Der Ring* des Lebens. - zobodat.at · — 18 — system pumpt er Wasser mit den nötigen...

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Der Ring* des Lebens. Von Ünir.-Prof. Dr. Gustav Klein. Vortrag, gehalten den 10. Dezember 1924. ©Ver. zur Verbr.naturwiss. Kenntnisse, download unter www.biologiezentrum.at

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Der Ring* des Lebens.

Von

Ünir.-Prof. Dr. Gustav Klein.

Vortrag, gehalten den 10. Dezember 1924.

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Haben Sie sich jemals die Frage vorgelegt, wasdas Leben ständig in Fluß erhält, warum denn dasLeben so tausendfältig in Erscheinung und Wirkung,woher und wozu die bunte Mannigfaltigkeit, woherdas Gleichgewicht, das das ganze Lebensgetriebe inharmonischem Schwung erhält? Welche Zusammen-hänge alle die verschiedenen Organismen untereinanderund mit der Mutter Erde haben ? — Dazu führe ichSie in den Wald!

Nicht in die zertrampelten, menschenwimmelnden.Fluren des sonntäglichen Wienerwaldes, sondern ineinen echten, frischen Wald, der, von Menschenmassenund vom Rechenstift des Forstmannes halbwegs ver-schont, noch einen Teil seiner Ursprünglichkeit, seinerVielseitigkeit wahren konnte.

Wer kann sagen, was ihn bewegt, warum er soklein, so ruhig und frei wird, wenn er allein imWalde steht? Es ist nur ein Gefühl und doch stecktso viel dahinter, daß man die tiefsten Fragen desLebens daraus lesen kann.

Um in der erdrückenden Fülle des im WaldeLebenden irgendwo zu beginnen, bleibe ich vor einemBaume stehen und gebe Ihnen sein Wirken.

So still er scheint, so lebhaft pulsiert und arbeitetdas Leben in seinem Inneren. Mit seinem Wurzel-

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system pumpt er Wasser mit den nötigen Nährsalzen,das im feinst ausgebauten Leitungsnetz jede der My-riaden von Zellen speist. Durch die ungezählten Spalt-öffnungen der Blätter nimmt er Sauerstoff und Kohlen-säure aus der Luft,, aus der durch den grünen Farbstoffdes Blattes, unter Ausnützung der Lichtenergie, dieersten organischen Substanzen, Zucker und Stärke,spielend dargestellt werden.

Hier liegt der erste Angelpunkt des Lebens.Kohlensäure, die als Endprodukt der Verbrennungkeine nutzbare Energie mehr hat, wird zum hoch-wertigen Zucker (1 Molekül = 112.300 Kalorien) ver-wandelt. Die hier eingelagerte Energie stammt vonder einstrahlenden Lichtenergie der Sonne, die imgrünen Blatt, vom grünen Farbstoff (Chlorophyll) auf-gefangen, in chemische Energie umgewandelt wird,welche als Reserveenergie im Zucker- und Stärkemoleküldeponiert erscheint. Der Vorgang; der sich dabei abspielt,ist die Reduktion der Kohlensäure zu Formaldehyd,der sich zu Zucker und im weiteren Verlauf zu Stärkezusammenlagert. Diese chemische Reduktion ist derProzeß, bei welcher Energie vermehrt und im Moleküleingelagert wird. So grundlegend ist dieser Prozeßder Photosynthese, die Bildung organischer Substanzdurch die Lichtenergie, daß nicht nur die Pflanzen,sondern auch die gesamte Tierwelt ihren Bau- undBetriebsstoff aus dieser Quelle bezieht, daß das ge-samte Leben durch diesen Prozeß der Kohlensäure-assimilation gespeist und erhalten wird. So wunderbar

