zeigen eine Differenzierung zwischen Besiedlung und Grabenwerk und weisen u.a. auf eine mit Dornen bewehrte Hecke im Bereich der Grabenanlage hin. Die neue Bearbeitung des Grabenwerkes Steinkuhlenberg bei Derenburg erlaubt die Differenzierung von sechs Grubenclustern mit zugehörigen Pfostenarealen und einer weiteren Pfostenreihe neben dem bereits bekannten Hausgrundriss. Innerhalb dieser Aktivitätszonen bestehen auf Grundlage einzelner Fundkategorien nur geringfügige Unterschiede, die Grubeninventare je Cluster weisen aber auf differenzierbare Arbeitssphären hin. Aufgrund der vorgenannten Ähnlichkeiten ist für beide Grabenwerke von einer in wesentlichen Aspekten synchronen Entwicklung auszugehend, die im Grabenwerk am Olbetal mit einem Funktionswandel im letzten Drittel des 4. Jahrtausends und dem Abbruch zu Beginn des 3. Jahrtausends einhergeht. M. Geschwinde/D. Raetzel-Fabian, EWBSL: eine Fallstudie zu den jungneolithischen Erdwerken am Nordrand der Mittelgebirge (Rahden/Westf. 2009). A. Hille, Die Besiedlung des Steinkuhlenberges bei Derenburg, Kreis Wernigerode (nach Ausgrabungsergebnissen des Institutes für Ur- und Frühgeschichte der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg in den Jahren 1960-64 und 1966) (Halle, unpubl. Diplomarbeit 1986). D. Raetzel-Fabian, Der umhegte Raum - Funktionale Aspekte jungneolithischer Monumental- Erdwerke. Jahresschr. Mitteldt. Vorgesch. 81, 1999, 81–117

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Das 4. Jahrtausend im norddeutschen Havelland und in der ostmittel-europäischen Lausitz. Neues zu Siedlungsstrukturen und Kulturentwicklung im Land Brandenburg auf Grund von Rettungsgrabungen seit 1998 Jonas Beran (Berlin) Um 4000 v. Chr. Ist in den Flussgebieten von Havel und Spree die erste Neolithisierungsetappe vollendet. In jüngster Zeit wurden dazu neue Quellen gewonnen und erschlossen. Triebkräfte, Ablauf und Charakter der Transformation eines durch mitteleuropäische Kulturerscheinungen (Epi-Rössen, Spätlengyel, Schöningen, Breść Kujawski) beeinflussten einheimischen Spätmesolithikums in jungneolithische Wirtschafts- und Gesellschaftszustände beginnen deutlicher erkennbar zu werden. Im Fundmaterial greifbar wird ein Komplex einheimischer oder auf nordwestliche Einflüsse zurückgehender protoneolithischer Kulturen (Swifterband, Boberg, Ertebølle, frühes Michelsberg). In den ersten Jahrhunderten des 4. Jts. Herrscht eine (im südskandinavischen Sinne) frühneolithische Trichterbecherkultur „gemeineuropäischen“ Typs, über die wir noch immer nicht viel wissen, trotz einer weiteren Zunahme der bekannten Fund- und Befundtypen. Ebenso wenig ist klar, welche Bedeutung einzelnen Gräbern sowie keramischen Formen Baalberger Art sowie Michelsberger Elementen zukommt. Ein besonderer Zuwachs an Fundmaterial ist für den so genannten Übergangshorizont in der Mitte des 4. Jts. Zu verzeichnen, entsprechend dem jüngeren Frühneolithikum in Südskandinavien und in der Pikutkowo-Phase in Polen. Eine intensivere Landnutzung und eine Bevölkerungszunahme führen zu einem Qualitätssprung in der Quellenlage hin zu frühgeschichtlichen Verhältnissen bereits am Übergang vom Jung- zum Spätneolithikum. Seit 1990 besonders intensiv erforschte Modellregionen (Güterverkehrszentrum Wustermark, Stadtgebiet Potsdam, Braunkohletagebau Jänschwalde und Welzow-Süd) zeigen ein Besiedlungsmuster aus im Abstand von durchschnittlich 400 m zueinander angelegten Einzelgehöften mit Platzkonstanz entlang der Flussläufe und Seen. Diese Struktur bleibt im Havelland über etwa 1400 Jahre bis in die frühe Bronzezeit erhalten, während es in der lausitz mehrere Besiedlungsabbrüche bzw. –verschiebungen gegeben zu haben scheint. Einher mit den demographischen und ökonomischen Veränderungen gehen offenbar soziale und „politische“ Entwicklungen, in deren Folge die vorherige weiträumige Kultueinheit der Trichterbecherkultur abgelöst wird von einer deutlichen und über Jahrhunderte konstanten Polarisierung zwischen einem megalithisch-tiefstichkeramischen Nordwesten und einem dem Badener Kulturkomplex zuneigenden Südosten. Auf der Linie Erfurt – Leipzig – Potsdam – Stettin treten ausgesprochen „archäologiefreundliche“ Grenzzonen-Phänomene auf (Anhäufungen waffenführender Einzelbestattungen und befestigter Siedlungen). Am Ende des 4. Jts. Kommt es mit den „Erscheinungen der Kugelamphorenkultur“ (E. Nagel) zu einer weiteren Besiedlungsausweitung und zu kulturellen Veränderungen, die am ehesten als Überschichtungsvorgänge zu deuten sind und Vorläufer der noch tiefer greifenden Umwälzungen des 3. Jahrtausends darstellen.

