DER PRÜFINGENIEUR - BVPI · 2018. 9. 11. · Klaus Stiglat und Herbert Wippel wurden 80 Jahre alt...

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www.bvpi.de | ISSN 1430-0984 DER PRÜFINGENIEUR Das Magazin der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik November 2012 | 41 Das Brandschutzkonzept für das Militärhistorische Museum Dresden Simulationen für die effiziente Brandschutzplanung Fortschritte der Initiative PraxisRegelnBau DEGES: Planen für die Länder, bauen für Deutschland Verwendbarkeitsnachweise und Anwendbarkeitsnachweise Die MBO: Meilenstein auf dem Weg in die richtige Richtung Reformvorschläge für die gesamtschuldnerische Haftung

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    DER PRÜFINGENIEURDas Magazin der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik

    November 2012 |41

    � Das Brandschutzkonzept für das Militärhistorische Museum Dresden� Simulationen für die effiziente Brandschutzplanung� Fortschritte der Initiative PraxisRegelnBau � DEGES: Planen für die Länder, bauen für Deutschland� Verwendbarkeitsnachweise und Anwendbarkeitsnachweise� Die MBO: Meilenstein auf dem Weg in die richtige Richtung� Reformvorschläge für die gesamtschuldnerische Haftung

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  • INHALT

    Der Prüfingenieur | November 2012 3

    EDITORIALDr.-Ing. Markus Wetzel: Übergabe des Staffelholzes 4

    NACHRICHTENArbeitstagung 2012: Markus Wetzel zum neuen Präsidenten der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik gewählt 6

    Flughafen Berlin-Brandenburg: Verkehrsausschuss des Bundestages bittet die BVPI um Unterstützung 9

    Bundesvereinigung der Prüfingenieure legt Abschlussberichtüber die Erprobung des Erdbeben-Eurocode vor 9

    Der BÜV bereitet einen Leitfaden für unwettergefährdeteBauwerke und den Überflutungsschutz vor 10

    CEBC-Herbst-Meeting: Die deutschen Prüfingenieure gewinnen in Europa berufspolitisch deutlich an Statur 11

    Arbeitstagung 2013 der Bundesvereinigung am20. und 21. September in Konstanz am Bodensee 11

    Klaus Stiglat und Herbert Wippel wurden 80 Jahre altEin erfolgreiches Doppel ein ganzes Ingenieurleben lang 12

    Die Erprobung der Anwendung des Eurocode 6 für denMauerwerksbau wurde erfolgreich abgeschlossen 13

    BRANDSCHUTZDipl.-Ing. Sylvia Heilmann: Ein ingeniöses Brandschutzkonzept fürDaniel Libeskinds Militärhistorisches Museum in Dresden 14

    BRANDSCHUTZ Dr.-Ing. Dietrich Eckhard Hagen: Experimentelle und theoretische Brand- und Rauchsimulationen als Grundlage einer effizienten Brandschutzplanung 21

    NORMUNGDr.-Ing. Robert Hertle: Die Projektarbeit der Initiative PraxisRegelnBauist komplex und anspruchsvoll 26

    INGENIEURBAUBauassessor Dipl.-Ing. Dirk Brandenburger: 20 Jahre DEGES – Rückblickund Vorausschau: Planen für die neuen Länder, bauen für ganz Deutschland 33

    BAUÜBERWACHUNGDr.-Ing. Hans-Alexander Biegholdt: Pflichten der Prüfingenieure undPrüfsachverständigen: Verwendbarkeitsnachweise und Anwendbarkeitsnachweise 39

    BAUAUFSICHTMinisterialdirigent Ulrich Reinhard Beyer: Die Musterbauordnung der Länderist ein Meilenstein auf dem Weg in die richtige Richtung 45

    HAFTUNGMinisterialdirektor a. D. Michael Halstenberg: Reformvorschläge für dasProblem der gesamtschuldnerischen Haftung der Planer und Bauausführenden 49

    BAUAUFSICHTDipl.-Ing. Gerhard Breitschaft: Aufgabe des DIBt: Die bautechnischen Aufgabendes öffentlichen Rechts in Deutschland einheitlich behandeln 56

    IMPRESSUM 60

  • EDITORIAL

    4 Der Prüfingenieur | November 2012

    Übergabe des Staffelholzes

    Dresden ist eine derjenigen Städte Deutschlands, die aufgrund ihreshistorischen und kulturellen Erbes national und international wahrge-nommen werden. Aus diesem Grund habe ich zur Eröffnung der dies-jährigen Arbeitstagung der Prüfingenieure am 12. September 2012 inDresden – stellvertretend für alle Teilnehmer – unsere Freude darüberzum Ausdruck gebracht, in dieser schönen Stadt zu Gast zu sein.

    Die Arbeitstagung 2012 stand im Zeichen der Verabschiedung deslangjährigen Präsidenten der Bundesvereinigung der PrüfingenieureDeutschlands, Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, der dieses Amt fast acht Jah-re innehatte. Als sein Nachfolger habe ich Hans-Peter Andrä gegen-über unseren aufrichtigen Dank für die vielen Jahre seiner Präsident-schaft zum Ausdruck gebracht.

    Hans-Peter Andrä wusste darum, dass die Bundesvereinigung derPrüfingenieure für Bautechnik mit lediglich 650 Mitgliedern enorm„strampeln“ muss, um sich im politischen Umfeld angemessen Gehörzu verschaffen. Bei einer derartigen Verbandsgröße war es notwendig,die BVPI in das Netzwerk der Kammern und Verbände zu integrieren –dieser Aufgabe hat sich Hans-Peter Andrä mit der für ihn typischen Be-harrlichkeit angenommen.

    Für ihn, und damit für uns alle, sind die Prüfingenieure zum einendiejenigen, die die ihnen zugewiesene hoheitliche Aufgabe verantwor-tungsbewusst wahrnehmen, und zum anderen: Partner am Bau, diesich aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungsprofile konstruktiv in denProzess der Planung und Bauausführung einbringen können.

    Hans-Peter Andrä pflegte nicht den präsidialen Führungsstil; viel-mehr bevorzugte er als Primus inter Pares den kollegialen Umgang imPräsidium und erweiterten Vorstand, und er war am Austausch sowieam Ausgleich unterschiedlicher Meinungen sehr interessiert. Mit En-gagement förderte er das positive Berufsbild der planenden und prü-fenden Bauingenieure in der Öffentlichkeit.

    Ohne das persönliche Engagement Einzelner – so wie es Hans-PeterAndrä in den vergangenen Jahren für uns alle gelebt hat – würde eskeine Verbandsarbeit und damit letztendlich auch keine Verbände ge-ben. Wesentliche Aufgabe der BVPI ist es, das berechtigte Interesse derAllgemeinheit an der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben zu arti-kulieren und zu vertreten.

    In diesem Bewusstsein hat die Bundesvereinigung der Prüfinge-nieure für Bautechnik Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä auf der Jahrestagungin Dresden am 14. September 2012 zu ihrem Ehrenpräsidenten er-nannt.

    Die jährlichen Arbeitstagungen – an wechselnden StandortenDeutschlands – bieten die Gelegenheit zum technisch-fachlichen Ge-dankenaustausch. Dieser ist vor dem Hintergrund der inzwischen bau-aufsichtlich eingeführten Eurocodes wichtig und richtig. Darüber hin -aus darf an dieser Stelle ihre Bedeutung für politische Meinungsbil-dungsprozesse nicht unterschätzt werden.

    Das Selbstverständnis der Landesverbände der BVPI ist föderalgeprägt, da wesentliche Teile der öffentlichen Bauhoheit bei denBundesländern liegen. Für eine überregionale Ausrichtung und Wahr-nehmung unserer Positionen bedarf es einer Bundesvereinigung, dievon den Landesverbänden getragen wird. Gleichwohl müssen wiruns an dieser Stelle eingestehen, dass in jüngster Vergangenheit we-sentliche Entscheidungen in Brüssel getroffen wurden, zur Zeit dortin Realisierung sind und zukünftig in noch größerem Umfang dortanstehen.

    Um auf diese Entscheidungsfindungsprozesse Einfluss nehmen zukönnen, ist es für uns als Prüfingenieure wichtig zu wissen, wo wirheute stehen und wo wir uns zukünftig sehen. In diesem Zusammen-hang müssen wir uns zunächst klarmachen, dass geistig schöpferi-sche Leistungen – wozu auch die der Prüfingenieure zu rechnen sind– nicht dem Preiswettbewerb unterworfen werden dürfen. Ebensosollte sich die Gesellschaft – und damit sollten auch wir uns – dieFrage stellen, inwieweit Sicherheit verhandelbar ist. Meines Erach-tens können wir an dieser Stelle qualifiziert mitreden, da wir alsPrüfingenieure bezüglich der Qualität von Statik, Ausführungspla-

    Dr.-Ing. Markus WetzelPräsident der Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik

  • EDITORIAL

    Der Prüfingenieur | November 2012 5

    nung und Überwachung die beste Marktübersicht haben. Dies ist nurmöglich, wenn wir eine ständige Auseinandersetzung um technischeSachverhalte zulassen und Fortbildung auf hohem Niveau sicherstel-len.

    Als prüfende und aufstellende Ingenieure mit dem Drang zur Bau-stelle im Zuge unserer Überwachungstätigkeit sind wir interdisziplinärhandelnd im baulichen Planungs-, Prüfungs- und Ausführungsprozesstätig. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal, dessen wir uns bewusst seindürfen und das uns auch für andere interessant macht.

    Auf der Seite der öffentlichen Hand ist erkennbar, dass Ressourcennicht zuletzt unter wirtschaftlichen Aspekten optimiert und Kompeten-zen gebündelt werden. Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass hier-bei ein Teil der Fachlichkeit von Ingenieuren und Architekten verloren-geht. Hier können wir als Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure be-ziehungsweise als Prüfsachverständige unter Umständen eine wesent-liche Lücke füllen.

    Obwohl die internen Abstimmungsprozesse in Bundesländern so-wie national – auch vor dem Hintergrund des Normenwechsels – unsnach wie vor intensiv beschäftigen, spüren wir, dass wir als Prüfinge-nieure beziehungsweise Prüfsachverständige in Deutschland undEuropa nur dann zukunftsfähig sein werden, wenn wir politische Ent-scheidungsfindungsprozesse aus Deutschland heraus gebündelt inBrüssel aktiv mitbestimmen.

    Unsere auf Landes- und Bundesebene stark diversifizierenden Mei-nungsbildungsprozesse erschweren es an dieser Stelle, unsere Positio-nen zügig und verbindlich zu formulieren und hörbar nach außen zuvertreten.

    Hierbei geht es um zwei Themen:

    � Trotz intensiver Bemühungen in den vergangenen Jahren ist derPrüfingenieur in Europa nicht umfänglich angekommen – statt dessenspricht man lieber von Qualitätsmanagement und Verlässlichkeitsklas-sen etc., die intern oder extern von Dritten auf ihre Einhaltung über-prüft werden sollen. Hier stellt sich die Frage, in welcher Form dieseangedachten Wege von wem überwacht werden sollen. Stellen in die-sem Zusammenhang tatsächlich Mitarbeiter wie auch immer geartetergroßer Prüforganisationen eine Alternative dar zu den persönlich en-gagierten Prüfingenieuren, die für ihre Befähigung einen langen Erfah-rungsweg einschließlich einer Überprüfung durch die oberste Bauauf-sicht der Länder zurücklegen müssen, bevor sie zu Prüfingenieuren be-ziehungsweise Prüfingenieurinnen ernannt wurden?

    An dieser Stelle ist von uns allen viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

    � Die neue Generation von Normen hat Berge von Papier produziert.Aus diesem Grund versucht die PRB (Initiative Praxisgerechte Regel-werke in Sachsen e.V.) Einfluss auf eine Vereinfachung der aktuellenNormengeneration zu nehmen und damit die bereits erkennbarenächste Normengeneration dahingehend zu beeinflussen, dass weni-ger mehr ist und dem Ingenieur bei weniger Reglementierung mehrFreiraum zum kreativen Entwickeln technischer Gedanken zugestan-den wird – mit anderen Worten: Wir wollen uns trotz der nationalenAnhänge in der Erarbeitung der Normen stärker wiedererkennen alses bislang der Fall war.

    Andere Nationen sind aufgrund ihrer historisch gewachsenenStrukturen zentralistischer ausgerichtet als Deutschland und könnendeshalb in Brüssel offensiver ihre Interessen vertreten und durchsetzenals wir es tun.

    Hier liegt eine große und wesentliche Aufgabe vor uns, die alleinmit dem ehrenamtlichen Engagement nicht zu leisten sein wird. Wirwerden uns für diese Aufgabe professionell verstärken müssen mit Per-sonen, die über die entsprechenden fachlichen, interkulturellen undsprachlichen Qualitäten verfügen und angemessen bezahlt werdenmüssen.