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ist die Pflanze darauf eingerichtet, die flüchtigste, be-weglichste aller Energien, das Licht abzufangen, daßkein' talergroßes Fleckchen im Bereich der weitenKrone Licht durchläßt, .daß ein vollkommenes Licht-filter mit breiten Armen gebaut ist. Ein Etagensystemvon Lichtfiltern ist im Walde ausgespannt, in demjedes Blatt so gestellt ist, daß kaum mehr direktesLicht auf den Waldboden fällt, daß Dämmerung unterden Wipfeln herrscht. Dieses Netz überspannt dieganze Erde, wo immer Lebensmöglichkeiten für grünePflanzen gegeben sind: ein riesiges System. Von demeinfallenden Licht überhaupt werden im besten Falle80°/o durch die Blätter absorbiert, vom Chlorophyllaber nur 4°/o. Von diesen 4% der gesamten Strahlungwerden ca. 8O°/o bei der Assimilation verarbeitet.Welche Mengen dabei umgesetzt werden, möge auseiner Berechnung erhellen, nach der im Jahre 162.000Billionen Kalorien bei der Assimilation eingelagertund dadurch für das Leben nutzbar gemacht werden,während der Energiewert der Weltkohlenförderung inderselben Zeit 6600 Billionen, das Arbeitsvermögender gesamten lebenden Menschheit in dieser Zeit 70 Bil-lionen Kalorien beträgt.

Aus diesem ungeheuren Depot wird die ganzeWelt gespeist. Vom ersten Strahl der aufgehenden biszum letzten der untergehenden Sonne wird im grünenLaboratorium produziert. Abends sind alle Kessel mitKohlehydraten gefüllt, am Morgen sind sie wieder leer.Über Nacht wurden die Assimilate weggeschafft. Ihre

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Verwendung ist sehr vielseitig. Mit ihnen wird jedeZelle dauernd ernährt und mit Betriebsstoffen versorgt.

Aber nicht alles wird dabei verbraucht, diePflanze arbeitet viel ökonomischer, gewinnbringender.Sie baut, ständig wachsend und sich vergrößernd, dieSubstanz der jungen Zellen. Ebenso wie die Kohlen-säure werden die durch die Wurzeln aufgenommenenStickstoff-, Schwefel- und Phosphorsalze, die ebenfallsin höchstoxydierter Form als Nitrat (NO3), Sulfat(S04), Phosphat (PO4) in die Pflanzen eintreten, redu-ziert und in dieser Form in organische Moleküle(speziell in die Eiweißkörper) eingelagert.

Ein anderer Teil wird in den wunderbarenchemischen Laboratorien der Pflanze für sich und mitden Mineralsalzen des Bodens zu tausenden Verbindungenumgewandelt, zu Fett, Eiweißstoffen, Geschmacks-,Geruch-, Heil- und Giftstoffen, zu Farbstoffen, Harzen,zu Kautschuk, ätherischen Ölen usw.

Ein anderer Teil wandert in die Speichergewebeund wird dort als Reserve für kommende Jahre nieder-gelegt. Wenn im Frühling in wenigen Wochen allesgrün ist, wenn die erdrückende Last von Blätternund Blüten wie mit einem Zauberschlag hervorschießt,so nur deshalb, weil sie aus den Reserven vom Vor-jahr erzeugt werden können.

Der letzte Teil, nicht der geringste, wandert indie Früchte und Samen, die jungen Kolonien, die,mit einem Zehrpfennig versorgt, in die Welt geschicktwerden, um eine.neue Generation zu bilden.

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Jede lebende Zelle braucht zum Leben, zu ihrenmannigfaltigen Leistungen Energie. Der Betriebsstoffist der bei der Assimilation gebildete Zucker. Er wirdverbrannt, seine Energie freigemacht und verbraucht.Das geschieht bei der Atmung, bei der der Zucker,wie die Kohle im Ofen, physiologisch verbrannt wird,bis zum Endprodukt der Kohlensäure.

Bei dieser Oxydation wird die gesamte durchdie Reduktion eingelagerte Energie frei und zu allenLeistungen der Zelle und des gesamten Organismusverwertet. Das ist die abbauende Seite der grünenPlanze.

Der Energieumsatz, das Wechselspiel von Spei-cherung und Verbrauch in seinen verschiedenstenFormen, das nie ruhende Auf und Ab in den ge-regelten Lebensnormen, der ständige Stoff- und Kraft-wechsel, das navta $el verbürgt das Leben, ist dasLeben.

Eine Welt für sich, die grüne Welt, die aus an-organischem Material ihren Körper baut, sich selbstund alle andern Lebewesen versorgt.

Wie steht es nun mit der Bilanz der Kohlen-säure auf unserem Planeten?

In der Atmosphäre sind ca. 2100 Billionen kgKohlensäure enthalten. Da die Pflanzendecke, derErde davon im Monat mindestens 50 Billioneu ver-braucht, würde die gesamte Menge ungefähr 40 Monatelangen. Tatsächlich aber wird eine Abnahme derKohlensäure nicht beobachtet.

