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18.4.2016 Demografischer Wandel Auswirkungen auf die Gemeindepolitik Fachprojektarbeit 2016

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18.4.2016

Demografischer Wandel Auswirkungen auf die Gemeindepolitik

Fachprojektarbeit 2016

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Inhalt 1. Einleitung ........................................................................................................................ 2

1.1. Definition ................................................................................................................. 2

1.2. Warum ist das Thema von zentraler Bedeutung? ................................................... 2

1.3. Ziel unserer Arbeit ................................................................................................... 4

2. Daten und Fakten ............................................................................................................ 5

2.1. Aktueller Stand ......................................................................................................... 5

2.2. Ursachen .................................................................................................................. 8

2.3. Zukunftsprognose .................................................................................................. 14

3. Lösungsansätze ............................................................................................................. 20

3.1. Die Familienpolitik ................................................................................................. 20

3.2. Die Seniorenpolitik ................................................................................................. 25

4. Strategie zum Angehen des Problems .......................................................................... 28

4.1. Mitarbeiter der Verwaltung ................................................................................... 28

4.2. Gemeinderat und Ortschaftsräte ........................................................................... 28

4.3. Bürger ..................................................................................................................... 29

4.4. Wie kann man diesen Prozess in einer Gemeinde „am Laufen halten“? .............. 30

5. Positive Aspekte/ Chancen ........................................................................................... 31

5.1 Wirtschaft................................................................................................................ 31

5.2. Gesellschaftliches Miteinander .............................................................................. 32

5.3. Asyl ......................................................................................................................... 32

6. Fazit ............................................................................................................................... 34

Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 35

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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1. Einleitung

1.1. Definition

„Sucht man nach einer möglichst präzisen Definition für den fast allge-

genwärtigen Begriff „demografischer Wandel“ stößt man auf ein kleines

Problem: Es findet sich keine, zumindest keine Nominaldefinition“ (Sied-

hoff 2008) 1

Es lassen sich jedoch einige Merkmale des demografischen Wandels be-

stimmen.

Der Begriff demografischer Wandel bezeichnet die Veränderung der Zu-

sammensetzung der Altersstruktur einer Gesellschaft über einen längeren

Zeitraum hinweg. Er ist weder positiv noch negativ behaftet, sondern be-

schreibt lediglich die Zu- und Abnahme der Bevölkerung.

Der demografische Wandel ist von drei Faktoren abhängig. Diese sind die

Geburtenrate, die Lebenserwartung und der Wanderungssaldo.

Die Bevölkerungsentwicklung ergibt sich somit aus der Summe des Wan-

derungssaldos und des Geburten- oder Sterbeüberschusses.2

1.2. Warum ist das Thema von zentraler Bedeutung?

Das Thema ist von zentraler Bedeutung, da es immer mehr ältere Men-

schen gibt und gleichzeitig immer weniger Kinder geboren werden. Die

Zahl der jungen Menschen nimmt also ab. Die Alterspyramide hat dadurch

nicht mehr ihre ursprüngliche Form. Früher war sie unten breit und lief

nach oben hin spitz zu („tannenbaumförmig“), heute steht die Alterspyra-

mide „kopf“.

Zusätzlich verstärkt wird der demografische Wandel dadurch, dass viele

Menschen vom Land in die Stadt ziehen.

1 Rademacher: Deutsche Kommunen im Demographischen Wandel

2 Förderland, 2016

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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In unserer heutigen Gesellschaft sind nicht nur die sozialen Systeme, wie

z.B. das Rentensystem, sondern jeder Bereich des kommunalen Gesche-

hens von der demografischen Entwicklung betroffen.

Es entstehen in großen Städten Ballungsräume, in welchen sich viele

Menschen ansammeln um arbeiten zu gehen. Außerdem verändert sich

das gesamte gesellschaftliche Leben vor allem im ländlichen Raum.

Die demografische Entwicklung hat somit einen starken Einfluss auf alle

Bereiche der Gemeindepolitik.

Das Problem des demografischen Wandels betrifft besonders kleine Ge-

meinden, da es für diese schwer ist, das Gemeindeleben aktiv aufrecht zu

erhalten.

Es fehlt oft an den notwendigen Ressourcen um die Attraktivität zu erhö-

hen und somit einheimische junge Menschen und Familien zu binden und

neue junge Familien zu gewinnen.

Damit dies gelingt, muss auf die Wichtigkeit des Themas aufmerksam ge-

macht werden. Den Menschen sollte nahe gelegt werden, dass ein drin-

gender Handlungsbedarf besteht.

Auch wenn weder Medien, Politik noch Wissenschaft diesem Thema eine

angemessene Bedeutung zukommen lassen, ist es für die Gemeinden

eine immer größer werdende Aufgabe, die Bevölkerungszahl zu erhöhen

oder zumindest aufrecht zu erhalten.

Sie müssen aktiv tätig werden, denn das Problem lässt sich nicht von al-

leine lösen. Es darf nicht weggesehen werden. Das Thema muss konkret

in der Gemeinde angegangen werden und bei jeder Entscheidung, die

eine Gemeinde trifft, berücksichtigt werden.

Gemeinden, welche zunächst nicht so wirken als seien sie vom demogra-

fischen Wandel tangiert, sind früher oder später ebenfalls von der Thema-

tik betroffen und weisen deshalb Handlungsbedarf auf.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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1.3. Ziel unserer Arbeit

Vorbereitend für unsere schriftliche Ausarbeitung haben wir Studierende

der Fachprojektgruppe eine zwar nicht repräsentative aber erkenntnisrei-

che Befragung in Gemeinden durchgeführt. Dafür wurden Bürgermeister

und Gemeinderäte zum Thema interviewt.

Es stellte sich heraus, dass die Gemeinden das Thema für wichtig emp-

finden, jedoch aus unserer Sicht den Auswirkungen des demografischen

Wandels nicht genügend Bedeutung schenken.

Das Ziel unserer Arbeit ist es deshalb, Bürger und Gemeinden auf das

Thema und die damit verbundenen Probleme aufmerksam zu machen.

Wir möchten Lösungsansätze erarbeiten und vorstellen, die den Gemein-

den helfen können, sich der Herausforderung zu stellen.

Diese Lösungsansätze sollen nicht nur theoretisch formuliert, sondern

auch praktisch anwendbar sein. Sie beschränken sich nicht nur auf Ansät-

ze zu denen finanzielle Mittel benötigt werden, sondern können auch von

finanzschwachen Gemeinden durchgeführt werden.

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2. Daten und Fakten

2.1. Aktueller Stand

An dieser Stelle haben wir vier Städte verschiedener Größen ausgewählt,

um anhand dieser die demografische Entwicklung in Zahlen darzulegen.

Als kleinste Gemeinde beziehen wir uns auf

die Gemeinde Epfenbach. Epfenbach liegt

im Rhein-Neckar-Kreis, 24 km von Heidel-

berg und 12 km von Sinsheim entfernt.

2015 zählte Epfenbach 2.370 Einwohner.

Davon sind ca. 470 unter 20 Jahre alt und

550 über 60 Jahre alt. Epfenbach wies 2014

ein Geburtendefizit von -9 auf. Auf 14 Neu-

geborene kamen 23 Todesfälle.

2014 verließen 196 Einwohner die Gemein-

de Epfenbach und es zogen nur 136 Neue in die Gemeinde zu. Dies führt

zu einem Wanderungssaldo von -60. Viele Bürger ziehen in die größeren

umliegenden Städte wie Heidelberg und Sinsheim.

Die zweite von uns betrachtete Stadt ist

Schramberg. Schramberg ist die zweit-

größte Stadt des Landkreises Rottweil

und Große Kreisstadt. Bis nach Freiburg

sind es 47 km.

In Schramberg lebten 2015 20.553 Ein-

wohner. Unter 20 Jahre alt waren davon

ca. 2.850 und älter als 60 Jahre etwa

6.000 Einwohner. Ähnlich wie in Epfen-

bach wies auch Schramberg 2014 ein Geburtendefizit auf. Auf 171 Gebur-

ten entfielen 211 Todesfälle, woraus sich ein Defizit von -40 ergibt.

