Das Eiszeitalter - ReadingSample · Das Eiszeitalter Bearbeitet von Jürgen Ehlers 1. Auflage 2011....

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Das Eiszeitalter Bearbeitet von Jürgen Ehlers 1. Auflage 2011. Buch. IX, 367 S. Hardcover ISBN 978 3 8274 2326 9 Format (B x L): 21 x 27,9 cm Weitere Fachgebiete > Geologie, Geographie, Klima, Umwelt > Geologie > Historische Geologie, Geochronologie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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Das Eiszeitalter

Bearbeitet vonJürgen Ehlers

1. Auflage 2011. Buch. IX, 367 S. HardcoverISBN 978 3 8274 2326 9

Format (B x L): 21 x 27,9 cm

Weitere Fachgebiete > Geologie, Geographie, Klima, Umwelt > Geologie > HistorischeGeologie, Geochronologie

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

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2Der Ablauf des Eiszeitalters

Mitte der 1970er Jahre wurden in Fjøsanger bei Ber-gen organische Ablagerungen gefunden, bei denen essich ganz offensichtlich um warmzeitliche Schichtenhandelte. Das war eine kleine Sensation, denn bisdahin hatte man angenommen, dass alle derartigenAblagerungen von den Gletschern der letzten Eiszeitbeseitigt worden wären. Die Quartärgeologen derUniversität Bergen entschlossen sich, die Schichtengenauer zu untersuchen. In den Jahren 1975/76wurde eine 15 m tiefe Grube bis auf den anstehendenFelsuntergrund ausgehoben, bis 1 m unter dem heu-tigen Meeresspiegel. Der Fels wies Gletscherschram-men auf; er wurde überlagert von Till, der aus derSaalezeit stammen dürfte. Darüber folgten sandigeSchichten mit Molluskenschalen. Die Muschelngehörten zu einer Kaltwasserfauna. Diese Schichtenwurden wiederum von anderen Meeresablagerungenüberdeckt, deren Fauna nach oben hin immer wär-meliebender wurde, bis schließlich eine Schichterreicht war, bei deren Ablagerung das Meer mindes-tens so warm gewesen war wie heute. Da dieseSchicht von zwei weiteren Tills überlagert war,konnte es sich nur um Ablagerungen der Eem-Warmzeit handeln. Dieser Befund, über den JanMangerud und seine Kollegen auf der INQUA-Tagung 1977 in Birmingham berichteten, wurde spä-ter durch eingehende Untersuchungen bestätigt(Mangerud et al. 1981). Selbst in einer so offensicht-lich durch Erosion geprägten Landschaft wie der nor-wegischen Fjordküste haben ältere Ablagerungen ingeschützter Position die Überfahrung durch das Eisder Weichsel-Eiszeit überstanden.

2.1 Wann begann das Quartär?

Der Beginn des Eiszeitalters stellt keinen abruptenUmschwung der klimatischen Verhältnisse dar, son-dern einen allmählichen Übergang. Die Tabelle von

Ehlers und Gibbard (2008) zeigt, dass in Teilen derErde schon im Paläogen Gletscher existierten, wäh-rend in anderen Gegenden die Vereisungen sehr vielspäter eingesetzt haben. Infolgedessen muss die Fest-legung der Grenze Tertiär/Quartär mehr oder weni-ger willkürlich erfolgen, wobei für die Abgrenzungunterschiedliche Kriterien denkbar sind.

Etwa 2,6 Millionen Jahre vor heute zeichnet sich inden Sedimenten des Niederrheingebietes eine erheb-liche Veränderung ab. Zu dieser Zeit hatte sich dasEinzugsgebiet des Rheins im Süden bis in das Alpen-vorland ausgedehnt, was in einer drastischen Ände-rung der Schwermineralführung zum Ausdruck kam (Boenigk 1982). Außerdem wurde zu dieser Zeitdie wärmeliebende Vegetation des Pliozäns durchkältetolerantere Pflanzengesellschaften des Quartärsersetzt. Die Schotterführung des Rheins änderte sich,und auch die Molluskenassoziationen passten sich andas kühlere und wechselhaftere Klima an. Wenn dieseVeränderungen auch nicht alle genau gleichzeitigerfolgt sind, so ist in diesem Zeitraum doch ein deut-licher Floren- und Faunenwandel festzustellen,begleitet von einer Umstellung der Sedimentzusam-mensetzung. Im Niederrheingebiet ist daher schonfrüh die Grenze Tertiär/Quartär auf die Grenze Reu-ver/Prätegelen gelegt worden.

Auf Beschluss des Internationalen Geologenkon-gresses 1948 wurde als Grenze Tertiär/Quartär jedochdie Basis des Calabrian (Italien) festgelegt. In denSedimenten des Calabrian sind im Mittelmeerraumzum ersten Mal Kaltwasser-Indikatoren festzustellen(unter anderem die Foraminifere Hyalinea baltica).Die internationale Tertiär/Quartär-Grenze lag damitan der Obergrenze des Olduvai-Events, einer Phasenormaler Magnetisierung innerhalb der revers mag-netisierten Matuyama-Epoche. Die Grenze war aufdiese Weise weltweit und auch in fossilfreien Ablage-rungen identifizierbar. Die Position dieser Grenzewar auf dem INQUA-Kongress in Moskau (1982)noch einmal bestätigt worden. Viele Quartärforscherwaren damit jedoch unzufrieden. Diese Grenzzie-hung bedeutete, dass es zum Beispiel in Nord- und

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Südamerika auch im Pliozän ausgedehnte Verglet-scherungen gegeben hatte. Man bemühte sich weiter-hin um eine Korrektur der Grenze.