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Die Quellen, aus der die Kohlensäure regeneriertwird, sind die Atmung der Pflanzen, die ungefähr derAssimilationsraenge entspricht, die Atmung der Men-schen (ca. 525 Millionen kg Kohlensäure pro Jahr),der Tiere (etwa das Zehnfache vom Menschen), dieKohlensäureentwicklung aus Vulkanen und Quellen,die Kohlensäurebildung aus der Verbrennung von Holzund Kohle (Krupp-Werke 1894 ca. S1/^ Milliarden kgKohlensäure).

Dieser grünen Welt steht eine andere Weltgegenüber, die Tierwelt, aufgebaut auf der ersten undvon ihr lebend, denn alle Tiere sind nicht imstande,selbständig aus anorganischem Material organisches zubilden, und nähren sich direkt oder indirekt von derPflanze und ihrer Produktion. Welches immer dieNahrung der Tiere sei, es werden nur fertige organi-sche Produkte aufgenommen. Alle diese Stoffe, Kohlen-hydrate (Zucker, Stärke etc.), Fette und Eiweißkörperwerden im Magen- und Darmtrakt als körperfremdeStoffe bis zu den einfachsten organischen Bausteinenabgebaut und jenseits der Darmwand, besonders im Blut-system und in den einzelnen Zellen zu arteigenen, körper-eigenen und gewebseigenen Stoffen wieder aufgebaut.

Wie kompliziert immer die Nahrungsstoffe gebautsein mögen, sie werden mit Hilfe einer wunderbarenFermentausrüstung ihrer spezifischen Natur entkleidetund als Grundbausteine für sich oder mit den auf-genommenen Mineralstoffen nach eigenen Bauplänenwieder aufgebaut.

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Von diesen Baustoffen werden die Zellen undGewebe erneuert, werden alle neuen Zellen gebaut̂ einTeil ais Reserve (Glykogen, Fett) deponiert, allesübrige, Kohlehydrate, Fette und Eiweißstoffe, im Gegen-satz zur Pflanze, die nur Kohlenhydrate veratmet,verbrannt.

Die tierische Atmung ist im allgemeinen weitenergischer und unökonomischer, als die pflanzliche, dader freibewegliche tierische Organismus mehr Energieverbraucht und auch seine Nahrung wieder leichterersetzen kann.

. Während die grüne Pflanze meist Stickstoffmangelhat, mit den Eiweißstoffen sehr sparsam haushält undsie nicht zur Atmung heranzieht, verbrennt das Tierbeträchtliche Mengen von Eiweißkörpern und scheidetdie Reststoffe als Harnstoff, Harnsäure etc. aus.

Eine eigenartige Zwischenstellung zwischen diesenbeiden Gruppen nehmen die insektenfressenden Pflanzenein. Sie haben alle Fähigkeiten der grünen Pflanzen,leiden aber, an stickstoffarmen Orten wachsend, häufigStickstoffmangel. An diesen haben sie sich in voll-endetster Weise angepaßt, indem sie, zwar festsitzend,mit vollendeten Fangeinrichtungen Insekten fangen,deren Eiweißkörper ähnlich wie der tierische Or-ganismus abbauen und aufnehmen und dadurch dasStickstoffmanko decken. Ein wunderbarer Parallelismusin der Natur.

. Diesen Gruppen steht das allgewaltige Heer derChlorophyll freien niederen Organismen, der Hetero-

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trophen, gegenüber, das Heer der Bakterien und Pilze,meist unscheinbar in der Form, oft winzig an Gestalt,aber riesig in ihrer Zahl, und mannigfaltigen Arbeits-leistung. Erde, Wasser und Luft wimmeln von ihrenArmeen. Sie sind allgegenwärtig, omnipotent, sienähren sich zum Teil von toter organischer Substanz(Saprophyten), zum Teil aber leben sie als Parasiten auflebenden Organismen (die gefürchteten Erreger an-steckender Krankheiten und viele andere), grünenPflanzen und Tieren und nehmen von diesen ihre Nahrung.

Auch unter den Blütenpflanzen gibt es manche,die ihr Chlorophyll und damit die Fähigkeit, Kohlen-säure zu assimilieren, verloren haben (chlorophylloseOrchideen) und, meist auf den Wurzeln grüner Pflanzensitzend, von diesen ihre organische Nahrung nehmen,die sie ähnlich dem Tierorganismus verwerten. Strenggenommen gibt es ja überhaupt keine rein autotrophenPflanzen, denn auch die grünen Pflanzen sind nur inden grünen Organen autotroph. Alle chlorophyllfreienOrgane, Stengel-, Stamm- und Wurzelgewebe leben vonder organischen Nahrung der grünen Gewebe, sind jaauch heterotroph wie ganz chlorophyllfreie Organismen.

