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DAS HEMI - SYNC VERFAHREN von F. Holmes Atwater (Juni 1999) Research Division, The Monroe Institute Deutsche Übersetzung: Johann Kneihs Einleitung Robert Monroe entwickelte und patentierte die unter dem Namen "Hemi-Sync" bekannte Technologie auf Grundlage sogenannter "binaural beats", eines im Gehirn erzeugten Wahrnehmungs-phänomens bei bestimmten akustischen Reizen (siehe unten). Das Monroe Institute, eine gemeinnützige Forschungs- und Bildungseinrichtung, wendet Hemi-Sync als Bestandteil eines umfassenden Systems von Lernprozessen und angeleiteten Erfahrungen an. Dabei hören die Teilnehmer/innen eine Überlagerung von binaural beats mit Musik, "Pink sound" und/oder natürlicher Meeresbrandung. Die Stimulation durch binaural beats, verbunden mit anderen Komponenten im Hemi-Sync-Prozess, erleichtert den Zugang zu hochkonzentrierten Bewußtseinszuständen. Alte Kulturen nützten die natürliche Kraft von Klängen und Musik, um in religiösen Zeremonien auf ungefährliche Art veränderte Bewußtseinszustände herbeizuführen und die psychische und körperliche Gesundheit zu fördern. Heute ist die Erkenntnis, daß auditive Stimulation das Bewußtsein verändern kann, weithin akzeptiert (Poole 1993). Hemi-Sync spiegelt den aktuellen Wissensstand über technische Nutzungen der natürlichen Kraft des Klangs und bietet eine Vielfalt praktischer Anwendungsmöglichkeiten. Studien berichten von Verbesserungen in sensorischer Integration (Morris 1990) ebenso wie bei Entspannung, Meditation, Streßabbau, Schmerzbewältigung, Schlaf (Wilson 1990; Rhodes 1993) und Gesundheitsvorsorge (Carter 1993). Hemi-Sync unterstützt die Schaffung anregender Lernumgebungen, Gedächtnisleistungen (Kennerly 1994), und Kreativität (Hiew 1995), ebenso wie Intuition, zuverlässigere Fernwahrnehmung (remote viewing) (McMoneagle 1993), Telepathie und außerkörperlichen Erfahrungen. Die Wirksamkeit von Hemi-Sync beruht nicht nur auf der natürlichen Kraft des Klangs, sondern nützt auch die Reaktion des autonomen Nervensystems auf reduzierte Umweltreize, kontrolliertes Atmen und progressive Entspannung, und schließt psychologische Erkenntnisse über die Wirkung von Affirmationen und Visualisierungen mit ein. Der vorliegende Artikel erörtert die Beziehung zwischen Gehirn und Geist, den Zusammenhang zwischen Gehirnwellen und Bewußtseinszuständen und die Rolle des retikulären aktivierenden Systems (RAS) bei der Regulierung von Gehirnwellen, sowie soziale und psychische Lernprozesse, die dabei eine Rolle spielen. Binaural Beats und die Physiologie des Gehirns Binaural beats wurden 1839 von dem deutschen Erfinder H. W. Dove entdeckt. Die menschliche Fähigkeit, binaural beats zu "hören", scheint das Ergebnis evolutionärer Anpassung zu sein: viele höher entwickelte Arten sind durch ihre Gehirnstruktur dazu in der Lage. Die akustischen Frequenzen, die das ermöglichen, variieren mit der Gehirngröße einer Spezies. Für die menschliche Wahrnehmung müssen die Trägerfrequenzen im Bereich unter 1500 Hz liegen (Oster 1973). Wesentlich ist dabei die angeborene

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DAS HEMI - SYNC VERFAHREN

von F. Holmes Atwater(Juni 1999)

Research Division, The Monroe InstituteDeutsche Übersetzung: Johann Kneihs

Einleitung

Robert Monroe entwickelte und patentierte die unter dem Namen "Hemi-Sync" bekannte Technologie auf Grundlage sogenannter "binaural beats", eines im Gehirn erzeugten Wahrnehmungs-phänomens bei bestimmten akustischen Reizen (siehe unten). Das Monroe Institute, eine gemeinnützige Forschungs- und Bildungseinrichtung, wendet Hemi-Sync als Bestandteil eines umfassenden Systems von Lernprozessen und angeleiteten Erfahrungen an. Dabei hören die Teilnehmer/innen eine Überlagerung von binaural beats mit Musik, "Pink sound" und/oder natürlicher Meeresbrandung. Die Stimulation durch binaural beats, verbunden mit anderen Komponenten im Hemi-Sync-Prozess, erleichtert den Zugang zu hochkonzentrierten Bewußtseinszuständen.