2.2 Was ist was in der Stratigraphie?

Bei sich überlagernden Gesteinsschichten ist es so,dass die ältesten Schichten unten liegen und von denjüngeren Schichten überlagert werden. Diese Regel,die als „stratigraphische Prinzip“ bezeichnet wird,hat im europäischen Raum erstmals der dänischeWissenschaftler Nicolas Steno (Niels Stensen) imJahre 1669 formuliert. International verbindlicheRichtlinien über die Anwendung dieser Regel gibt eserst seit gut dreißig Jahren (Hedberg 1976). Die meis-ten stratigraphischen Begriffe sind älter und zum Teilunscharf definiert. Sie müssen neu festgelegt bzw.durch bessere Begriffe ersetzt werden.

Die Stratigraphie gibt die altersmäßige Zuord-nung der Gesteinsschichten an. Dies kann über dengesteinsbildenden Inhalt (Lithostratigraphie) oderden Fossilinhalt (Biostratigraphie), über klimage -steuerte Faktoren (Klimastratigraphie) oder mor-phologische Kennzeichen (Morphostratigraphie),aber auch über eine exakte Altersermittlung (Chro-nostratigraphie) erfolgen. Die heute am häufigstengebräuchliche Einteilung erfolgt über die Lithostrati-graphie.

In der Lithostratigraphie werden die Gesteine aufder Grundlage der beobachtbaren lithologischenEigenschaften der Schichten und ihrer relativen stra-tigraphischen Positionen eingestuft. Beobachtbarelithologische Eigenschaften und nachvollziehbarestratigraphische Position sind die einzigen Kriterien,die bei der Festlegung lithostratigraphischer Einhei-ten verwendet werden können. Kartierbarkeit ist einwichtiger Gesichtspunkt für die Brauchbarkeit einerlithostratigraphischen Einheit. Unter Berücksichti-gung dieser Erwägungen hat der Geological Survey ofthe Netherlands die alte „lithostratigraphische“ Glie-derung des Quartärs in den Niederlanden überar -beitet. Die Revision wurde notwendig, weil (1) diealte Regelung aus der Zeit um 1970 stark auf einerMischung von bio- und chronostratigraphischenAnnahmen beruhte, die zum Teil nicht gesichertwaren, und (2) weil sich der Akzent bei der Kartie-rung von der reinen zweidimensionalen Aufnahmegeologischer Karten in Richtung auf die Anwendunggeowissenschaftlicher 2,5- bis 3D-Modelle des Unter-

grundes verschoben hat. Das Ergebnis war eineumfassende Umgestaltung der stratigraphischenTabelle (Weerts et al. 2005, Westerhoff 2009).

Die Grundeinheit der Lithostratigraphie ist dieFormation. Diese kann in Untereinheiten (Members)und Schichten oder Bänke (Beds) untergliedert wer-den. Grube (1981) hat als einer der Ersten versucht,diese international üblichen Gliederungsprinzipienauch in der deutschen Quartärstratigraphie anzu-wenden. Doch erst in jüngerer Zeit beginnt sich dieseVorgehensweise in der Praxis durchzusetzen (Men-ning & Hendrich 2005, Litt et al. 2007).

Selbst ohne diese notwendige Revision ist imLaufe der Zeit eine Vielzahl von stratigraphischenBegriffen entstanden, deren genaue Bedeutung nurdem jeweiligen Spezialisten bekannt ist. Aus diesemGrunde hat die Deutsche Stratigraphische Kommis-sion damit begonnen, eine Datenbank „LithoLex“einzurichten, in der die in Deutschland verwendetenlithostratigraphischen Einheiten erfasst werden. DiePflege der Datensätze erfolgt über die für die jeweili-gen Erdzeitalter zuständigen stratigraphischen Sub-kommissionen.

Beim Start der Datenbank im Internet am07.08.2006 lagen nur etwa 80 Datensätze aus demTertiär und der Kreide vor. Mittlerweile ist derBestand auf ca. 400 Datensätze aus Quartär, Tertiär,Kreide, Jura, Trias-Perm, Devon und Silur-Protero -zoikum angewachsen. Es wird jedoch noch Jahredauern, bis die Sammlung vollständig ist.

Wie ist eine lithostratigraphische Formation defi-niert? Bei den kaltzeitlichen Ablagerungen umfasstsie die Schichtenfolge eines Eisvorstoßes. Als Beispielsei hier die lithologische Beschreibung der Kuden-Formation angeführt:

„Oberflächennahe periglaziäre Destruktionszoneüber Grundmoräne über Vorschüttsanden, relativselten örtlich überlagert von Niedertausedimentenoder Nachschüttsanden. Die Grundmoräne ist bindig(um 50% Ton und Schluff, 50% Sand und Kies) undin unverwittertem Zustand oft auffallend kreidereich.Sonst ähnelt das Feinkiesspektrum der Fraktion4–6,3 mm den Spektren verschiedener saalezeitlicherGeschiebemergel in der weiteren Region (Kabel 1982,Stephan 1993, 1998). Leitgeschiebeanalysen von Lüttig (unpubl.) erbrachten „drenthetypische“Geschiebeassoziationen. Schlüter (u. a. 1980) fand inder weiteren Region sowohl „drenthe“- als auch„warthetypische“ Assoziationen. Die liegendenSchmelzwassersande sind überwiegend kiesarm. DerKiesgehalt nimmt jedoch aufwärts zu, und zuoberstkann Kies vorherrschen und Geschiebe in Steingrößeführen.“ (Stephan 2009)

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22.2 Was ist was in der Stratigraphie? 21

Tränen im Auge

Es rauscht in den Schachtelhalmen,verdächtig leuchtet das Meer,da schwimmt mit Tränen im Augeein Ichtyosaurus daher.