. Die merkwürdigste Anpassung an verschieden-artigste Lebensweise zeigen die Saprophyten. Sie sindteils omnivor, sie nähren sich von allem, was sie ge:rade vorfinden (wie die Schimmelpilze auf Brot, Tinteetc. und das weltbeherrschende Heer der Fäulnisbak-terien). Andere sind an spezifische Stoffe angepaßt undkönnen nur von diesen leben. Was von den meisten

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Organismen nicht mehr' angegriffen werden kann, wirdvon ihnen verdaut. Alkohole, Säuren, die hoch zu-sammengesetzten Kohlenhydrate (Zellulose, Holz), dieGerüststoffe der Tiere (Horn, Chitin), Humus, Harnstoff,Paraffin, Kohlenoxyd (CO), Methan (CH4) werden vongewissen Organismen verarbeitet. Sie sind mit spezifi-schen Fermenten ausgerüstet, mit denen sie diese spe-zifischen Stoffe anzugreifen und umzuwandeln vermögen.

Ähnliche Anpassung wie an die reinen Kohlen-stoffsubstanzen zeigen diese Organismen auch an diestickstoffhaltigen Stoffe. Manche von ihnen können mitjeder Stickstoffquelle auskommen, viele andere sindspezifisch angepaßt, manche an Nitrate, andere' an Ni-trite, manche an Ammoniak (Hefe, Colibazillen), anderenur an Aminosäuren (Typhus-, .Ruhrbakterien), wiederandere an Pepton {Bad. antliracis), manche nur anEiweißkörper (Diphteriebakterien).

Während die meisten der genannten Organismenzum Leben, zur Atmung den Sauerstoff der Luft brau-chen, sind andere im Bedarfsfalle vom Sauerstoff un-.abhängig. Andere können nur mehr ohne Sauerstoffleben. Während die sauerstoffveratmenden Organismendie Kohlenhydrate über eine Reihe von Zwischenstufenbis zur Kohlensäure abbauen, oxydieren und die ge-samte Energie daraus freimachen, bauen die Gärungs-organismen nur bis zu gewissen Zwischenstufen ab,machen nur einen Teil der Energie aus ihnen freiund bleiben auf gewissen, durch den Sauerstoffmangelbedingten Stufen stehen.

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Hieher gehört die Alkohol-, Essigsäure-, Butter-säure- und Milchsäuregärung, die Zellulose-, Harnstoff-und Eiweißgärung. Durch diese Organismen werdenStoffe, die von anderen nicht mehr angegriffen werden,verarbeitet, an Orten, wo alle anderen infolge Sauer-stoffmangels nicht mehr existieren könnten.

Der Körper, der bei der einen Gärung als End-produkt auftritt, dient dem andern als Ausgangsstöff(Zucker, Alkohol, Essigsäure). Andere Gärungsorganis-men, so gewisse Buttersäurebakterien, nehmeu denSauerstoff aus anorganischen Verbindungen, so aus denfür die höheren Pflanzen so wichtigen Nitraten und Sul-faten. Die Sulfate werden durch sie im Schlamm der Süß-wasser und Meere zum giftigen Schwefelwasserstoff (H2S)reduziert. Die Nitrate. werden von gewissen Gärungs-organismen zu Ammoniak (NH3), von manchen bis zufreiem Stickstoff abgebaut und gehen, was für späterfestgehalten werden soll, für die höhere Pflanze verloren.

Überblicken wir die Tätigkeit der heterotrophenOrganismen, so müssen wir feststellen, daß alle obmit oder ohne Sauerstoff von organischen Stoffen leben.Diese tote organische Substanz aber liegt in der Naturallüberall als Tier- und Pflanzenleichen oder Teile undStoffe von diesen.