Alte Kulturen nützten die natürliche Kraft von Klängen und Musik, um in religiösen Zeremonien auf ungefährliche Art veränderte Bewußtseinszustände herbeizuführen und die psychische und körperliche Gesundheit zu fördern. Heute ist die Erkenntnis, daß auditive Stimulation das Bewußtsein verändern kann, weithin akzeptiert (Poole 1993). Hemi-Sync spiegelt den aktuellen Wissensstand über technische Nutzungen der natürlichen Kraft des Klangs und bietet eine Vielfalt praktischer Anwendungsmöglichkeiten. Studien berichten von Verbesserungen in sensorischer Integration (Morris 1990) ebenso wie bei Entspannung, Meditation, Streßabbau, Schmerzbewältigung, Schlaf (Wilson 1990; Rhodes 1993) und Gesundheitsvorsorge (Carter 1993). Hemi-Sync unterstützt die Schaffung anregender Lernumgebungen, Gedächtnisleistungen (Kennerly 1994), und Kreativität (Hiew 1995), ebenso wie Intuition, zuverlässigere Fernwahrnehmung (remote viewing) (McMoneagle 1993), Telepathie und außerkörperlichen Erfahrungen. Die Wirksamkeit von Hemi-Sync beruht nicht nur auf der natürlichen Kraft des Klangs, sondern nützt auch die Reaktion des autonomen Nervensystems auf reduzierte Umweltreize, kontrolliertes Atmen und progressive Entspannung, und schließt psychologische Erkenntnisse über die Wirkung von Affirmationen und Visualisierungen mit ein. Der vorliegende Artikel erörtert die Beziehung zwischen Gehirn und Geist, den Zusammenhang zwischen Gehirnwellen und Bewußtseinszuständen und die Rolle des retikulären aktivierenden Systems (RAS) bei der Regulierung von Gehirnwellen, sowie soziale und psychische Lernprozesse, die dabei eine Rolle spielen.

Binaural Beats und die Physiologie des Gehirns

Binaural beats wurden 1839 von dem deutschen Erfinder H. W. Dove entdeckt. Die menschliche Fähigkeit, binaural beats zu "hören", scheint das Ergebnis evolutionärer Anpassung zu sein: viele höher entwickelte Arten sind durch ihre Gehirnstruktur dazu in der Lage. Die akustischen Frequenzen, die das ermöglichen, variieren mit der Gehirngröße einer Spezies. Für die menschliche Wahrnehmung müssen die Trägerfrequenzen im Bereich unter 1500 Hz liegen (Oster 1973). Wesentlich ist dabei die angeborene

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Fähigkeit des Gehirns, Phasenverschiebungen zwischen beiden Ohren auszumachen, dies erst ermöglicht die Wahrnehmung von binaural beats.

Der Höreindruck von binaural beats entsteht, wenn zwei kontinuierliche Töne von annähernd gleichen Frequenzen unter 1500 Hz jeweils nur einem Ohr dargeboten werden und das Gehirn Phasenunterschiede zwischen diesen Klängen feststellt. Dieser Phasenunterschied läßt den Hörer normalerweise die Richtung erkennen, aus der ein Geräusch kommt, doch beim Hören über Stereokopfhörer oder -lautsprecher integriert das Gehirn beide Signale und erzeugt den Eindruck eines dritten, binaural beat genannten Klangs.

Obwohl binaural beats als Schwingung mit einer Frequenz zwischen den beiden Inputs (links und rechts) wahrgenommen werden, entstehen sie im Gehirnstamm in bestimmten kontralateralen auditiven Zentren, den oberen Oliven (olivae superiores) (Oster 1973). Dieser Höreindruck wird über Nervenbahnen an die retikuläre Formation und gleichzeitig an die Gehirnrinde, den Cortex, geleitet, wo er physikalisch als Frequenz-Folge-Reaktion gemessen werden kann (Oster 1973; Smith, Marsh & Brown 1975; Marsh, Brown & Smith 1975; Smith et al. 1978; Hink et al. 1980).