    Für diese Position habe ich auf der Arbeitstagung in Dresden umVerständnis, inhaltliche Unterstützung und letztendlich um den finan-ziellen Beitrag der Mitglieder der Bundesvereinigung der Prüfingenieu-re für Bautechnik geworben.

    Mag uns der diesjährige Tagungsort Dresden ein wenig den Wegweisen. Eine Stadt am (im) Fluss, die in den zurückliegenden Jahrzehn-ten existenzielle Herausforderungen (Kriegszerstörungen, Elbe-Hoch-wasser) durch Mut und Engagement bewältigt hat.

    In diesem Sinn übernehme ich gerne von Hans-Peter Andrä dasStaffelholz als neuer Präsident der Bundesvereinigung der Prüfinge-nieure für Bautechnik. Ganz herzlich danke ich für die überwältigendeZustimmung, die ich als wohlwollenden Vertrauensvorschuss und bin-dende Verpflichtung verstehe.

  • NACHRICHTEN

    6 Der Prüfingenieur | November 2012

    Markus Wetzel zum neuen Präsidenten der Bundesvereini-gung der Prüfingenieure für Bautechnik gewählt Arbeitstagung 2012 in Dresden mit buntgemischter Vor-tragsfolge und abwechslungsreichem Rahmenprogramm

    Zum neuen Präsidenten der Bundesverei-nigung der Prüfingenieure für Bautechnik(BVPI) ist am 13. September anlässlichder Mitgliederversammlung 2012 derBVPI im Maritim-Hotel in Dresden der 52-jährige Prüfingenieur und Beratende In-genieur Dipl.-Ing. Markus Wetzel ausHamburg gewählt worden Er übernahmdieses Amt von Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä,der es fast acht Jahre lang mit zukunftssi-cherem Nutzen für die Prüfingenieureund Prüfsachverständigen in Deutsch-land ausgefüllt hat. Der neue Präsidenthat seinen Mitgliedern in seiner erstenöffentlichen Ansprache nach seiner Wahlangekündigt, den realen Wert des Wir-kens der Prüfingenieure und Prüfsachver-ständigen für die Gesellschaft noch deut-licher herausstellen und deshalb das be-rufspolitisch so kostbare Alleinstellungs-merkmal der Prüfingenieure und Prüf-sachverständigen bundesweit publik undbegreiflich machen zu wollen, um damitderen gutes Ansehen und deren renom-mierten Ruf überall dort zu sichern, woes notwendig ist. Wetzels erste Arbeitsta-gung als BVPI-Präsident war eine derjeni-gen, die bei allen Anwesenden sowohlhinsichtlich des Fach- als auch des Rah-menprogramms als etwas besonderes inErinnerung bleiben wird.

    Dr.-Ing. Markus Wetzel ist einer der Part-ner des wohl ältesten deutschen Büros Bera-tender Ingenieure für das Bauwesen, des In-genieurbüros Wetzel & von Seht in Hamburg,das am 1. Januar 1876 als Gesellschaft Hen-nicke & Goos, Zivilingenieure, gegründetworden war. Wetzel hat an der UniversitätHannover Bauingenieurwesen studiert undtrat nach seiner Promotion und kurzer prakti-scher Ingenieurtätigkeit bei der BaufirmaWayss & Freytag in Frankfurt 1992 in das tra-ditionsreiche Hamburger Ingenieurbüro Wet-zel & von Seht ein, wo sein Vater, Dipl.-Ing.Wilhelm Wetzel, seit 1973 verantwortlich tä-tig war. 1994 wurde Markus Wetzel Partnerdieses Büros und 2003 als Prüfingenieur fürBautechnik anerkannt.

    Als neuer Präsident ging er zu Beginn derdiesjährigen Arbeitstagung der BVPI unver-

    züglich in medias res: Bei der Begrüßung derMitglieder der BVPI und deren Gästen ausPolitik, Wirtschaft und Verwaltung im GroßenSaal des Congress Centrums direkt an der El-be in Dresden, vis-à-vis dem sächsischenLandtag, definierte er mit sechs Stichpunkteneine Standortbestimmung der Prüfingenieureund Prüfsachverständigen, die ehrlicher undzielführender nicht hätte sein können.

    � Auch er prangerte – erstens – den Preis-wettbewerb an, der die Prüfingenieure undPrüfsachverständigen immer öfter und immerspürbarer um die Früchte ihrer hochqualifizier-ten, teuren Ausbildung und auch um die peku-niäre Anerkennung ihrer unteilbaren und ho-hen Verantwortung und Leistung am Baubrächte. Deshalb „müssen wir uns“, sagteWetzel, „unabhängig davon, ob wir an derAufstellung der statischen Berechnung oderan der bautechnischen Prüfung beteiligtsind“, darüber im Klaren sein, dass grundsätz-lich Unikate, also Prototypen, gebaut würden,deren Erfolg auf einer geistig schöpferischenLeistung beruhe. Diese Leistung aber „basiertauf Ausbildung, Können, Erfahrung undMarktübersicht und darf nicht über einen rei-nen Preiswettbewerb eingekauft werden“.

    � Die staatliche Bauaufsicht könne – zwei-tens – nicht umfänglich durch neue hierar-chische Strukturen der Verantwortung, wiezum Beispiel deren Verlagerung auf den Auf-traggeber, auf den Bauherrn oder auf den Be-treiber ersetzt werden, weswegen die Leis-tungen der Prüfingenieure und Prüfsachver-ständigen wohl auch in Zukunft permanentgefragt sein dürften, um die Sicherheit amBau staatlicherseits und bauherrenseitig zugewährleisten.

    � „Ist Sicherheit überhaupt verhandelbar?“fragte Wetzel – drittens – provozierend inRichtung Auftraggeber und Gesetzgeber.

    � Und viertens: „Wir Prüfingenieure habenbezüglich der Qualität von Statik und Ausfüh-rungsplanung mit Abstand die beste Markt-übersicht, da viele unterschiedliche Bearbei-tungsansätze über unsere Tische gehen“.

    � Dies wiederum bedeute – fünftens – einepermanente Auseinandersetzung der Prüfin-genieure und Prüfsachverständigen mittechnischen Sachverhalten und ein hohesNiveau der fortwährenden Fortbildungsar-beit.

    Dr.-Ing. Markus Wetzel istzum neuen Präsidentender Bundesvereinigungder Prüfingenieure für

    Bautechnik gewählt wor-den. Er hat in Aussichtgestellt, das Alleinstel-lungsmerkmal der Prüf -

    ingenieure und Prüfsach-verständigen in der

    Öffentlichkeit deutlichzum Ausdruck zu bringen.

  • NACHRICHTEN

    Der Prüfingenieur | November 2012 7

    � Und – sechstens – sei das Vier-Augen-Prinzip in Verbindung mit Kompetenz, Unab-hängigkeit und persönlicher Verantwortungauch für die Zukunft ein „Garant für Sicher-heit und Qualität am Bau“, wie Wetzel andieser Stelle den Slogan der BVPI abwan-delnd zitierte.

    Aus alldem ergebe sich ein Alleinstel-lungsmerkmal der Prüfingenieure und Prüf-sachverständigen, „das wir uns, die wir alsPrüfende und Aufstellende bei unseren Über-wachungstätigkeiten interdisziplinär han-delnd in baulichen Planungs-, Prüfungs- undAusführungsprozessen tätig sind, immer wie-der selbst klar machen müssen“, denn diesesAlleinstellungsmerkmal „macht uns allemalauch für andere interessant“.

    Dies gelte natürlich auch und vor allem fürdie auftragvergebenden und bauenden undplanenden Stellen der öffentlichen Hand, indenen Ressourcen auch unter wirtschaftli-chen Aspekten optimiert und Kompetenzengebündelt würden. Manchmal habe er denEindruck, betonte Wetzel in diesem Zusam-menhang, dass „auf der öffentlichen Seiteein Teil der Fachlichkeit an Ingenieuren undArchitekten verlorengeht“, was aber ande-rerseits dazu führen könne, dass „wir alsPrüfingenieure und Prüfsachverständige hierunter Umständen eine Lücke füllen müssenund füllen können“.

    Dafür sieht Wetzel in der föderalen Struk-tur der Bundesrepublik Deutschland abernicht nur vorteilhafte Gegebenheiten, son-dern auch so manchen Nachteil. Weil aber diePrüfingenieure nicht nur den national-euro-päischen Normungswechsel kommentierend

    begleiten wollen, sondern auch noch genugdamit zu tun hätten, „dass wir als Prüfinge-nieure in Deutschland und Europa zukunftsfä-hig bleiben können, indem wir die politischenEntscheidungsfindungsprozesse in Brüssel ak-tiv mitbestimmen“, bedürfe es, so Wetzel sei-ne Mitglieder quasi vorwarnend, auch künftigeiner schlagkräftigen und reaktionsschnellenBundesvereinigung. „Hier liegt“, begründeteWetzel diesen seinen Hinweis, „eine großeAufgabe vor uns, die wir allein mit ehrenamt-lichem Engagement nicht leisten können. Wirwerden uns an dieser Stelle deshalb profes-sionell verstärken müssen mit Personen, dieüber entsprechende fachliche, interkulturelleund sprachliche Qualitäten verfügen und die

    angemessen bezahlt werden müssen“, sagteWetzel, um folgerichtig dann auch um dasVerständnis und die Unterstützung der Prüfin-genieure und Prüfsachverständigen dafür zuwerben, dass er sie „in dieser Sache dannletztendlich auch um Ihren finanziellen Bei-trag werde bitten müssen“.

    Der scheidende Präsident, dem auf demtraditionellen festlichen Gesellschaftsabenddieser Arbeitstagung ein überaus ehrenvol-les, dankendes Adieu gesagt worden ist, dasin einer Eloge des Freundes und KollegenProf. Dr.-Ing. Manfred Curbach von der TUDresden gipfelte, Hans-Peter Andrä (64) also,hatte innerhalb des Verbandes seinen Ent-schluss schon frühzeitig angekündigt, ab die-sem Jahr das Amt des Präsidenten der BVPInicht weiterführen zu können und so demVorstand und der Geschäftsführung die Mög-lichkeit gegeben, den geringfügig vorfristi-gen Wechsel im Amt des Präsidenten sorgfäl-tig und gewissenhaft vorzubereiten.

    Andrä hat als Präsident eine unverwech-selbare Sprache geführt und mit präzisemWissen, häufig auch mit wohldosierter undzielgerichteter Ironie, seine Meinungen, sei-ne Urteile und seine Argumente ausge-drückt; Kommentare und Erklärungen indes,die regelmäßig mit denen der Prüfingenieureund Prüfsachverständigen kongruent gewe-sen sind. Andrä hat auf diese Weise den Au-ditorien und Adressaten seiner Ansprachenund Reden Wahrheiten und Wirklichkeitennahegebracht, die er aus gesellschafts-,wirtschafts- und sozialpolitisch gesamtver-

    Ministerialdirigent UlrichReinhard Beyer vomSächsischen Staatsminis-terium des Innern vertratdie Landesregierung undhat den Prüfingenieurenund Prüfsachverständigenzugesagt, „alles zu tun,was in meiner Machtsteht, um den Prüfinge-nieuren und Prüfsach-verständigen in derFachkommission MBO der ARGEBAU mehr Gehör zu verschaffen“

    Dr.-Ing. Robert Hertlevom Vorstand der

    Bundesvereinigung derPrüfingenieure für Bau-

    technik berichtete auf derArbeitstagung über die

    Fortschritte, die imRahmen der pränorma-

    tiven Arbeit für dieInitiative PraxisRegeln-

    Bau (PRB) seit derArbeitstagung 2011erreicht worden sind,

    insbesondere inden einzelnen Projekt-

    gruppen.

  • NACHRICHTEN

    8 Der Prüfingenieur | November 2012

    antwortlich reflektierender eigener Beob-achtung hergeleitet und mit praktischer Er-fahrung induziert hat. Im Mittelpunkt seinerSichtweise der Dinge am Bau stand undsteht die Unsinnigkeit eines unüberlegtenund voreiligen Bürokratieabbaus, auch Dere-gulierung genannt, die Andrä in zahllosenVorträgen und Grußworten, Artikeln und In-terviews immer wieder und aufs Neue bloß-gelegt hat. Deregulierung und Privatisierungsind, so sein Urteil, gründlich gescheitert,weil sie dazu geführt hätten, dass der Ge-setzgeber sich einfach aus seiner originärenVerantwortung stiehlt und dabei ein bauord-nungsrechtliches Vakuum zurückgelassenhat, in dem sich Dumpingpreise, Pfusch amBau und mindere Produktqualitäten breit-machen und ihr gesellschaftspolitisch, bau-kulturell und sozialwirtschaftlich verhäng-nisvolles, ja gemeingefährliches Unwesentreiben können. Das von den Bundesländernverfolgte politische Ziel, zwecks Kostener-sparnis auf die Überprüfung und Überwa-chung vieler Bauten zu verzichten und statt-dessen ihre Betreiber in die Pflicht zu neh-men, das habe sich, wurde Andrä währendseiner Amtszeit als Präsident der BVPI zu be-tonen und zu belegen niemals müde, nichtbewährt und obendrein noch schlimme Aus-wüchse gezeitigt. Der Wegfall der unabhän-gigen Qualitätssicherung habe für Deutsch-land katastrophale Folgen, denn der mitleid-lose und dumme Preiskampf in der Baubran-che sei einer der Gründe dafür, dass derWettbewerb um Bauaufträge nicht mehrtechnisch-fachlich und innovativ geprägt sei,sondern diktatorisch, und dass er wider-

    spruchslos nur noch von Preis, Gewinn undProfit beherrscht werde. Gebäudesicherheitdürfe aber, so Andräs präsidiale Botschaft,nicht nach ökonomischen Gesichtspunktenbeurteilt werden, weil der Schutz von Leibund Leben und der Schutz von Hab und Gutwichtiger seien als Preis und Profit.

