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Diabetes mellitus Teil I: Glukosestoffwechsel aus dem Lot Mehr als sieben Millionen Diabetiker gibt es in Deutschland, rund zwei Millionen von ihnen wissen nicht einmal, dass sie an dieser Krankheit leiden. Und das ist besonders problematisch: Denn nur rechtzeitig erkannt und behandelt lassen sich bei dieser Stoffwechselstörung schwere Folgeschäden verhindern. „Diabetikerin? Ich?“ Brigitta S. wollte es zuerst kaum glauben, als der Arzt ihr nach einem Routinecheck und den nachfolgenden Zusatzuntersuchungen seine Diagnose mitteilte. Sie hatte doch keinerlei Beschwerden und abgesehen von ein paar Kilo Übergewicht fühlte sie sich ganz fit und gesund... Anders der neunzehnjährige Tobias K.. Er war plötzlich ständig müde und schlapp, verlor Gewicht und hatte unmäßigen Durst. Auch bei ihm wurde schließlich ein Diabetes mellitus festgestellt, allerdings eine andere Form der Erkrankung als bei Brigitta S... Medizinisch gesehen ist Diabetes mellitus eine Störung im Glukosestoffwechsel. Glukose entsteht durch das Aufspalten von Kohlenhydraten bei der Verdauung. Sie gelangt über die Darmwand ins Blut aufgenommen und wird dann in die Körperzellen eingeschleust. Dort schließlich setzt der Organismus sie zu Energie um, die er braucht, um seine Funktionen aufrecht zu erhalten. Jedoch gelingt das Einschleusen in die Zellen nur, wenn es dafür einen „Schlüssel“ gibt: das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon Insulin. Beim Diabetiker ist dieser „Schlüssel“ entweder nicht vorhanden oder er passt nicht – in beiden Fällen verbleibt der Zucker in zu hoher Konzentration im Blut. Entsprechend der beiden Ursachen unterscheidet die Medizin zwei Typen der Erkrankung. Ursache Insulinmangel... Etwa 5 bis 10 Prozent der Fälle sind ein Typ 1 Diabetes. Hier entsteht die Krankheit, weil die Insulin produzierenden Zellen oder das Insulin selbst vom Immunsystem angegriffen und zerstört werden, es handelt also sich um eine – möglicherweise durch Virusinfekte ausgelöste - Autoimmunerkrankung. Die Folge ist ein Insulinmangel, der zu schweren Krankheitszeichen führt und unbehandelt tödlich enden würde. Zu den charakteristischen Anfangs- Symptomen zählen hier Energiemangel und Gewichtsverlust, weil der Zucker nicht verstoffwechselt werden kann. Stattdessen versucht der Körper, den überschüssigen Blutzucker über die Niere auszuscheiden, wobei er aber auch gleichzeitig viel Wasser verliert. Der Betroffene erkennt dies an einer deutlich gesteigerten Harnmenge und extremem Durst. Typischerweise tritt dieser Typ 1 Diabetes im Kindes- oder frühen Erwachsenenalter auf.

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Diabetes mellitus Teil I:Glukosestoffwechsel aus dem Lot

Mehr als sieben Millionen Diabetiker gibt es in Deutschland, rund zwei Millionen von ihnen wissen nicht einmal, dass sie an dieser Krankheit leiden. Und das ist besonders problematisch: Denn nur rechtzeitig erkannt und behandelt lassen sich bei dieser Stoffwechselstörung schwere Folgeschäden verhindern.

„Diabetikerin? Ich?“ Brigitta S. wollte es zuerst kaum glauben, als der Arzt ihr nach einem Routinecheck und den nachfolgenden Zusatzuntersuchungen seine Diagnose mitteilte. Sie hatte doch keinerlei Beschwerden und abgesehen von ein paar Kilo Übergewicht fühlte sie sich ganz fit und gesund...Anders der neunzehnjährige Tobias K.. Er war plötzlich ständig müde und schlapp, verlor Gewicht und hatte unmäßigen Durst. Auch bei ihm wurde schließlich ein Diabetes mellitus festgestellt, allerdings eine andere Form der Erkrankung als bei Brigitta S...