Ihn jammert der Zeiten Verderbnis,denn ein sehr bedenklicher Ton war neuerlich eingerissen in der Liasformation.

So dichtete Joseph Victor von Scheffel 1866 über die ausge-storbene Fischechse. Wahrscheinlich würde den Ichthyosau-rus heute „der Zeiten Verderbnis“ noch viel mehr jammern,denn der Lias ist inzwischen keine Formation mehr, undüberhaupt entspricht er nicht den Anforderungen dermodernen Zeit (vgl. Menning & Hendrich 2005). Auch dasQuartär, das Eiszeitalter, hätte um ein Haar seinen Status alsSystem in der stratigraphischen Tabelle verloren.

Der Begriff Quartär ist zu einer Zeit entstanden, als nochniemand wusste, dass es auf der Erde eine Eiszeit gegebenhatte. Er wurde genau wie der Begriff Tertiär 1760 von Gio-vanni Arduino eingeführt. Er unterschied aufgrund seinerBeobachtungen geologischer Schichten in Oberitalien eineprimäre (Basalte, Granite, Schiefer), sekundäre (fossile Kalk-ablagerungen), tertiäre (jüngere Sedimentablagerungen)und quartäre (jüngste alluviale Ablagerungen) Epoche. 1829griff Jules Desnoyers den Begriff bei seiner Untergliederungder Sedimentfolge im Pariser Becken wieder auf. Die quar-tären Schichten waren deutlich jünger als die tertiären Abla-gerungen. Diese jungen Schichten waren zwar in Teilen desBeckens sehr mächtig, aber geologisch nur von geringemAlter. Dadurch ergab sich eine sehr ungleichgewichtigeUnterteilung der Erdneuzeit (Känozoikum). Wie ungleichge-wichtig die Untergliederung war, wurde erst deutlich, als inder zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts radiometrischeDatierungsmethoden zur Verfügung standen. Dem 63,7Millionen Jahre dauernden Tertiär stand das nur 1,6 Millio-nen Jahre dauernde Quartär gegenüber.

Die Terminologie Arduinos wurde schon lange als nichtmehr zeitgemäß angesehen. Nachdem die Begriffe Primärund Sekundär bereits im 19. Jahrhundert aus der stratigra-phischen Tabelle verschwanden, wurde schließlich auch dasTertiär im Jahr 2000 aus der international gültigen Geologi-schen Zeitskala gestrichen. Stattdessen wurde das Känozo-ikum (die Erdneuzeit) in das Paläogen (früher: Alttertiär) unddas Neogen (früher: Jungtertiär) untergliedert.

Und das Quartär? War das nicht überflüssig? Die klima -stratigraphische Definition und Untergliederung dieses jüngs ten Abschnittes der Erdgeschichte passte ohnehin nurschlecht zu den übrigen, biostratigraphisch definierten Ein-heiten. Und der Versuch, zumindest den Beginn des Quar-tärs biostratigraphisch auf 1,805 Millionen Jahre festzule-gen, passte nicht zu den klimastratigraphischen Befunden.

Als Folge davon verschwand das Quartär im Jahre 2004 ausder Internationalen Stratigraphischen Tabelle – zumindest indem Buch Geological Time Scale, einer offiziellen Publikationder für stratigraphische Fragen zuständigen InternationalCommission on Stratigraphy (ICS) (Gradstein et al. 2005).

Gegen diesen Handstreich haben sowohl die INQUA alsauch die nationalen Quartärvereinigungen scharf protes-tiert. Eine offizielle Publikation? Der Präsident der IUGS, Pro-fessor Zhang Hongren, widersprach: Die neue „GeologischeZeitskala“ war nicht vom Vorstand der IUGS ratifiziert wor-den. Sie war somit nicht bindend. Die dargestellte geologi-sche Zeitskala entspräche lediglich den persönlichen Vor-stellungen einiger Mitglieder der ICS. Der Vorstand der IUGSkonstatierte weiterhin, dass die ICS gegen die Interessenund Vorgaben der IUGS gehandelt und damit dem Ansehender ICS und der IUGS geschadet habe (vgl. Internet-Seite derDEUQUA). Das Ergebnis war, dass sich die InternationalCommission on Stratigraphy (ICS) am 21. Mai 2009 nichtnur entschlossen hat, das Quartär zu erhalten, sondernobendrein die Basis des Quartärs auf 2,6 Millionen Jahre vorheute festzulegen. Dieser Beschluss ist am 29. Juni 2009von der IUGS bestätigt worden.

Also bleibt alles beim Alten? Nein. Die stratigraphischeNomenklatur hat sich gewandelt und wird sich weiter wan-deln. Stratigraphische Begriffe werden neu und besser defi-niert, und das Ziel ist es, die Korrelation über Ländergrenzenhinweg zu verbessern. Eine stratigraphische Einheit, die for-mal anerkannt werden soll, muss deshalb klar definiert sein.Ober- und Untergrenze müssen festgelegt sein, und es musseine Typlokalität geben, an der die stratigraphische Positionder Formation nachvollziehbar ist. Die Subkommission Quar-tär der Deutschen Stratigraphischen Kommission findetman im Internet unter www.stratigraphie.de/quartaer.