Wohin verschwindet die ständig sterbende Tier-welt, wohin verschwindet, was alljährlich im Herbstan Kräutern, an Blattmassen der Pflanzenwelt zugrundegeht? Es ist berechnet, daß das fallende Laub imLaufe von zehn Jahren die Erde in einer Höhe von

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ca. 70 cm bedecken muffte. Wohin verschwindet dasalles? Was an Pflanzen- und Tiersubstanzen abge-schieden wird, was abfällt, jeder Halm, der verdorrt,jeder Baum, der stürzt, jedes Tierchen, das verendet,wird von Heterotrophen besiedelt, es ist schon lebendvon ihnen außen und innen besetzt, die Pflanzenstoffehauptsächlich von Pilzen, die tierischen Stoffe undLeichen von Bakterien.

Zuerst kommen die Omnivoren, die in ihrer glän-zenden Anpassung auch das verschiedenartigste orga-nische Material bearbeiten, die vergärenden Organis-men, schließlich die Spezialisten, die übernehmen, wasdie anderen übrig lassen. Jeder baut ein Stückchenab, der nächste weiter und so fort, bis einige Grund-stoffe übrigbleiben. Von der Fülle der Stoffe, diePflanzen und Tierkörper zusammensetzen, bleiben allein:Wasser (H2O), Kohlensäure (CO2), Ammoniak (NH3),Schwefelwasserstoff (H2S) und die Mineralsalze, dieursprünglich in dieser Form aufgenommen wurden.

Was von höheren Organismen so kunstvoll auf-gebaut wurde, ist in der Mühle des Lebens zerrieben,zermalmt, verarbeitet, bis wieder die einfachsten' Grund-stoffe daraus entstanden sind. Der Tod der höherenist das Leben der niederen Organismen; was zugrundegegangen, als Leiche den anderen im Wege liegenwürde, wird die Nahrung der anderen Seite des Lebens?,wird von den Heterotrophen abgebaut und verwandeltzu gewissen Grundstoffen, die neuerlich in den Kreis-lauf des Lebens einbezogen werden.

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Hier liegt die zweite Seite des Lebens, das vomTode der andern lebt, das den Tod der anderenwieder ins Leben hineinzieht, das das Schwungrad imGange hält.

Ganz anders . gebaut sind einige Gruppen vonBakterien, die zum Leben keine organischen Substanzenbrauchen, die ohne Chlorophyll, nur mit chemischenMitteln selbständig Kohlensäure assimilieren, die wirals autotrophe Bakterien bezeichnen. Die Energie zurKohlensäureassimilation nehmen diese von chemischenProzessen, von Oxydationsprozessen, die sie an denStoffen durchführen, die wir eben als Endprodukte beider Tätigkeit der Heterotrophen gesehen, beim Am-moniak (NH3) und Schwefelwasserstoff (H2S), Wasser-stoff und Methan.

Sowohl bei der Eiweißfäulnis wie bei der Re-duktion von Sulfat entsteht Schwefelwasserstoff (H2S),der für die höheren Pflanzen ungeeignet ist. ImSchwefelwasserstoff hältigen Salz- und Süßwasser ebenso-wie im Boden kommen Schwefelbakterien oft in Massenvor, die den Schwefelwasserstoff zu Schwefel, der inden Zellen oder außerhalb abgelagert werden kann,und diesen weiter zu Schwefelsäure (H2SO4) umwan-deln; aus dieser Oxydation nehmen sie ausschließlichdie Energie zur Kohlensäureassimilation.

In jedem Ackerboden entsteht bei der Zersetzung,der organischen Substanzen reichlich Ammoniak (NH3),das nur teilweise im Boden bleibt, zum Teil aber gas-förmig in die Luft entweicht und dadurch den grünen

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Pflanzen verloren gehen würde, wenn es nicht durch dienitrifizierenden Bakterien transformiert würde. Von diesenBakterien oxydieren die einen Ammoniak (NH3) zuNitrit (NO2), die andern dieses zu Nitrat in ganz er-staunlichen Mengen. Mit der dabei gewonnenen Energieassimilieren sie die Kohlensäure. Sie sind an dieseLebensweise so angepaßt, daß. sie organische Stoffezur Ernährung nicht nur nicht brauchen, sondern durchsie sogar geschädigt werden. Die vorher genanntenSchwefelbakterien können noch nach Bedarf organischeSubstanzen verwenden.

Ähnlich wie diese Organismen arbeiten andere,die aus der Oxydation von Ferro- zu Fernverbindungen(Eisenbakterien), aus einer Oxydation des Wasserstoffes(H) zu Wasser (H2O), des Methan (CH4, normaler-weise Gift) zu Kohlensäure (CO2), die Energie zurAssimilation gewinnen.

