Der Frühjahrsputz

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Frances H. Burnett, Kinderbuch, Leseprobe

Transcript of Der Frühjahrsputz

GolubBooks

Edition Green Gables

Band 6

Frances Hodgson Burnett

Der Frühjahrsputz Erzählt von Königin Reizmichnicht

Aus dem Englischen

von Benjamin Alt

GolubBooks

Deutschsprachige Ausgabe ©2014 GolubBooks, Karlsruhe Die Originalausgabe erschien unter dem Titel „The Spring Cleaning. As told by Queen Crosspatch“. The Century Co., New York, 1921. Übersetzung: Benjamin Alt Lektorat: Sophia Weiss Autorenfoto: Herbert Rose Barraud (1845-1896) Logo: V-print B.V., Niederlande

Umschlagillustration: ©Bruniewska

Königin Reizmichnicht-Illustration: ©Asmaa Murad

Illustrationen: ©Harrison Cady Covergestaltung: BGV, Karlsruhe Satz: BGV, Karlsruhe Druck: WmD GmbH, Backnang, DE ISBN 978-3-942732-13-0

www.golub-books.de Bibliographische Information der Deutschen Nationalbi-bliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publi-kation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Der Frühjahrsputz

Erzählt von Königin Reizmichnicht

Es sind die abertausend Kleinigkeiten, die ich

für Leute wie die Puppen vom Holterdie-

polterhaus oder Winnie und die Rooks oder

den Gemütlichen Löwen erledigen muss, die

es mir unmöglich machen, mich meiner lite-

rarischen Tätigkeit zu widmen. Natürlich,

nichts würde je erzählt werden, würde ich es

nicht erzählen, und wie soll ein Mensch Zeit

für Geschichten finden wenn sie fünfundsieb-

zig Stunden am Tag arbeitet – Du magst

einwenden, ein Tag hat keine fünfundsiebzig

Stunden, aber ich weiß es besser. Ich arbeite

fünfundsiebzig Stunden am Tag, ob er sie hat

oder nicht.

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Du verstehst natürlich nicht, was Frühjahrs-

putz für mich bedeutet. Das kommt daher,

dass du so gut wie nichts vom Fee-sein ver-

stehst. Ich glaube, Du denkst, das Frühjahr

komme mit dem April und ich hätte nichts

damit zu tun. Aber da liegt dein Fehler. Der

April könnte kommen und ein ganzes Jahr

bleiben und nichts würde passieren, setzte

ich die Dinge nicht in Bewegung. Im Herbst

bringe ich die Welt zu Bett, und im Frühjahr

wecken ich und meine Grünen Helfer sie

wieder auf – und wir haben Spaß dabei. Und

wenn alles vorbei ist, sind meine Grünen

Helfer so müde, dass ich sie einen Monat

lang schlafen lasse.

Letztes Frühjahr war besonders anstren-

gend. Es war so langsam und widerspenstig,

dass es Tage gab an denen ich dachte, es

sollte dieses Jahr gar keinen Frühling geben

und ich sollte gleich mit dem Sommer an-

fangen. Ich hatte das schon einmal getan,

und werde ich wütend, würde ich es wieder

tun.

Ich tat es nur wegen Bündel nicht. Bün-

del war das kleine Mädchen, das im Pfarr-

haus wohnte. Sie hieß Bündel, weil sie als

dickes Baby mit gerüschten Röckchen um

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ihre kurzen Beine so süß und lieb aussah,

dass eines Tages jemand sagte, sie sei nichts

als ein Bündel Heiterkeit, und bald nannte

sie jeder Bündel. Sie war acht Jahre alt, und

sie war klein, dick, und lustig, und immer

lachte sie, oder hatte gelacht, oder begann zu

lachen, und genau diese Art von Kindern

mag ich am meisten – es ist die Art, die Feen

immer mögen, und die Grünen Helfer auch.

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Ihr Vater war der Pfarrer einer sehr alten

Kirche in einem sehr alten englischen Dorf,

in dem viele arme Leute lebten, und in jeder

Hütte mochte man sie. Die alte, bettlägerige

Mrs. Wiggles hörte auf zu murren, wenn

Bündel sie besuchen kam, und der alte

Daddy Dimp, taub wie ein Stein, legte seine

Hand hinters Ohr und beugte sich herunter,

sodass sie auf Zehenspitzen stehen und ihm

zurufen konnte:

„Wie geht es Ihrem Rheuma heute, Daddy? Ich habe Ihnen ein Päckchen Tabak

mitgebracht.

Weil sie nie mehr als einen halben Pfen-

nig besaß, konnte sie ihm nie mehr als einen

halben Pfennig Tabak mitbringen, eingewi-

ckelt in einem Stück Papier, aber ich kann

Dir sagen, er liebte es, und begann zu ki-

chern, zu grinsen, und seine alten Hände zu

reiben:

„Danke, Miss. Mir geht es schon viel bes-

ser! , und er freute sich wie ein Honigku-

chenpferd.

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Nun, das war nur die Geschichte von EINEM

meiner Frühjahrsputze, und wenn Du immer

noch nicht verstehst, warum ich so viel zu tun

habe und warum ohne mich nichts auf der Welt

funktioniert, musst Du wirklich blind sein. Ich

weiß noch nicht, was ich Dir als nächstes erzäh-

len soll, daher folgt hier noch kein Name. Aber

wenn ich wieder Zeit habe, erzähle ich dir die

nächste meiner Geschichten, und Du weißt ja,

ich habe dir schon fünf davon erzählt.

Königin Reizmichnicht

Frances Hodgson Burnett (*24. 11. 1849 in

Manchester, England † . . in Plan-

dome, New York) ist eine britische Schrift-

stellerin, deren Kinderbücher Der kleine Lord

(Little Lord Fauntleroy), Eine kleine Prinzessin

(A Little Princess) und Der geheime Garten

(The Secret Garden) weltbekannt geworden

sind, mehrfach verfilmt wurden und bis

heute sehr beliebt sind.