Neues zum Spätneolithikum im Rheinland Ingrid Koch, Silviane Scharl, Daniel Schyle (Köln) Im Rheinland gilt das Spätneolithikum (3500 – 2800 v. Chr.) bisher als bevölkerungsarme Periode in einer Region „zwischen den Kulturen“ Seine-Oise-Marne/Vlaardingen im Westen und Wartberg bzw. Trichterbecherkultur im Osten und Norden (Zimmermann et al. 2006). Die wenigen ausgegrabenen Siedlungen (Broichweiden 6B, Hambach 9 und 11 sowie eine einzelne Grube mit Vlaardinger Keramik in Hasselsweiler 1) zeichnen sich durch äußerst geringe Aufkommen von Funden und Befunden sowie ein wenig charakteristisches Fund-material aus. Einzig der Feuersteintagebau auf dem Lousberg und die damit verbundene Produktion von Beilen - aufgrund einer Serie von 14C-Daten in die Zeit zwischen 3500 und 3000 v. Chr. zu

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datieren - belegt allein aufgrund ihres Umfanges eine nicht unerhebliche Zahl von Abnehmern im Verbreitungsgebiet der Beile, das sich nördlich und östlich des Lousbergs über eine Entfernung von etwa 100 km erstreckt. Bei der jüngst abgeschlossenen Bearbeitung der Funde vom Lousberg (Schyle, 2010) wurden eine Reihe von Oberflächenabsammlungen gesichtet, in denen angeschlagene Platten, Beilvorarbeiten und Beilproduktionsabschläge aus Lousberg-Feuerstein mit größeren Mengen von ansonsten unauffälligeren Steinartefakten und wenigen kleinen, unscheinbaren „urgeschichtlichen“ Scherben vergesellschaftet sind und daher den Verdacht auf eine Datierung in das Spätneolithikum zulassen. Zwei besonders umfangreiche dieser Inventare (Elsdorf-Tanneck und Jülich-Stetternich) haben wir daraufhin im Detail untersucht und tatsächlich den Eindruck gewonnen, dass es sich dabei um im wesentlichen unvermischte Inventare des späten Jung- und/oder Spätneolithikums handeln dürfte. Auf dieser Grundlage glauben wir, die Inventare dieser Zeit nun auch anhand der verwendeten Rohmaterialien und der wenigen charakteristischen Steinwerkzeuge im günstigsten Fall eindeutig identifizieren zu können. Eine Kartierung dieser neu erkannten Anzeiger für das Spätneolithikum in einer intensiv begangenen Kleinregion gibt auch erste Hinweise auf das in dieser Zeit übliche Siedlungs-muster und hilft, die scheinbare Spärlichkeit der spätneolithischen Funde im Rheinland zu erklären. Schyle, D., 2010: Der jungsteinzeitliche Feuersteintagebau mit Beilproduktion auf dem Lousberg in Aachen. Rheinische Ausgrabungen 66, Bonn. Zimmermann, A., Meurers-Balke, J., Kalis, A.J., 2006: Das Neolithikum. In: Kunow, J. & Wegner, H.-H. (Hrsg.) Urgeschichte im Rheinland. Köln.

Salz im Neolithikum Norddeutschlands Walter Dörfler (Kiel) Bei einer Ernährung mit einem hohen Anteil von Getreide ist der menschliche Körper auf zusätzliche Zufuhr von Salz angewiesen. Dies hat deutliche Konsequenzen für die Ökonomie an der Schwelle von Jägern und Sammlern zu Viehzüchtern und Ackerbauern. Auch wenn es für das Neolithikum des 4. vorchristlichen Jahrtausends keine Hinweise auf spezielle Keramik zur Salzgewinnung gibt, so muss das Salz doch eine wichtige Rolle gespielt haben. Der Beitrag wird ernährungsphysiologische Aspekte präsentieren und dies den bekannten Salzquellen und den potentiellen Möglichkeiten zur Salzgewinnung ohne Keramik gegenüberstellen.

Einführung: Das DFG-Schwerpunktprogramm 1400 "Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung" Johannes Müller (Kiel) Seit fast vier Jahren werden von der DFG zahlreiche Projekte im Rahmen eines Schwerpunktprogrammes zu den Trichterbecher-Gesellschaften und der Rolle früher Monumente durchgeführt. Ein Kurzüberblick über die Projekte vermittelt die Breite des Vorhabens, dessen Teilergebnisse in einigen anderen Präsentationen von Mitgliedern des SPP vorgetragen werden.