Abb. 2.1 Saurier „zum Anfassen“ in Hagenbecks Tierpark inHamburg. Die Echsen sind am Ende der Kreidezeit ausge-storben.

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22.2 Was ist was in der Stratigraphie? 23

Abb. 2.2 Chronostratigraphische Korrelationstabelle für die letzten 2,7 Millionen Jahre (Gibbard et al. 2009:http://www.quaternary.stratigraphy.org.uk/correlation/chart.html; Stand: 2009).

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Paläomagnetik

Eine wichtige Methode, um das Alter von Gesteinen zubestimmen, ist die Paläomagnetik. Das Magnetfeld der Erdeentspricht einem Dipol, der etwa 10° gegen die Erdachsegeneigt ist. Die horizontale Komponente (Deklination) ist dieAbweichung von der Nord-Süd-Richtung. Die vertikale Kom-ponente (Inklination) ist der Winkel, mit dem das örtlicheMagnetfeld einfällt. Richtung und Stärke (Intensität) desMagnetfeldes sind abhängig von der geographischen Breite.In Polnähe geht die horizontale Komponente des Magnetfel-des gegen Null, während die vertikale Komponente ihrehöchsten Werte erreicht (nach Hambach et al. 2008).

Prozesse im Bereich des äußeren, flüssigen Erdkernskontrollieren das Magnetfeld der Erde. Dabei kommt es inZeiträumen von Tagen bis zu mehreren zehn Millionen Jahrenzu Verlagerungen des Magnetfeldes. Die dramatischstenVeränderungen sind Umkehrungen der magnetischen Pole.Der Nordpol wird zum Südpol und umgekehrt. Derartige„plötzliche“ Umkehrungen vollziehen sich in einem Zeitraumvon tausenden bis zu zehntausenden von Jahren. Der nor-male oder reverse Zustand kann dann Hunderttausendeoder Millionen von Jahren anhalten.

Wie kann man diese Veränderungen messen? Magneti-sche Minerale neigen dazu, sich entsprechend dem aktuel-len Magnetfeld der Erde auszurichten. Bei magmatischenGesteinen bleibt diese Ausrichtung dauerhaft erhalten,wenn das Gestein erstarrt. Bei schnell fließender Lava ge -schieht dies innerhalb weniger Stunden bis Jahre.

Auch in Sedimenten ordnen sich magnetische Mineralebei ihrer Ablagerung entsprechend der Ausrichtung des Erd-magnetfeldes aus. Diese Art der Ausrichtung ist jedochschwächer und weniger stabil als in den Erstarrungsgestei-nen. Sie kann durch Umlagerung, zum Beispiel durch die Ein-wirkung von Lebewesen (Bioturbation), aber auch durch geo-chemische Prozesse und Mineralneubildung verändertwerden. Auch dauert es deutlich länger, bis die Mineralkör-

ner eine stabile Lage erreicht haben. Selbst in rasch abgela-gerten Seesedimenten stellt sich diese erst nach etwa 150Jahren ein (Stockhausen 1998)

Die paläomagnetische Zeitskala beruht auf Untersuchun-gen des Meeresbodens. An den mittelozeanischen Rückenwird ständig neuer Basalt gebildet. Der Boden der Ozeanedehnt sich auf diese Weise langsam aus (sea floor sprea-ding). Da die Erde aber nicht größer wird, muss der Meeres-boden schließlich irgendwo wieder verschwinden. Diesgeschieht in Subduktionszonen im Bereich der Tiefsee -gräben.

Man kann die Geschichte des Erdmagnetfeldes nichtnur aus den Basalten am Boden der Ozeane ablesen, son-dern obendrein durch das Alter der überlagernden Sedimente kontrollieren. Die Basalte lassen sich mit der K-Ar-Methode datieren. So ist es nicht nur möglich, dieGeschwindigkeit des sea floor spreading zu ermitteln, son-dern obendrein eine paläomagnetische Zeitskala aufzustel-len, die bis in die frühe Jurazeit zurückreicht (Nicolas 1995).

Die geomagnetische Zeitskala des Quartärs setzt sichaus zwei großen Blöcken zusammen: der heutigen Epochemit „normaler“ Polarität (Brunhes-Chron) und der vorange-gangen Epoche mit umgekehrter (reverser) Polarität (Matu -yama-Chron). Der Umschwung erfolgte vor etwa 780 000Jahren. Das Matuyama-Chron enthält im Gegensatz zumBrunhes-Chron zwei größere Abschnitte mit abweichender,d. h. in diesem Fall „normaler“, Polarität: das Jaramillo-Sub-chron und das Olduvai-Subchron.

Paläomagnetische Untersuchungen sind unter anderemim Bereich der asiatischen Lössprofile eingesetzt worden.Dort konnte nachgewiesen werden, dass die Löss-Ablage-rungen bis ins ausgehende Pliozän zurückreichen. Verbes-serte Datierungsmethoden werden in der Zukunft wahr-scheinlich auch die Nutzung der kurzfristigen Exkursionendes Magnetfeldes für Datierungsfragen ermöglichen.