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Im Gegensatz zu Epfenbach kann Schramberg einen positiven Wande-

rungssaldo im Jahr 2014 aufweisen. Die Stadt verzeichnete 1.352 Zuzüge

und nur 1.246 Fortzüge. Der Saldo beträgt also +106 Einwohner.

Durch die Wanderung kann Schramberg das Geburtendefizit von -40 aus-

gleichen, ohne dass die Stadt schrumpft. Schramberg ist ein Mittelzentrum

für viele umliegende Gemeinden.

Die zweitgrößte von uns gewählte Stadt

ist Kehl. Kehl ist eine Große Kreisstadt

im Ortenaukreis. Als drittgrößte Stadt des

Landkreises ist sie Mittelzentrum im

Oberzentrum Offenburg.

Die Entfernung nach Offenburg beträgt

21 km, nach Karlsruhe 75 km und nach

Freiburg 80 km. 2015 betrug die Einwoh-

nerzahl der Stadt Kehl 35.153. Etwa

7.000 der Einwohner waren jünger als 20

Jahre und ungefähr 9.200 Einwohner

waren über 60 Jahre.

Kehl wies 2014 ein Geburtendefizit von -95 auf. Wie in den anderen bei-

den Städten auch, wurden nicht genug Neugeburten verzeichnet um die

Todesfälle auszugleichen. Kehl hatte 2014 einen positiven Wanderungs-

saldo von +513. Es erfolgten in dem Jahr 2.458 Zuzüge und nur 1.945

Abzüge. Kehl kann dadurch ebenfalls das vorhandene Geburtendefizit

ausgleichen.

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Die letzte von uns betrachtete Stadt ist die Landeshauptstadt Baden-

Württembergs, Stuttgart. Stuttgart ist die sechst größte Stadt Deutsch-

lands und die größte Stadt in Baden-Württemberg. In Stuttgart lebten 2015

623.310 Menschen. Davon waren

107.140 Einwohner jünger als 20

und 142.330 älter als 60. Stuttgart

jedoch wies 2014 im Gegensatz zu

den anderen betrachteten Städten

einen Geburtenüberschuss von

+1124 auf. Auf 6174 Geburten

folgten nur 5050 Todesfälle.

Auch die Landeshauptstadt hatte

2014 einen positiven Wanderungs-

saldo. Auf 47.102 Fortzüge folgten

54.049 Zuzüge. Dies führte zu einem Wanderungssaldo von +6.947.

Stuttgart wächst somit stark weiter an und verzeichnet einen großen Zu-

zug vom den umliegenden kleineren Städten und Gemeinden.

In Baden-Württemberg lebten 2015 10.830.767 Menschen. Jünger als 20

Jahre waren davon ca. 2.073.000 Einwohner, älter als 60 Jahre etwa

2.795.840. Somit waren ca. 19% der Einwohner jünger als 20 Jahre und

25,8% älter als 60 Jahre.

Im Vergleich hierzu beträgt die Quote der unter 20-Jährigen in der Ge-

meinde Epfenbach 19,7 % der Bevölkerung und der über 60-Jährigen 23

%. In Schramberg sind 13,8% unter 20 Jahre und 29% über 60 Jahre.

20% der Einwohner sind in Kehl unter 20 Jahre und 26% über 60 Jahre.

Die Landeshauptstadt weist folgende Anteile auf: 17% unter 20-Jährige

und 22,8% über 60-Jährige.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Es ist also zu sehen, dass die Altersstruktur der einzelnen Kommunen an-

nähernd mit der des Landes Baden-Württembergs übereinstimmt. Ledig-

lich Stuttgart zeigt eine geringe Abweichung von den Landeswerten auf.

2.2. Ursachen

Der Entwicklung des demografischen Wandels liegen verschiedene Ursa-

chen zugrunde. Im Folgenden soll erläutert werden, welche diese sind und

auf welche Weise sie zur heutigen Situation geführt haben.

Ein Grund für das ansteigende Durchschnittsalter der Bevölkerung ist die

zunehmende Lebenserwartung der Menschen. Diese Steigerung hat sich

im Laufe des letzten Jahrhunderts durch verschiedene Faktoren ergeben.

Sie fällt besonders stark auf, wenn nicht die fernere Lebenserwartung, al-

so die Lebenserwartung im Bezugsjahr über das 60. Lebensjahr hinaus,

sondern die Lebenserwartung bei Geburt betrachtet wird.

Während bei Betrachtung der ferneren Lebenserwartung bis 2060, seit

1950 voraussichtlich eine Steigerung für Männer um ca. 61 % und für

Frauen um ca. 58 % zu verzeichnen ist, weist die Betrachtung der Le-

benserwartung ab Geburt seit 1950 bis 2060 voraussichtlich bei Männern

eine Steigerung um ca. 76 % und bei Frauen eine Steigerung um ca. 77 %

auf.

Bei diesem Vergleich wird erkennbar, dass die Steigerung der Lebenser-

wartung umso deutlicher wird, wenn Faktoren wie Kindersterblichkeit oder

Unfalltode berücksichtigt werden, wie es bei der Betrachtung der Lebens-

erwartung bei Geburt der Fall ist. Wie diese Erhöhung der Lebenserwar-

tung zustande kam, soll im Folgenden nur kurz umrissen werden.

Die Verbesserung der medizinischen Versorgung in Deutschland leistet

sowohl durch die Prävention von Krankheiten als auch durch die Behand-

lung akuter Symptome einen großen Beitrag. Hierbei seien beispielhaft die

Möglichkeit von Bypass-Operationen oder die Erkenntnisse über gesund-

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heitliche Folgen des Rauchens genannt. Doch finden medizinische Er-

kenntnisse wie die Bedeutung des Cholesterin-Spiegels auch Einfluss auf

einen weiteren Faktor, der die Lebenserwartung erhöht: Ernährung.

Diese konnte durch Ernährungsforschung ausgewogener und reichhaltiger

werden. Außerdem wurden Lebensmittel durch günstigere Produktion für

nahezu alle Einkommensschichten erschwinglich. Durch die Standardisie-

rung und Regelungen zu potentiell gesundheitsschädigenden Inhaltsstof-

fen wurden die Lebensmittel qualitativ hochwertiger.

Weiterhin kommen eine Reduzierung der Arbeits- und Verkehrsunfälle, die

Verbesserung hygienischer Standards und komfortablere Lebensbedin-

gungen hinzu.

Einen weiteren Grund für den demografischen Wandel in der Gesellschaft

stellt der Rückgang der Geburtenrate dar. Während Deutschland um die

Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert eines der geburtenreichs-

ten Länder Europas war, sinkt die Geburtenrate seit 1890, mit Ausnahme

des Baby-Booms in den 1960er Jahren, stetig.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Geburtenrate in Ost-, West- und

Gesamtdeutschland seit 1952, also vor und nach der Wiedervereinigung

Deutschlands.

Es ist zu erkennen, dass die Geburtenrate seit dem Baby-Boom, der sei-

nen Höhepunkt 1968 hatte, stetig zurückgeht. Bemerkenswert ist auch,

dass die Geburtenrate in Ostdeutschland bis zur Wiedervereinigung zum

Teil deutlich über dem Niveau der Bundesrepublik lag. Nach der Wieder-

vereinigung bewegen sich die beiden in etwa auf der gleichen Höhe.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Abbildung 1: Durchschnittliche Kinderzahl je Frau in West-, Ost- und Gesamtdeutschland,

statistisches Bundesamt

Die Ursachen, welche den Rückgang der Geburtenrate auslösen, sind

vielseitig und schwierig zu erfassen, auch, weil es sich zum Teil um einen

Wandel der gesellschaftlichen Wertvorstellungen handelt und dieser nur

schwer greifbar ist.

Einen Grund für den Rückgang der Geburtenrate stellt der schwindende

Zukunftsoptimismus dar. Junge Menschen blicken der Zukunft besorgter

entgegen als noch vor einigen Jahren und möchten oftmals keine Kinder

mehr in die Welt setzen, da sie sich nicht in der Lage sehen die Fürsorge

für diese aufgrund der Unsicherheiten der Zukunft gewährleisten zu kön-

nen.