Eine zunehmende Zahl von Forschungsprojekten berichtet über infolge der binaural beats von Hemi-Sync veränderte Zustände des Gehirns:

• Binaural beats führen zu Veränderungen in Wachheitszustand, sie unterstützen Aufmerksamkeitsfokus und sensorische Integration (Morris 1990). • Binaural beats verhelfen zu besserem Ansprechen auf Alpha Feedback-Training (Foster 1990), Entspannung, Meditation, Streßreduktion, Schmerzbewältigung, ruhigerem Schlaf (Wilson 1990; Rhodes 1993), größerer Aufmerksamkeit (Guilfoyle & Carbone 1996), anregenden Lernumgebungen (Akenhead 1993), verbessertem Gedächtnis (Kennerly 1994) und größerer Kreativität (Hiew 1995).• Binaural beats unterstützen außerdem die Gesundheitsvorsorge (Carter 1993), die Behandlung von Kindern mit Entwicklungsstörungen (Morris 1996), die Bewältigung von "Peak experiences" und anderen außergewöhnlichen Erfahrungen (Masluk 1997), das Ansprechen auf Hypnosebehandlungen (Brady 1997) und die Behandlung von alkoholischer Depression (Waldkoetter & Sanders 1997).• Binaural beats erhöhen den Wachheitsgrad und wirken stimmungsaufhellend (Lane et al. 1998).

Das passive Hören von binaural beats bringt nicht automatisch konzentrierte Aufmerksamkeit mit sich. Der Hemi-Sync-Prozeß umfaßt verschiedene Bestandteile; binaural beats sind nur eine Komponente. Wir neigen alle dazu, ein psychophysiologisches "Trägheitsmoment" beizubehalten, das die Wirkung von binaural beats verringert. Lautes Summen, Stimm- und Atemübungen, autogenes Training und/oder Biofeedback können helfen, gegebenenfalls die Trägheit des Organismus (seine Tendenz zur Homöostase) zu überwinden (Tart 1975). Natürlich vorkommende ultradiane Rhythmen (Rhythmen des Organismus innerhalb des Tagesverlaufs), die vom retikulären aktivierenden System ausgehen und wechselnde Wachheitszustände bewirken (Webb & Dube 1981; Rossi 1986; Shannahoff-Khalsa 1991) können die Wirksamkeit von binaural beats modifizieren. Das eigene, subjektive Erleben von kann aber auch durch eine Reihe psychologischer Faktoren beeinflußt werden.

Gehirnwellen und Bewußtsein

Kontroversen über Gehirn, Geist und Bewußtsein sind ausgefochten worden, seit die griechischen Philosophen der Antike über das Verhältnis zwischen Körper und Geist disputierten, und keine der Streitfragen ist seither entschieden worden. Neurologen haben den Geist im Gehirn lokalisiert und Bewußtsein als Ergebnis elektrochemischer Nervenaktivität beschrieben. Eine zunehmende Zahl von Beobachtungen stellt die Vollständigkeit dieser Erklärungen allerdings in Frage. Keine neurophysiologische Untersuchung konnte den Sitz höherer Phänomene des Geistes im Gehirn nachweisen: Intuition, Kreativität, Phantasie, Einsicht, Vernunft, Absicht, Entscheidung, Wissen, Willen, Esprit, Seele (Hunt 1995). Eine Lösung der Kontroversen um Geist, Bewußtsein und das Körper-Geist-Problem erfordert vermutlich eine epistemologische, d.h. erkenntnistheoretische Umstellung, die außerrationale Arten des Wissens einschließt (de Quincey 1994) und entzieht sich vermutlich den Erklärungen ausschließlich neurochemischer Gehirnforschung – in bezug auf unser Verständnis vom menschlichen Bewußtsein stehen wir mitten in einer Revolution (Owens 1995).