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Die Entwicklung neolithischer Häuser in Nordmitteleuropa und Südskandinavien im 4. vorchristlichen Jahrtausend Johannes Müller (Kiel) Sowohl Rettungs- als auch Forschungsgrabungen haben neue Hausgrundrisse aus dem 4. vorchristlichen Jahrtausend zu Tage geführt. Eine Analyse zeigt, dass im südskandinavisch-nordmitteleuropäischen Raum mesolithische Bauelemente fortleben, sich aber im Laufe der Trichterbecherentwicklung unterschiedliche regionale Bautraditionen ausbilden. Ohne Bruch dürften die Trichterbecher-Häuser in die wenigen bekannten Häuser des Jung- und Späthneolithikums im selben Raum weiterführen. Diese langen Traditionslinien im Hausbau beschreiben einen habitus, der prägend für späte Wildbeuter, frühe Anbaukulturen und Ackerbauern war.

Die Dynamik der Siedlungsintensität im vierten vorchristlichen Jahrtausend in Nordmitteleuropa Martin Hinz (Kiel) Aus den bisherigen Untersuchungen des Schwerpunktprogrammes 1400, „Frühe Monumentalität und Soziale Differenzierung“, geht hervor, dass die Zeit der Trichterbechergesellschaften in Nordmitteleuropa von sehr unterschiedlichen Phasen von Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftsweise und stilistischer Entwicklung geprägt ist. Ein Argument hierfür ist die Summenkalibration von 14C-Daten als Indikatoren für die Intensität von Aktivitäten im Siedlungs- wie im rituellen Kontext. Hieraus leiten wir ab, dass es um 3700 zu einer Intensivierung der Siedlungstätigkeit kommt, welche ab 3500, spätestens ab 3400 einen jähen Einbruch erfährt. Ist die Phase der Erbauung der Megalithgräber von einem Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet? Spiegeln die Fluktuationen in der Summen-kalibration tatsächlich historische Veränderungen wider, oder sind sie nur Folge von unterschiedlichen Depositionsverhalten oder der Form der Kalibrationskurve? Und falls sich hier wirklich veränderte Siedlungsintensität nachzeichnen lässt, wie ist dies mit Veränderungen in der Landwirtschaft und der stilistischen Entwicklung der Keramik und deren Regionalisierung im Laufe der Trichterbecherzeit zu verbinden? Auf Grundlage der Daten des SPP wollen wir versuchen, die verschiedenen Indikatoren zu einem historischen Gesamtbild zu verknüpfen.

Neue siedlungsarchäologische Forschungen zur Trichterbecherkultur Nordwestdeutschlands Moritz Mennenga (Wilhelmshaven) Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung“ werden im Projekt „Voraussetzungen, Struktur und Folgen von Siedlung und Landnutzung zur Zeit der Trichterbecher- und Einzelgrabkultur in Nordwestdeutschland“ die Auswirkungen von Besiedlung und Wirtschaftsweise auf die Fundplätze und deren Umland erforscht. Exemplarisch werden hierfür fünf Kleinregionen zwischen Elbe und Ems detailliert betrachtet. Auf der Wildeshausener Geest sowie in Lavenstedt wurden in den vergangenen Jahren zwei neolithische Siedlungsplätze entdeckt, bei denen die Dokumentation von Hausgrundrissen gelang, so dass neue Erkenntnisse zur Siedlungsweise der TBK-Westgruppe gewonnen werden konnten. Auf dem Fundplatz Visbek-Uhlenkamp II Fdst. 426, Ldkr. Vechta, konnten bei baubegleitenden Maßnahmen in einem kleinen Areal, auf dem auch Megalithgräber bekannt konnten, mindestens zwei Flachgräber und ein Hausgrundriss in Wandgräbchenbauweise des für diesen Raum bekannten Typs Flögeln ergraben werden. Diese Befunde stehen damit

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in der Tradition der TBK-Westgruppe und bilden in dieser eine Mikroregion, wie sie bisher nur vom Fundplatz Flögeln, Ldkr. Cuxhaven, bekannt ist. Im Gegensatz zu Visbek liegt der Siedlungsplatz Lavenstedt Fdst. 178, Ldkr. Rotenburg/Wümme, in einer Region, die vor allem hinsichtlich ihrer keramischen Tradition als eine Kontaktzone zwischen der Nord- und der Westgruppe der TBK betrachtet werden kann, dem Elbe-Weser-Dreieck. Neben einer großen Menge an Flintartefakten und Keramik konnten aufgrund der relativ guten Befunderhaltung auch ein Brunnen der frühen TBK sowie ein Hausgrundriss dokumentiert werden. Letzterer ist jedoch nicht wie in Visbek nur von den Traditionen der Westgruppe geprägt, sondern weist auch Parallelen zu Hausgrundrissen der Nordgruppe auf.