    Die Dresdener Arbeitstagung 2012 derBundesvereinigung der Prüfingenieure fürBautechnik war auf regionaler Ebene von dersächsischen Landesvereinigung der Prüfinge-nieure perfekt vorbereitet und mit einem tou-ristisch sehr vielseitigen Rahmenprogrammausgestattet worden.

    Und so hatte ihr Vorsitzender, Prof. Dr.-Ing.Wolfram Jäger, schon bei der „SächsischenOuvertüre“, einem feierlichen, stimmungs-vollen mit vielen virtuosen Höhepunktenglänzenden Konzert des weltbekanntenBlechbläserensembles von Ludwig Güttler,am Vorabend der Arbeitstagung in der Frau-enkirche in Dresden Gelegenheit, das viel-hundertköpfige Auditorium der Prüfingenieu-re und ihrer Gäste in einem kulturell und his-torisch geradezu einmaligen Ambiente be-grüßen und in der ebenso beispiellosen histo-rischen Umgebung des Sophienkellers un-ter’m Taschenbergpalais mitten in der Dres-dener Altstadt beim Abendessen auf die Ar-beitstagung einzustimmen. Tags darauf, diePrüfingenieure und ihre geladenen Kollegenaus den Behörden und Ämtern des Landesverfolgten die Fachvorträge, kam für die Be-gleitung der Gäste dieser Arbeitstagung de-ren vierteiliges Rahmenprogramm zur Gel-

    tung, das wahlweise frequentiert werdenkonnte: Eine (windige) Fahrradtour entlangder sächsischen Weinstraße, eine Wanderungauf einem der Traumpfade Europas, dem Ma-lerweg durch das Elbsandsteingebirge, einelehrreiche Besichtigungstour durch die Silber-stadt Freiberg und eine informative Stadtfüh-rung durch Dresden mit allen geschichtlichenund baukulturellen Höhepunkten, die dieseStadt zu bieten hat.

    Drinnen indes, in den Sälen des internatio-nalen Dresdener Congress Centrums, schlu-gen sich die Ingenieure theoretisch und prak-tisch mit allerhand Fachlichem herum. Stich-worte zu den diesjährigen Vorträgen mögenhier genügen, sie werden in dieser und in derkommenden Ausgabe des Prüfingenieurs ver-öffentlicht. Auffallend war in diesem Jahr dieMannigfaltigkeit des Themenangebots, dasnicht nur ingenieurtechnische und solcheVorträge enthielt, die sich mit der bautechni-schen Prüfpraxis beschäftigen, sondern auchsolche, die haftungsrechtliche Grundsatzfra-gen und normentechnische Auspizien behan-deln. „Solche technikfernen Themen werdenwir“, so sagte der Geschäftsführer der Bun-desvereinigung der Prüfingenieure für Bau-technik, Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann, amRande der Tagung, „in Zukunft wohl des Öf-teren aufnehmen, um unseren Mitgliederndie Möglichkeit zu geben, sich auch über je-ne Themen zu informieren, die sie in der ziel-gruppengenauen Art, in der wir sie ihnenpräsentieren können, wohl nirgendwo findendürften“.

    Klaus Werwath

    Der Große Saal des Dresdener Congress Centrums, direkt neben dem sächsischen Landtag am Ufer der Elbe, war mit über 400 Prüfingenieurenund Prüfsachverständigen und deren Gästen gut gefüllt.

  • NACHRICHTEN

    Der Prüfingenieur | November 2012 9

    Bundesvereinigung der Prüfingenieure legt Abschluss-bericht über die Erprobung des Erdbeben-Eurocode vor

    Die Bundesvereinigung der Prüfinge-nieure für Bautechnik (BVPI) hat 2011den Abschlussbericht für das For-schungsvorhaben vorgelegt, mit demder Erdbeben-Eurocode EC8 in der prak-tischen Anwendung erprobt werden soll-te, um gegebenenfalls Verbesserungenoder Modifikationen vorschlagen zukönnen.

    Den Auftrag hatte die Bundesvereinigungvom Deutschen Institut für Bautechnik (Ber-lin) erhalten, und sie hat die Durchführungdes Projektes im Unterauftrag an fünf Inge-nieurbüros delegiert, die im Stahlbeton- undMauerwerksbau, im Stahl- und Verbundbauund im Holzbau regelmäßig tätig sind, undzwar in jenen Bundesländern, die am stärks-ten von Erdbeben gefährdet sind: in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen.

    Die Normenreihe der DIN EN 1998 (Aus-legung von Bauwerken gegen Erdbeben)

    liegt seit einiger Zeit als DIN EN-Fassungvor. Für die Anwendung der Normteile inDeutschland sind bekanntlich Nationale An-hänge (NA) erforderlich, die national be-stimmte Parameter (NDP) beziehungsweisenicht widersprechende Regelungen (NCI)enthalten. Diese Nationalen Anhänge zuden Teilen 1 und 5 liegen als DIN EN 1998-1/NA:2011-01 sowie als DIN EN 1998-NA:2011-07 vor.

    Ziel des Forschungsvorhabens war es nun,die Teile 1 (Grundlagen, Erdbebeneinwirkun-gen und Regeln für Hochbauten) und 5(Gründungen, Stützbauwerke und geotechni-sche Aspekte) des EC 8 mit den jeweiligenNA hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspektezu untersuchen und ihre Praxistauglichkeit zuerproben.

    In dem jetzt vorliegenden Bericht wurdendie Erfahrungen des Projektteams bei derDurchführung des Forschungsvorhabens und

    mit der praktischen Anwendung der Normaufbereitet, und die Ergebnisse wurdendurch Einstufung in die Kategorien Sicher-heit, Unvollständigkeit, Schreib- und Formel-fehler sowie Verständnis- und Anwendungs-probleme eingeteilt und gewichtet.

    Diejenigen Punkte, deren Umsetzung be-ziehungsweise Klärung für eine problemloseAnwendung des EC 8 nach Meinung des Pro-jektteams unabdingbar sind, wurden demSpiegelausschuss vorgestellt.

    Die Umsetzung in den NA oder in einenErläuterungstext zur Norm soll in Kooperati-on mit dem Projektteam erarbeitet werden.So soll sichergestellt werden, dass die neueNorm in Deutschland unbedenklich bauauf-sichtlich bekannt gemacht werden kann.

    Dipl.-Ing. Marion Kleiber, Dipl.-Ing. Matthias Gerold

    Flughafen Berlin-Brandenburg: Verkehrsausschuss desBundestages bittet die BVPI um Unterstützung Der Verkehrsausschuss des DeutschenBundestages hat die Bundesvereinigungder Prüfingenieure für Bautechnik umMitwirkung bei einer Analyse derjenigenFehler ersucht, die beim Bau des Berlin-Brandenburger Großflughafens gemachtworden sind und zur mehrmaligen Ver-schiebung des Eröffnungstermins ge-führt haben könnten. Fernziel der Assis-tenz der BVPI an diesem Projekt könnees aber auch sein, so hat der Geschäfts-führer der Bundesvereinigung der Prüf-ingenieure für Bautechnik, Dipl.-Ing.Manfred Tiedemann, dem Vorsitzendendes Bundestagsverkehrsausschusses, Dr.Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grü-nen), nach der gemeinsamen Besichti-gung der Baustelle des Hauptstadtflug-hafens vorgeschlagen, die unabhängigebautechnische und bauphysikalischeKompetenz, die der BVPI durch ihre Mit-glieder zur Verfügung stehe, für die künf-tige Planung von ähnlichen Großprojek-ten zu aktivieren.

    Mit seinem Besuch der Flughafenbaustelle,an dem seitens der BVPI der Vorsitzende derLandesvereinigung der Prüfingenieure in Ber-lin, Dr.-Ing. Hartmut Kalleja, und deren Ge-schäftsführer, Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann,teilnahmen, wollte der Bundestagsverkehrs-ausschuss sich ein eigenes Bild vom aktuellenBaufortschritt machen und sich den aktuellenZustand und die weitere Planung für die Be-seitigung der Mängel erläutern lassen.

    Die Bundesvereinigung, die sich, wie Tie-demann sagte, „bekanntermaßen als verlän-gerte Werkbank der Bauaufsichten sieht“,hat Hofreiter und den anderen Teilnehmerndes Besuchstermins unmittelbar ihr grund-sätzliches Einverständnis signalisiert und da-nach erste Recherchen dahingehend ange-stellt, welche ihrer Experten dieses komplexeBauvorhaben würde erläutern können.

    Es handelt sich nicht nur um sehr hetero-gene bautechnische Fragen, sondern weiter-gehend auch um Themen der technischen

    Gebäudeausrüstung und insbesondere desBrandschutzes und des Rauchabzuges.

    Da der Bau des Berliner Großflughafen sichin eine Kette vieler anderer namhafter Groß-projekte einreiht, die sich in letzter Zeit durchZeitverschiebungen und Kostenüberschreitun-gen einen unrühmlichen Namen gemacht ha-ben, zog Kalleja nach dem Besuch der Baustel-le ein allgemeines Fazit: Wie bei jedem Bau-projekt ist auch bei Großprojekten besondererWert darauf zu legen, dass allen am Bau Be-teiligten – von den Planern und den Baufir-men bis zu den Bauherren und künftigen Nut-zern – jederzeit unabhängige Fachkompetenzzur Verfügung steht, die als klar definiertes,unabhängiges Korrektiv für die Auftraggeberund die Ausführenden und Liefernden vorhan-den ist. Durch eine ständige prophylaktischeQualitätssicherung sowohl in der Planungs-,als auch in der Ausführungsphase, ließen sich,so Kallejas Argument, auch bei GroßvorhabenTerminsicherheit und Ausführungsqualitätnachhaltig positiv beeinflussen.

  • NACHRICHTEN

    10 Der Prüfingenieur | November 2012

    Der BÜV bereitet einen Leitfaden für unwettergefährdeteBauwerke und den Überflutungsschutz vorDer Arbeitskreis Katastrophenschutz imBauüberwachungsverein (BÜV) arbeitetunter anderem derzeit an einem Leitfa-den zum Thema „UnwettergefährdeteBauwerke und Überflutungsschutz“. Erwird einschlägige, generelle baulicheund prophylaktische Maßnahmen anGebäuden vorstellen und viele prak-tisch nutzbare Hinweise für Bauherren,Planer und Behörden vorweisen – ein-schließlich detaillierter Ausführungenüber Schutzkonzepte wie Abschirmung,Abdichtung oder Nasse Vorsorge undüber die damit verbundenen statischenUnterscheidungen. Der Arbeitskreis ver-steht, wie sein Vorsitzender Dipl.-Ing.Matthias Gerold (Karlsruhe) im folgen-den kurzen Überblick über die Tätigkeitseines Arbeitskreises schreibt, seineAufgabe als Angebot zur fachlichenMitarbeit nicht nur für die Prüfinge-nieure und Prüfsachverständigen, son-dern auch für die vielen externen Fach-leute in den Behörden auf kommunalerEbene sowie auf Landes- und Bundes-ebene.

    Ursprünglich war der Arbeitskreis unterdem Dach des Deutschen Instituts für Prü-fung und Überwachung (DPÜ) gegründetworden, und zwar aufgrund von Anfragender Obersten Bauaufsichten der Länder andie Prüfingenieure, ob zum Thema Naturka-tastrophen kompetente Ansprechpartnerbenannt werden könnten. Wegen einerstrategischen Neuausrichtungen auf Ver-bandsebene vollzog sich 2011 ein Wechselvom DPÜ zum Bau-Überwachungsverein(BÜV).

    Die Mitglieder des Arbeitskreises Kata-strophenschutz im BÜV sind allesamt Prüfin-genieure, die einen direkten beruflichen Be-zug zum Katastrophenschutz haben und sichhinsichtlich der Ziele des Arbeitskreises aktivbetätigen und hervorgetan haben.

    Vornehmlich behandelt wurden und wer-den in diesem Arbeitskreis Themen des vor-beugenden Katastrophenschutzes (Hochwas-ser, Überflutung, Wind, Erdbeben, Lawinenetc.) sowie des aktiven Katastrophenschut-zes. Weil aber Katastrophen kein ausschließ-

    liches Ergebnis von Naturereignissen sind,sondern auch menschliche Einflüsse einbezo-gen werden müssen, wurde das Spektrumauch auf Feuer, Explosion, Stoß und ABC er-weitert.