Penfield (1975), ein herausragender Neurophysiologe, fand heraus, daß der Geist auch unter Anästhesie bei reduzierter Hirnaktivität weiterarbeitet: Gehirnwellen fehlten beinahe gänzlich, während der Geist genauso aktiv

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war wie im Wachzustand. Der einzige Unterschied bestand im Inhalt des bewußten Erlebens. Nach Penfield berichteten auch andere Forscher über Bewußtheit bei komatösen Patienten (Hunt 1995), und es gibt zunehmend Belege dafür, daß es möglich ist, die Aktivität der Gehirnrinde zu verringern und gleichzeitig Bewußtheit aufrechtzuerhalten (Fischer 1971; West 1980; Delmonte 1984; Wallace 1986; Goleman 1988; Mavromatis 1991; Jevning, Wallace & Beidenbach 1992). Diese Zustände werden je nachdem als meditativ, tranceartig, verändert, hypnagogisch, hypnotisch oder als "Zwielicht-Lern-Zustand" (Budzynski 1986) bezeichnet. Alle beruhen sie aber auf dem Prinzip der Beibehaltung von Bewußtsein bei physiologisch reduziertem Erregungszustand, mit charakteristischer Dominanz des parasympathischen Nervensystems (Mavromatis 1991). Gut hypnotisierbare Probanden und Menschen mit großer Meditationserfahrung beweisen, daß Bewußtsein bei gleichzeitig stark verringerter Aktivität der Gehirnrinde tatsächlich möglich ist, sei es als natürliche Fähigkeit oder erworbene Fertigkeit (Sabourin, Cutcomb, Crawford & Pribram 1993). Mehr und mehr Wissenschafter äußern Zweifel bezüglich des "neurologischen" Gehirn-Geist-Modells, weil es so viele Fragen über unsere gewöhnlichen Alltagserfahrungen unbeantwortet läßt (und sich mystischen oder spirituellen Fragen um so mehr entzieht). Untersuchungen von Geisteswirkungen über räumliche Entfernungen sowie Heilungen allein mit Hilfe mentaler Mittel stellen die Theorie eines nur im Gehirn lokalisierten Geists ebenfalls in Frage (Dossey 1994; Dossey 1996). Seit auf subatomarer Ebene nicht-lokale Vorgänge nachgewiesen wurden, vermuten einige Forscher, daß dieselben physikalischen Prinzipien auch nicht-lokalen Wirkungsweisen des Geistes zugrunde liegen (Dossey 1996). Schon die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Phänomen der Fernwahrnehmung zeigen, daß Geist und Bewußtsein nicht lokale Phänomene sind (McMoneagle 1993).

Wenn Geist und Bewußtsein nicht im Gehirn fixierbar sind, warum bringt die Wissenschaft dann mentale Funktionen und Bewußtseinszustände mit Gehirnwellen in Verbindung, und warum schließt Hemi-Sync die gehirnwellenverändernde Technik der binaural beats mit ein? Die erste Frage kann im Sinne der instrumentellen Möglichkeiten beantwortet werden: es gibt keine andere objektive Methode, Geist oder Bewußtsein zu erfassen. Geist/Bewußtsein scheint ein Feldphänomen zu sein, das mit dem Körper und den neurologischen Strukturen des Gehirns Schnittstellen gemeinsam hat (Hunt 1995). Mit derzeit gängigen Instrumenten kann dieses Feld nicht direkt gemessen werden. Die elektrischen Nervenpotentiale dagegen können gemessen und leicht quantifiziert werden. Ein Problem liegt in der Übervereinfachung der Beobachtungen: die EEG-Muster der Hirnrinde sind das Ergebnis der Nerventätigkeit, doch die elektrochemische Aktivität des Gehirns stellt nicht per se Geist/Bewußtsein dar, EEG-Messungen sind daher allenfalls eine indirekte Möglichkeit, das Geschehen an der Schnittstelle zwischen Geist/Bewußtsein und den neurologischen Strukturen des Gehirns zu erfassen. Auch als "grobes" Instrument ermöglicht es den Forschern aber, auf Grundlage relativer Anteile von EEG-Frequenzen Bewußtseinszustände festzustellen. Anders ausgedrückt: es wurde festgestellt, daß bei bestimmten Bewußtseinzuständen bestimmte EEG-Muster auftreten, und es läßt sich mit relativ großer Sicherheit vom jeweiligen Muster auf den entsprechenden Bewußtseinszustand schließen.