Vegetations- und Landschaftsdynamik als Spiegelbild neolithischer Siedlungstätigkeit in Nordwestdeutschland während des vierten Jahrtausends vor Christus Annette Kramer, Felix Bittmann (Wilhelmshaven) Innerhalb des DFG-Schwerpunktprogramms 1400 „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung“ wurden verschiedene Torfprofile für palynologische Untersuchungen geborgen, um anhand fossiler Pollenspektren die neolithische Besiedlung in Nordwestdeutschland nachvollziehen zu können. In dem Gebiet wurden dafür fünf Kleinregionen ausgewählt, die einen bestmöglichen Überblick für die Region bieten. So können Siedlungsmuster qualitativ miteinander verglichen und chronologisch synchronisiert werden. Die bislang erzielten Ergebnisse zeigen einen undeutlichen menschlichen Einfluss auf die Vegetation zwischen 4200 und 3500 cal BC. Die Vegetation in dem Zeitabschnitt bestand aus Eichenmischwäldern mit noch hohen Anteilen an Linde und Ulme, Anzeichen für landwirtschaftliche Tätigkeiten weisen auf eine noch sehr zerstreute Siedlungstätigkeit hin mit einer Betonung auf Viehzucht. Zeitgleich mit dem Auftreten der Westgruppe der Trichterbecher-Kultur kam es ab 3500 cal BC zu einem Auflichten der Wälder und einem starken Anstieg der Siedlungszeiger, was auf eine stärkere landwirtschaftliche Nutzung mit Ackerbau und Waldweide schließen lässt. Gegen Ende des vierten Jahrtausend BC erfolgte ein Wandel der Wirtschaftweisen mit einer stärkeren Betonung von Beweidung, insbesondere Waldweide, die aber oft nur für lokale (kleinräumige) Standorte belegt werden kann. Möglicherweise ist dies durch ein Auslaugen der Böden infolge der landwirtschaftlichen Nutzung bedingt. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Einfluss der neolithischen Siedler die Zusammensetzung der natürlichen Pflanzengesellschaften nachhaltig verändert hat.

Systemwandel? Landwirtschaft im südskandinavischen und norddeutschen Neolithikum im 4. Jahrtausend v. Chr. Wiebke Kirleis, Elske Fischer (Kiel) Archäobotanische Untersuchungen im Rahmen des SPP „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung“ zeigen, dass die Einführung der Landwirtschaft im Verbreitungsgebiet der Trichterbecherkultur phasenweise erfolgte. Aus dem beginnenden Frühneolithikum (FN Ia) liegen bislang kaum Pflanzenrestfunde vor, die uns Auskunft über die ersten Anfänge des Ackerbaus geben könnten. Stichhaltige Hinweise auf den Getreideanbau liegen in Form verkohlter Pflanzenreste für die Zeitstellung ab ca. 3600 v. Chr. vor (FN Ib) und treten in der Folgezeit regelmäßig auf. Generell sind die Hauptgetreide des südskandinavischen und norddeutschen Neolithikums Gerste und Emmer. Eiweißliefernde Hülsenfrüchte (Erbse,

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Linse) sowie Ölfrüchte (Mohn, Leinsamen) gehören hingegen nicht zum Kulturpflanzen-spektrum der Trichterbecherkultur. Verschiedene Landwirtschaftssysteme können ausgewiesen werden. Für das Früh-neolithikum Ia ist eine erste Auflichtung der Wälder mit möglichem Getreideanbau pollenanalytisch nachzuweisen. Vermutlich spielte hier die Viehhaltung eine wichtige Rolle. Für das späte Frühneolithikum (FN Ib) ändert sich die Beweislage. Der Getreideanbau ist nun durch zahlreiche Makrorestfunde belegt. Ob dies ein Indiz für eine geänderte Wirtschaftsstrategie darstellt, und wie die Nachweislücke für das FN Ia zu bewerten ist, muss diskutiert werden. Hier soll diese Änderung als Wandel des Landwirtschaftssystems bewertet werden, der einhergeht mit kulturellen Umbrüchen, wie der Errichtung der Großsteingräber und innovativen Entwicklungen wie der allmählichen Einführung des Hakenpfluges. Das Getreidespektrum des FN Ib umfasst die drei Arten Nacktgerste, Emmer und tetraploiden Nacktweizen. Der Nachweis für den Anbau des damals eher westmediterran verbreiteten tetraploiden Nacktweizens verweist auf eine Orientierung der Träger der Trichterbecherkultur zu Michelsberg und weiteren neolithischen Gruppen im nördlichen Alpenvorland, die bisher nur durch archäologische Artefakte belegt sind. Sammelpflanzen waldnaher Standorte ergänzen das Nahrungsangebot. Ihre Anwesenheit belegt zum einen eine nur kleinräumige Auflichtung der Wälder, zum anderen zeigt sie die Wertschätzung der Sammelpflanzen als ergänzende Nahrungsressource. Im Verlauf des Frühneolithikum II (FN II) findet ein weiterer Wandel statt, der sich durch eine Verarmung des Nahrungsspektrums auszeichnet. Es erfolgte eine Beschränkung auf im Wesentlichen zwei Getreidearten, Emmer und Gerste. Eine solche Vereinfachung interpretieren wir als den Beginn eines hoch organisierten Ackerbaus auf größeren, mit dem Hakenpflug zu bearbeitenden Flächen. Sowohl das Ausgreifen in die Fläche als auch die Beschränkung auf zwei Getreide, lassen auf eine geänderte Wirtschaftsweise schließen, die sicherlich mit gesellschaftlichem Wandel und sozialer Differenzierung in Zusammenhang steht. Möglicherweise verbergen sich hier erste Hinweise auf eine Überschussproduktion, welche eine Grundlage für veränderte Austauschbeziehungen sein kann.