    Die bisher aufgebauten Kontakte des Ar-beitskreises zu verschiedenen fachrelevan-ten Institutionen auf Bundes- und Landes-ebene wurden genutzt, um mit externen Ex-perten einen weiterbringenden Erfahrungs-austausch herbeizuführen: So fand zum Bei-spiel am 26. Mai 2011 unter Beteiligungvon Vertretern des Bundesamtes für Bevöl-kerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)die 8. Arbeitskreissitzung in Bonn statt, an-lässlich derer ein reger Gedankenaustauschvollzogen wurde – hier mit der Zielsetzungeiner weiteren zukünftigen Zusammenar-beit.

    Zum Thema Explosionen und den damiteinhergehenden Themen, wie zum BeispielZerstörung von Bauwerken durch Unfälleoder terroristische Anschläge, konnte am3. November 2011 die 9. Sitzung des Arbeits-kreises bei der Wehrtechnischen Dienstelle52 (WTD) der Bundeswehr in Oberjettenbergabgehalten werden. Neben einem interdis-ziplinären Gedankenaustausch konnten dieMitglieder des Arbeitskreises dabei auchpraktischen Versuchen zur Verbesserung vonbaulichem Schutz (unter anderem durch Be-schuss) beiwohnen.

    Schließlich fand am 14. Juni 2012 die vor-erst letzte Arbeitskreissitzung beim GeoFor-schungsZentrum Potsdam statt, wobei tiefeEinblicke in die Forschungsaufgaben auf denGebieten der Geodäsie, der Seismologie so-wie der Erdbeben- und Tsunamifrühwarnunggewährt wurden.

    Resümierend kann festgestellt werden,dass der Arbeitskreis Katastrophenschutz desBÜV aktiv und zielführend die Bereitschaftder Prüfingenieure, sich derartigen Heraus-forderungen zu stellen und diesbezüglicheLeistungen zu übernehmen, gegenüber ver-schiedenen Institutionen und Einrichtungenauf Bundes- und Landesebene nahebringenkonnte. Ziel ist es weiterhin, ein umfassendesNetzwerk zu schaffen und allen in Kontaktstehenden Stellen die aktive Mitarbeit anzu-bieten.

    Dipl.-Ing. Matthias Gerold

    Beim GeoForschungsZentrum Potsdam ha-ben die Mitglieder des Arbeitskreises Kat-strophenschutz im BauüberwachungsvereinBÜV einige wertvolle kollegiale Kontakte ge-knüpft. Zu sehen sind hier (von links): Prof.Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, Prof. Dr. JochenZschau vom GFZ Potsdam, der Vorsitzendedes Arbeitskreises Dipl.-Ing. Matthias Geroldsowie der Prüfingenieur Dipl.-Ing. KlausDomröse und Dipl.-Ing. Momcilo Vidackovicvon der BÜV-Geschäftsstelle.

    In eigener Sache: KorrekturIn unserer Mai-Ausgabe 2012 ist uns im EDITORIAL auf Seite 4 ein unerfreulicher Fehler unter-laufen. Ausgerechnet im ersten Satz des Textes von Dr.-Ing. Dietmar Maier sind einige Wörtererschienen, die dort erkennbar nicht hingehören, den Satz aber so grob entstellen, dass wir ei-ne Richtigstellung für angebracht halten.

    Korrekt hätte der Satz so heißen müssen, wie ihn der Autor auch niedergeschrieben hat:

    „Das Vergessen gehört ebenso zur Menschheit, wie das Gewinnen von Erkenntnissen.“

    Die Redaktion bedauert ihren Fehler aufrichtig und bittet den Autor und die Leser um Ent-schuldigung.

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    Der Prüfingenieur | November 2012 11

    Die deutschen Prüfingenieure gewinnen in Europaberufspolitisch deutlich an StaturCEBC zeigt reges Interesse am deutschen Prüfsystem unddem Fortschritt der pränormativen Aktivitäten

    Die Mitglieder des europäischen Verban-des für Bauprüfung und -überwachung(Consortium of European Building Con-trol, CEBC) haben ein lebhaftes Interessean den substanziellen Maßnahmen, mitdenen die deutschen Verbände und Kam-mern der Ingenieure auf die europäischeBaunormung reagieren. Das zumindestist der Eindruck, den der Geschäftsführerder Bundesvereinigung der Prüfinge-nieure für Bautechnik, Dipl.-Ing. ManfredTiedemann, Mitte September aus Helsin-ki mitgebracht hat, wo er anlässlich ei-nes CEBC-Business Meetings über diepränormative Arbeit der deutschen Inge-nieure und über die Arbeit der InitiativePraxisRegelnBau (PRB) Bericht erstattetund auch das deutsche bautechnische Si-cherheitssystem mit seinen gesetzlichenund tradierten Prinzipien der unabhängi-gen bautechnischen Prüfung erläuterthat, und dies nicht nur vor einem breiteninternationalen Fachpublikum, sondernauch in Gegenwart eines aufmerksamenVertreters der Europäischen Kommissi-on.

    Die Sitzung in Helsinki war die zweiteCEBC-Konferenz in diesem Jahr. Bereits imMai hatte die Bundesvereinigung der Prüfin-genieure für Bautechnik (BVPI) Gastgeber ei-nes solchen CEBC-Business-Meetings inHamburg sein können. Das jetzige Herbst-meeting habe, wie Tiedemann berichtete, ge-zeigt, dass die Bedeutung der Kernaufgabender Bauaufsichten auf europäischem Parkettzu wachsen beginne. Immerhin sind auf die-

    ser Tagung die Repräsentanten solcher Län-der aufgetreten, die bisher dort nicht regel-mäßig vertreten waren, nämlich die Vertreteraus Rumänien und Ungarn – sowie als Gastein Vertreter der Europäischen Kommission.

    Das laute Echo, das Tiedemanns PRB-Be-richt in Helsinki ausgelöst hat, und die regeWissbegier, mit der die deutschen pränorma-tiven Bemühungen dort quittiert wordensind, seien, sagte Tiedemann nach seinerRückkehr aus Helsinki, ein überzeugenderBeleg dafür, dass „es uns zunehmend ge-lingt, unsere pränormative Vorgehensweiseund unsere Ergebnisse auf europäischer Ebe-ne“ bekanntzumachen und hoffentlich damitauch Verbündete zu finden“. Mit Nachdruckwies Tiedemann in diesem Zusammenhangdarauf hin, dass die Konferenz der Bauminis-ter der deutschen Länder (ARGEBAU) ständi-ges Mitglied des CEBC ist und als solches dieeuropapolitischen Entwicklungen genau be-obachten könne, was den Ministern und ho-hen Beamten in der ARGEBAU wiederum po-sitive Rückschlüsse bezüglich des berufspoli-tischen Standings der deutschen Bauaufsichtermögliche.

    Diese Position der deutschen Prüfinge-nieure und Prüfsachverständigen hat Tiede-mann in Helsinki durch einen zweiten Berichtuntermauert, in dem er seinen europäischenKollegen anhand eines konkreten Vergleichs-projekts den regulären Planungs- und Bauge-nehmigungsablauf in Deutschland erläutertund mit einem ähnlichen Projekt in Norwe-gen verglichen hat. In der anschließenden re-

    gen Diskussion hat Tiedemann die gute Gele-genheit genutzt, vor aufmerksamem europäi-schen Publikum die grundsätzliche Vorge-hensweise und insbesondere die Aufgabe derPrüfingenieure für Standsicherheit undBrandschutz eingehend zu erläutern. Dabeikam die Qualifikation des deutschen Prüfin-genieurs besonders zur Geltung, der sichdurch seine hohe Fachkompetenz, seine wirt-schaftliche Unabhängigkeit und seine sozialeKompetenz auszeichne. Diese Charakteristikaseien, so Tiedemann, das „ganz besondereUnterscheidungsmerkmal zu anderen Prüf-systemen auf europäischer Ebene“ sowie dieTatsache, dass der Prüfingenieur prüft undplant und Planung und Prüfung „in aller Re-gel in einem ausgewogenen Verhältnis“ (na-türlich immer für unterschiedliche Objekte)durchführe. Dieses Merkmal zeichne ihndeutlich als einen Mann der Praxis aus, dernicht zu vergleichen sei mit jenen „Prüfsolda-ten“, die, mit Schutzhelm und Checklisteausgestattet, „lediglich Häkchen machenkönnen und von der Ausbildung und von derErfahrung her nicht in der Lage wären, ähnli-che Projekte wie die zu prüfenden auch ei-genständig zu planen“.

    Arbeitstagung 2013 der Bundesvereinigung am20. und 21. September in Konstanz am Bodensee

    Die Arbeitstagung 2013 der Bundesvereini-gung der Prüfingenieure für Bautechnik(BVPI) wird am 20. und 21. September 2013in Konstanz am Bodensee stattfinden. DieVorbereitungen für die Tagung laufen in derBundesgeschäftsstelle der BVPI zügig an. DerFestausschuss der Landesvereinigung Baden-

    Württemberg arbeitet bereits an einem viel-versprechenden Rahmenprogramm für dieBegleitpersonen.

    Gleichzeitig bereiten das Präsidium unddie Geschäftsstelle der Bundesvereinigungein gewohnt beruflich attraktives Fachpro-

    gramm mit zahlreichen Referaten über aktu-elle Themen vor.

    Die Bundesvereinigung bittet alle Mitglie-der und interessierte Vertreter der Bauauf-sichten, den Termin der nächsten Arbeitsta-gung der BVPI schon jetzt vorzumerken.

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    12 Der Prüfingenieur | November 2012

    Klaus Stiglat und Herbert Wippel wurden 80 Jahre altEin erfolgreiches Doppel ein ganzes Ingenieurleben lang Am 3. August ist Dr.-Ing. Klaus Stiglat,der gebürtige Ostpreuße, 80 Jahre altgeworden, am 15. Oktober durfte auchsein Freund Dr.-Ing. Herbert Wippel, derKurpfälzer aus Mannheim, dieses Ereig-nis feiern. Kennengelernt haben sich diebeiden zu Beginn ihres Bauingenieurstu-diums an der Technischen HochschuleKarlsruhe im Wintersemester 1952/53.Dies ist inzwischen sechzig Jahre her undwäre eines zusätzlichen Anlasses zumFeiern würdig.

    Die Berufswege von Klaus Stiglat undHerbert Wippel waren von Gemeinsamkeitengeprägt: Nach dem Studium nahmen sie As-sistentenstellen bei ihrem Lehrer Prof. Dr.-Ing. B. Fritz am Institut für Baustatik an. Ne-ben den Aufgaben am Lehrstuhl widmetensie sich im Büro ihres Chefs beratender Tä-tigkeit bei großen Hochbau- und Brücken-bauwerken, der bautechnischen Prüfungzum Beispiel im Kraftwerkbau und ihrer Pro-motion. Klaus Stiglat wurde 1960 promo-viert mit einem Beitrag Zur numerischen Be-rechnung von rechteckigen und schiefenPlatten mit Randversteifungen, Herbert Wip-pel folgte 1961 mit seiner Arbeit über einAllgemeines und einheitliches Berechnungs-verfahren von Verbundkonstruktionen ausStahl und Beton.

    1964 entschieden sich Stiglat und Wippelzusammen mit ihrem Studienfreund und Ar-beitskollegen Ernst Buchholz und dem zweiJahre jüngeren Kollegen Horst Weckesser fürden Weg in die Selbstständigkeit und gründe-ten im Jahr 1965 die Ingenieurgruppe Bauen.

    Trotz konjunktureller Rezession wuchsdie Ingenieurgruppe Bauen auf sehr soli-dem Fundament1966 erschien die 1. Auflage ihres gemeinsa-men Werks, des Stiglat/Wippel „Platten“, be-reits 1968 wurden beide zu Prüfingenieurenfür Baustatik mit den Fachrichtungen Metall-und Massivbau ernannt. Die IngenieurgruppeBauen, in einer Rezessionsphase gegründet,begann mit größer werdenden Aufgaben aufsolidem Fundament zu wachsen. Ernst Buch-holz war 1971 Prüfingenieur geworden, derPrüftitel für Horst Weckesser und ein großesKlinikprojekt in Mannheim waren schließlichdie Anlässe, dort 1978 das erste Zweigbüroeinzurichten. Nach dem Fall der Mauer undder Wiedervereinigung wurde 1991 eine wei-

    tere Niederlassung in Berlin gegründet undmit einem bedeutenden großen Planungsauf-trag betraut, dem Wiederaufbau und der Sa-nierung des Neuen Museums auf der Muse-umsinsel.

