Der Staat als Unternehmer (8) Verstaatlichung/Privatisierung

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Der Staat als Unternehmer (8) Verstaatlichung/Privatisierung SS 2009 Kurt Reindl Kurt Reindl, Der Staat als Unternehmer, SS 2008, 11.05.2009 1

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Der Staat als Unternehmer (8)

Verstaatlichung/Privatisierung

SS 2009Kurt Reindl

Kurt Reindl, Der Staat als Unternehmer, SS 2008, 11.05.20091

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Gliederung

Allgemeiner Teil

Allgemeine Informationen

Begriff des Öffentlichen Unternehmens

Öffentliche Unternehmen und EG-Wettbewerbsrecht

Rechtliche Grundlagen in Ö: Privatwirtschaftsverwaltung

Beweggründe für unternehmerisches Tätigwerden

Eigenunternehmen

Ausgliederungen

Verstaatlichung/Privatisierung

Rechtsschutz und Kontrolle

Regulierungsbehörden

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VerstaatlichungVerstaatlichung = Entziehung bestehender privater Unternehmen durch hoheitliches Zwangsrecht

Übertragung der in Unternehmen zusammengefassten vermögenswerten Sachen und Rechte privater

Eigentümer auf Gebietskörperschaft

„Enteignung“ durch Verwaltungsrechtsakte auf gesetzlicher Grundlage oder unmittelbar durch Gesetz

(= Legalenteignung)

Beispiele:

— (1.) Verstaatlichungsgesetz, BGBl 1946/168 idgF

• Creditanstalt-Bankverein, Länderbank sowie Österreichisches Credit-Institut

• zahlreiche große Betriebe in den Bereichen Bergbau (Kohle, Eisenerz, Kupfer, Blei und andere), Eisen- und

Stahlindustrie, NE-Metallindustrie, Maschinen-, Anlagen- und Schiffbau sowie Chemie- und Erdölindustrie

— 2. Verstaatlichungsgesetz, BGBl 1947/81

• Elektrizitätswirtschaft

• (Außer Kraft getreten mit Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den

Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, BGBl 1998/143)

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VerstaatlichungVerstaatlichung als Eingriff in Grundrecht auf Eigentumsfreiheit (Art 5 StGG, Art 1 1. ZProtEMRK)

„Enteignung“:

— Öffentliches Interesse

— Verhältnismäßigkeit (Verstaatlichungsmaßnahme muss angemessenes Mittel zur Verwirklichung des

öffentlichen Zwecks sein)

— Entschädigung

• Lt VfGH verfassungsgesetzlich nach Art 5 StGG nicht geboten; allerdings „Sonderopfertheorie“ auf Basis

des Gleichheitssatzes

• Lehre: entschädigungsloser Eingriff nicht adäquat; öffentliches Interesse liegt in der Übertragung des

Eigentumsrechts und nicht in der Beseitigung des Vermögens (Eigentumswert) beim privaten Eigentümer

• In den beiden Verstaatlichungsgesetzen Entschädigung vorgesehen und in der Folge sondergesetzlich

geregelt (1. Verstaatlichungs-Entschädigungsgesetz, BGBl 1954/189; 2. Verstaatlichungs-

Entschädigungsgesetz, BGBl 1960/3)

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VerstaatlichungVerstaatlichung als Eingriff in Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG)

Öffentliches Interesse und Verhältnismäßigkeit

Wesensgehaltssperre:

— Wenn einer gesetzlichen Regelung „die versteckte Absicht innewohnt, die Ausübung eines Erwerbszweiges

unmöglich zu machen“ (VfSlg 3968)

— Wenn das Gesetz beispielsweise „ eine Verstaatlichung der gesamten Unternehmungen mit großem

Kapitalbedarf und der gesamten Grundstoffindustrie“ zum Inhalt hätte, weil darin das verfassungsgesetzlich

gewährleistete Recht des Staatsbürgers auf Freiheit der Erwerbsbetätigung praktisch beseitigt wäre“ (VfSlg

3118)

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VerstaatlichungKompetenzrechtliche Einordnung