Ereignis Auswirkungen Dauer

Tab. 2.1 Änderungen des Erdmagnetfeldes (nach Hambach et al. 2008)

Umkehrung Nordpol wird zum Südpol (und umgekehrt) Tausende bis Zehntausende von Jahren

Säkulare Schwankung Änderung der Richtung des Erdmagnetfeldes einige tausend Jahreum 10–30°, Stärke weicht um bis zu 50 % vom heutigen Wert ab

Exkursion kurzfristige Richtungsänderung des Erdmagnet- weniger als tausend Jahrefeldes um mehr als 30°, Stärke kann bis auf 10% des heutigen Wertes zurückgehen

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22.3 Spuren in der Tiefsee 25

Die Grundmoräne dieses Eisvorstoßes ist dieKuden-Till-Bank (qsMG-Till). Es wird die Typusre-gion angegeben sowie ein Typusprofil (Heiligenhafe-ner Ufer). Auf die Verbreitung wird detailliert einge-gangen. Unter dem Thema „Zeitgleiche Einheiten“folgt der Vergleich mit den Nachbargebieten: „Ham-burg: Ablagerungen des Niendorfer Vorstoßes (u. a.Grube 1981, Ehlers et al. 1984). NordwestlichesNiedersachsen: Ablagerungen der jüngeren Drenthe-Phase (qD2) (u. a. Meyer 1976, Höfle 1980). ÖstlicheBundesländer: Eine ungefähre Altersgleichheit der alssaalezeitlich eingestuften „Kreidemoränen“ in Berlin(Böse 1983) und Brandenburg, die nach Lippstreu(1995), in das „jüngere Stadium der Saale-Kaltzeit“zu stellen sind, ist denkbar. Dafür wäre aber eindeu-tig nachzuweisen, dass diese Moränen unter eemzeit-lichen Sedimenten liegen und nicht möglicherweisedem weichselzeitlichen Warnow-Stadial (Müller2004c) zugeordnet werden könnten.“

Das Lithostratigraphische Lexikon wird in dennächsten Jahren vervollständigt werden und alszuverlässige Quelle für die Definition der verschiede-nen Einheiten genutzt werden können.

2.3 Spuren in der Tiefsee

Die klassische Gliederung des Eiszeitalters stammtaus dem Vereisungsgebiet der Alpen. Hier wurde vonPenck (1882) nicht nur die Mehrgliedrigkeit der eis-zeitlichen Ablagerungen nachgewiesen, sondern auchdas System der vier alpinen Vereisungen (Günz, Min-del, Riß und Würm) aufgestellt (Penck 1899, Penck &Brückner 1901/1909), das zunächst weltweit alsGrundgliederung des Eiszeitalters benutzt wurde.Wie unvollständig diese Gliederung ist, hat sich erstin den 1970er Jahren herausgestellt. Heute beruht dieGrundgliederung des Quartärs auf der Sauerstoff-Isotopen-Stratigraphie der Tiefsee-Bohrkerne, an dersich alle anderen Stratigraphien orientieren.

Der Boden der Weltmeere lässt sich grob in dreigroße Einheiten untergliedern: Flache Schelfmeere,steil abfallende Kontinentalhänge und Tiefseeböden.Die Tiefseeböden zählen zu den tiefsten Bereichen derErdoberfläche; ihre Tiefe wird nur von der der Tief-seegräben übertroffen. Die Böden der Tiefsee stellendaher Räume fast kontinuierlicher Sedimentationdar, aus deren Schichtenfolge sich die Klimage-schichte der Erde rekonstruieren lässt.

Im Idealfall bilden die Sedimente der Tiefsee -böden das Ergebnis langsamer, vertikaler Ablagerung

auf eine fast ebene Oberfläche. Der Meeresbodenweist jedoch ein zum Teil kräftiges Relief auf. An stei-leren Hängen kommt es zu Rutschungen, durchBodenströmungen wird Sediment umgelagert, unddurch gewaltige Trübeströme (turbidity currents)werden große Sedimentmengen flächenhaft aufge-schüttet. Daher ist die Schichtenfolge der Tiefseesedi-mente nicht einheitlich; mit Diskontinuitäten mussgerechnet werden. Will man mit einer Bohrung einerelativ vollständige Schichtenfolge erfassen, so gehtman deshalb bevorzugt in den Bereich von Plateausoder allenfalls an sanft geneigte Hänge, wo die Gefahrder Umlagerung vergleichsweise gering ist. Die Boh-rungen V28-238 und V28-239 des ForschungsschiffesVema, auf denen das Grundgerüst der Tiefsee-Sauerstoff-Isotopen-Stratigraphie aufbaut, stammenaus Wassertiefen von 3120 m bzw. 3490 m aus demBereich des Salomonen-Plateaus (Shackleton &Opdyke 1973). Schichtlücken lassen sich im Sedi-mentbohrkern nur schwer entdecken. Man korreliertdeshalb die angetroffene Schichtenfolge mit anderenBohrkernen, wobei radiometrische Datierungen undvor allem paläomagnetische Untersuchungen einGrundgerüst an Festpunkten liefern, in das sich dieSchichtenfolge einhängen lässt.