    1983 erschien die erheblich erweiterte3. Auflage des Sti/Wi-Plattenbuchs, mit des-sen Tabellen es möglich war, für fast jedenvorkommenden Fall, der nicht direkt in unse-rem Buch enthalten ist, eine Näherungsun-tersuchung mit Hilfe der dargestellten Plat-tentypen vorzunehmen. … Häufig ist hierbeinur etwas Phantasie und eingehende Über-legung über das Verformungsverhalten derzu untersuchenden Platte notwendig, um siein die untersuchten Fälle einordnen zu kön-nen, so ein Zitat aus dem Vorwort zur 3. Auf-lage.

    Mit diesem Standardwerk der Bauinge-nieurliteratur, das Generationen von Trag-werksplanern die Bemessung von Platten-tragwerken unterschiedlichster Stützung er-möglicht und erleichtert hat, inzwischen aberaus dem Büroalltag der Tragwerksplaner fastverschwunden und durch Rechner mit einerdamals für unmöglich erachteten Leistungs-fähigkeit in Verbindung mit einfach zu bedie-nenden FE-Programmen ersetzt worden ist,sind Klaus Stiglat und Herbert Wippel zu ei-nem festen Doppelbegriff geworden. IhreFachaufsätze waren stets darauf ausgerich-tet, den Bauingenieuren in der Praxis fürtheoretisch komplizierte Fragen einfachhandhabbare Hilfsmittel mit einer im Bauwe-sen ausreichenden Genauigkeit zur Verfü-gung zu stellen.

    Beide nahmen sich auch in Phasen hoherBelastung im Büro Zeit für ehrenamtliche Tä-tigkeiten, sei es für die Ingenieurkammer Ba-den-Württemberg, für die VPI für die Mitar-beit in Sachverständigen-Gremien und inNormungsausschüssen.

    Das berufsständische Wirken von HerbertWippel war dabei mehr nach innen gerichtet.Er gehörte über dreißig Jahre dem statisch–konstruktiven Ausschuss der Landesvereini-gung der Prüfingenieure in Baden-Württem-berg an, brachte dort seine langjährige Er-fahrung bei der statisch-konstruktiven Trag-werksplanung vieler schadensfreier Bau wer -ke ein und verstand es, lange Diskussionenim Ausschuss über die Auslegung einzelner

    Inhalte von immer unhandlicher werdendenNormen auf den Punkt zu bringen, um denplanenden und prüfenden Ingenieurkollegenin der Praxis im Sinne des Wortes prägnante„Kurz“-informationen an die Hand zu geben.Das Wirken von Herbert Wippel im Ausschussfür die Zulassung von Prüfingenieuren, demer ebenfalls viele Jahre lang angehörte, warvor allem darauf ausgerichtet, das hohe Ni-veau der unabhängigen bautechnischen Prü-fung aufrechtzuerhalten.

    Klaus Stiglat nahm 25 Jahre lang dieSchriftleitung der Zeitschrift Beton- undStahlbeton wahrKlaus Stiglat, geschichtsbewusst und bele-sen wie wenige, übernahm für fast 25 Jahredie Schriftleitung der Zeitschrift Beton- undStahlbetonbau, und schuf sich dort mit sei-nen Beiträgen „In eigener Sache“ eine Platt-form mit hoher Außenwirkung. In „seiner“Zeitschrift, in Vorträgen, Aufsätzen und zu-nehmend mit hintersinnigen Karikaturen hater Fehlentwicklungen in der Normung und inder Ausbildung der Bauingenieure aufgegrif-fen und angeprangert und auf die Gefahrzunehmender kritikloser Computergläubig-keit hingewiesen. Er hat das anmaßendeVerhalten mancher Politiker gegeißelt undbei der eigenen Zunft mehr Selbstbewusst-sein, aber auch mehr Bereitschaft zur Über-nahme von Verantwortung und mehr Kreati-vität bei der Planung im Team mit Architek-ten eingefordert. Er hatte aber auch die Ideefür einen Ingenieurbau-Preis, der seit 1988in zweijährigem Rhythmus ausgelobt undvergeben wird und darauf ausgerichtet ist,die Leistungen der Bauingenieure öffentlichwirksam darzustellen und zu würdigen. Soist er, wie Fritz Wenzel anlässlich seines 60.Geburtstags schrieb, zum Mahner und zumAnwalt des Berufsstands der Ingenieure ge-worden, und er ist dies mit seinen Essays,Vorträgen und Büchern, wie zum Beispiel„Ingenieure und ihr Werk“ oder, ganz neu,„Bauingenieur? Bauingenieur! Aufsätze, Re-den und Essays“ auch nach dem Ende deraktiven Berufstätigkeit geblieben. Sein eh-renamtliches Engagement und seine Ver-dienste um die Vermittlung eines dem viel-fältigen Wirken der Bauingenieure angemes-senen Erscheinungsbildes in der Öffentlich-keit wurden 1997 mit der Verleihung desVerdienstkreuzes am Bande des Verdienstor-dens der Bundesrepublik Deutschland ge-würdigt.

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    Der Prüfingenieur | November 2012 13

    2001 haben die vier Gründer des Büros denDruck des Berufsalltags hinter sich gelassenund sind nach 35 Jahren erfolgreicher freibe-ruflicher Tätigkeit als Partner der Ingenieur-gruppe Bauen in den Ruhestand gegangen.

    Ihre Verabschiedung anlässlich der Feierdes 35-jährigen Bürojubiläums hat KlausWerwath unter dem Titel „Abschied von denHelden“ im Deutschen Ingenieurblatt 2001,Heft 4, ausführlich gewürdigt.

    „Vertrauen, Respekt und gegenseitigeAchtung sind die wahren Fundamente einerPartnerschaft, soll sie leben und wirken“, sohat kürzlich anlässlich meiner Verabschie-dung in den Ruhestand Klaus Stiglat die Vo-raussetzungen für eine dauerhaft partner-schaftlich funktionierende Führungsetageaus unterschiedlichsten Charakteren be-schrieben. Auf diesen Grundlagen arbeitetauch die verjüngte Führung der Ingenieur-gruppe Bauen mit Axel Bisswurm, Frank

    Deuchler, Ralf Egner, Arnold Hummel, Diet-mar H. Maier und Josef Seiler inzwischen anvier Standorten mit 150 Angestellten.

    Die Bürogründer Klaus Stiglat, HerbertWippel und Horst Weckesser – Ernst Buch-holz ist leider schon 2002 verstorben – kön-nen stolz sein auf das Büro, das sie vor fastfünfzig Jahren gegründet haben und auf sei-ne weitere Entwicklung.

    Josef Steiner

    Die Erprobung der Anwendung des Eurocode 6 für denMauerwerksbau wurde erfolgreich abgeschlossen

    Die von der Bundesvereinigung der Prüf-ingenieure für Bautechnik geforderteAnwendungserprobung des Eurocode 6für den Mauerwerksbau ist im März2012 erfolgreich abgeschlossen worden.Koordiniert von der Deutschen Gesell-schaft für Mauerwerks- und Wohnungs-bau (DGfM) und gefördert vom Deut-schen Institut für Bautechnik (DIBt) sinddafür von fünf Ingenieurbüros repräsen-tative Beispielobjekte bearbeitet wor-den. Im Ergebnis konnten Modifikatio-nen in den Nationalen Anhängen vorge-sehen werden, die zur Wirtschaftlichkeitder Bemessung beitragen. Ebenso habensich wertvolle Hinweise für die Anwen-dung ergeben. Der EC 6 ist vom Umfangher überschaubar und für bisherige An-wender der DIN 1053-100 gut handhab-bar. Er besitzt für 85 Prozent der Anwen-dungsfälle im Hochbau ein vereinfachtesVerfahren, dessen Form und Umfang sichbei diesem Pilotprojekt bewährt haben.

    Im Aprilheft 2011 Der Prüfingenieur (Seite6) hatte die Bundesvereinigung einen Aufrufgestartet, sich an dem Projekt zu beteiligenbeziehungsweise Anwendungsbeispiele bei-zusteuern. Die Resonanz war verhalten, so-dass Anwendungsfälle aus den beteiligtenBüros und Referenzhäuser der Deutschen Ge-sellschaft für Mauerwerks- und Wohnungs-bau (DGfM) zur Auswahl kamen. An demProjekt wirkten mit:

    � Das BfB Büro für BaukonstruktionenGmbH (Karlsruhe),

    � das Ingenieurbüro Dr. Brauer GmbH (Dor-magen),

    � Trag Werk Ingenieure Döking+Purtak Part-nerschaft (Dresden),

    � Brehm Bauconsult GmbH (Bensheim) und� Jäger Ingenieure GmbH (Radebeul),

    sodass sowohl Prüfingenieure als auch Auf-steller ausgewogen beteiligt waren. Die Ko-ordinierung hatte freundlicherweise dieDGfM übernommen, die insbesondere an derBewahrung einer wirtschaftlichen Bemes-sung interessiert ist.

    Die Ziele der Anwendungserprobung wa-ren der Vergleich der Ausnutzungsgrade nachDIN 1053-1 und Eurocode 6 sowie die Beur-teilung der Anwenderfreundlichkeit und Ver-ständlichkeit des Eurocode 6 sowie seinerNationalen Anhänge.

    Die aus der Ingenieurpraxis stammendenBeispiele aus realen, bereits ausgeführtenGebäuden enthielten im Wesentlichen nor-mal ausgelastete Bauteile, während an denvon der DGfM ausgewählten Referenzhäu-sern hoch ausgelastete Bauteile dreier Haus-typen (Reihenhaus, Einfamilienhaus undMehrfamilienhaus) für vier verschiedeneStein-Mörtel-Kombinationen untersucht wur-den. Die Vergleiche umfassten das genauereVerfahren (DIN 1053-1, DIN EN 1996-1-1 +NA), das vereinfachte Verfahren (DIN 1053-1, DIN EN 1996-3 + NA) und das stark ver-einfachte Verfahren (DIN EN 1996-3 AnhangA + NA).

    In der ersten Phase erfolgten die Berech-nungen auf Basis der Entwurfsfassungen derNationalen Anhänge. Die Ergebnisse, die aufeinem Workshop am 22./23. August 2011 inBerlin vorgestellt wurden, flossen in dieÜberarbeitung der Nationalen Anhänge ein.In der zweiten Phase wurden die Berechnun-gen an die endgültige Version der Nationalen

    Anhänge angepasst und die Ergebnisse aufeinem Workshop am 24. Januar 2012 ausge-wertet.

    Die zweite Phase der Anwendungserpro-bung hat gezeigt, dass nunmehr Bemessun-gen auf dem wirtschaftlichen Niveau der DIN1053-1 annähernd durchgängig möglichsind. Toleranzen in der Zielgenauigkeit müs-sen jedoch zweifelsohne zugestanden wer-den.

    Die Handhabung des Eurocode 6 wirddurch die konsolidierte Fassung des beimBeuth-Verlag erscheinenden DIN-Handbuchs(„Handbuch Eurocode 6 – Mauerwerksbau“)deutlich vereinfacht werden. Dort sind Nor-mentext und Nationaler Anhang überscho-ben abgedruckt, sodass eine leichte Einarbei-tung möglich ist. Einige der bisher bekanntendeutschen Regelungen sind dort wiederzufin-den.

    Die erfolgreiche Anwendungserprobungwar ein Baustein für die am 26. Juni 2012vom DIBt veröffentlichte Gleichwertigkeitser-klärung, die eine Anwendung des Eurocode 6seit dem 1. Juli 2012 ermöglicht.

    Für die Einarbeitung sei an dieser Stelleauf unterstützende Publikationen im Mauer-werk-Kalender und der Zeitschrift Mauer-werk hingewiesen. In der Anwendung des EC6 auftretende Fragen können im Leserforumder Zeitschrift Mauerwerk gestellt werden.