Die zweite soeben aufgeworfene Frage erfordert eine komplexere Erklärung: Der Hemi-Sync-Prozeß schließt die binaural beats-Technik mit ein, weil das Ändern von Erregungszuständen, Aufmerksamkeitsfokus und Bewußtseinsebenen eine größere Palette von Geist/Bewußtheits-Erfahrungen ermöglicht. Niedrigere Gehirnwellenfrequenz (bzw. geringerer Erregung/Gehirnaktivität) bei gleichzeitigem Bewußtsein schafft einen einzigartigen Zustand, den Hemi-Sync-Praktiker "mind awake/body asleep" nennen. Etwas höhere Gehirnwellenfrequenzen können zu einem hypersuggestiven Bewußtseinszustand führen, noch höhere Frequenzen zu den wachen und hochkonzentrierten Aufmerksamkeitsniveaus, die für die optimale Ausführung verschiedener Tätigkeiten geeignet sind.

Die wahrgenommene Wirklichkeit ändert sich mit dem Bewußtseinzustand des Wahrnehmenden (Tart 1975). Manche Bewußtseinszustände erlauben nur eine eingeschränkte Sicht der Wirklichkeit, während andere umfassendere Wirklichkeitswahrnehmung ermöglichen. Bewußtseinszustände ihrerseits ändern sich in Reaktion auf die ständig wechselnde "innere Umwelt" und auf äußere Reize. Das Bewußtsein wird nicht nur durch Medikamente und Drogen beeinflußt, sondern auch durch Tages- und Tageszeitrhythmen (Webb & Dube 1981; Rossi 1986; Shannahoff-Khalsa 1991). Bewußtseinszustände können in diesem Sinne als an die jeweiligen Umweltanforderungen angepaßtes Verhalten verstanden werden (Green & Green 1986). Indem es sich den Mechanismus des retikulär-thalamischen Aktivierungssystems zunutze macht, bietet Hemi-Sync all jenen, die das weite Reich des Bewußtseins erkunden möchten, Zugang zu einer Vielfalt von Erfahrungen.

Hemisphären-Synchronisation

Der Begriff "Hemi-Sync" wurde als Bezeichnung gewählt, weil die Wahrnehmung der binaural beats anzeigt, daß die akustischen Signalverarbeitungszentren in beiden Gehirnhälften (bzw. Hemisphären) koordiniert tätig sind, d. h. synchronisiert, bzw. auf Englisch: "in sync with each other." Viele der Bewußtseinszustände, die durch diese Technik erreicht werden könne, zeichnen sich durch charakteristische, in beiden Gehirnhälften synchrone Gehirnwellenfrequenzen aus. Obwohl solche synchronen Gehirnwellen seit langem mit meditativen

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und hypnagogischen (schlafähnlichen) Zuständen in Verbindung gebracht werden, ist Hemi-Sync vermutlich einzigartig geeignet, solche Zustände herbeizuführen und zu vertiefen. Der Grund dafür ist physiologischer Natur. Jedes Ohr ist mit beiden Gehirnhälften "festverdrahtet" (Rosenzweig 1961). Jede Gehirnhälfte hat ihr Hörzentrum, die sogenannten Olivenkerne, die Signale von beiden Ohren erhalten. Wenn ein binaural beat wahrgenommen wird, entstehen tatsächlich zwei chemoelektrische, synaptische Wellen gleicher Amplitude und Frequenz, je eine in beiden Gehirnhälften. Damit ist bereits eine Synchronisation der Synapsenaktivität in beiden Hemisphären erreicht. Die spezifischen binaural beats des Hemi-Sync-Systems tragen zur Hemisphären-Synchronisation meditativer und hypnagogischer Bewußtseinszustände bei und verbessern die Wirkungsweise des Gehirns, indem sie es dem Benutzer ermöglichen, die Vernetzung beider Hirnhälften über das Corpus callosum mit einer spezifischen Frequenz der Gehirnwellen wiederherzustellen.

Die beiden Hemisphären des Gehirns können mit zwei getrennten Informationsverarbeitungsmodulen verglichen werden. Beide sind komplexe kognitive Systeme; beide verarbeiten Information unabhängig voneinander und parallel zueinander; ihre Interaktion ist weder willkürlich noch kontinuierlich (Zaidel 1985). Bewußtseinszustände können nicht nur durch die jeweiligen Anteile bestimmter Gehirnfrequenzen definiert werden, sondern auch durch die Spezialisierung und/oder Interaktion der Gehirnhälften. Das kognitive Repertoire eines Menschen und folglich seine Fähigkeit, die Wirklichkeit wahrzunehmen und den Alltag zu bewältigen, hängt mit seiner Fähigkeit zusammen, verschiedene Bewußtseinszustände zu erfahren (Tart 1975).