Spuren der Feldwechselwirtschaft bei den ersten Bauern Norddeutschlands – Neue Erkenntnisse zur Landschaftsgeschichte des 4. Jahrtausends v. Chr. auf der Dithmarscher Geest Rüdiger Kelm (Albersdorf) Seit über zehn Jahren untersucht das Archäologisch-Ökologische Zentrum Albersdorf (AÖZA) in Kooperation mit verschiedenen Institutionen die Besiedlungs- und Landschaftsgeschichte der Region Albersdorf. Die dabei erzielten Ergebnisse des Instituts für Ökosystemforschung und des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel im Bereich des südlich von Albersdorf gelegenen Gieselautals im Osten der Dithmarscher Geest sollen an dieser Stelle vorgestellt und in überregionaler Perspektive diskutiert werden. Bemerkenswert ist im Untersuchungsgebiet die kleinräumige Variabilität in Art und Intensität der Landnutzung in urgeschichtlicher Zeit; möglicherweise ist hier – zumindest für das Mittelneolithikum des späten 4. Jahrtausends v. Chr. – die für diese Zeit oft postulierte „Flächenwechselwirtschaft“ bzw. shifting cultivation nachzuweisen. Die Nachweise von haselreichen Waldbeständen und von (durch Lichtmangel oder durch Fraßschädigung bzw. Laubheugewinnung) sehr engringig gewachsenem Ahornholz anhand von Holzkohleproben aus den mittelneolithischen Brandgruben gehören möglicherweise in einen Zusammenhang mit der shifting cultivation. Diese naturwissenschaftlich gewonnenen Daten werden für die Arbeiten zur Landschaftsgestaltung und –entwicklung des AÖZA-Geländes in Richtung einer mittelneolithischen Landschaft genutzt. Ziel dabei ist es, den Besuchern des „Steinzeitparks Dithmarschen“ in Artenzusammensetzung, Nutzung und Charakter den Eindruck einer urgeschichtlichen, vergangenen Landschaft zu bieten und sie über die Quellenbasis und die

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(kultur-)geschichtlichen Zusammenhänge zu informieren. Die möglichst lebendige und anschauliche Darstellung von Geschichte wird dabei auch durch die Einführung alter Landnutzungsformen wie Waldweide, Brandrodung, Schneitelwirtschaft und Niederwaldumtrieb auf ausgewählten Beispielflächen gewährleistet. R. Kelm, Die frühe Kulturlandschaft der Region Albersdorf (Kreis Dithmarschen) – Grundlagen, Erfassung und Vermittlung der urgeschichtlichen Mnesch-Umwelt-Beziehungen in einer Geestlandschaft. EcoSys – Beiträge zur Ökosystemforschung, Suppl. Bd. 45 a (Kiel 2006). S. Reiss, Langfristige Wirkungen der Landnutzung auf den Stoffhaushalt der Dithmarscher Geest seit dem Neolithikum. EcoSys – Beiträge zur Ökosystemforschung, Suppl. Bd. 44 (Kiel 2005).

Kern und Peripherie oder diverse Handlungsräume in der Trichterbecher-Nordgruppe? Martin Furholt (Kiel) Durch die Aktivitäten im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1400 „Frühe Monumentalität und Soziale Differenzierung“ sind für verschiedene Bereiche menschlicher Aktivitäten im norddeutsch-südskandinavischen Neolithikum räumliche Differenzierungen herausgestellt worden, die über die übliche Gruppeneinteilung hinaus wirksam sind. Diese Muster sollen miteinander verglichen aus handlungstheoretischer Perspektive kultur-geschichtlich gedeutet werden. Bezüglich der typologischen Charakterisierung der Keramik, und damit der räumlich-zeitlichen Einteilung war die 1984 von Madsen und Petersen veröffentlichte Korrespondenzanalyse frühneolithischer Keramikrandverzierungstechniken wegweisend. Hier wurde eine wichtige Grundlage für die chronologisch interpretierte Typologie des Materials der frühneolithischen Trichterbechersiedlungen geschaffen, die allen Ansprüchen der Nachvollziehbarkeit entspricht. Die vorbildliche Veröffentlichung der Datenbasis ermöglichte eine Re-analyse des Materials unter Hinzuziehung norddeutscher Fundkomplexe, die im Zuge des SPP 1400 erhoben worden sind. Bei weiterer Hinzuziehung südschwedischer Fundkomplexe erscheint in überregionaler Perspektive auf dem ersten Faktor der Korrespondenzanalyse eine Unterteilung der frühneolithischen Trichterbechernordgruppe zwischen einem zentralen Bereich und einer diesen umschließenden zweiten Zone. Dieser Befund nimmt das spätere Verbreitungsmuster von Megalithgräbern voraus, es zeigen sich aber auch ökonomische Unterschiede zwischen den identifizierten Zonen. Es soll daher versucht werden, das identifizierte regionale Phänomen zu verstehen und eine entsprechende Deutung der rekonstruierbaren unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Muster zu formulieren.