    ([email protected])

    Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger

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    14 Der Prüfingenieur | November 2012

    Ein ingeniöses Brandschutzkonzept für Daniel LibeskindsMilitärhistorisches Museum in DresdenAlle gesetzlich verlangten Schutzziele konnten trotzbeträchtlicher Konfliktpunkte erreicht werden

    Das neue Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dres-den ist in jeder Beziehung ein ganz besonderer Bau. Nicht nurdes Architekten Daniel Libeskinds nur scheinbar so brutaler Keilhat es weltberühmt gemacht und jeden Tag zigtausende Besu-cher zum Nachdenken animiert, sondern auch die höchst diffizi-len Brandschutzprobleme hatten es in sich, die dieser alt-neueBau aufwarf. Dennoch ist es den Ingenieuren gelungen, für die-ses besondere Museumskonzept auch einen ganz besonderenBrandschutzplan zu kreieren, mit dem sie bauliche, sicherheits-technische und organisatorische Maßnahmen zu einem schlüs-sigen Konzept komponierten, das alle gesetzlichen Schutzzielefür die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung undfür den Schutz von Leben und Gesundheit erreicht, obwohl diesmehrerer mächtiger Konfliktpunkte wegen zunächst unmöglicherschien. In dem folgenden Beitrag werden daher sowohl dasBrandschutzkonzept der Ingenieure als auch die Konfliktpunkteerläutert, die ihm zunächst entgegenstanden.

    hat an der Technischen Hochschule Leipzig Bauingenieurwesen(Konstruktiver Ingenieurbau) studiert und führt seit 1997 ein In-genieurbüro für Brandschutz und Baustatik; seit 1999 ist sie Prüf-ingenieurin für Brandschutz und seit 2000 öffentlich bestellte undvereidigte Sachverständige für baulichen Brandschutz; seit 2002ist sie Dozentin am Europäischen Institut für postgraduale Bil-dung (EIPOS) der Technischen Universität Dresden AG sowie anzahlreichen anderen Bildungsinstituten und Ingenieur- und Archi-tektenkammern; seit 2006 hat sie einen Lehrauftrag für Brand-schutz an der Technischen Universität Dresden, und seit 2008 ar-beitet sie in der Arbeitsgruppe „Basisnorm“ im DIN-Normenaus-schuss Bau für „Brandschutzingenieurverfahren“ (005-52-21)mit; ihre zahlreichen Fachveröffentlichungen über Brandschutzgehören mittlerweile zur Standardliteratur

    1 Einführung: Planungsintention undbauliche Gegebenheiten

    Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr (MHM) hat den Auf-trag, die deutsche Militärgeschichte von den Anfängen bis zur Gegen-wart im historischen Gesamtzusammenhang darzustellen. Der Schwer-punkt liegt auf der Darstellung der militärischen Entwicklung inDeutschland seit 1945. Hier liegt besonderes Gewicht auf der Geschich-te der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee in ihrer Einbindungin die jeweiligen Bündnissysteme bis in die heutige Zeit. Neben demAuftrag zum Ausstellen gehören Bildung und Forschung sowie Sam-meln, Bewahren und Erhalten zur übergeordneten Aufgabe des MHM.

    Multiperspektivisch, kritisch modern und auf der Höhe der For-schung – so möchte die Bundeswehr Militärgeschichte begreifen underzählen. Sie versteht ihr Museum deshalb nicht primär als technikge-schichtliches, sondern als modernes kulturhistorisches Museum. Essoll über unsere Geschichte informieren, zu Fragen anregen und ver-schiedene Antworten anbieten. Ein Museum, das ohne Pathos eine kri-tische Auseinandersetzung anstrebt und zum Denken anregt.

    Abb. 1: Kühn und kompromiss-los schlägt Daniel Libeskindseinen weltberühmten Keil ausStahl und Glas …

    Abb. 2: … durch das historische Gemäuer des MilitärhistorischenMuseums der Bundeswehr in Dresden

    Dipl.-Ing. Sylvia Heilmann

  • BRANDSCHUTZ

    Der Prüfingenieur | November 2012 15

    Der bislang reinste Libeskind-Bau in Dresden – wie der Architekt wohl selbst gesagt hat

    Abb. 3: Der Lageplan des Militärhistorischen Museums der Bundes-wehr in Dresden: Die Längenausdehnung in Ost-West-Richtung be-trägt 123 und in Nord-Süd-Richtung 72 Meter

    Architekt des Neubaus des Militärhistorischen Museums der Bun-deswehr in Dresden mit seinem charakteristischen Keil ist der US-ame-rikanische Stararchitekt Daniel Libeskind, der die Architekturgeschich-te des 21. Jahrhunderts wie kaum ein anderer geprägt hat. In Dresdenkann die deutsche Museumslandschaft auf einen weiteren symbol-trächtigen Bau schauen, den der Architekt selbst als bislang reinstenLibeskind-Bau bezeichnet. Der Dresdner Keil reiht sich in eine Reiheweltbekannter Libeskind-Museen, wie dem jüdischen Museum Berlinoder dem Imperial War Museum Manchester, ein.*

    Kühn und kompromisslos schlägt Libeskind den Keil aus Stahl undGlas (Abb. 1) mitten durch das alte Gemäuer des MilitärhistorischenMuseums (Abb. 2). Gewagt ist das, und gleichwohl ist Libeskind da-mit eine virtuose Kombination von Alt und Neu gelungen, welche, soscheint es, die Geschichte des Bauwerks zum Sprechen bringt.

    Der Keil zerschneidet die räumliche Ordnung des Arsenals und er-laubt so eine grundlegende Neuorientierung des Museums. Nicht nur,dass der Keil Sinnbild des Aufbruches der Dresdner gegen Krieg undZerstörung ist, er ist auch ein Mahnmal und erinnert an die V-Formati-on der Flugzeuge während des Bombenangriffes auf Dresden im Feb-ruar 1945.

    Das nicht unterkellerte, dreigeschossige Hauptgebäude weist eineLängenausdehnung in Ost-West-Richtung von etwa 123 Meter und ei-

    ne Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung von etwa 72 Meter auf (Abb.3). Die Firsthöhe des bestehenden Gebäudes beträgt etwa 20,50 Me-ter. Die geplante Gebäudeerweiterung in Form eines Keils ist fünfge-schossig und mit einer Längenausdehnung von etwa 100 Meter ge-plant. Der Neubaukeil ist wegen seiner Neigung unterschiedlich hoch:der höchste Punkt auf der Südseite liegt etwa 30 Meter über Geländeund der niedrigste Punkt auf der Nordseite etwa 17 Meter über derGeländeoberkante. Durch den Neubaukeil inmitten des historischenGebäudes entsteht ein kleiner Innenhof.

    2 Baurechtliche GrunddatenDie Sächsische Bauordnung (SächsBO) in der Fassung von 28. Mai2004 bildet die gesetzliche Grundlage des Brandschutznachweises fürdas Militärhistorische Museum und wird durch die dazugehörige Ver-waltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zurSächsischen Bauordnung (VwVSächsBO) in der Fassung von 18. März2005 einschließlich der nach geschalteten Richtlinien ergänzt.

    2.1 Einordnung gemäß § 2 (3) SächsBOIm Militärhistorischen Museum befindet sich der Fußboden der im viertenObergeschoß liegenden Nutzungsbereiche mit Aufenthaltsräumen bei et-wa 20 Meter mehr als 13 Meter über dem Gelände. Das Gebäude ist ge-mäß § 2 (3) Nr. 5 SächsBO ein Gebäude der Gebäudeklasse 5.

    2.2 Baurechtliche Stellung gemäß § 2 (4) SächsBOAufgrund � der Gesamtfläche des Gebäudes mit mehr als 1.600 Quadratmetern,� der geplanten Nutzung von Räumen durch mehr als 100 Personen,� der geplanten Nutzung als Versammlungsstätte und� der geplanten Nutzung als Restaurant mit mehr als 40 Gastplätzenist das Gebäude gemäß § 2 (4) Nr. 3, 6, 7 und Nr. 8 SächsBO ein Son-derbau. Für diesen Sonderbau sind nach § 51 SächsBO die Erleichte-rungen oder besonderen Anforderungen nach der Sächsischen Ver-sammlungsstätten-Verordnung (SächsVStättVO) anzuwenden, soweitderen Geltungsbereich erreicht ist.

    2.3 Geltungsbereich der SächsVStättVODer Geltungsbereich der SächsVStättVO ist wie folgt definiert:

    Die Vorschriften dieser Verordnung gelten für den Bau und Betriebvon... Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen, die einzeln

    mehr als 200 Besucher fassen. Sie gelten auch für Versammlungsstät-ten mit mehreren Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200

    © Daniel Libeskind AG, Zürich

    *Diese Einführung entstammt der Website des Museums:www.mhmbw.de

  • BRANDSCHUTZ

    16 Der Prüfingenieur | November 2012

    Schutzziel 1 Erhalt der Tragfähigkeit des Bauwerkswährend eines bestimmten Zeitraumes

    Schutzziel 2 Begrenzung der Entstehung und Ausbrei-tung von Feuer und Rauch innerhalb desBauwerks

    Schutzziel 3 Begrenzung der Ausbreitung von Feuer aufbenachbarte Bauwerke

    Schutzziel 4 Möglichkeiten für Personen, das Gebäudeunverletzt verlassen oder durch andereMaßnahmen gerettet werden zu können

    Schutzziel 5 Berücksichtigung der Sicherheit der Rettungsmannschaften

    Abb. 4: Diese fünf Schutzziele musste das Brandschutzkonzept für dasMilitärhistorische Museum in Dresden erreichen

    Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Ret-tungswege haben; ...

    Die Vorschriften der SächsVStättVO gelten nach ihrem Paragrafen1 (3) Nr. 3 nicht für Ausstellungsräume in Museen.

    Im Militärhistorischen Museum sind neben den bestimmungsgemäßnotwendigen Ausstellungsräumen auch weitere Versammlungsräume(zum Beispiel Foyer, Restaurant, Konferenzraum usw.) geplant. Dieseunterliegen gemäß § 1 (1) dem Geltungsbereich der SächsVStättVO.

    3 Schutzziele nach europäischemStandardDas europäische Sicherheitskonzept im Anhang I der Richtlinie89/106/EWG des Rates vom 21.12.1988 unterscheidet sich hinsichtlichder Schutzziele kaum vom deutschen Sicherheitskonzept.

    Das Bauwerk muss danach so entworfen und ausgeführt sein, dass beieinem Brand die in Abb. 4 gelisteten fünf Schutzziele eingehalten werden.

    Keines dieser Schutzziele konnte im Militärhistorischen Museumdurch traditionelle oder konservative Lösungen erreicht werden. Umden hohen Ansprüchen und Visionen des Architekten hinsichtlichRaumgestalt und Raumerleben zu genügen, mussten auch beim Ent-wurf des Brandschutzkonzeptes mutige, aber keinesfalls unsichere An-sätze gefunden werden. Das Brandschutzkonzept hatte sich dabei im-mer an der Einhaltung dieser Schutzziele zu messen.

    Neben dem internen Prüfverfahren auf Bauherrn- und Betreibersei-te (dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien und BaumanagementSIB und der Bundeswehr) wurde auch eine externe Prüfung durchge-führt, so dass dieses besondere und einzelfallbezogene Brandschutz-konzept seine hoheitliche Bestätigung fand.

    Mit dem Nachweis der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit derPlanung des Architekten, der Daniel Libeskind AG Zürich, wurde dasallgemeine Planungsziel unter Bezug auf die öffentlich-rechtlichenVorschriften erreicht. Abweichungen von gesetzlichen Vorschriftenwurden hinsichtlich des Gefährdungspotentials eingeschätzt und zurWahrung des definierten Sicherheitsniveaus durch Kom pen sations -maß nahmen neutralisiert.

    4 Ausgewählte Brandschutzkonflikteund deren konzeptionellen Lösungen

    Die Sächsische Bauordnung (SächsBO), nach der dieses Museum zubewerten war, enthält eine Vielzahl materieller Anforderungen zurUmsetzung der oben definierten Schutzziele. Diese Maßnahmen sindzunächst hinsichtlich der Risikosituation auf herkömmliche Wohn- undBürohäuser ausgerichtet und erlauben die Einhaltung der bauaufsicht-lich definierten Schutzziele des vorbeugenden baulichen Brandschut-zes ohne technische oder organisatorische Maßnahmen.

    In logischer Konsequenz können durch den Einsatz von sicherheits-technischen Maßnahmen, wie zum Beispiel einer automatischenBrandmeldeanlage sowie der hier im Museum geplanten vollflächigenautomatischen Feuerlöschanlage, Abweichungen von geltenden Vor-schriften zulässig sein.

    In diesem Fall wird auf andere, als der in der SächsBO vorgeschrie-benen Weise dem Zweck einer technischen Vorschrift gleichermaßenentsprochen und so das definierte Schutzziel auf andere Art erreicht.

    Die Kompensation der baulichen Defizite durch sicherheitstechni-sche Brandschutzmaßnahmen ist insbesondere für das bestehende Mi-litärhistorische Museum von maßgebender Bedeutung, da die heutegeltenden Brandschutzvorschriften ohne Substanzverlust, der einemAbriss gleichkäme, nicht im vollen Umfang umsetzbar sind.

    Im Folgenden werden die Konfliktpunkte näher erläutert, die dasBrandschutzkonzept wesentlich prägen, sowie die Konfliktlösung undderen Schutzzielerfüllung dargestellt.

    4.1 Konflikt 1: Feuerwiderstand der KonstruktionDas Hauptproblem resultiert aus der vorhandenen Konstruktion. Derhistorische Massivbau ließ zunächst ein robustes Tragverhalten imBrandfall vermuten, was sich allerdings nach genaueren Untersuchun-gen der Tragwerksplaner nicht bestätigte. Dreißig Minuten Standsi-cherheit im Brandfall wurden der Konstruktion bescheinigt, was nichtausreicht, um das Schutzziel 1 (siehe Abb. 4) zu erfüllen. Eine Feuer-widerstandsdauer von mindestens neunzig Minuten ist nötig, um zugewährleisten, dass die Besucher unverletzt aus dem Museum fliehenoder durch andere Maßnahmen gerettet werden (Schutzziel 4) undauch die Rettungsmannschaften das Gebäude sicher verlassen können(Schutzziel 5).