„Annexmaterie“

— zB Regelung der Enteignung von landwirtschaftlichen Betrieben:

Land gem Art 15 Abs 1 B-VG (Landwirtschaft)

Beispiele:— 1. Verstaatlichungsgesetz

• Regelung der Enteignung von Gewerbe- und Industriebetrieben:

Bund gem Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG (Gewerbe und Industrie)

• Regelung der Enteignung von Bergbaubetrieben:

Bund gem Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG (Bergwesen)

• Regelung der Enteignung von Banken:

Bund gem Art 10 Abs 1 Z 5 B-VG (Geld- Kredit- und Bankwesen)

— 2. Verstaatlichungsgesetz

• Regelung der Enteignung von ELektrizitätsunternehmen:

Bund gem Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG („aus Anlass eines Krieges oder im Gefolge eines solchen zur Sicherung der einheitlichen Führung der Wirtschaft

notwendig erscheinende Maßnahmen, insbesondere auch hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen“)

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Privatisierung

Vermögensprivatisierung

Echte Privatisierung

— Eigentumsübergang aus dem öffentlichen in den privaten Sektor

• in Österreich seit Ende der 1980er Jahre infolge wirtschaftlicher Probleme der verstaatlichten Industrie

• zB Verkauf von Unternehmensanteilen durch die ÖIAG (AUA, OMV, Verbundgesellschaft, Länderbank,

CA, Telekom Austria AG, Staatsdruckerei AG, Austria Tabak AG

— Teilprivatisierung (gemischtwirtschaftliche Unternehmen)

• Kapital und Willensbildung wirklich privater Wirtschaftstreibender werden in die Unternehmung

aufgenommen

• PPP-Modelle: Beteiligung Privater an öffentlichen Unternehmen zur Finanzierung von

Infrastrukturmaßnahmen

• uU Konflikt zwischen erwerbswirtschaftlichen und öffentlichen Zielen

— Vollprivatisierung

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Privatisierung

Vermögensprivatisierung

Unechte Privatisierung

— Verkauf von Anteilen an eine andere Gebietskörperschaft oder an ein anderes öffentliches Unternehmen

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Privatisierung

Leistungsprivatisierung

Verlagerung von Teilen der (nicht-hoheitlichen) Verwaltung zu Privaten

— Organisationsprivatisierung

— Aufgabenprivatisierung

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Privatisierung

Leistungsprivatisierung

Organisationsprivatisierung

— Gebietskörperschaften verzichten für bestimmte Verwaltungsbereiche auf Eigenunternehmen

— Gründung von Rechtspersonen privaten Rechts (GmbH, AG), die organisationsrechtlich beherrscht werden

— Wirtschaftliche Betätigung über diese ausgegliederten Unternehmen

— Staat wird nach außen hin unter fremden Namen tätig

— Verantwortung für Verwaltungsaufgabe bleibt bei der öffentlichen Hand

— Beispiele:

• Tiergartenverwaltung: Schönbrunner Tiergarten-GmbH

• Schlossverwaltung. Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebs GmbH

• Bundesbahnverwaltung: ÖBB

• Luftüberwachung: Austro Control GmbH

• Arbeitsmarktverwaltung: Arbeitsmarktservice - AMS

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Privatisierung

Leistungsprivatisierung

Aufgabenprivatisierung

— Gebietskörperschaften verlagern Aufgaben aus dem staatlichen Bereich auf den „echten“ privaten Bereich

— Fortbestehende Verwaltungs- bzw Aufgabenverantwortung kann statuiert werden

• Bloße Erbringung der Leistungen durch Private (zB Abfallbeseitigung)

• Öffentliche Hand ist bei Vergabe an das Vergaberecht gebunden!