Die Sedimente der Tiefsee stellen eine Mischungaus Feinsedimenten, die vom Land her antranspor-tiert worden sind, und aus den Schalen von marinenMikroorganismen dar. Die festländische (terrigene)Komponente besteht im Wesentlichen aus Ton, zumTeil auch aus Schluff und Feinsand, der vom Wind insMeer verfrachtet worden ist. Derartige Ablagerungenspielen z. B. vor der westafrikanischen Küste eine grö-ßere Rolle (Staub aus der Sahara), aber auch in derBiskaya, wo sie eine wichtige Verbindung zur nord-westeuropäischen Eiszeitstratigraphie des festen Lan-des liefern. Gelegentlich finden sich in den Schichtender Tiefsee eingeschaltete feinkörnige Lagen vulkani-schen Materials (Tephra). In einigen Gebieten, z. B.im Nordatlantik, gibt es gröbere klastische Einschal-tungen, die auf Treibeistransport während der Kalt-zeiten zurückgehen. Die organischen marinen Be -standteile bestehen in erster Linie aus den Gehäusenund Hartteilen einzelliger Tiere (vor allem Foramini-feren und Radiolarien) oder Pflanzen (vor allem Dia-tomeen und Kokkolithophoriden). Im mittlerenAtlantik bestehen die pleistozänen Sedimente weitge-hend aus Globigerinenschlamm (Dietrich 1992).

Wenn im folgenden von Korngrößen die Rede ist,so richten sich diese nach der Europäischen NormEN ISO 14688, die seit August 2002 die deutsche DIN4022 ersetzt. Die Grenzen der Korngrößenklassenhaben sich nicht verändert. Bei Vergleichen mit der

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26 2 Der Ablauf des Eiszeitalters2

internationalen Literatur ist jedoch zu beachten, dasszum Beispiel in den USA und in Russland abwei-chende Klassifikationen verwendet werden.

Der Anteil der verschiedenen Komponenten anden Ablagerungen der Meeresböden schwankt sehrstark, vor allem in Abhängigkeit vom Eintrag festlän-discher (terrigener) Bestandteile. Da zwei Drittel derkontinentalen Entwässerung der Erde in den Atlantikerfolgt, ist die Sedimentation terrigener Bestandteileim Atlantik wesentlich höher als im Pazifik. Daherkann bei gleicher Bohrkernlänge im Pazifik in derRegel ein längerer Zeitabschnitt des Quartärs erfasstwerden als im Atlantik. Die Sedimentationsraten rei-chen von unter 1 cm pro Jahrtausend in einigenGebieten bis zu über 50 cm pro Jahrtausend in klei-neren Tiefseebecken. Die Sedimentation terrestri-scher Bestandteile war in den Kaltzeiten drei- bisviermal so hoch wie unter warmzeitlichen Bedingun-gen. Ursachen für diese verstärkte physikalische Ver-

Kornfraktion Durchmesser

Tab. 2.2 Korngrößen nach Europäischer Norm (Quelle: EN ISO14688)

Kies 2–63 mm

Sand 0,06–2 mm

Schluff 0,002–0,06 mm

Ton unter 0,002 mm

witterung sind Gletschererosion, verstärkter Abflussdurch Schmelzwasserflüsse sowie das Freiliegen wei-ter Schelfgebiete, da das in den Gletschern gebundeneWasser zu einer Absenkung des Meeresspiegels unddamit erhöhter Deflation führt. Die Schichtung derTiefseesedimente ist daher ein Abbild der globalenKlimaschwankungen und kann benutzt werden, umden Ablauf der Klimaentwicklung des Quartärs zurekonstruieren. Das Sauerstoff-Isotopen-Verhältnishat sich dabei als die die am besten geeigneteMethode erwiesen, da sie weltweit reproduzierbareErgebnisse erbringt.

Im Meerwasser kommt Sauerstoff in den zwei Iso-topen-Varianten 16O und 18O vor. Von der Verdun-stung wird bevorzugt das leichtere Isotop 16O betrof-fen. Unter gleichbleibenden Klimabedingungen istdiese Tatsache bedeutungslos, da das 16O überNiederschlag und Abfluss wieder ins Meer zurückge-führt wird. Während der Kaltzeiten gelangt jedochein erheblicher Teil des Niederschlages nicht zurückins Meer, sondern wird in den Gletschern und Eis-schilden des Festlandes gebunden. Die Folge ist, dassder 16O-Anteil des Meerwassers herabgesetzt wird.Marine kalkschalige Organismen bauen in ihreGehäuse die beiden Sauerstoff-Isotope in dem Ver-hältnis ein, das sie im Meerwasser vorfinden. Aufdiese Weise ist es möglich, aus den entsprechendenAblagerungen die Zusammensetzung des Meerwas-sers und damit annäherungsweise das Klima zurekonstruieren.

Das Sauerstoff-Isotopen-Verhältnis ist nicht nurabhängig vom Eisvolumen, sondern auch von der

Abb. 2.3 Vergletscherung und Ausdehnung des Meereises während des Höchststandes der Weichsel-Vereisung auf der Nord-halbkugel (links) und Südhalbkugel (rechts).