    Eine Anhebung der Feuerwiderstandsdauer durch Ertüchtigen allerBauteile (F30 auf F90) schloss sich wegen des damit verbundenen, er-heblich höheren Investitionsbedarfes aus. Davon unberührt warenaber auch Bauteile vorhanden (insbesondere Gussstützen, Stahlunter-züge, Zugstangen usw.), die keinen klassifizierbaren Feuerwiderstand(Abb. 5) aufwiesen und daher zu ertüchtigen (F30) waren. In Abb. 5und Abb. 6 ist eine Ertüchtigung eines Stahlträgers mit Trockenbau,der auf einer Gussstütze (Ertüchtigung mit Dämmschichtbildner) ruhtund selbst die Holzbalkendecke trägt, dargestellt.

    Das Defizit im Zusammenhang mit der Feuerwiderstandsdauer wur-de letztlich durch den Einbau einer vollflächigen automatischen Feuer-löschanlage kompensiert. Diese soll einerseits für eine Kühlung derBauteile sorgen, um deren Tragverlust im Brandfall zu verhindern, undsie kann andererseits die Brandausbreitung (Schutzziel 2) begrenzen(siehe weiter: Konflikt 2).

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    Der Prüfingenieur | November 2012 17

    Abb. 5: Blick auf die mit Trockenbau in F30 ertüchtigte Stahl-Guss-Konstruktion unter der Holzbalkendecke

    Abb. 6: Detailzeichnung für die Ausführungsplanung

    Abb. 8: Modellbild von der alle Geschosse verbindenden Vitrine

    Abb. 9: Der Dresden-Blick im vierten Obergeschoß

    Abb. 7: Modellbild Raumverbund über alle Geschosse

    Die darüber hinaus konzipierte automatische Brandmeldeanlagesoll eine schnelle Detektion von Rauch absichern, so dass unverzüglichnach Brandausbruch hilfeleistende Stellen zur Einleitung wirksamerLöschmaßnahmen alarmiert werden können. Die Brandmeldeanlage(BMA) der Kategorie 1 nach DIN 14675 dient gleichwohl auch der Per-sonensicherheit und gilt als positives Element bei der Schutzzielerfül-lung Nr. 4.

    4.2 Konflikt 2: Raumverbund über alle Geschosse Die Besonderheit des Keils besteht darin, dass durch ihn alle Ge-schosse über innere Lufträume (sogenannte Vitrinen, siehe Abb. 7und Abb. 8) miteinander in Verbindung stehen, sodass sich dievorhandene Brandabschnittsfläche aus der Summe aller Geschoss-flächen ergibt.

    Ein brandschutztechnischer Raumabschluss zwischen den Geschos-sen ist im Keil nicht gewünscht. Zudem sind aufgrund des Museums-konzeptes Öffnungen in den Keilwänden ohne Verschluss vorgesehen(siehe weiter: Konflikt 4), was ein erhöhtes Risikopotential für dieBrandausbreitung birgt. Letztlich verlangt auch das raffinierte Lüf-tungs- und Entrauchungskonzept Nachström-Öffnungen in den Keil-wänden, welche die Brandabschnittstrennung konterkarieren. Somitist bei dieser besonderen Museumsarchitektur ein deutlich höheres Ri-siko für die Brandausbreitung festzustellen, das durch die geplante au-tomatische Feuerlöschanlage gemindert werden konnte und so letzt-lich die Genehmigungsfähigkeit gegeben war.

    Zu weiteren Reduzierung des Brandausbreitungsrisikos wurdenRäume, in denen keine Sprinkleranlage eingebaut werden konnte, inF 90/T 30 und Räume mit besonderen Funktionen in F 30/T 30 abge-trennt.

    4.3 Konflikt 3: Anwesenheit vieler Personen, die ortsunkundigsindDas Museumskonzept basiert darauf, dass die Besucher im Erdge-schoß über die Personenaufzüge, die sich im Keil in einer so genanntenvertikalen Vitrine (Abb. 8) befinden, zunächst in das vierte Oberge-schoß transportiert werden, um dort den Besucherrundgang am„Dresden-Blick“ zu beginnen. Der Besucherrundgang startet also imvierten Obergeschoß am „Dresden-Blick“ (Abb. 9). Alle Besucher desMuseums halten sich damit zunächst im vierten Obergeschoß auf. Soergibt sich dort eine viel höhere Personenbelegung als sie entstehenwürde, wenn der Rundgang im Erdgeschoss beginnen würde.

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    18 Der Prüfingenieur | November 2012

    Abb. 10: Planauszug aus der Evakuierungsberechnung mit Brandabschnitten

    Abb. 12: Maximale Brandabschnittsflächen

    Abb. 11: Darstellung der vier Brandabschnitte (BA1 bis BA4)

    BA 1 Altbau West 3.900 m² (Summe EG und 1.OG, da keinklassifizierter Raumabschluss)

    BA 2 Neubaukeil 4.100 m² (Summe der infolge Luftraumver-bundes zusammenhängenden Flächen EG– 4.OG)

    BA 3 Altbau Ost I 2.700 m² (Summe EG und 1.OG, da keinRaumabschluss)

    BA 4 Altbau Ost II 3.600 m² (Summe EG und 1.OG, da keinRaumabschluss)

    Dies hatte maßgeblichen Einfluss auf das Evakuierungskonzept,welches einerseits die theoretisch möglichen (basierend auf dem Flä-chenangebot) und andererseits die praktisch zulässigen (basierend aufden zur Verfügung stehenden Ausgangsbreiten) Besucheranzahlen zuberücksichtigen hatte.

    Daher wurde für das Militärhistorische Museum Dresden eine Eva-kuierungsberechnung nach Predtetschenski/Milinski durchgeführt, inderen Ergebnis die tatsächlich zulässige Personenzahl in den jeweili-gen Ausstellungsräumen in Abhängigkeit von der maximalen Evakuie-rungslänge sowie der vorhandenen Rettungswegbreiten festgelegtwurde (Abb. 10).

    Zudem wird die Personensicherheit durch folgende Sicherheitstech-nik weiter gesteigert:� Automatische Feuerlöschanlage (Wasser) CEA 4001,� Gaslöschanlagen (VdS),� automatische Brandmeldeanlage Kategorie 1 (DIN 14675),� Rauchansaugsystem in den Vitrinen (DIN EN 54-20),� Alarmierungsanlage mit Sprachdurchsage (DIN VDE 0833),� Sicherheitsbeleuchtung (DIN EN 50172),� Sicherheitskennzeichnung (DIN 4844),� Anlagen zur natürlichen und mechanischen Ableitung von Rauchund Wärme (DIN EN 12101),

    � Aufzug mit Brandfallsteuerung (DIN EN 81-73), � Sicherheitsstromversorgungsanlage (DIN VDE 0108).

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    Der Prüfingenieur | November 2012 19

    Abb. 14: Öffnung in der Keilwand mit Sprühflutanlage

    Abb. 13: Sprühflutanlage als Öffnungsschutz, Vitrine muss in den erforderlichen Sprinklerschutz „versetzt“ werden

    4.4 Konflikt 4: BrandabschnittstrennungDie Gebäudeausdehnung, die durch den Keil nicht nur flächenmäßigerweitert wird, sondern auch durch den architektonisch gewollten Ver-zicht auf den Deckenverschluss im Bereich der sogenannten Vitrinen(Abb. 8) einen umfänglichen Raumverbund über alle Geschosse er-fährt, verlangt zur Erfüllung von Schutzziel 2 eine Unterteilung inBrandabschnitte (BA) (Abb. 11).

    Die Keilwände, die einen Neigungswinkel von 75 Grad aufweisen,was im Übrigen besondere Aufmerksamkeit bei den Durchgangshöhenerfordert, wurden als innere Brandwand ausgebildet, was bei einerStahlbetonkonstruktion unproblematisch ist.

    Darüber hinaus wird brandschutztechnisch auch in den Altbau-teilen keine raumabschließende Geschosstrennung zwischen demErdgeschoß und dem ersten Obergeschoß realisiert. Die Geschoss-decke zwischen Erdgeschoß und erstem Obergeschoß im Altbau istausschließlich hinsichtlich der Tragfähigkeit als feuerhemmendeKonstruktion im Bestand bereits vorhanden, was aufgrund der ge-planten brandschutztechnischen Sicherheitstechnik (automatischeBMA, Sprinkleranlage) auch belassen werden konnte. Ab dem ers-ten Obergeschoß erfüllen die Geschossdecken den feuerhemmen-den Raumabschluss.

    Es ergeben sich nach Abb. 11 die in Abb. 12 gelisteten maximalenBrandabschnittsflächen.

    Der feuerbeständige Raumabschluss der notwendigen Öffnungenin den inneren Bandwänden konnte nutzungsbedingt und aufgrund

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    20 Der Prüfingenieur | November 2012

    Projektdaten und ProjektbeteiligteBauherr: Bauherr: Bundesrepublik Deutschland (StaatsbetriebSächsisches Immobilien- und Baumanagement, Dresden)Gebäudedaten: BGF: 24.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche: 18.000 QuadratmeterBaukosten: 44 Millionen Euro (inklusiv Ausstellung)

    Projektbeteiligte:Architekt: Daniel Libeskind AG, Zürich, SchweizAusstellung: Holzer Kobler Architekturen, ZürichBauausführung: Reese Lubic Wöhrlin Architekten, BerlinGebäudetechnik: IPRO DresdenTragwerksplanung: GSE Ingenieur-Gesellschaft, BerlinPrüfingenieur Statik: CSZ Ingenieurconsult, DresdenBrandschutz: Ingenieurbüro Heilmann, PirnaPrüfingenieur Brandschutz: Dipl.-Ing. Merz, Dresden

    Abb. 16: Vorderansicht des Vitrinensystems

    Abb. 15: Mäandrierendes Vitrinensystem

    der erforderlichen Nachström-Öffnungen für die Rauchabführung imKeil nicht konsequent hergestellt werden. Um das Schutzziel 2 (Be-grenzung der Brandausbreitung innerhalb des Gebäudes) dennochausreichend sicher zu garantieren, wurden im Sturzbereich der Durch-trittsöffnungen Wasserschleieranlagen als Sprühflutanlagen mit ver-dichteten, offenen Sprühdüsen in zwei beziehungsweise drei Ebenen(unter dem Sturz, hinter und vor dem Sturz) realisiert (Abb. 13 undAbb. 14) Aufgrund der schrägen Wände musste darauf geachtet wer-den, dass der Sprinklerschutz allseits gegeben ist.

    Unterstützt wurde dieses System durch ein geschicktes Entrau-chungskonzept, welches die Luftführung im Brandfall unter Berück-sichtigung der Druckkaskaden regelt.

    Mit der geplanten Brandabschnittsunterteilung und der automati-schen Feuerlöschanlage sowie dem Entrauchungskonzept aufgrund ei-ner spezifischen Brandsimulationsberechnung wird insgesamt eineübergroße Brandausbreitung begrenzt, so dass die bauordnungsrecht-lichen Sicherheitsgrundsätze und die Schutzziele 1, 2, 4 und 5 erfülltwerden. Das Schutzziel 3 wird durch ausreichende Abstände zu be-nachbarten Gebäuden eingehalten.

    4.5 Konflikt 5: RauchabführungIm Keil erfolgt die Entrauchung, welche durch die Brandmeldeanlageautomatisch angesteuert wird, maschinell mittels auf dem Dach ange-ordneter Rauchgasventilatoren. Im Ergebnis der vorgelegten Brandsi-mulationsberechnung wurden die Brandgasventilatoren genau positio-niert, die erforderlichen Rauchabzugsmengen sowie die erforderlichenZuluftmengen festgelegt und in einer Entrauchungsmatrix integriert.

    Die Rauchabführung in den Altbauteilen erfolgte auf herkömmlicheWeise über Fenster.

    4.6 Konflikt 6: AusstellungDie Ausstellungsplanung verlangte ebenfalls besondere Aufmerksam-keit. So waren zum Beispiel in der Chronologie die Hauptgänge durchdie mäandrierenden Vitrinen in einer Entfernung von mehr als 20 Me-ter vorgesehen, was als unzulässig bewertet wurde (Abb. 15 undAbb. 16). Es mussten zusätzliche Ausgangsmöglichkeiten im Bereichder Vitrinen geschaffen werden.