Die Reaktion der Geburtenrate auf etwaige Unsicherheit der Zukunft ist

zwischen den Jahren 1990 bis 1995 auf dem Gebiet der neuen Bundes-

länder in Abbildung 1 zu erkennen. Die DDR hatte keinen Bestand mehr

und es stand die Integration Ostdeutschlands in die junge Bundesrepublik

Deutschland bevor. Sicherlich war diese Zeit für viele junge Menschen von

enormer wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit geprägt. Die Zahl der

Geburten je Frau sank deutlich.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Weiterhin haben sich die Wertvorstellungen in Bezug auf Arbeit, (Aus-)

Bildung und Familie geändert. Abbildung 2 zeigt, inwieweit sich ein höhe-

rer Bildungsgrad auf die Kinderlosigkeit einer Frau auswirkt. Verglichen

werden hierbei die Jahre 1972 und 2007.

Abbildung 2: Kinderlosigkeit

bei Frauen nach Bildungsab-

schluss

Es ist deutlich zu erken-

nen, dass der Anteil kin-

derloser Frauen bei

Frauen mit akademi-

scher Bildung um 10 %

und damit am stärksten

zugenommen hat.

Dieser Wert liegt 3,75 %

über dem durchschnittli-

chen Anstieg von 6,25 %

und ist deshalb also

durchaus beachtlich und

herausragend.

Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass eine gute, fordernde

Arbeitsstelle für viele Frauen wichtiger ist, als die Gründung einer Familie.

Ohne diesen Wertewandel in irgendeiner Weise verurteilen zu wollen, sind

dessen Auswirkungen auf die demografische Entwicklung in Deutschland

offensichtlich.

Doch beschränkt sich der Wandel von Wertvorstellungen gewiss nicht auf

die Fokussierung der Karriere: Das Gesellschaftsbild hat sich geändert, es

gibt keine idealtypische Biographie mehr.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Zu heiraten, Kinder zu bekommen, Großeltern zu werden und bis zu Ver-

witwung verheiratet zu bleiben stellt heute keinen Königsweg mehr dar

und auch andere Lebenswege werden gesellschaftlich toleriert und akzep-

tiert. Diese Pluralität der Gesellschaft hat sicherlich ihre Auswirkungen auf

den Rückgang der Geburtenrate, da viele junge Menschen den klassi-

schen familiären Lebensweg nicht gehen möchten.

Ein weiteres Problem, welches teilweise eng mit dem zuvor genannten

zusammenhängt, ist die schwierige Vereinbarkeit von einer möglichst gu-

ten Arbeitsstelle und der Familie. Besonders schwer ist hier die Aus-

gangssituation für junge Frauen: Auf der einen Seite wird von ihnen hohe

berufliche Flexibilität und Mobilität erwartet, auf der anderen Seite wird der

Anspruch gestellt, beziehungsweise haben sie sicherlich auch selbst die-

sen Anspruch, Zeit und Liebe in ihre Kinder investieren zu können. Dass

diese Anforderungen in gegenseitiger Konkurrenz stehen ist offensichtlich.

Besonders anzumerken ist an dieser Stelle auch, dass eine Berufstätigkeit

der Frau auch bei verheirateten Ehepaaren heute oft nicht optional ist und

der Spagat zwischen Arbeit und Familie bei Kinderwunsch zwingend ist.

Unter anderem aufgrund dieser Faktoren musste Deutschland einen

schwerwiegenden Rückgang der Geburtenrate verzeichnen. Die gestiege-

ne Lebenserwartung und die sinkenden Geburtenraten haben sich seit

1952 erheblich auf die Altersstruktur Deutschlands ausgewirkt, wie Abbil-

dung 3 und 4 zeigen.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Abbildung 3: Altersstruktur im Jahre 1950 und 2010

Es ist zu erkennen, dass die Altersstruktur aus dem Jahre 1950 neben

den kriegsbedingten Einschnitten eine andere Verteilung aufweist, als die

aus dem Jahre 2010. Kritisch zu betrachten ist insbesondere der Rück-

gang der unter 20-Jährigen im Jahre 2010.

Die Altersstruktur in den ländlichen Regionen wurde zudem von der Land-

flucht geprägt, die im Zuge der Industrialisierung im 18. Jahrhundert ein-

setzte. Durch die Steigerung der Produktionseffizienz landwirtschaftlicher

Betriebe, die folglich weniger Bedarf an menschlichen Arbeitskräften hat-

ten und dem wachsenden Angebot an Arbeit in den Städten, wurde diese

Wanderung vom Land in die Stadt angetrieben. Deshalb sind Städte von

der Veränderung der Altersstruktur durch den demografischen Wandel

nicht so stark betroffen wie der ländliche Raum.

Inwieweit diese Umstrukturierungen Auswirkungen auf die Gesellschaft in

der Zukunft haben werden und inwieweit diese sich bisher bemerkbar ma-

chen, soll an anderer Stelle dargelegt werden.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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2.3. Zukunftsprognose

Im Folgenden werden Vorausberechnungen für die Entwicklung der Be-

völkerung in Deutschland, Baden-Württemberg und einzelner Kommunen

in Baden-Württemberg dargestellt und erläutert. Die folgenden Vorausbe-

rechnungen sind keine Prognosen, sondern stellen lediglich eine „Wenn-

Dann Aussage“ dar. Zunächst wird die Entwicklung insgesamt in Deutsch-

land betrachtet.

Der Präsident des statistischen Bundesamtes Roderich Egeler ist der

Meinung, dass die Bevölkerungszahl in Deutschland von 80,8 Mio. Men-

schen im Jahr 2013 in den folgenden fünf bis sieben Jahren noch steige

und anschließend abnehmen würde.

Die folgende Abbildung zeigt die voraussichtliche Bevölkerungspyramide

im Jahr 2060.

Abbildung 4: Vorausberechnung der Bevölkerung vom Statistischen Bundesamt für 2060

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Anhand dieser Grafik lassen sich verschiedene Aussagen über die Ent-

wicklungen der einzelnen Altersgruppen treffen: Der Anteil der unter 20-

Jährigen an der Gesamtbevölkerung sinkt von 15 Mio. auf 11 – 12 Mio.

Menschen, somit von 18 % auf 16 %.

Die Altersgruppe der über 65-Jährigen wird besonders in den folgenden

20 Jahren aufgrund der sogenannten „Babyboom Generation“ extrem an-

steigen. Der Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung wird von 21

% auf 32 – 33 % steigen.

Im Folgenden wird dargestellt, wie sich die Bevölkerung unter Berücksich-

tigung von Wanderungssalden insgesamt in Deutschland entwickeln könn-

te.

Die Bevölkerung wird bei einer schwachen Zuwanderung bis 2060 auf ca.

67,6 Mio. und bei einer starken Zuwanderung auf ca. 73,1 Mio. Menschen

sinken. Die Vorausberechnung des statistischen Bundesamtes besagt,

dass die Anzahl der Erwerbsfähigen im Alter von 20 – 66 Jahren bis 2040

voraussichtlich um 13 Mio. sinken wird.

Es wäre ein Wanderungsgewinn der 20 – 66-Jährigen von ca. 470.000

Menschen pro Jahr notwendig, um dieser Entwicklung vollständig entge-

genwirken zu können.