Medizinisch gesehen ist Diabetes mellitus eine Störung im Glukosestoffwechsel. Glukose entsteht durch das Aufspalten von Kohlenhydraten bei der Verdauung. Sie gelangt über die Darmwand ins Blut aufgenommen und wird dann in die Körperzellen eingeschleust. Dort schließlich setzt der Organismus sie zu Energie um, die er braucht, um seine Funktionen aufrecht zu erhalten. Jedoch gelingt das Einschleusen in die Zellen nur, wenn es dafür einen „Schlüssel“ gibt: das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon Insulin.Beim Diabetiker ist dieser „Schlüssel“ entweder nicht vorhanden oder er passt nicht – in beiden Fällen verbleibt der Zucker in zu hoher Konzentration im Blut. Entsprechend der beiden Ursachen unterscheidet die Medizin zwei Typen der Erkrankung. Ursache Insulinmangel...Etwa 5 bis 10 Prozent der Fälle sind ein Typ 1 Diabetes. Hier entsteht die Krankheit, weil die Insulin produzierenden Zellen oder das Insulin selbst vom Immunsystem angegriffen und zerstört werden, es handelt also sich um eine – möglicherweise durch Virusinfekte ausgelöste - Autoimmunerkrankung. Die Folge ist ein Insulinmangel, der zu schweren Krankheitszeichen führt und unbehandelt tödlich enden würde. Zu den charakteristischen Anfangs-Symptomen zählen hier Energiemangel und Gewichtsverlust, weil der Zucker nicht verstoffwechselt werden kann. Stattdessen versucht der Körper, den überschüssigen Blutzucker über die Niere auszuscheiden, wobei er aber auch gleichzeitig viel Wasser verliert. Der Betroffene erkennt dies an einer deutlich gesteigerten Harnmenge und extremem Durst. Typischerweise tritt dieser Typ 1 Diabetes im Kindes- oder frühen Erwachsenenalter auf.

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...oder -resistenzMehr Kopfzerbrechen bereitet den Medizinern mittlerweile aber der Typ 2 Diabetes, der über 90 Prozent der Fälle ausmacht und in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen hat. Früher auch als „Altersdiabetes“ bezeichnet, weil er erst im höheren Lebensalter auftrat, befällt er mittlerweile auch immer mehr jüngere Leute, ja sogar schon Jugendliche.

Typ 2 Diabetes tritt nicht von einem Tag zum anderen auf. „Er entwickelt sich im Zusammenhang mit einer jahrelang fortschreitenden Störung, die als metabolisches Syndrom bezeichnet wird“, erklärt Dr. Friedrich Schuhmacher, Allgemeinmediziner mit diabetologischer Zusatzqualifikation. „Diese Störung umfasst Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Fettwerte, eine erhöhte Gerinnbarkeit des Blutes sowie einen unklaren Entzündungsprozess im Körper, während die Blutzuckerwerte anfangs durchaus noch unauffällig sein können!“

Denn ursächlich mangelt es hier nicht an Insulin, sondern das Hormon ist – im Gegenteil- sogar im Übermaß vorhanden. Nur kann es seine Funktion nicht optimal erfüllen, denn die Zellen lassen sich von ihm nicht gut „aufschließen“, gewähren somit also auch dem Zucker keinen Zutritt. Die Medizin nennt diese Blockade „Insulinresistenz“. Bedingt ist sie zum einen durch eine entsprechende erbliche Veranlagung. Ob und wie intensiv diese ausbricht, hängt jedoch auch von der Lebensweise ab: Verstärkt wird die Insulinresistenz erwiesenermaßen durch eine unausgeglichene Energiebilanz, also durch zu üppiges Essen auf der einen und Bewegungsmangel auf der anderen Seite. In jedem Fall setzt sie einen Teufelskreis in Gang, denn um die Resistenz auszugleichen und den Zuckerspiegel normal zu halten, schüttet die Bauchspeicheldrüse mehr und mehr Insulin aus. Dieser so genannte Hyperinsulinismus bewirkt einerseits ständigen Hunger, so dass die Betroffenen übermäßig essen, andererseits fördert er auch die Fettproduktion, verursacht also auf zwei Wegen, dass man dick und übergewichtig wird. Als Folge werden die Körperzellen vollständig resistent gegen das Insulin, und schließlich erschöpft sich auch die Bauchspeicheldrüse und stellt ihre Produktion ein.