Der Hemi-Sync-Prozeß verändert Bewußtseinszustände

Ein wesentliches Element jeder Bewußtseinsveränderung ist das erweiterte retikulär-thalamische Aktivierungssystem (ERTAS), das die Gehirnwellenaktivität reguliert (Newman 1997). Das Wort "retikulär" bedeutet netzartig, und die neuronale retikuläre Formation selbst ist ein großes, diffus-netzartiges Gebiet im Gehirnstamm (Anch et al. 1988). Das retikuläre aktivierende System (RAS) reagiert auf und interpretiert Information durch innere Stimuli, Gefühle, Einstellungen und Überzeugungen wie auch auf äußere Sinnesreize, in dem es den Erregungszustand, Aufmerksamkeitsfokus und Bewußtseinsebenen reguliert – per definitionem selbst Bestandteile des Bewußtseins (Empson 1986; Tice & Steinberg 1989). Wie wir Information interpretieren und darauf reagieren, wird über die Stimulation von Thalamus und Cortex durch die retikuläre Formation sowie durch deren Kontrolle von Aufmerksamkeit und Erregungsniveau "gemanagt" (Empson 1986).

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Um also Erregungsniveau, Aufmerksamkeitsfokus und Bewußtseinsebene zu ändern, benötigt das RAS entsprechenden Input, d.h. Information. Die binaural beats von Hemi-Sync stellen diese Information zur Verfügung - die Information ist in diesem Fall das komplexe, wellenförmige Schwingungsmuster des binaural beat. Dieses läßt sich auch in Form einer neurologischen Frequenz-Folge-Reaktion feststellen und wird vom RAS als Information in Form von Gehirnwellen erkannt. Falls innere Reize – Gefühle, Einstellungen, Überzeugungen – und äußere Sinnesreize mit dieser Information nicht in Konflikt kommen (eine innere, unter Umständen auch nicht bewußte Furcht könnte Quelle eines solchen Konflikts sein) wird das RAS, um die Homöostase aufrechtzuerhalten, den jeweiligen Bewußtseinszustand an die Hemi-Sync-Stimulation anpassen.

Anders ausgedrückt: Im Lauf der Zeit überwacht das RAS die innere wie äußere Umgebung, Erregungszustand, Aufmerksamkeitsfokus, und Bewußtseinsebene, um in jedem Augenblick die bestmögliche Anpassung an die gegebenen Umstände zu gewährleisten. So lange kein Konflikt entsteht, stimmt das RAS den Bewußtseinszustand des Hörers auf die Information der Wellenmuster in den Hemi-Sync-Klangfeldern ab.

EEG-Untersuchungen zeigen in objektiven, meßbaren Größen den Einfluß von Hemi-Sync auf Erregungszustand, Aufmerksamkeitsfokus und Bewußtseinsebene. Verschiedene EEG-Studien (Foster 1990; Sadigh 1990; Hiew 1995 u. a.) belegen, daß die Hemi-Sync und seine binaural beats Änderungen im EEG hervorrufen. Nachdem die im EEG abgebildete Gehirntätigkeit durch das RAS reguliert wird (Swann et al. 1982; Empson 1986), gibt das EEG Aufschluß über die RAS-Tätigkeit und Änderungen dabei infolge von Hemi-Sync.