In der folgenden Tabelle ist die Entwicklung der Bevölkerung Deutsch-

lands unter Berücksichtigung unterschiedlicher Wanderungssalden, Ge-

burtenraten und Lebenserwartungen dargestellt.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Tabelle 1: Veränderung der Bevölkerung nach Altersgruppen 2040 gegenüber 2013

Ergebnisse der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung in %

Variante & Modell-

rechnungen

Bevölke-

rung

insgesamt

darunter im Alter von

20 bis 66 Jahre ab 67 Jahre

Variante 1 G1-L1-W1 6 18 42

Variante 2 G1-L1-W2 2 14 43

Variante 3 G1-L2-W1 5 18 47

Variante 4 G1-L2-W2 1 13 48

Variante 5 G2-L1-W1 4 17 42

Variante 6 G2-L1-W2 0 13 43

Variante 7 G2-L2-W1 3 17 47

Variante 8 G2-L2-W2 1 13 48

Wanderungssaldo

Null

G1-L1-W0 12 25 39

Wanderungssaldo

300.000

G1-L1-W3 0 11 43

Geburtenrate 2,1

Kinder je Frau

G(2,1)-L1-W1 4 13 42

Quelle: Statistisches Bundesamt; www.destatis.de

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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G1: Geburtenrate 1,4 Kinder je Frau

G2: Geburtenrate ab 2028 1,6 Kinder je Frau

L1: Lebenserwartung bei Geburt 2060 für Jungen 84,8/Mädchen 88,8 Jahre

L2: Lebenserwartung bei Geburt 2060 für Jungen 86,7/Mädchen 90,4 Jahre

W1: Wanderungssaldo 2014 bis 2015 500 000 Personen/Jahr, 2016 bis 2021 schrittweise Anpas-

sung auf 100 000 Personen/Jahr, danach konstant

W2: Wanderungssaldo 2014 bis 2015 500 000 Personen/Jahr, 2016 bis 2021 schrittweise Anpas-

sung auf 200 000 Personen/Jahr, danach konstant

W0: ausgeglichener Wanderungssaldo

W3: Wanderungssaldo 2014 bis 2015 500 000 Personen/Jahr, ab 2016 konstant 300 000 Personen

pro Jahr

G(2,1): Geburtenrate ab 2015 2,1 Kinder je Frau

Fraglich ist, ob dieser drastischen Bevölkerungsentwicklung durch die ak-

tuelle hohe Zuwanderung von Schutzsuchenden in Deutschland entge-

gengewirkt werden kann. Genaue Vorausberechnungen, wie sich diese

ansteigende Zuwanderung auf die Bevölkerung in Deutschland auswirken

wird, liegen derzeit noch nicht vor, da die genaue Höhe der Schutzsu-

chenden noch nicht erfasst wurde und auch das genaue Alter Vieler unbe-

kannt ist. Zudem ist unklar wie viele der Flüchtlinge, die momentan nach

Deutschland kommen, langfristig hier leben wollen und wie erfolgreich

diese integriert werden können.

Statistisch festgehalten wurde allerdings, dass der Wanderungssaldo in

Deutschland starken Schwankungen unterliegt und dass auf Jahre mit ei-

ner sehr starken Zuwanderung in Deutschland stets auch eine starke Ab-

wanderung folgte.

In Baden-Württemberg wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2035 voraus-

sichtlich um 2,7 % steigen. Die Anzahl der Menschen, die 2035 in Baden-

Württemberg leben werden, beträgt somit 11.127.032. Im Jahr 2015 be-

trug die Anzahl der unter 20-Jährigen im Land 2.073.019. Diese Zahl wird

bis 2035 auf 2.098.619 Menschen steigen, prozentual also um 1,2 %. Die

Zahl der über 60-Jährigen hingegen wird von 2.795.841 auf 3.625.591

Menschen ansteigen. Somit steigt diese Altersgruppe um 2,8 % mehr an,

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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als die zuerst Genannte. An diesen Zahlen wird die Problematik des de-

mografischen Wandels und der damit verbundenen immer älter werden-

den Bevölkerung nochmals verdeutlicht.

Zuletzt werden die Vorausberechnungen für die in Kapitel 2.1 genannten

Beispielkommunen Epfenbach, Schramberg, Kehl und Stuttgart für die

Jahre 2020 und 2025 dargestellt.

In der ländlichen Kommune Epfenbach lebten im Jahr 2015 2370 Men-

schen. Bis 2025 wird die Bevölkerung in der Gemeinde voraussichtlich auf

2172 sinken und somit um 8,4 % abnehmen. Aufgrund dieser drastischen

Entwicklung steht die Gemeinde vor einer großen Herausforderung ihr

Überleben in zukünftigen Jahren zu sichern.

Die Gemeinde Schramberg wird bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 2012

5,8 % ihrer Bevölkerung verlieren. Im Jahr 2025 beträgt der Bevölke-

rungsverlust verglichen mit 2012 schon 8,7 %. Somit hat die Gemeinde

2020 noch 19.490 und im Jahr 2025 18.900 Einwohner.

Grafisch dargestellt würde die Bevölkerungsentwicklung von Schramberg

wie folgt aussehen.

Abbildung 5: Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Schramberg, Wegweiser

Kommune

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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Bei der Großen Kreisstadt Kehl steigt die Bevölkerungskurve im Vergleich

zu den zwei vorangegangenen Beispielen an. Gründe hierfür könnten bei-

spielsweise die Nähe zur Grenze nach Frankreich und die Landflucht sein.

In Tabelle 2 ist die genaue Entwicklung für die Große Kreisstadt Kehl fest-

gehalten.

Tabelle 2:

Wie aufgrund der in Kapitel 2.2 erwähnten Landflucht zu erwarten ist, wird

in der Landeshauptstadt Stuttgart die Bevölkerung bis 2025 voraussicht-

lich weiterhin ansteigen. Die Anzahl der Einwohner Stuttgarts im Jahr

2012 von insgesamt 597.460 wird bis 2025 um 40.270 Menschen, d.h. um

6,7 % zunehmen.

Anhand dieser Beispiele wird ersichtlich, dass die Landflucht für kleine

ländliche Kommunen auch in Zukunft ein großes Problem darstellt.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

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3. Lösungsansätze

3.1. Die Familienpolitik

Im Folgenden werden Lösungsansätze erläutert, um dem demografischen

Wandel auf kommunaler Ebene erfolgreich zu begegnen. Einen wichtigen

Bestandteil stellen in diesem Zusammenhang die familienpolitischen

Maßnahmen dar. Mit solchen verfolgt die Kommune das Ziel, das Wohler-

gehen von Familien positiv zu beeinflussen. Dies ist notwendig, da es auf-

grund der alternden Bevölkerung in Zukunft besonders darauf ankommen

wird möglichst viele der weniger werdenden jungen Familien für einen Zu-

zug in das eigene Gemeindegebiet zu gewinnen.

Ziel einer jeden Stadt und eines jeden Landkreises sollte es daher sein,

ein kinder- und familienfreundliches Klima zu schaffen, welches die Men-

schen dazu ermutigt, sich in der Kommune wohlzufühlen und dort mit ihrer

Familie zu leben bzw. diese hier zu gründen.

Familien benötigen ein stabiles, haltendes Umfeld, weshalb das Angebot

von Arbeitsplätzen eine zentrale Rolle spielt. Deshalb ist es Aufgabe der

Kommunalpolitik dafür Sorge zu tragen, dass die Gemeinde für Arbeitge-

ber attraktiv gestaltet ist und es auch auf Dauer bleibt. Es ist also darauf

zu achten, dass man auf bereits ansässige und auch auf potentielle Ar-

beitgeber attraktiv wirkt. Um dies zu erreichen ist ein regelmäßiger Aus-

tausch mit den örtlichen Unternehmen notwendig. Dafür kommen mehrere

konkrete Maßnahmen in Betracht.

Zunächst ist es sinnvoll innerhalb der Verwaltung die Stelle eines Wirt-

schaftsförderers zu etablieren um einen dauerhaften Austausch zwischen

Verwaltung und Industrie zu gewährleisten. Außerdem kommt die Einfüh-

rung eines jährlichen „runden Tisches“, an welchem alle ortsansässigen

Betriebe teilnehmen sollten, in Frage. Weiterhin ist es zielfördernd auf die

Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen und ihnen beispielsweise bei

Konflikten im Rahmen von Firmenerweiterungen oder Grundstücksver-

handlungen bestmöglich entgegen zu kommen.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

21

Die zuvor genannten Maßnahmen fördern die überregionale Profilierung

als attraktiver Firmenstandort. Ein daraus resultierender Firmenzuzug wirkt

sich im Rahmen einer gesteigerten Wirtschaftskraft zudem positiv auf die

finanzielle Lage der Gemeinde aus. Dies ist der Fall, da mit steigenden

Gewerbesteuereinnahmen und der Zunahme wirtschaftsstarker Bevölke-

rungsschichten, welche von neu geschaffenen Arbeitsplätzen vor Ort profi-

tieren würden, zu rechnen ist.