Dann steigt - ebenso wie beim Typ 1 Diabetes - der Blutzucker an, die Krankheitszeichen sind wegen des schleichenden Beginns aber weniger akut: „Tatsächlich äußert sich ein Typ 2 Diabetes anfangs nicht durch deutliche Warnsymptome, die den Betroffenen zum Arzt treiben würden“, bestätigt auch Dr. Friedrich Schuhmacher. Trotzdem, so warnt der Experte eindringlich, dürfe die Krankheit nicht verharmlost werden: „Sie kann beim Betroffenen schwerste, Folgeerkrankungen verursachen, und belastet zudem stark unser Gesundheitssystem!“

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Schäden (nicht nur) an Herz und NierenDer Grund für die Folgeschäden: Ein überhöhter Blutzucker, der nicht auf normalem Weg verstoffwechselt werden kann – so haben Wissenschaftler herausgefunden – mündet schließlich in andere Stoffwechselwege, die aber gefährlich sind, weil dabei vermehrt aggressive Abbauprodukte entstehen.. Diese schädigen vor allem die Blutgefäße und die Nerven.

Die Folge sind zum einen Veränderungen an den großen Blutgefäßen, den Arterien (Makroangiopathien), die zu Schlaganfall und Herzinfarkt führen oder auch Beinamputationen notwendig machen können. Häufig sind bei Diabetikern zudem aber auch die ganz kleinen Blutgefäße, die Kapillaren betroffen (Mikroangiopathien). Die typischen Folgen hierbei sind die Netzhauterkrankung des Auges (Retinopathie) mit Erblindungsgefahr, Nierenerkrankungen bis hin zum Nierenversagen (Dialysenotwendigkeit), aber auch Störungen der Sexualfunktion beim Mann mit drohender Impotenz.

Ebenfalls charakteristisch sind Nervenstörungen (Neuropathien), sie treten etwa bei jedem dritten Diabetiker auf: Es kommt dann zu teilweise sehr unangenehmen, brennenden, bohrenden oder dumpfen Schmerzen meist an Beinen und Armen. Auch Missempfindungen wie Kribbeln oder Ameisenlaufen sind häufig. Andrerseits ist die Gefühlsempfindung für Schmerz, Druck, Temperaturen usw. stark herabgesetzt, so dass es zu unbemerkten Verletzungen vor allem an den Füßen kommen kann. Folge können die gefürchteten typischen diabetischen Fußgeschwüre sein, die sehr schwer abheilen. Da Schmerz nicht mehr als Warnsignal wahrgenommen wird, können aber auch andere schwere Krankheitsbilder nicht rechtzeitig erkannt werden: Angina Pectoris, zum Beispiel oder auch die Schmerzen, die einen Herzinfarkt ankündigen. Der so genannte „stumme Infarkt“ ist demnach bei Diabetikern häufig.

Rechtzeitig gegensteuernAll diese erschreckend klingenden Krankheitsbilder sind aber kein unabwendbares Schicksal, sondern können bei rechtzeitiger konsequenter Behandlung des Diabetes vermieden bzw. in „Schach gehalten“ werden. „Wichtig wäre dabei aber, nicht erst einzugreifen, wenn der Diabetes schon manifest ist“; betont Dr. Schuhmacher. „Sondern bereits seiner Entstehung gegenzusteuern!“Wie das geht, wie dem Diabetes vorgebeugt werden kann, wie er schließlich behandelt wird und was die Betroffenen selbst dazu tun müssen – darüber werden wir Sie in der nächsten Folge informieren.

Kasten 1:

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Risiko-Check: Sind Sie gefährdet?