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    Der Prüfingenieur | November 2012 21

    Experimentelle und theoretische Brand- und Rauchsimula-tionen als Grundlage einer effizienten BrandschutzplanungBrandschutzingenieurverfahren für ein mit den Schutz-zielen der Bauordnung gleichwertiges Sicherheitsniveau

    Weil sich die Brandschutzplanung nicht in jedem Fall und für al-le Gebäudetypen allein auf die Umsetzung baurechtlicher Re-gelwerke stützen kann, kann es eine Aufgabe der Brandschutz-ingenieurverfahren sein, für von der Bauordnung abweichendeBauweisen ein mit den Schutzzielen der Bauordnung gleichwer-tiges Sicherheitsniveau aufzuzeigen. Im vorliegenden Beitragwird deshalb anhand ausgewählter Beispiele dargestellt, inwie-weit eine Brand- und Rauchsimulation eine Brandschutzpla-nung unterstützen kann.

    hat von 1974 bis 1980 an der TU Braunschweig studiert und amdortigen Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz pro-moviert; seit 1996/97/2005/2008 ist er öffentlich bestellter undvereidigter Sachverständiger für Brandschutz, staatlich anerkann-ter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes bei derIngenieurkammer Bau NRW, Nachweisberechtigter für den vor-beugenden Brandschutz bei der Ingenieurkammer Thüringen undfür den vorbeugenden Brandschutz bei Gebäuden der Gebäude-klasse 4 und 5 und von Brandschutzkonzepten bei Sonderbautenim Saarland beim Ministerium für Umwelt in Saarbrücken sowiePrüfingenieur für Brandschutz

    1 EinführungDie Möglichkeit, Simulationsrechnungen mit dem Ziel einzusetzen, dieUmsetzung von konkret in baurechtlichen Regelwerken genannten An-forderungen alternativ nachzuweisen, ist durch baurechtliche Regelwer-ke gegeben. Abweichungen im Sinne von Paragraf 67 der Musterbau-ordnung der Länder (MBO) und auch im Sinne von Paragraf 3 MBO sindgewollte Mittel des Baurechtes, die einen Nachweis der Gleichwertigkeitder abweichend vom Baurecht geplanten Bauweise erfordern. Somitmuss eine Brandschutzplanung, die Abweichungen von geltenden bau-rechtlichen Regelwerken beinhaltet, diesen Nachweis einschließen.

    Nachweise können unter anderem mit Hilfe von Brand- und Rauch-simulationen geführt werden. Hierbei ist zunächst noch offen, ob dieSimulationen theoretischer oder experimenteller Art sind. Beide Mög-lichkeiten sind in Wissenschaft und Forschung, in baurechtlichen Re-gelwerken und auch in Baugenehmigungsverfahren genannte undpraktizierte Mittel.

    Als experimentelle Brandsimulationen sind unter anderem Bauteil-und Baustoffprüfungen zu nennen, die zu Einstufungen in Feuerwider-standsklassen (beispielsweise mit Bezug auf allgemeine bauaufsichtli-che Prüfzeugnisse oder auf allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen)und in Eingruppierungen zu Baustoffklassen führen können. Zu denexperimentellen Rauchsimulationen zählen Experimente zur Untersu-chung der Toxizität unter ganz bestimmten Brandrandbedingungenund experimentelle Untersuchungen der Rauchausbreitung im Gebäu-de mittels Generatoren von warmem und kaltem Rauch.

    Simulationsrechnungen oder auch Simulationsexperimente bedie-nen sich der Ingenieurmethoden des Brandschutzwesens. Unter Inge-nieurmethoden im Brandschutz versteht man die Anwendung von in-genieurmäßigen Verfahren, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissenberuhen und die auch zusätzlich empirisch gewonnene Ansätze undErkenntnisse verwenden.

    Man verlangt im Allgemeinen hinsichtlich der Akzeptanz dieser In-genieurmethoden, dass diese verifiziert und validiert sind. Letztge-nanntes ist für die bauaufsichtliche Akzeptanz von Nachweisen auf derBasis von Ingenieurmethoden wesentlich.

    Baurechtlich ist der Einsatz von Ingenieurmethoden (und damit vonBrand- und Rauchsimulationen) in zahlreichen Querverweisen zumBaurecht abgesichert. So ist im Anhang zur Industriebaurichtlinie alsein Grundsatz für die Aufstellung von Nachweisen festgehalten, dassauf der Grundlage von Methoden des Brandschutz-Ingenieurwesensdurch wissenschaftlich anerkannte Verfahren (zum Beispiel mit Wär-mebilanzrechnungen) nachgewiesen wird, dass für sicherheitstech-nisch erforderliche Zeiträume die vorhandenen Rettungswege benutz-bar sind, eine wirksame Brandbekämpfung möglich ist und die Stand-sicherheit der Bauteile gewährleistet ist.

    Dr.-Ing. Dietrich Eckhard Hagen

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    22 Der Prüfingenieur | November 2012

    Genau diese Ziele werden bei einfachen Nachweisen entsprechendder Industriebaurichtlinie (beispielsweise Nachweis mit den Tabellender Ziffer 6 oder Nachweis mit dem einfachen rechnerischen Verfahrender Ziffer 7) auch verfolgt, sie entsprechen den allgemeinen Schutzzie-len des in der MBO festgelegten Brandschutzniveaus.

    In der Überschrift dieses Beitrages ist der Begriff „effiziente“Brandschutzplanung genannt. Anforderungen an eine Effizienz derBrandschutzplanung können mit Blick auf Kosten, auf Realisierbarkeiteines Bauvorhabens, auf architektonische Gestaltung von Gebäuden,auf Erhaltung von bestehender Bausubstanz bezogen sein, aber undnicht zuletzt auch auf brandschutztechnische Sicherheit.

    Hieraus leiten sich die Begründung, die Motivation und auch diebaurechtliche Relevanz des Einsatzes von Brand- und Rauchsimulatio-nen ab.

    2 Einsatzgebiete für Ingenieurmetho-den des Brandschutzes, Begründung fürRauch- und Brandsimulationen

    Bereits die baurechtlichen Regelwerke und die allgemein anerkanntenRegeln der Technik beinhalten Ergebnisse von Ingenieurverfahren oderleiten in Einzelfällen auch zum Einsatz von Ingenieurverfahren an.Hierbei werden gegebenenfalls auch konkrete Vorschläge in Form vonBerechnungsvorgaben gemacht. Ein Beispiel hierfür ist die Industrie-baurichtlinie, die ein abgestuftes Verfahren (abgestuft hinsichtlich derGenauigkeit der Nachweise) anbietet, um Methoden zur Umsetzungder brandschutztechnischen Schutzziele zu ermitteln. In das verein-fachte Verfahren nach Ziffer 6 sind in Form von Tabellenwerten Er-kenntnisse aus Empirie, Wissenschaft und Forschung eingeflossen.

    Anderen Regelwerken ist zu entnehmen, dass Ergebnisse von Simu-lationen Eingang in das baurechtliche Anforderungsniveau oder in dastechnische Anforderungsniveau gefunden haben. Beispiele hierfür sind

    � Muster-Versammlungsstättenverordnung (Rettungswegbreiten,Systematik der Breitenmodule),

    � DIN 18230 (erforderliche Feuerwiderstandsklasse in Abhängigkeitvom sogenannten natürlichen Brand unter Verwendung eines Refe-renzbauteils),

    � Eurocodes auf der Basis von DIN EN 1991 (Einwirkungen auf Trag-werke im Brandfall, Tragwerksbemessungen für Stahlbetonbauteile,Stahlbauteile und Holzkonstruktionen im Brandfall),

    � DIN 18232 – Teil 2 (Zonenmodellierung zur Ermittlung von rauch-freien Zonen),

    � VDI 6019 (Ingenieurverfahren zur Bemessung der Rauchableitungaus Gebäuden),

    in Zukunft:� DIN 18009 (in Vorbereitung, Normenausschuss„Brandschutzinge-nieurverfahren“)

    und � Arbeiten in CEN/TC 127, TG1 „Fire safety engineering“.

    Eine Notwendigkeit für den Einsatz von rechnerischer Simulation imSinne einer effizienten Brandschutzplanung kann durch Schutzzielkon-flikte und im Vorfeld bestimmende Randbedingungen gegeben sein.

    Schutzzielkonflikte sind in Verbindung mit Denkmalschutzanforde-rungen denkbar, die regelkonformen Ausführungen hinsichtlich desBrandschutzes entgegenstehen können. Vorgegebene Randbedingun-gen, die die entsprechend heutiger Bestimmung zu realisierendenBrandschutzmaßnahmen erschweren, sind häufig durch bestehendeGebäude gegeben.

    In Bestandsbauten können Bauteile und Baustoffe vorhanden sein,deren Konstruktion nicht den in Bauregellisten festgelegten Verwend-barkeitsnachweisen entspricht. Es können geometrische Randbedin-gungen vorliegen (in Verbindung mit Rettungswegen, Brandabschnit-ten, Nutzungseinheiten), die mit den heutigen baurechtlichen Anfor-derungen nicht in Übereinstimmung gebracht werden können.

    Es folgt, dass insbesondere in Verbindung mit Bestandsbauten undmit denkmalgeschützten Gebäuden schutzzielorientierte Nachweisver-fahren eingesetzt werden müssen, die den vorgegebenen Randbedin-gungen Rechnung tragen und die den Nachweis der Gleichwertigkeitder Lösung gegenüber baurechtlichen Anforderungen beinhalten.

    Trotz der Fülle von baurechtlichen Regelwerken werden in der Rea-lität baurechtlich nicht geregelte Sonderfälle mit Brandschutzkonzep-ten zu bearbeiten sein. Beispiele hierfür sind

    � unterirdische Verkehrsanlagen (Tunnel),� Personenabfertigungsanlagen (Bahnhöfe, Flughäfen, Fährtermi-nals),

    � für die Nutzung des Gebäudes erforderliche Spezifika, wie Atrium-bauten, Geschossdurchbrüche in technischen Anlagen (Schwimm-bäder), Besonderheiten mit produktionstechnischen Anlagen.

    In baurechtlichen Regelwerken ist bewusst das Instrument der Ab-weichung (und der damit in Verbindung stehenden Kompensation)enthalten. Wenn auch vielfach in Baugenehmigungsverfahren argu-mentiert wird „in Neubauten sind Abweichungen nicht erforderlich“,muss dennoch der Tatsache Rechnung getragen werden müssen, dassinnovatives und individuelles Bauen ohne Abweichungen nicht mög-lich ist.

    Daher ist der Nachweis einer ausreichenden Kompensation durchbeispielsweise technische Anlagen in der Regel nur durch experimen-telle oder rechnerische Simulationen zu erbringen. Beispiele hierfürkönnen sein:

    � die Reduktion der Feuerwiderstandsklasse durch Einsatz von Sprink-leranlagen und Wärmeabzügen (System der Industriebaurichtlinie),

    � der Einsatz von brennbaren Baustoffen durch Verbesserung derBrandmeldung und Alarmierung,

    � der Verzicht auf Brandwände durch Einsatz von automatischenLöschanlagen oder durch Anordnung von Freiflächen (System derVerkaufsstättenverordnungen),

    � überlange Rettungswege durch Brandmeldeanlagen, Alarmierungs-einrichtungen und Vorrichtungen zur Rauchableitung,

    � zu geringe Rettungswegbreiten durch Nutzungseinschränkungen,� Verzicht auf einen zweiten Rettungsweg durch Anlagentechnik (Si-cherheitstreppenraum).

    In den genannten Fällen ist die Diskussion zu führen, inwieweit dieKompensation ausreichend ist. Insbesondere ist die Übertragung vonexakten, naturwissenschaftlich ermittelten Ergebnissen auf pragmati-sche baurechtliche Anforderungen zu untersuchen.

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    Der Prüfingenieur | November 2012 23

    3 AnwendungsbeispieleIm Folgenden werden Konzepte erläutert, die aus den oben genanntenGründen nur mit Unterstützung von experimentellen und rechneri-schen Brand- oder Rauchsimulationen zu verwirklichen waren. Bei-spiele werden für die Fälle

    � keine Regelungen durch baurechtliche Regelwerke,� Schutzzielkonfliktund� nicht regelkonforme Baurealisierungherangezogen.

    3.1 Brandschutzkonzept für unterirdische Verkehrsanlagen undTunnelsysteme („Keine baurechtlichen Regelwerke“)Unterirdische Bahnhöfe sind Sonderbauten, für die keine Sonderbau-verordnungen existieren. Nutzungsbedingt und betriebsbedingt sindGeschossverbindungen und große Brandabschnitte erforderlich, die ei-ne Rauch- und Temperaturausbreitung begünstigen und die eine Eva-kuierung, die in aller Regel nach oben zu erfolgen hat, behindern kön-nen.

    Für Brandschutzkonzepte müssen die Lösungsansätze daher in derRegel auf rechnerischen Simulationen des Brandes von Schienenfahr-zeugen und auf der rechnerischen Simulation der Rauchausbreitung inder Verkehrsanlage (auch in Verbindung mit Evakuierungsberechnun-gen) basieren.

    Die Diskussion in Verbindung mit vergrößertem Personenaufkom-men und mit mehreren Brandfällen hat zu der Erkenntnis geführt, dasseine rechtzeitige Evakuierung für bemessungsrelevante Szenarien ge-gebenenfalls nicht in jedem Fall nachgewiesen werden kann.

    Mit Hilfe der die Brandschutzkonzepte unterstützenden Simulationist daher sowohl das Brandgeschehen mit relevanten Brandszenarienals auch die Verrauchung in den kom