Um die Ansiedlung junger Familien in der Gemeinde zu ermöglichen ist es

essentiell, neue Bauplätze auszuweisen und die angesprochene Zielgrup-

pe bei der Bauplatzvergabe zu bevorzugen. So kann jede Kommune in

ihren Vergaberichtlinien festlegen, dass jungen Familien beim Erwerb von

Baugrundstücken eine geringere finanzielle Belastung zu Teil wird. Um

besonders kinderreiche Familien als neue Einwohner zu gewinnen, kann

dieser finanzielle Vorteil an die Anzahl der zuziehenden Kinder geknüpft

werden.

Besonders attraktiv auf junge Familien, aber auch auf Unternehmen, wirkt

heutzutage die Bereitstellung einer schnellen Internetverbindung. Um die-

se schneller zu erreichen kann beispielsweise daran gedacht werden, im

Zuge einer ohnehin notwendigen Öffnung des Straßenraums Leerrohre zu

verlegen, da diese bei eintretendem Bedarf eine Anbindung an das Inter-

net schneller und günstiger ermöglichen.

Das Arbeits- und Bauplatzangebot ist nur ein Bestandteil einer attraktiven

Gemeinde. Ein weiterer Bestandteil ist die Vereinbarkeit von Familie und

Beruf. Hierzu gehört die Bereitstellung von Betreuungsangeboten für Kin-

der. „Die Kinderbetreuung muss ausgebaut, qualitativ verbessert und fle-

xibler gestaltet werden. Insbesondere die Betreuung für Kinder unter drei

Jahren hat hier Priorität. Auch ein flächendeckendes Betreuungsangebot

am Nachmittag schafft ein dichteres Netz familienfördernder Maßnahmen.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

22

[...] Eltern können so den Beruf und die Familie leichter vereinbaren, und

Kinder haben einen besseren Zugang zu frühkindlicher Bildung.“ 3

Dazu gehören besondere Angebote wie Bewegungstherapien und Sprach-

kurse zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund.

Solche Maßnahmen ermöglichen es der Gemeinde, sich in dem aufgrund

des demografischen Wandels bestehenden Konkurrenzkampf um den Zu-

zug von jungen Familien von Nachbargemeinden abzuheben und sich im

Vergleich zu diesen attraktiver darzustellen.

Familien planen längerfristig in die Zukunft, weshalb es wichtig ist, weiter-

führende Schulen anzubieten. Es ist nicht jeder Gemeinde möglich solche

Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Daraus ergibt sich die

Möglichkeit im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit Lösungs-

ansätze zu erarbeiten. Der Vorteil hierbei besteht darin, trotz sinkender

Schülerzahlen die Bildungsmöglichkeiten auch weiterhin zu gewährleisten,

indem die Aufgabenlast auf die teilnehmenden Gemeinden verteilt wird.

Damit eine solche Zusammenarbeit für alle Gemeinden attraktiv wird, ist

es erforderlich, dass sich die Gemeinden bei der Bereitstellung verschie-

dener Schularten ergänzen. So kann zum Beispiel die eine Gemeinde das

Gymnasium anbieten, während eine Andere den Schultyp Realschule be-

reitstellt.

Eine weitere Bedingung für das Gelingen einer solchen Zusammenarbeit

ist eine gut ausgebaute Infrastruktur. Hierunter fällt insbesondere der öf-

fentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Als konkrete Maßnahme kommt

hierfür die Schaffung einer Schulbuslinie in Betracht. Der ÖPNV stellt ei-

nen Teilaspekt der sogenannten Daseinsvorsorge dar, auf die im Folgen-

den näher eingegangen wird.

„Daseinsvorsorge bezeichnet die grundlegende Versorgung der Bevölke-

rung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen durch den Staat

3 Wegweiser Kommune, 2016

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

23

und/oder von der öffentlichen Hand geförderten Organisationen. Mitunter

werden auch Bezeichnungen wie „Existenzsicherung“ oder „zivilisatori-

sche Grundversorgung“ verwendet. Als Felder der öffentlichen Daseins-

vorsorgen werden häufig Aufgaben wie Abfallbeseitigung, Wasserversor-

gung, Energieversorgung und öffentlicher Personennahverkehr genannt.“4

Die Daseinsvorsorge macht einen erheblichen Teil der Attraktivität einer

Kommune aus, weshalb diese im Bestreben dem demografischen Wandel

entgegenzuwirken stets bemüht sein wird, die Daseinsvorsorge bestmög-

lich aufrecht zu erhalten.

Um sich von anderen Gemeinden abzuheben, ist es unabdingbar, über die

Grundversorgung hinaus Dinge des täglichen Bedarfs anzubieten.

Dazu gehört unter anderem das Schaffen attraktiver Einkaufsmöglichkei-

ten, da diese bei der Wahl des Wohnorts eine zentrale Rolle spielen. Es

kommt darauf an, ob eine Gemeinde eine breite Palette an Einkaufsmög-

lichkeiten aufweist, um den Bedürfnissen der Einwohner optimal gerecht

zu werden. Hier ist das ausschlaggebende Kriterium eine ortsnahe und

bequeme Versorgung, welche es der Bevölkerung durch kurze Wege zum

Einkaufsziel ermöglicht, Zeitaufwand und Kosten so gering wie möglich zu

halten.

Auch ein breit gefächertes Vereinsangebot wirkt auf die Einwohner anzie-

hend. Deshalb ist es wichtig die örtlichen Vereine zu unterstützen.

So sollen sich sowohl ältere als auch jüngere Menschen wohlfühlen, wes-

halb es zielführend ist, auch die notwendigen Räumlichkeiten zur Verfü-

gung zu stellen und die Kommunikation zwischen den Vereinen zu för-

dern. Die Einbeziehung der Bevölkerung in den Ortschaften in das kern-

städtische Vereinsleben ist ebenfalls wichtig, um das Gemeinschaftsgefühl

in der Gesamtgemeinde zu stärken. So kann eine positivere Atmosphäre

geschaffen werden, welche für eine lebenswerte Gemeinde unabdingbar

ist.

4 Wirtschafslexikon Gabler, 2016

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

24

Des Weiteren spielt die medizinische Versorgung vor Ort eine große Rolle.

Während die Apothekendichte in den meisten Kommunen offenkundig gut

ist, wird sich vor allem im ländlichen Raum der bestehende Ärztemangel

massiv verschärfen. Es werden kaum mehr Ärzte das Risiko einer Pra-

xiseröffnung in Gemeinden mit geringerer Einwohnerzahl eingehen, da bei

der bestehenden Bevölkerungszahl ein Schwund zu verzeichnen ist und

somit die Patientenzahl abnimmt. Gesundheit wird zum Standortfaktor,

eine präventive Gesundheits- und Pflegepolitik wird zum Dreh- und Angel-

punkt.

Zur Erreichung des Ziels ist es auch in dem Bereich der Daseinsvorsorge

notwendig, verstärkt die interkommunale Zusammenarbeit zu suchen.

Beispielsweise kann beim Breitbandausbau, bei der Wasser-/ Abwasser-

versorgung und beim Betrieb von Gas- und Stromnetzen enger zusam-

mengearbeitet und diese gemeinsam betrieben werden.

Dies sichert eine ressourcensparende Versorgung der Bevölkerung. Zu-

dem sollte auch aus diesen Gründen die Bildung von Verwaltungsgemein-

schaften häufiger in Erwägung gezogen werden. So kann mit weniger

Verwaltungsaufwand die gleiche Leistung erzielt werden. Dies bietet vor

allem kleiner werdenden Gemeinden Vorteile. Diese können die anfallen-

den Aufgaben in der Gemeinschaft effizienter erfüllen, da Personal- und

Arbeitsressourcen gemeinsam genutzt und so auch ausgelastet werden.