Die beiden letzteren Bakterienarten sind typischeBewohner von Sümpfen, in denen alle Prozesse derZersetzung organischer Stoffe mangels an Sauerstoffspeziell bei Wasserstoff (H) und Methan (CH4) stehenbleiben. — Diese autotrophen Bakterien stellen wiedereine neue Seite des Lebens dar, da sie die im Gesamt-bereich der Zersetzung organischer Substanzen auf-tretenden Endprodukte, die für die höheren Pflanzenunbrauchbar und selbst giftig sind (H2S, CH4), in ihrehöchst oxydierte Form umwandeln, die als optimaleNahrungsstoffe für die höheren Pflanzen wieder inBetracht kommen; da sie die sonst unbrauchbar ge-

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wordenen Endprodukte wieder in den Kreis des Lebensziehen und dabei ohne Chlorophyll und Licht, rein ausanorganischen Stoffen organische Substanzen bilden.Die einzige Parallele, die wir kennen.

Wir haben schon gehört, daß der Stickstoff imnatürlichen und künstlich behandelten Boden fast immerin zu geringen Mengen für ein optimales Wachstumder grünen Pflanzen vorhanden ist und übrigens einTeil des vorhandenen Nitrates (N03) noch durch dieTätigkeit der denitrifizierenden Bakterien als elemen-tarer Stickstoff verloren geht, der für die bisher be-handelten Organismen unbrauchbar ist.

Es ist klar, daß dadurch der Vorrat der Luft anelementarem Stickstoff immer größer und dadurch dieExistenz lebender Organismen in Frage gestellt werdenmüßte, wenn nicht auf irgendeine Weise elementarerStickstoff wieder in gebundene Form übergeführt wer-den kann.

Hier liegt eine der Hauptfragen des Lebens über-haupt. Neben der geringen Menge gebundenen Stick-stoffes nun, die durch elektrische Entladung in derLuft entsteht, gibt es nun tatsächlich Gruppen vonBakterien, die den Stickstoff der Luft binden können.Die Energie dazu nehmen sie aus der Vergärung vonKohlenhydraten, speziell Zucker, den sie zu Buttersäureoder Essigsäure vergären. Sie können aber nur beiAusschluß von Sauerstoff leben und finden sich daherimmer vergesellschaftet mit Fäulnisbakterien, die nichtStickstoff binden, aber den Sauerstoff wegnehmen, be-

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ziehungsweise abhalten. Daneben gibt es andere (Azoto-bakter), die die verschiedensten organischen Stoffe beiSauerstoffgegenwart veratmen und beträchtliche Mengenvon Stickstoff binden.

Die Bedeutung dieser Organismen für die Anrei-cherung des Bodens an Stickstoffsalzen ist einleuchtend.So konnte auf einem Versuchsfelde 20 Jahre Roggenohne Stickstoffdüngung mit steigendem Ertrag geerntetwerden, was.beweist, daß nicht nur der bei der Ernteweggeschaffte Pflanzenstickstoff ersetzt, sondern auchein Überschuß durch die Bakterien geliefert wurde.Da diese Organismen zur vollen Stickstoffbindung oftnicht genug organische Stoffe vorfinden, sehen wir siemeist mit Zellulose- und Pektinvergärern aufs innigstevergesellschaftel, da ihnen diese Zucker, organischeSäuren etc. als Nahrungsquellen liefern.

Eine weitere noch wichtigere Gruppe von stick-stoffbindenden Bakterien sind die Bakterien der Legu-minosenknöllchen. Es ist seit alters bekannt, daß Le-guminosen nicht nur ohne Stickstoffdüngung gut ge-deihen, sondern auch den Boden verbessern und fürNicht-Leguminosen verwertbar machen. Nicht die Le-guminosen selbst können Stickstoff assimilieren, sondernspezifische Bakterien, die in die Wurzel dieser Pflanzeneinwandern, dort Wucherungen (Knöllchen) hervorrufen,in diesen leben und Stickstoff binden. Dabei hat jedeLeguminosenart ihre spezifischen Bakterien. Diese Bak-terien können für sich nicht Stickstoff assimilieren,sondern nur im Zusammenhang mit der höheren Pflanze.

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(Auch hier liegt wieder eine wichtige Lötstelle desLebensringes, die Versorgung der grünen Pflanze mitden fehlenden Stickstoffverbindungen.)