Eine Chronologie der Tiefstichkeramischen Gruppe der Trichterbecherkultur Tim Grünewald (Kiel) Seit 2006 existiert das Forschungsprojekt „Megalithlandschaft Altmark“ unter Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und in Zusammenarbeit des Instituts für Ur- und Frühgeschichte Kiel mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Im Rahmen des Projektes wird derzeit eine Chronologie für die im 4.Jt. v. Chr. existente Tiefstichkeramische Gruppe der Trichterbecherkultur entwickelt, die wir auf der Sitzung der AG Neolithikum während der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für

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Altertumsforschung vom 02. bis 06. September 2013 in Lübeck gerne präsentieren und zur Diskussion stellen würden. Bis dato beruht die Chronologie für die altmärkische Gruppe der Tiefstichkeramik vor allem auf den Ausführungen Joachim Preuß’ in seiner Monographie „Die altmärkische Gruppe der Tiefstichkeramik“ (Berlin 1980). Er unterteilt unter Berücksichtigung damaliger Forschungsliteratur in einen älteren Horizont Düsedau und einen jüngeren Horizont Haldensleben, jeweils benannt nach besonders prägnanten Fundorten. Weiterführende Untersuchungen durch statistische Analysen von tiefstichverzierter Keramik sollen nun eine zunehmend detaillierte Differenzierung der Chronologie ermöglichen, das Heranziehen im Kontext stehender 14C-Datierungen darüber hinaus absolutchronologische Aussagen zulassen. Durch eine Korrespondenzanalyse gewonnenen Untersuchungs-ergebnisse werden auf ihre chronologische Relevanz hin überprüft, mögliche räumliche Differenzierungen oder Stilmerkmale, die auf einen bestimmten Befundkontext beschränkt sind, berücksichtigt. Durch die stilkritische Untersuchung ist gegenwärtig abzusehen, dass sich die Tiefstichkeramik in ihrem Hauptverbreitungsgebiet in mehrere Gruppen unterteilen lässt und zu erkennende Unterschiede großteils chronologisch bedingt sind. Preuß’ Einteilung der Keramik kann bestätigt und konkretisiert werden.

Die Soester Börde im 4. Jt. v. Chr.: Von Erdwerken zu Galeriegräbern bzw. von der Monumentalisierung einer Landschaft Kerstin Schierhold (Münster) Im Rahmen des SPP 1400 der DFG zu früher Monumentalität und sozialer Differenzierung stellt die Soester Börde als Mikroregion einen der Forschungsschwerpunkte dar. Die Ausgrabungen an der Kollektivgrabnekropole von Schmerlecke bei Erwitte dienen dabei als Basis für neue Erkenntnisse zur hessisch-westfälischen Megalithik bzw. zu deren Verhältnis zu den nördlich und nordwestlich angrenzenden Trichterbechergesellschaften. Die außergewöhnlich gute Erhaltung vor allem des Grabes II im Hinblick auf Knochenreste lässt erstmals für diesen Raum und diese Zeitstellung sowohl detaillierte anthropologisch-paläopathologische Untersuchungen als auch zoologische Analysen zu. Weitere Beigaben, darunter z. B. Bernstein, Kupfer und westeuropäischer Feuerstein, bezeichnen weiträumige Kommunikationsnetze der bestattenden Gemeinschaften. Die unterschiedliche Bauweise und das verwendete Baumaterial der Gräber II und III verweisen auf einerseits sehr gute geologische und bautechnische Kenntnisse, aber auch auf mögliche soziale Unterschiede der bestattenden Gemeinschaften. Erstmals kann in Schmerlecke der Beginn der hessisch-westfälischen Megalithik weit vor 3500 calBC gefasst werden. Damit deuten sich auch chronologische Zusammenhänge mit der zweiten Form von Monumenten in der Soester Börde an: den jungneolithischen Erdwerken. Hier konnten in den vergangenen drei Jahren zwei Neufunde verzeichnet, teiluntersucht und bereits bekannte Anlagen weiter erforscht werden. Der Vortrag fasst die aktuellen Erkenntnisse zur frühen Monumentalität und sozialen Differenzierung in der Soester Börde zusammen und gibt Einblicke in die laufenden Auswertungen.