Beispielsweise durch weniger Personalkosten und Gebäudeunterhal-

tungsaufwand beim gemeinsamen Betrieb der Bau- oder Finanzverwal-

tung.

Um die oben genannten Vorhaben umsetzen zu können, bietet es sich an,

die Bürger bei der Planung zu beteiligen. In diesem Rahmen führt der

sensible Umgang der Politik und Verwaltung mit den Bedürfnissen der

Familien zu einer kommunalen Familienpolitik, mit der Lebensräume neu

gestaltet werden können. Entscheidend ist das Motto: „Nicht für, sondern

mit Bürgern planen.“

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

25

3.2. Die Seniorenpolitik

Ältere Menschen sind in unserer Gesellschaft längst keine Randgruppe

mehr. Sie stellen schon heute in einigen Gemeinden und Städten die

größte Bevölkerungsgruppe dar.

Im Folgenden wird daher die Frage erörtert, was die Gemeinde tun kann,

um ältere Menschen zu motivieren, um ihr Potential zu nutzen und somit

dem demografischen Wandel etwas Positives abzugewinnen.

Es ist wichtig, gerade ältere Menschen in die Gesellschaft einzubinden,

besonders wenn deren Familien weit entfernt wohnen. Ältere Menschen

sind heutzutage noch sehr vital. Sie verfügen über viel Zeit und Lebenser-

fahrung und wollen sich in die Gesellschaft einbringen. Die Aufgabe der

Gemeinde ist es daher, Senioren mit Hilfe verschiedener Maßnahmen

einzubinden und nicht auszuschließen.

Eine mögliche Maßnahme ist die Einrichtung eines Seniorenrates, welcher

die Interessen der Senioren vertritt. Somit wird den Senioren die Möglich-

keit gegeben, Verantwortung zu tragen und an kommunalpolitischen Pro-

zessen mitzuwirken. Dies führt dazu, dass das Zugehörigkeitsgefühl der

älteren Bevölkerung gestärkt wird. Dadurch wird ein Ausgleich zwischen

„Jung und Alt“ hergestellt, wenn neben dem Seniorenrat auch eine Inte-

ressensgemeinschaft der Jugend besteht. Wichtig ist es, eine generatio-

nenübergreifende Kommunikation zu fördern. So können beispielsweise

Computerkurse für Senioren von Schülern angeboten werden, während

sich Senioren wiederum in freiwilligen Programmen wie der Hausaufga-

benbetreuung oder der Betreuung von jugendlichen Flüchtlingen einbrin-

gen können. Auf diese Weise werden die Potentiale wechselseitig ergänzt

und die Generationen können voneinander profitieren.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

26

Dieses Prinzip des „Gebens und Nehmens“ kann auch im Rahmen eines

Mehrgenerationenhauses als Treffpunkt für „Jung und Alt“ verwirklicht

werden. Im Zuge dieses Prozesses ist es sinnvoll, örtliche Institutionen mit

einzubeziehen, da somit ein größeres Angebot gewährleistet und ein wei-

terer Personenkreis angesprochen werden kann.

In Frage kommen hierfür Kirchen und Vereine, da diese in der Lage sind,

eine große Anzahl von Personen zu erreichen. Ein Beispiel hierfür stellt

ein monatlich stattfindender Altennachmittag dar, zu welchem im örtlichen

Amtsblatt eingeladen und welcher von der Jugend mit organisiert werden

kann. Um eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, kann zu dem dort gebo-

tenen Programm Kaffee und Kuchen serviert werden.

Das Risiko hilfs- und pflegebedürftig zu werden steigt mit zunehmendem

Alter. Die meisten Menschen haben den Wunsch, auch dann selbstständig

und selbstbestimmt weiterhin in der vertrauten häuslichen Umgebung zu

leben. Hieraus resultiert eine Vielzahl von Aufgaben für die kommunale

Seniorenpolitik.

Ein wichtiger Bestandteil dieser muss es sein, ausreichend altengerechten

Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Altengerechtes Wohnen hat viele

Facetten. So ist es vorteilhaft, wenn Senioren möglichst zentral in der

Kernstadt wohnen, sodass die Innenstadt zu Fuß erreicht werden kann

und es ihnen möglich ist, selbstständig am gesellschaftlichen Leben teil-

zunehmen. Denjenigen, denen diese Möglichkeit verwehrt bleibt, kann mit

der Einrichtung eines sogenannten Seniorenbusses abgeholfen werden.

Dieser bedient speziell auf Senioren zugeschnittene Routen um bei-

spielsweise Geschäfte des täglichen Bedarfs und Arztbesuche tätigen zu

können.

Ein positiver Aspekt des Seniorenbusses ergibt sich auch aus der Knüp-

fung von zwischenmenschlichen Kontakten unter den Senioren während

der Busfahrt.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

27

Außerdem muss sich die Gemeinde im Klaren darüber sein, welche

Wohnformen konkret vor Ort benötigt werden.

Um diese große Herausforderung zu bewältigen sind wiederum interkom-

munale Absprachen sinnvoll und zielfördernd. Es ist wichtig, dass auf Ar-

beitsebene ein reger Austausch von Ideen und Erfahrungen der entspre-

chenden Stellen stattfindet. So sollten längerfristige Vorhaben, wie etwa

der ins Auge gefasste Neubau eines Seniorenheimes, miteinander abge-

sprochen werden, um ein geeignetes Maß an Bedarfsdeckung zu gewähr-

leisten.

Im Zuge der Förderung altengerechten Lebens ist die Thematik einer bar-

rierefreien Kommune anzusprechen. Hierzu zählen die Absenkung von

Bordsteinen, der Ausbau von Aufzügen, Rollstuhlrampen und altengerech-

ten öffentlichen Toiletten. Diese Reihe von Maßnahmen sorgt dafür, dass

den in der Gemeinde lebenden Senioren ein Maximum an Bewegungs-

freiheit ermöglicht wird.

Ein weiterer Aspekt der Seniorenpolitik umfasst die Bildungsmöglichkeiten

der älteren Menschen. Eine zentrale Möglichkeit diese anzubieten besteht

in dem Angebot von Kursen (z.B. EDV- oder Fremdsprachenkurse) an der

örtlichen Volkshochschule.

Hier können sich die Senioren neues Wissen aneignen, bestehendes aus-

bauen und zudem soziale Kontakte knüpfen. Dies stellt einen weiteren

Punkt dar, welcher die Teilhabe am Gesellschaftsleben fördert. Diese

Teilhabe ist im Zuge des demografischen Wandels in besonderem Maße

herauszustellen, da dieser nur zu bewältigen sein wird, indem die Gesell-

schaft näher zusammenrückt.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

28

4. Strategie zum Angehen des Problems

4.1. Mitarbeiter der Verwaltung

Der Bürgermeister muss sich selbst mit der Problematik auseinanderset-

zen und sämtliche Mitarbeiter über das Problem informieren und mit ein-

beziehen.

Ein Experte von außen, der sich mit der Problematik wissenschaftlich aus-

einandergesetzt hat und bereits Erfahrungen mit anderen Gemeinden bei

diesem Prozess gesammelt hat, muss herangezogen werden.

Dieser ist nun dafür zuständig, die Mitarbeiter für dieses Thema zu sensi-

bilisieren und deren Lösungsfähigkeiten zu mobilisieren.

Den Mitarbeitern muss die Möglichkeit gegeben werden, zu Vorschlägen

Stellung zu nehmen und selbst solche einbringen zu können. Dies ermög-

licht eine vielperspektivische Sichtweise auf die Problemstellung.

Als nächstes müssen Mitarbeiterkreise für jeden Sachbereich gebildet

werden. In diesen Kreisen werden Vorschläge und Ziele zu den einzelnen

Bereichen erarbeitet. Jedem Kreis sollte ein externer Berater bereitgestellt

werden.

Es sollten regelmäßige Treffen für alle Mitarbeiterkreise stattfinden, um die

Ergebnisse der einzelnen Gruppen präsentieren zu können.