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22.3 Spuren in der Tiefsee 27

Glazimarine Sedimente und IRD

Vereinzelt finden sich innerhalb der Tiefseeablagerungenauch grobkörnige Lagen bis hin zu eingestreuten Kiesen.Dabei handelt es sich meist um Material, das durch Eisbergeantransportiert worden ist. Daneben findet ein geringfügigerEintrag durch marine Algen, durch Treibholz (vor allem inWurzelballen von Baumstämmen) und durch Säugetierestatt. Menschliche Aktivitäten bilden die Ursache für die Ein-bringung rezenter Grobsedimente im Nordatlantik (vor allemSchlacke und Asche aus der Zeit der Dampfschiffe). Wäh-rend sich die anthropogenen Verunreinigungen ohne großeMühe identifizieren lassen, ist die sichere Bestimmung vondurch Treibeis transportiertem Material (ice-rafted detritus,IRD) wesentlich schwieriger. Dessen Identifizierung spielteine erhebliche Rolle, wenn es um die Rekonstruktion frühe-rer Treibeisgrenzen geht. Die Zone des Algentransportesumfasst zwar in erster Linie warme Gewässer, aber sie über-lappt sich mit der Zone des subpolaren Treibeistransportes.

Transport durch Treibeis macht sich nicht nur innerhalbder Packeisgrenze bemerkbar. Mit den Meeresströmungentreibende Eisberge konnten während der Kaltzeiten weitnach Süden bzw. Norden verfrachtet werden. Im Nordatlan-tik lässt sich kaltzeitlicher Treibeistransport bis auf die Höhevon Marokko nachweisen, im Südatlantik aus den antarkti-schen Gewässern bis über Kapstadt hinaus.

Glazimarine Sedimente entstehen durch das Ausschmel-zen und Herunterregnen aus Treibeis (IRD), durch das Absin-ken feinkörniger Sedimente, die sich in Suspendierungbefunden haben, und durch Trübeströme. Zusätzlich könnendie Sedimente durch das Pflügen von Eisbergen oder durchBioturbation aufgearbeitet werden. Diese Ablagerungenhaben ein größeres Erhaltungspotenzial als terrestrischeGletschersedimente, da die Ablagerungsräume der tieferenMeeresbecken jenseits der Vereisungsgrenzen liegen, sodass sie vor der Erosion und Aufarbeitung während nachfol-gender Vereisungen geschützt sind. Auf diese Weise ist amMeeresboden ein Sedimentarchiv entstanden, in dem dievergangenen Klimaveränderungen in Form der vorstoßendenund abschmelzenden kontinentalen Eismassen und derdamit zusammenhängenden Veränderungen im Ozean erhal-ten geblieben sind. Quartäre glazimarine Sedimente findensich als ein Ergebnis glazioisostatischer Hebung oft auch inGebieten, die heute zum Festland gehören.

Subaquatische Schwemmfächer (subaqueous outwashfans) sind dort aufgeschüttet worden, wo der Gletscher Bo -denkontakt gehabt hat. Die Geschwindigkeit des Schmelz-wassers, das an dieser Stelle aus Tunneln unter dem Eis insMeer geströmt ist, hat sich schlagartig verringert, so dassdas Sediment unmittelbar vor dem Gletscherrand abgelagertworden ist.

Wenn der Eisrand über längere Zeit in einer Position ver-harrt hat, ist es zur Aufschüttung regelrechter Moränen-bänke gekommen. Das Ausmaß dieser Aufschüttung hängt

außer von der Zeit auch vom Sedimentnachschub ab. In derkanadischen Arktis sind im glazimarinen Bereich Lagen vonMoränenmaterial festgestellt worden, die weniger als 1 mdick waren, während andere aus über 10 m mächtigen Auf-schüttungen aus Ton, Schluff, Sand und gemischtkörnigenAblagerungen bestehen.

Wo die Sedimentationsgeschwindigkeit hoch ist, könnendie Schwemmfächer und Moränenbänke bis zum Meeresni-veau anwachsen und so genannte Eiskontakt-Deltas formen.Solche Deltas bestehen oft aus isoliert liegenden, an dieFelshänge angelehnten Sedimentkörpern mit flacher Ober-fläche (Marginalterrassen). Sie sind durch einen steilerenproximalen Eiskontakthang und eine Oberfläche gekenn-zeichnet, die durch Toteislöcher untergliedert ist. Im Inne-ren dieser Ablagerungen können Topsets, Foresets und Bottomsets unterschieden werden. Die Topsets sind dieAblagerungen eines verwilderten Flusssystems; sie beste-hen dementsprechend aus subhorizontal geschichtetenmassiven Kiesen. Die Foresets werden durch sandige Abla-gerungen geprägt, die unter dem Einfluss der Schwerkraftvorgeschüttet worden sind. Sie gehen hangabwärts in dieBottomsets aus massivem oder gradiertem Sand und Schluffüber. Vor dem eigentlichen Delta sind die distalen Bottom-sets aus feinerem Schluff und Ton zusammengesetzt, der ofteine marine Makrofauna enthält. Auf der Seite, wo der Glet-scher gelegen hat, können die Schichten durch Eisdruck unddas Ausschmelzen von begrabenem Eis oder durch Hang-rutsch im Zusammenhang mit dem Gletscherrückzug ge -stört sein. Derartige Eiskontakt-Deltas sind zum Beispiel inNorwegen weit verbreitet.

Abb. 2.4 Nicht nur Treibeis, sondern auch Algen sind in derLage, größere Steine vom Strandbereich ins offene Meer zutransportieren.