Haben wir schon vorher das Zusammenleben undZusammenarbeiten mehrerer Organismenarten gesehen,so finden wir hier zum erstenmal eine innige Vergesell-schaftung zweier ganz verschiedener Organismen zugemeinsamem Arbeiten und gemeinsamem Nutzen, eineSymbiose. .

Auch an anderen Pflanzen finden wir Bakterienin den Wurzeln (Erle, Ölweide etc.), bei manchenauch in den Blättern (Pavetta, Ardisia, . . .), die eben-falls der Stickstoffbindung dienen.

Eine ganz allgemeine Form der Symbiose ist dieMykorrhiza, die Vereinigung der Pflanzenwurzel mitPilzen, die entweder die äußersten Wurzelendungenaußen umschlingen (ektotrophe Mykorrhiza) oder inderen Zellen einwandern und sich dort entwickeln. Daßdie ersteren für die höheren Pflanzen Bedeutung haben,ist sicher erwiesen. Die nähere Einsicht in diese Zu-sammenhänge fehlt uns noch. Dagegen ist die endo-trophe Mykorrhiza eine so innige Symbiose geworden,daß die dabei in Betracht kommenden Pflanzen, besondersdie Orchideen, ohne den Pilze überhaupt nicht keimenoder doch wenigstens nicht weiter wachsen. Eine Ver-wertung der von Pilzen gebildeten Substanzen durchhöhere Pflanzen ist vielfach nachgewiesen worden.

Noch ein Beispiel von Symbiose muß aufgezeigtwerden und das sind die Flechten, die innigste Sym-

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biose von Pilz und Alge, bei der nicht nur jeder Or-ganismus das Leben des anderen gewährleistet undfördert, sondern aus der Symbiose neue Organismenhöherer Art hervorgegangen sind, neu in ihrer Form,in ihren physiologischen, chemischen und biologischenLeistungen. Diese und alle anderen Symbiosen sindaber nicht vom Anfang an als solche entstanden undnun dauernd fixiert, sie entstanden und entstehen injedem Individuum immer wieder aus einem parasitischenVerhältnis, indem die Bakterien und Pilze wie viele andereihrer Art in den höheren Organismus eindringen, um vonihm parasitisch zu leben, hier aber eine Gegenwirkungfinden, die schließlich in vielen Fällen zu einem Gleich-gewicht unter gegenseitiger Ausnutzung oder Schonungund Duldung geführt haben, als klassisches Beispielvon Anpassung zweier Organismen aneinander.

Was wir hier als Anpassung, als Lebenserhöhungdurch die Tätigkeit von Organismen nebeneinanderkennen gelernt, das baut in riesigstem Maßstab dasLeben auf, als Leben der Organismen nacheinander,als Metabiose. Der Kreislauf der Stoffe, wie wir ihnbisher in einzelnen Bildern gesehen, ist bedingt durchdie Metabiose, durch Nacheinander- und Aufeinander-folge von Organismen verschiedenster Lebensweise undverschiedenster Anpassung, wobei ein Organismus das,was der andere geschaffen, zurückgelassen oder über-gelassen, als sein ureigenstes Nährelement übernimmtund eine Stufe weiterverwandelt, um es dem anderen,nächsten, unbekannten mundgerecht zu hinterlassen.

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Wenn nur eine oder wenige Organismenartenexistierten, so hätten sie bald durch ihre Tätigkeit,durch Ausscheidungs- und Umwandlungsstoffe die Außen-welt so verändert, daß sie selbst nicht mehr lebensfähigwären. Nur die Existenz der Unzahl verschiedenstfunktionierender Organismen mit der Möglichkeit, allevorhandenen und entstehenden Stoffe zu verwerten undzu transformieren, richtig zu transformieren, erlaubtdie stete Wiederkehr neuen Lebens, schmiedet den Ringdes Lebens und hält ihn in dauernder Verkettung.Die vollendetste, geschlossenste Form dieser Metabiosefinden wir im natürlichen Wald verwirklicht, so har-monisch und so geschlossen, daß sie in sich vollendet,für sich unabhängig lebt und unvergänglich ist.

Betrachten Sie nur die vielen Schichten und Stufen-folgen, die wir schon äußerlich finden.