4.2. Gemeinderat und Ortschaftsräte

Die Ergebnisse der Mitarbeiterkreise müssen nun dem Gemeinderat vor-

gestellt werden.

Der Gemeinderat muss über die Problematik ebenfalls durch einen Exper-

ten informiert werden. Zudem muss ihm deutlich aufgezeigt werden, dass

der demografische Wandel ein zentrales Thema für die Gemeinde ist und

kein lediglich vorübergehendes Problem darstellt. So sollten beispielswei-

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

29

se bei anstehenden Investitionen die Auswirkungen des demografischen

Wandels berücksichtigt werden.

Die Gemeinde- und Ortschaftsräte müssen Gruppen bilden, in denen zu

verschiedenen Bereichen Lösungsvorschläge und Zielvorgaben erarbeitet

werden.

Es müssen weiterhin regelmäßig gemeinsame Treffen aller Gruppen statt-

finden, um den anderen Gruppen die erarbeiteten Ergebnisse vorstellen

zu können und darüber zu beraten.

4.3. Bürger

Die Bürger sollten in Form einer Bürgerversammlung informiert und so in

den Prozess miteinbezogen werden.

Vereine, Kirchen, Schulleiter, Verantwortliche für Kindergärten, Hauptver-

antwortliche der kommunalen Firmen, Bürgerstiftungen, eine bestimmte

Anzahl von jungen (U25) und älteren Menschen (Ü60), aber auch Neu-

bürger sollten berücksichtigt werden.

Die Bürger sollten dazu angehalten werden, Gruppen zu bilden, welche

gemeinsam für einzelne Bereiche Lösungsvorschläge und Zielvorgaben

erarbeiten.

Darüber hinaus sollten regelmäßige Treffen organisiert werden, bei denen

die einzelnen Gruppen ihre Ergebnisse vorstellen können. Durch diesen

Informationsaustausch wird eine regelmäßige und umfassende Teilhabe

an den einzuleitenden Prozessen sichergestellt, was dazu führt, dass sich

die Bürger „mitgenommen“ fühlen. Hierdurch wird Unzufriedenheit vorge-

beugt.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

30

4.4. Wie kann man diesen Prozess in einer Gemeinde „am Lau-

fen halten“?

Um diesen Prozess in einer Gemeinde „am Laufen zu halten“, sollte man

im Amtsblatt, auf der Homepage und in Social Media wie z.B. „Facebook“

Informationen zu den Ergebnissen der einzelnen Gruppen veröffentlichen

und die Bürger immer wieder auf die Problematik aufmerksam machen.

Außerdem ist es notwendig, regelmäßig öffentliche Veranstaltungen zu

organisieren, um die Bürger über die Ergebnisse der Gruppen zu informie-

ren.

Darüber hinaus ist es wiederum sinnvoll, die Volkshochschule einzubin-

den. Hierzu könnte beispielsweise der Leiter der Volkshochschule dazu

animiert werden dafür Sorge zu tragen, dass an seiner VHS in Form von

Vorträgen im Rahmen des Volkshochschulprogrammes regelmäßig über

die Problematik informiert wird.

Zudem wirkt sich die regelmäßige Teilnahme des Bürgermeisters an den

Treffen der einzelnen Gruppen zielfördernd aus. So erhält er fortlaufend

ein aktuelles Bild der Lage und kann bei Bedarf unterstützend tätig wer-

den. Dies schlägt sich wiederum in einer gesteigerten Arbeitsbereitschaft

der einzelnen Gruppenmitglieder nieder, da diese sich so ernst genom-

men und nicht alleine gelassen, fühlen.

Des Weiteren sollten Umfragen über die Zufriedenheit der Bürger durch-

geführt werden, um möglichen Fehlentwicklungen, falls nötig, gegensteu-

ern zu können.

Unabdingbar für den gesamten Prozess ist, dass eine gewisse Kontinuität

stattfindet, da so die Problematik des demografischen Wandels stets im

Bewusstsein der handelnden und betroffenen Personen (Verwaltung und

Bürger, Industrie, Handwerk, Kirchen, Sozialverbände etc.) bleibt.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

31

5. Positive Aspekte/ Chancen

5.1 Wirtschaft

„Wenn die Menschen länger leben, dann geben sie auch mehr Geld aus.“5

Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für das Wirtschaftswachstum.

Es werden generell mehr Dienstleistungen und Güter, insbesondere des

Gesundheitswesens und der Freizeitgestaltung (Wellness- und Sportan-

gebote), nachgefragt, die Ausgaben für Mobilität und Kommunikation sin-

ken jedoch, denn „Ältere konsumieren nicht weniger, nur anders“6.

Durch die gesteigerte Nachfrage in den genannten Bereichen des Freizeit-

und Gesundheitswesens vergrößert sich das Angebot an Gütern und

Dienstleistungen in diesen, wodurch neue Arbeitsplätze unter anderem

auch in der Altenpflege geschaffen werden.

Außerdem qualifizieren sich Mitarbeiter im Alter fachlich zunehmend und

gewinnen an Erfahrung und Menschenkenntnis, wodurch die Unterneh-

men, in denen diese beschäftigt sind, profitieren.7

Auch die kinderlosen, jungen Erwachsenen fördern durch den Verzicht auf

Kinder und der damit verbundenen beruflichen Flexibilität das Wirt-

schaftswachstum.

Zudem werden durch den Geburtenrückgang Ressourcen freigesetzt, die

von den Eltern in die Ausbildung der Kinder investiert werden. Diese ver-

besserte Ausbildung führt zu mehr Bildung, qualifizierteren Arbeitern und

stärkt damit die Wirtschaft. Voraussetzung ist aber, dass die zusätzlichen

Ressourcen auch für die Bildung genutzt werden und nicht in anderen Be-

reichen eingesetzt werden.8

5 Der demographische Wandel, Robert Bosch Stiftung, 2009, S. 100

6 Bundeszentrale für politische Bildung, 2016

7 Der demographische Wandel, Robert Bosch Stiftung, 2009, S. 100

8 Scinexx, 2016

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

32

Allgemein verbessern sich die Beschäftigungschancen vor allem für hoch-

qualifizierte Berufe.9

5.2. Gesellschaftliches Miteinander

Eine weitere positive Auswirkung des demografischen Wandels ist wie

schon bereits erwähnt, dass das gesellschaftliche Miteinander gefördert

wird.

Dadurch, dass die Bevölkerung abnimmt, wachsen Jung und Alt stärker

zusammen. Dies wird im gesamten Gemeindeleben deutlich, z.B. in Ver-

einen, beim Einkaufen oder bei generationenübergreifenden Projekten

und Initiativen.

„Die Jungen laufen schneller – aber die Älteren kennen die Abkürzungen.“

Dieses bekannte Sprichwort fasst zusammen, was die demografische

Entwicklung unter anderem mit sich bringt: die Jungen können und müs-

sen von den Älteren lernen.

Eine weitere positive Auswirkung der demografischen Entwicklung auf das

gesellschaftliche Miteinander ist die interkommunale Zusammenarbeit.

Kleine Gemeinden und Teilorte kooperieren mehr, da sie sich beispiels-

weise über die Daseinsvorsorge, insbesondere die Verteilung der Bereit-

stellung von Dienstleistungen, absprechen müssen.

Dadurch wächst die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und es findet

ein effizienter Wissensaustausch statt.

5.3. Asyl

Die Asylsituation in Deutschland bringt neue wichtige Aspekte mit sich. Sie

kann den negativen Auswirkungen des demografischen Wandels langfris-

tig gesehen entgegenwirken. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein Gelin-

gen der Integration.

9 Bundeszentrale für politische Bildung, 2016

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

33

Durch die Zuwanderung verändert sich die Altersstruktur in den Gemein-

den, da mehr junge Menschen in die Kommunen kommen. Junge Familien

mit Kindern können die Erhaltung kommunaler Einrichtungen wie z.B. Kin-

dergärten und Schulen sichern. Kritisch zu betrachten ist jedoch, dass die

Asylbewerber möglicherweise eher Großstädte als Wohnort bevorzugen

und damit das Problem der Bevölkerungsschrumpfung in kleinen Kommu-

nen bestehen bleibt.