Facetten zu Funktion und Bedeutung michelsbergzeitlicher Erdwerke Sandra Fetsch (Mainz) Die im 4. Jt. in Mitteleuropa dominierende Kulturgruppe der Michelsberger Kultur ist derzeit Gegenstand eines internationalen ANR-DFG-geförderten Forschungsprojektes „Die Anfänge sozialer Komplexität: Erdwerke, Rohstoffnutzung und Territorialität im Neolithikum. Deutsch-französische Forschungen zur Michelsberger Kultur“ (MK-Projekt) . Dieses hat zum Ziel,

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sowohl einzelne punktuelle Fragestellungen als auch weiträumige Phänomene in der gesamten West-Ost-Ausdehnung des Verbreitungsgebietes vom Pariser Becken bis zu den Ausläufern in Mitteldeutschland zu klären. Unter anderem wird eine großräumige Aufnahme von Fundstellen für den Raum Hessen durchgeführt um die Siedlungs- und Landschaftsentwicklung zwischen Main und Eder GIS-basiert modellieren zu können. Bei den Vorarbeiten zu diesen Analysen entstanden einige Überlegungen zu Funktion von Erdwerken, die zwar an bestehende Auslegungen anschließen, aber neue Facetten in der alltäglichen Bedeutung für die Menschen der damaligen Zeit umfassen. Im Vortrag sollen diese Gedanken vorgestellt, ihre Korrelationen und Widersprüche mit weiteren Fakten oder Hypothesen zur MK aufgezeigt und zur Diskussion gestellt werden.

Erdwerke und Rinderherden im 4. Jahrtausend: Ein evolutionärer Ansatz Tim Kerig, Katie Manning/Stephen Shennan (London) Wie passen die Rinderhaltung, der Bau und die Nutzung von Erdwerken zusammen? Wir versuchen für das gesamte nordwestliche Europa allgemeine Entwicklungstrends hinsichtlich Herdenwirtschaft und dem Bau von Erdwerken herauszuarbeiten. Diese Trends sollen dann zur Bevölkerungsentwicklung in Relation gesetzt werden, wobei wir auf die Michelsberger Kultur und auf die ihr nahe stehenden Gruppen fokussieren. Unsere Studie beruht auf einer bislang beispiellosen Datensammlung, die das gesamte Neolithikum umspannt und eine Reihe standardisierter und georeferenzierter fundplatzbezogener Datensätze enthält. Wir nutzen hier Angaben zum vierten Jahrtausend aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Südskandinavien und Großbritannien. Zur Verfügung stehen einerseits zooarchäologische Daten, wie Mindestindividuenzahlen, Altersprofile sowie biometrische Messungen und andererseits systematisch erhobene Angaben zu den Erdwerken selbst, etwa zu Gröβe und Umfang der Gräben, der Typansprache der Tordurchlässe, dem Vorhandensein von menschlichen Knochen. Vergleichend werden Angaben zu Erdarbeiten aus traditionellen Gesellschaften und aus historischen Quellen herangezogen. Insbesondere untersuchen wir mögliche Verbindungen zwischen Rinderhaltung und dem Bau von Erdwerken. Wir verstehen unsere Arbeit als einen empirischen Beitrag zur evolutionären Archäologie und damit zu einem Forschungsfeld, das seit einigen Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewinnt. Die hier vorgestellten Arbeiten erfolgten im Rahmen des EUROEVOL Projektes und sind ermöglicht worden durch den ERC Advanced Grant #28973498237 (Hauptantragsteller S. Shennon).

The 4th millennium gallery graves from Western Germany and the Paris Basin – a comparison of the architecture and funerary practices. Anne-Sophie Marçais, Eleonore Pape, Laure Salanova, Philippe Chambon (Paris, Heidel-berg, Nanterre) The widespread expansion of rather homogeneous cultural complexes of the first half of the 4th millennium BC with their high degree of connectivity and material exchanges contrasts largely with the insufficiently known later Neolithic with its cultural particularism and isolation – or at least a rejection of foreign material culture - of the second half of the 4th millennium. At the same time, a change is also detectible especially within the diversified funerary customs of this phase with the introduction of monumental collective burials.

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The so-called megalithic and non-megalithic gallery graves, which appear nearly simultaneously (approx. 3500/3400 – 3000 BC) in Western Germany with the Wartberg Culture and in the Paris Basin along with the “Seine-Oise-Marne” complex, represent such a phenomenon. The ground-plan of these monumental, collective burials is – despite smaller architectural variations –longitudinal and rectangular, between 5 and 35 m long, built out of massive stone slabs, dry stones and/or wood, and separated into an antechamber and a chamber by a porthole-slab. The structures were either fully or half sunken into the ground and thus were rather inconspicuous components within the landscape. It is to be noted that in contrast to the collective burials of previous periods, a remarkable number of individuals figure within these graves. The gallery graves contain up to 350 individuals, whose remains were cared for in some cases for many centuries. This aspect thus raises questions concerning the social structure of the Neolithic communities. From selected case studies, this contribution will consider to what degree we can consider the graves from both regions and prehistoric societies to be identical, regarding their architecture and the way they were used.