— Überlassung der Aufgabenbesorgung an den Markt

• Wenn sich Durchführung der Verwaltungstätigkeit nach Marktgeschehen richtet ist allerdings fraglich, ob

es sich noch um Verwaltungsaufgabe handelt

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Privatisierung

Leistungsprivatisierung

Grenzen

— „genuine Staatsaufgaben“

— Beispiele laut Kahl, Öffentliche Unternehmen, in: Holoubek/Potacs (Hrsg), Handbuch des öffentlichen

Wirtschaftsrechts, 2. Auflage (2007) Band II, 377:

• Landesverteidigung, Auswärtige Gewalt, Gesetzgebung und Rechtssprechung, Polizei, Finanzverwaltung

etc (allerdings „umstritten“)

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Privatisierung

Motive für Privatisierung

Budgetentlastung öffentlicher Haushalte

— Erzielung von Staatseinnahmen durch Verkaufserlöse

Erwartung von Effizienz- und Flexibilitätssteigerung im privatisierten Unternehmen

Verstärkte kaufmännische Orientierung der Unternehmen

Bessere rechtliche Rahmenbedingungen für die jeweilige Aufgabenwahrnehmung in Form

geeigneter, privater Organisationsstrukturen

„Staat als schlechter Unternehmer“

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Exkurs: Vergaberecht

Inhouse-Vergaben (vgl RV 1171 der BlgNR, XXII. GP, 30 f)

Staatliche Eigenleistungen vom Normzweck des Vergaberechts nicht umfasst

— Ausnahme vom Geltungsbereich in den Richtlinien nicht explizit angeführt

— teleologische Reduktion des Auftragsbegriffs

— zB Beschaffung im Wege eigener Ressourcen über Regiebetrieb oder Eigenunternehmen (echte Inhouse-

Vergabe)

Problem: Quasi-Inhouse-Vergabe

— Leistungserbringung durch ausgegliederte Rechtsträger

Ursprüngliche Ansicht der Europäischen Kommission gem KOM(98) 143 endg, 11

— Inhouse-Vergabe nur,

• wenn Auftragnehmer zu 100% im Eigentum des öffentlichen Auftraggebers (Organisationsprivatisierung)

und

• Tätigkeit ausschließlich für den öffentlichen Auftraggeber erbracht wird

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Exkurs: Vergaberecht EuGH Rs C-107/98, Teckal

— Gebietskörperschaft übt über eine rechtlich von ihr verschiedene Person eine Kontrolle aus, wie über ihre

eigenen Dienststellen; und

— diese Rechtsperson verrichtet ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft, die ihre Anteile inne

hat.

Ausnahme vom Vergaberecht

EuGH Rs C-26/03, Stadt Halle

— auch bloß minderheitliche Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital der Gesellschaft, an dem der

öffentliche Auftraggeber beteiligt ist (sog „gemischtwirtschaftliches Unternehmen“), schadet

— keine „Kontrolle wie über eigenen Dienststellen“

— andersartige Ziele (Gewinnorientierung) und mögliche Wettbewerbsvorteile

keine Ausnahme vom Vergaberecht

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Exkurs: Vergaberecht EuGH Rs C-458/03, Parking Brixen

— „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“: Auftraggeber muss sowohl strategische Ziele wie auch auf wichtige

Entscheidungen des täglichen Geschäfts ausschlaggebenden Einfluss ausüben können(Rz 65)

Untersuchung des konkreten Falles anhand einer funktionellen Gesamtbetrachtung.

EuGH Rs C-29/04, Stadtgemeinde Mödling

— Vergabe eines Auftrages zur Abfallentsorgung an eine im Alleineigentum einer Gebietskörperschaft stehenden

Gesellschaft (ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens)

— Veräußerung von Anteilen dieser Gesellschaft an einen Privaten unmittelbar danach

unzulässige Umgehung des Vergaberechts

EuGH Rs C-84/03, Kommission/Spanien

— Rz 39: „die im Urteil Teckal gefundene Lösung [ist] auf die […] Vereinbarungen zwischen Verwaltungen

anzuwenden“

auf Verwaltungskooperationen grundsätzlich Vergaberechts anwendbar

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Exkurs: Vergaberecht EuGH Rs C-220/05, Auroux

— ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht von der Einhaltung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge

befreit, nur weil er beabsichtigt, den Auftrag mit einem zweiten öffentlichen Auftraggeber abzuschließen (Rz 58

ff)