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Temperatur. In den Kalkschalen der Foraminiferenwird bei niedrigeren Temperaturen ein höhererAnteil von 18O eingebaut als bei höheren Tempera -turen. Die Weltmeere weisen eine deutliche Tempera-turschichtung auf. Während das oberflächennaheMeerwasser (bis in ca. 300 m Tiefe) die Wärme-schwankungen der Atmosphäre mit gewissen Verzö-gerungen mitmacht, hat sich die Temperatur des ozeanischen Tiefenwassers (in über 1000 m Tiefe)wahrscheinlich während des gesamten Pleistozänsnur wenig verändert. Sie wird durch die Temperaturdes antarktischen Tiefenwassers kontrolliert. DieKalkschalen von Foraminiferen, die am Meeresbodenleben (benthonische Formen), zeigen daher eine Ver-teilung der Sauerstoff-Isotope, die unabhängig vonTemperaturschwankungen ist, und die allein eineReaktion auf das veränderte Eisvolumen darstellt.Die darauf basierenden Sauerstoff-Isotopenkurvensind weltweit mit einem hohen Grad an Überein-stimmung reproduzierbar.

Das Sauerstoff-Isotopen-Verhältnis wird gewöhn-lich als Abweichung des Anteils des schwereren Iso-tops 18O vom 18O/16O-Verhältnis eines Standardsangegeben, der an einem Belemniten der Peedee-For-mation in South Carolina, USA, ermittelt worden ist.Dieser Wert d 18O wird errechnet über die Formel

Die Datierung der ersten Referenzkurve des Sauer-stoff-Isotopen-Verhältnisses wurde mit Hilfe vonfünf Kontrollpunkten durchgeführt. Vier davonwaren mit Hilfe der 14C-Methode datiert worden;diese Punkte lagen innerhalb der letzten 35.000 Jahre.Einen fünften Kontrollpunkt bildete die mit Hilfe derK/Ar-Methode datierte Matuyama/Brunhes-Grenze(780.000 vor heute; Imbrie et al. 1984). Die Sauer-stoff-Isotopenchronologie und die paläomagnetischeZeitskala sind in Abb. 2.1 abgebildet.

Es ist bemerkenswert, dass für die Betrachtungquartärer Ablagerungen die Kompaktion der Tiefsee-sedimente nur eine äußerst geringe Rolle spielt.Untersuchungen an einer Reihe von Bohrungenhaben gezeigt, dass sich die Zunahme der Dichte mitwachsender Tiefe von etwa 1,5 g/cm3 auf 1,8 g/cm3

über mehrere hundert Meter erstreckt. Diese Verän-derung erfolgt nicht kontinuierlich, sondern es tretenwiederholte, kleinräumige Wechsel der Dichte auf.Die Veränderungen sind weniger ein Ergebnis der

δ18

18

16

18

161000O

O

O

O

O·–

=der Probe des Standards

des Standards18

16

O

O

⎢⎢⎢⎢⎢

⎥⎥⎥⎥⎥⎥

Setzung als vielmehr diagenetischer Prozesse. Sie sindinsgesamt so gering, dass sie bei der Bearbeitung derrelativ kurzen quartären Bohrkerne für die Sauer-stoff-Isotopenuntersuchungen vernachlässigt werdenkönnen.

Shackleton & Opdyke (1973) gingen daher voneiner linearen Interpolation zwischen der Gegenwartund der Brunhes/Matuyama-Grenze aus. Im Bohr-kern V 28-238 umfasst diese Zeitspanne eine Kern-länge von 12 m, im Bohrkern V 28-239 etwa 7,25 m.Für Stadium 5e ergibt sich dabei ein Alter von123 000 v. h. – ein Wert, der sich mit den z. B. durchU/Th-Datierungen im festländischen Bereich gewon-nenen Ergebnissen deckt.

Tiefer reichende Bohrkerne ermöglichen inzwi-schen die altersmäßige Einordnung der gesamtenquartären Schichtenfolge. Die Daten für die magneti-schen Umkehrungen stammen jeweils aus dem fest-ländischen Bereich. Neben diesen Festdaten ist übereine verbesserte Auswertung wiederholt eine Anpas-sung der Tiefsee-Isotopenkurve an die Schwankun-gen der Erdbahnelemente (Global Forcing) erfolgt, sodass Ablauf und zeitliche Fixierung der Ereignisse alsrelativ sicher angesehen werden müssen (z. B. Shack-le ton et al. 1990). Der zeitliche Rahmen des jüngstenEiszeitalters ist damit festgelegt.

2.4 Systematik des Eiszeitalters

Es gab mehrere Eiszeitalter. Als Eiszeitalter bezeich-net man einen Abschnitt der Erdgeschichte, in demmindestens einer der Pole vergletschert gewesen ist.Die Eiszeitalter sind relativ kurze Ereignisse, die nuretwa ein Fünftel der Erdgeschichte ausmachen. Cha-rakteristisch für ein Eiszeitalter sind die Klima-schwankungen, die wesentlich stärker sind als inanderen Abschnitten der Erdgeschichte. Man unter-scheidet zwischen Kaltzeiten und Warmzeiten.

Wenn man die Betrachtung auf Mitteleuropa kon-zentriert, so haben wir den Sonderfall der Kaltzeiten,in denen Gletscher von Norden bis nach Nord-deutschland und von den Alpen bis in das Vorlandvorgestoßen sind. Diese Kaltzeiten werden als Eis -zeiten (Glaziale), die Warmzeiten zwischen den Eis-zeiten dagegen als Interglaziale bezeichnet. DieseSichtweise lässt sich nicht auf andere Regionen über-tragen. In der Sahara hat es in der jüngeren Erdge-schichte keine Eiszeit gegeben, am Südpol herrschtdagegen seit dem Oligozän ununterbrochen Eiszeit.

28 2 Der Ablauf des Eiszeitalters2

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