Unter dem rauschenden Dach der hohen Wald-bäume die Sträucher, an geringere Lichtstärke ange-paßt als die sie überschattenden Bäume mit ihrenmächtigen Lichtfiltern, unter diesen die Stauden, dieblühenden Kräuter, die Gräser) die Farne und zuunterst der dichte, grüne Teppich der Moose, denBoden dicht überziehend, schützend und feuchthaltend,die unteren immer bescheidener, immer mehr angepaßtin allen Lebensäußerungen an die oberen, anspruchs-volleren und doch nur unter ihnen lebensfähig.

Nur an einem Beispiel lassen Sie mich das zeigen.Der Sauerklee {Oxalis acetosella) ist derartig an Feuch-tigkeit angepaßt, daß er ohne schützendes Dach des

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Waldes vertrocknet; er ist aber auch auf die Dämme-rung des Waldes, auf den Lichtmangel eingestellt, daßer treibt und blüht, ehe Sträucher und Bäume ihn nochbeschatten, ehe ihn die üppige Flora von Stauden undKräutern überdeckt, und daß er mit den paar Sonnen-flecken, die untertags durch das Laubdach auf ihnfallen, genügend assimilieren kann, um sein Leben zuerhalten.

Unter dem Moose der schwarze, fette, feuchteHumus, die Masse, die aus der Verwesung der ge-samten Pflanzen- und Tierwelt übrig geblieben, nichtleblose Masse, nicht Erde, eine lebende Masse, wennwir hören, daß im cm3 30—40 Millionen Keime vonBakterien und Pilzen festgestellt werden.

Zu all dem Pflanzlichen ober- und unterirdisch,fliegend, laufend und kriechend, fressend, nagend,saugend und wühlend das Heer der Tiere. Viele vonanderen Tieren und alle von Pflanzen lebend, räube-risch und doch in Grenzen, in der Grenze, in der sievon anderen gehalten werden und wieder andere inihren Grenzen halten, alles abgestuft, jedes notwendigfür die anderen und für das Ganze, alles im vollenLebensdrange, die einen schaffend, aufbauend, die an-deren zernagend, zerbeißend, zermalmend, bis aus derganzen kunstvollen Mannigfaltigkeit der schwarze Humusbleibt, selbst wieder verwandelt, bis aus ihm immerwieder das neue Leben sprießt. Eine geschlossene,harmonische Lebensgemeinschaft, so mächtig, daß siesich selbst alle ihre Lebensdingungen schafft, so mächtig,

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daß sie ganzen Ländern ihr Klima (Feuchtigkeitsver-hältnis etc.) aufzwingt, so mächtig, daß sie unausrott-bar, siegreich, dauernd auf jedem zugänglichen TerrainFuß faßt.

Haben Sie schon einmal ein niedergelegtes Bauern-gut, die Ackergründe eines verlotterten Bauernhofesgesehen ? Wo die ständig jätende, reutende Hand desMenschen nur ein paar Jahre aussetzt, hat das Unkrautüberwuchert, erst einjährige Kräuter, dann die mehr-jährigen Stauden und Gräser, zwischen diesen langsamaber sicher emporwachsende Sträucher, langsam, durchihren Schatten die anderen verdrängend, und unterdiesen die jungen Bäumchen, Nadel- oder Laubholz,je nach der Gegend. In 20 Jahren steht das dichteJungholz, das sich selbst lichtet, in 50 Jahren einprächtiger, natürlicher Wald; ein niederdrückender An-blick für den beherrschenden Kulturmenschen!

Haben Sie schon eimal nachgedacht, was auseinem Garten wird, wenn man ihn sich selbst überläßt?

.Warum man alljährlich, täglich Unkraut jäten muß,um seine Anlagen, seine Beete rein zu halten?

Weil der allmächtige Wald immer wieder vorstößtund seine Zeit einmal kommen wird, wo er doch wiederalles Land bedeckt.

Gestatten Sie mir noch einen Vergleich. Wie langesind die großen Weltstädte des Altertums gestanden?Nicht mehr als 1000 Jahre! Ein Ninive, ein Babylon,ein Memphis, Schutt heute, auf dem dem Wüstenklimaentsprechend Steppenflora wächst. In unserem ge-

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mäßigten, feuchten Klima aber kommt mit absoluterSicherheit der Wald. Und wenn wir einen Trost haben,daß einmal über unseren „Kulturresten" der grüneWald rauschen wird, dann finden wir heute hierin dieIllustration für die allmächtige, geschlossene Lebens-gemeinschaft, für den allumspannenden und beherr-schenden Ring des Lebens.

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