Ein weiterer positiver Aspekt der Zuwanderung ist, dass Asylbewerber mit

Fachkenntnis qualifizierte Berufe ausüben können, bei denen ein Fach-

kräftemangel besteht. Hier ist insbesondere die Branche des Handwerks

betroffen, da die Nachfrage dieser Berufe in Deutschland momentan nicht

sehr ausgeprägt, aber für die Wirtschaft von zentraler Bedeutung ist. Dafür

müssen allerdings der Wille und die Bereitschaft der Asylbewerber vor-

handen sein, in diesen Berufen zu arbeiten.

Positiv ist auch, dass sich in einigen Gemeinden Rentner in Helferkreisen

für Asylbewerber einsetzen.

„Dieses freiwillige Engagement könnte das Miteinander der älteren und

jüngeren Generation fördern.“ 10

10

Der demographische Wandel, Robert Bosch Stiftung, 2009, S. 100

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

34

6. Fazit

Bei der Befragung der Bürgermeister und Gemeinderäte in verschiedenen

Kommunen war erkennbar, dass oft noch Handlungsbedarf in Hinblick auf

das Entgegenwirken des demografischen Wandels besteht. Der Hand-

lungsansatz darf dabei nicht nur theoretisch bestehen, sondern muss auch

praktisch bei jeder Entscheidung ausgeführt werden.

Es muss den Kommunen bewusst sein, dass die Auswirkungen des de-

mografischen Wandels unaufhaltsam sind.

Aus dem demografischen Wandel ergeben sich nicht nur negative Folgen,

sondern auch positiv wirkende Effekte.

Die Gemeinde muss jedoch frühzeitig agieren und präventive Maßnahmen

einleiten, anstatt lediglich im Nachhinein zu reagieren.

Im Übrigen möchten wir festhalten, dass die demografische Entwicklung

eines der zentralen Themen im kommunalen Bereich ist. Es ist ein lang-

fristig orientiertes Thema, welches nicht übermorgen abgehandelt sein

wird, sondern auch in Zukunft eine sehr große Rolle spielt.

Damit den Auswirkungen des Wandels also angemessen begegnet wer-

den kann, ist es unabdingbar, dass den handelnden Personen die Trag-

weite dieser Problematik bewusst wird und bleibt.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

35

Literaturverzeichnis

Bertelsmann Stiftung. Demographie konkret - Handlungsansätze für die kommunale

Praxis

Rademacher, C. (kein Datum). Deutsche Kommunen im Demographischen Wandel - Eine

Evaluationlokaler bevölkerungspolitischer Maßnahmen. Von Rademacher,

Christian: Deutsche Kommunen im Demographischen Wandel - Eine Evaluation

abgerufen

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ausforderungen und Chancen

Statistische Landesamt Baden-Württemberg. (2009). Der demografische Wandel in

Baden-Württemberg. Herausforderung und Chancen. Stuttgart: Statistische

Landesamt Baden-Württemberg.

Statistisches Bundesamt. (2012). Geburten in Deutschland. Wiesbaden: Statistisches

Bundesamt.

Demografischer Wandel. Auswirkungen auf die Gemeindepolitik 2016

36

Quellenverzeichnis

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der Bevölkerung durch aktuell hohe Zuwanderung nicht umkehrbar:

https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/01

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Statistisches Bundesamt. (02. März 2016). Destatis - Statistisches Bundesamt. Von

https://www.destatis.de/DE/Startseite.html abgerufen

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abgerufen

Wegweiser Kommune. (29. 02 2016). Von http://www.wegweiser-kommune.de/

abgerufen

Wegweiser Kommune. (20. Februar 2016). Von Kommunale Familienpolitik:

https://www.wegweiserkommune.de/documents/10184/16915/V_Kommunale

+Familienpolitik.pdf/0086a19a-c3ee-409a-9aa9-64d9cbd2911a abgerufen

Wirtschaftslexikon Gabler. (11. Januar 2016). Von Definition Daseinsvorsorge:

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/daseinsvorsorge.html abgerufen

Demografischer Wandel Auswirkungen auf die Gemeindepolitik

1. Einleitung

1.1 Definition

„Demografischer Wandel“

Veränderung der Zusammensetzung der

Altersstruktur einer Gesellschaft

Abhängig von 3 Faktoren:

− Geburtenrate

− Lebenserwartung

− Wanderungssaldo

1.2 Ziel unserer Arbeit

Bürger und Gemeinden auf Thema und

damit verbundenen Herausforderung

aufmerksam machen

Lösungsansätze für Gemeinden

2. Daten und Fakten

2.1 Aktueller Stand & Prognose

Ba.-Wü. 2015:

10.830.767 Menschen, davon

jünger als 20 Jahre: 2.073.000 (19%)

älter als 60 Jahre: 2.795.840 (26 %)

Ba.-Wü. 2035:

11.127.032 Menschen, davon

jünger als 20 Jahre: 2.098.619 (+1,2%)

älter als 60 Jahre: 3.625.591 (+4 %)

2.1 Aktueller Stand & Prognose

Problematik bei Gesamtbetrachtung in

Ba.-Wü. überschaubar,

ABER:

Besonders Gemeinden im ländlichen Raum

betroffen

Landflucht

Daten liegt starke Zuwanderung zugrunde

2.2 Ursachen

Zunehmende Lebenserwartung

Rückgang Geburtenrate

2.2 Ursachen

Wandel der Wertvorstellungen

Berufliche Flexibilität

Auswirkung auf die gesellschaftliche

Altersstruktur

3. Lösungsansätze

3.1 Die Familienpolitik

Arbeitsplätze

Gemeinde für Arbeitgeber attraktiv gestalten

Regelmäßiger Austausch mit Unternehmen

Wirtschaftsförderer

„Runder Tisch“

überregionale Profilierung alsFirmenstandort

Ausweisen neuer Bauplätze

Junge Familien bevorzugen

Schnelle Internetverbindung

Kinderbetreuung

U3 und Ü3 Betreuung fördern

Zahl der Betreuungsplätze erhöhen

Frühkindliche Bildung

Abheben von Nachbargemeinden

Bildungsmöglichkeiten

Interkommunale Zusammenarbeit

Gewährleistung von

Bildungsmöglichkeiten trotz sinkender

Schülerzahlen

Infrastruktur

ÖPNV

Öffentliche Daseinsvorsorge

Dinge des täglichen Bedarfs

Breit gefächertes Vereinsangebot

Medizinische Versorgung

Bürger bei der Planung beteiligen

„Nicht für, sondern mit Bürgern planen“

3.2 Seniorenpolitik

„Was kann die Gemeinde tun, um ältere Menschen

zu motivieren und ihr Potential zu nutzen?“

Einbindung der älteren Bevölkerung

Seniorenrat

Freiwillige Programme

Mehrgenerationenhaus

Kirchen und Vereine

VHS

Positive Folgen des demografischenWandels: Senioren bringen sich in dieGesellschaft ein

Förderung altengerechten Lebens

Geeigneten Wohnraum schaffen

Seniorenbus

Barrierefreie Kommune

4. Positive Aspekte

4.1 Wirtschaft

Nachfrage an Dienstleistungen und Güter steigt

→ größeres Angebot → mehr Arbeitsplätze

Zusätzliche Ressourcen für Bildung

Verbesserung der

Beschäftigungschancen hochqualifizierter

Berufe

4.2 Gesellschaftliches Miteinander

Jung und Alt wachsen stärker zusammen

Interkommunale Zusammenarbeit

4.3 Asyl

Durch junge Zuwanderer Veränderung

der Altersstruktur

Erhaltung kommunaler Einrichtungen

Ausübung qualifizierter Berufe durch

Asylbewerber

FAZIT

Demografischer Wandel unabwendbar

Kontinuierliches Bewusstsein für die

Problematik

Frühzeitiges Agieren der Gemeinden

notwendig

Zentrales Thema der

Kommunalpolitik

Vielen Dank für Eure

Aufmerksamkeit!