Das ist aber nur ein Teil des Hemi-Sync-Prozesses. Die eigene Erfahrung des Bewußtseins umfaßt viel mehr als nur die Größen Erregungszustand, Aufmerksamkeitsfokus, und Bewußtseinsebene. Der kognitive Gehalt der Erfahrung ist es, der ihr Bedeutung verleiht. Dieser "inhaltliche Anteil" der Hemi-Sync-Erfahrung eines fokussierten Bewußtseinszustands hängt von der sozialen und psychischen Lerngeschichte eines Menschen und seinen geistigen Fähigkeiten ab. Die Anwendung der Hemi-Sync-Technik in verschiedenen Bereichen vereint diese Aspekte. Was soziales und psychologisches Lernen betrifft, bieten die Hemi-Sync-Medien Anleitungen zur Entspannung und zu besserem Atmen, Affirmationen zur Verwirklichung persönlicher Vorhaben, und Anleitungen für Visualisierungen. In den Fortbildungsprogrammen des Monroe Institute stehen geschulte Trainer zur Verfügung, die Erfahrung darin haben, Nuancen im verbalen Ausdruck und in der Körpersprache der Teilnehmer wahrzunehmen. Sie fungieren als Berater und unterstützen die Interaktion in Gruppen von Teilnehmern, um so eine Atmosphäre zu schaffen, in der die bewußte Erfahrung bestimmter Gehirnaktivitätszustände – sogenannter Fokusebenen (focus levels) – ermöglicht wird.

Die Trainer kennen aus eigener Erfahrung die neuen Welten, in die Programmteilnehmer vordringen. Eben deshalb können sie diesen helfen, ihre sozio-psychischen Konditionierungen zu ändern. Sie ermutigen die Teilnehmer, ihre Erlebnisse zu beobachten und zu reflektieren, um neuartige Erfahrungen integrieren zu können. Wo angebracht, helfen sie auch, diese Erfahrungen im Sinne konstruktiver Perspektiven zurechtzurücken.

Insofern, als die Erlebnisfähigkeit durch geistige Fähigkeiten mitbestimmt wird, können kognitive Fertigkeiten verbessert werden. Den Teilnehmern wird unterstützende Lektüre zur Verfügung bestellt. Während der Programme finden Informationsvorträge statt, und Diskussionsrunden bieten die Gelegenheit, Erfahrungen auszutauschen. Wachstum durch eigenes Praktizieren steht im Mittelpunkt des Lernprogramms und die Teilnehmer erhalten zahlreiche Gelegenheiten, die aufregenden fokussierten Bewußtseinszustände selbst zu erfahren, die durch Hemi-Sync zugänglich werden.

Zusammenfassung

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Das patentierte Hemi-Sync-Verfahren stellt als System von Anleitungen und Hörerfahrungen ein sicheres, natürliches Mittel dar, Erregungszustand, Aufmerksamkeitsfokus und Bewußtseinszustand zu ändern. Hemi-Sync ist die einzigartige Kombination einer wirkungsvollen Technik zur Veränderung von Gehirnwellen in Kombination mit fundierten psychophysiologischen Techniken (wie Reduzierung von Umweltreizen, Atemkontrolle, progressive Entspannung u.a.) und einem unterstützenden sozio-psychologischen Lernprogramm.

Anmerkungen

1 "Pink sound" ist Weißes Rauschen (die Summe aller akustischen Frequenzen, vergleichbar dem Geräusch des Fernsehers nach Sendeschluß), das mit Hilfe eines Equalizers zu einem für das menschliche Ohr angenehmerem, "natürlicherem" Rauschen verändert wird.

2 Fernwahrnehmung (remote viewing) ist die Fähigkeit, allein durch mentale Mittel unsichtbare, räumlich oder zeitlich entfernte Gegenstände und Vorgänge zu beschreiben

3 Telepathie wird gemeinhin als direkte Kommunikation von Geist zu Geist bezeichnet – eine eher eingeschränkte Definition im Vergleich zu Robert Monroes breiterem Begriff von nonverbaler Kommunikation.

4 Der eigene Geist wird immer als entweder innerhalb oder außerhalb des Körpers erfahren – es hängt davon ab, worauf das Bewußtsein gelenkt wird. Außerkörperlich (out-of-body) bedeutet einfach, daß keine direkte Verbindung zu bestimmten materiellen Bewußtseinsebenen besteht.

5 Elektronisch erzeugte binaural beats werden "gehört", wenn Töne mit leicht unterschiedlicher Frequenzen, sogenannte Trägertöne, jeweils einem Ohr dargeboten werden.

6 Das Gehirn reguliert automatisch alle Körperfunktionen, um die sogenannte Homöostase aufrechtzuerhalten, das innere Gleichgewicht des Organismus (Green & Green 1977; Swann et al. 1982). Das RAS (retikuläres aktivierendes System) stellt die Kontinuität der Gehirnwellenmuster sicher – außer neu einlangende Information signalisiert, daß die Anpassung an geänderte Umstände nötig ist.

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