The use of the Paris basin collective burials at the end of the fourth millennium BC Arnaud Blin (Nanterre)

Within a century and a half, 446 collective burials have been discovered in the Paris basin. A collective burial corresponds to a single sepulchral place where the deceased are grouped together. The archeological material and the radiocarbon dates indicate that 90 % of these monuments were in use during the second phase of the late Neolithic, currently estimated as 3350-3000 BC. However, a considerable heterogeneity of these sites has been recorded. There are two main architectural types: the hypogeum or artificial cave and the gallery grave, defined by a specific plan and variable raw materials. Their location and their settlement logic are completely different. Most of the gallery graves are isolated monuments, discovered all over the Paris basin. On the contrary, the hypogea have been dug in the east part of this region, grouped in necropolis. Is this formal diversity conceals a variety of mortuary practices? Is there a specific functioning for each architectural type? These questioning required new studies of bone assemblages of the best preserved sites like the gallery grave of La Chaussée-Tirancourt, work completed within my PhD. For each burial layer, spatial and temporal analysis has been realized, including the identification and temporality of burials, disturbances and removals, though the analysis of skeletal representation, completeness and connections. This systematic approach permitted to precise our understanding of the use of the Paris basin collective burials at the end of the fourth millennium BC.

Neue archäometrische Untersuchungen an trichterbecherzeitlicher Keramik Katrin Struckmeyer (Wilhelmshaven) Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung“ werden umfangreiche archäometrische Analysen trichterbecherzeitlicher Keramik durchgeführt. Erste Ergebnisse dieses Projektes sollen im Vortrag präsentiert werden. Das untersuchte Keramikmaterial stammt sowohl aus Siedlungen und Erdwerke als auch aus Megalithgräbern und Flachgräbern aus dem gesamten norddeutschen Raum. Im Vordergrund der Analysen stehen Fragen nach den Eigenschaften der verwendeten Tone sowie nach den eingesetzten Magerungstechniken. Zur Klärung dieser Fragen werden

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Bruchkanten der Scherben angeschliffen und poliert, so dass präzise Angaben zu den verwendeten Magerungsmittel möglich sind. Zudem werden Dünnschliffe und chemische Analysen zur Charakterisierung des Ausgangstons ausgewertet. Die bisher erzielten Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass es im Untersuchungsgebiet verschiedene überregionale handwerkliche Traditionsräume gegeben hat, für die jeweils eine gemeinsame Keramiktradition angenommen werden kann. Darüber hinaus konnten durch die Analyse der verwendeten Rohmaterialien innerhalb einzelner Mikroregionen neue Erkenntnisse zur sozialen Organisation und zur Raumnutzung in der Trichterbecherkultur gewonnen werden.

Rekonstruktion von Kommunikationsstrukturen früh- und mittelneolithischer Gesellschaften im Nordmitteleuropäischen Flachland Luise Lorenz (Kiel) In den typologischen Unterschieden der Inventare von Megalith- und Flachgräbern Nordmitteleuropas spiegeln sich Kommunikationsstrukturen wider. Eine vergleichende Betrachtung dieser Inventare dient als Basis, kulturelle Unterschiede als Indikator für Kommunikationsstrukturen zu verwenden. Basierend auf einer typochronologischen Gliederung des Materials erfolgt eine feinchronologisch aufgelöste Analyse der Kommunikationsstrukturen der Trichterbechergesellschaften Nordmitteleuropas. Einerseits werden dabei mit den statistischen Abstandsmaßen in Keramik- und Steingerätefunden typologische Inventargruppen gebildet. Andererseits stellen diese „kulturellen“ Abstände Relationen dar, mit denen Netzwerkstrukturen auf verschiedenen Raumebenen erfasst werden können. Die Bearbeitung mit unterschiedlichen Netzwerkanalysen und einem Diversitätsindex ermöglicht eine Charakterisierung der Gräber und Grabgruppen hinsichtlich Zentralität und Heterogenität. Ziel ist, die kulturellen Kommunikationsstrukturen auf dem naturräumlichen Hintergrund des Arbeitsgebietes abzubilden, um eine mögliche Abhängigkeit beider zueinander zu verifizieren oder zu falsifizieren. Die Interpretation von Kommunikationsstrukturen aus Ähnlichkeiten in Keramikform und -verzierungen kann nur auf der Grundlage ethnografischer Vergleiche und einer wirtschafts- und siedlungsarchäologischen Analyse der Trichterbechergesellschaften überzeugen. Mit einer vergleichenden Studie zur Subsistenz und Siedlungsweise der Trichterbecher-gesellschaften soll ein Brückenschlag zwischen den auf der Grundlage des Standard Cross-Cultural Sample herausgearbeiteten Bedingungen der Keramikherstellung im Zusammen-hang mit Subsistenz und Siedlungsweise in den jeweiligen Gesellschaften und den Voraussetzungen in den Trichterbechergesellschaften vorgenommen werden.

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Dr. Joanna Pyzel Uniwersytet Gdański Instytut Archeologii ul. Bielańska 5 80-851 Gdańsk Tel.: 0048 58-523-37-10 E-Mail: [email protected]

Reena Perschke M.A. Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie Kontaktadresse (privat): An der Kappe 110, 13583 Berlin

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