Die Gefahr am metabolischen Syndrom und an Diabetes zu erkranken ist erhöht, wenn Sie

• Erblich dazu veranlagt sind: Wenn also schon derartige Erkrankungen in Ihrer Familie aufgetreten sind

• Übergewicht haben: Dabei spielt vor allem die Verteilung des Körperfetts eine Rolle: Gefährdet sind vor allem Menschen mit so genannten „Apfel“-Figuren, also mit starker Zunahme des Bauchumfangs, während die „Birnen“ (Fett an Hüften und Oberschenkeln) sich diesbezüglich weniger Sorgen machen müssen

• Sich wenig bewegen: Also eine überwiegend sitzende Tätigkeit ausüben und auch in der Freizeit kaum Sport treiben

In diesen Fällen: Regelmäßig zum Arzt, um die entsprechenden Werte kontrollieren zu lassen.

Kasten 2:Diagnose durch Laborwerte

Steckt hinter meinen Beschwerden ein Diabetes mellitus? Oder bin ich zuckerkrank, ohne es zu wissen? Diese Fragen können beim erfahrenen Diabetes-Arzt relativ schnell geklärt werden. Denn die Diagnose erfolgt bei dieser Krankheit anhand von einfachen Laborwerten.-Die Höhe des Blutzuckers, die bei entsprechendem Verdacht – oder auch routinemäßig – bestimmt wird, liefert bereits deutliche Hinweise: Mehrfach bestimmte Nüchternblutzuckerwerte über 120 mg/dl oder Werte über 200 mg/dl zeigen eine Diabetes-erkrankung an.-Verdächtig und deshalb kontrollbedürftig sind Werte im Grenzbereich. Zur Sicherung der Diagnose wird häufig auch ein so genannter Glukosebelastungstest durchgeführt. Dazu bekommt der Patient eine genau definierte – in Wasser aufgelöste - Zuckermenge zu trinken und es werden vorher sowie danach in festgelegten Zeitabständen die Blutzuckerwerte gemessen.-Nicht nur eine Momentaufnahme, sondern eine längerfristige Beurteilung der Stoffwechselsituation bietet der so genannte HbA1c-Wert. Damit wird der prozentuale Anteil der verzuckerten roten Blutkörperchen gemessen. Der ist umso größer, je stärker und dauerhafter der Blutzucker in den letzten drei Monaten erhöht war. Dieser Wert dient neben der Diagnose auch zur regelmäßigen Kontrolle im Verlauf der Krankheit.

Diabetes behandelnNicht ohne den Patienten

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Medikamente sind zwar oft nötig, doch sie sind nur ein Teil der Diabetes-Behandlung. Der zweite– ebenso wichtige – Teil ist die Mitarbeit des Patienten: Gerade bei dieser Stoffwechselstörung ist sie wie bei kaum einer anderen Krankheit sonst gefordert.

Ist ein Diabetes festgestellt, tut konsequente Behandlung not: Um Folgeschäden und Stoffwechselentgleisungen zu vermeiden, muss der Blutzucker möglichst rasch wieder auf Normalwerte gebracht und dort auch gehalten werden. Je nach Diabetestyp sind dafür unterschiedliche Therapieansätze notwendig.

Abnehmen als PrimärtherapieBeim Typ- 2- Diabetes, der ja zunächst nicht durch einen Insulinmangel, sondern durch Insulinresistenz verursacht ist, zielt die Behandlung deshalb zunächst auf eine verbesserte Insulinverwertung. Und die ist – im Anfangsstadium der Krankheit - am ursächlichsten durch eine Gewichtsreduktion zu erreichen. Denn dann nehmen die Zellen erwiesenermaßen bereitwilliger Zucker auf, das Insulin kann seine Funktion als „Schleuser“ also wieder besser erfüllen.

Schon eine geringe Gewichtsabnahme kann wissenschaftlichen Erfahrungen zufolge die Glucosetoleranz deutlich verbessern. „Allerdings fällt das Abnehmen gerade den Typ-2-Diabetikern oft schwer“, weiß Dr. Friedrich Schuhmacher, Allgemeinmediziner mit besonderer diabetologischer Zusatzqualifikation. „Denn aufgrund ihres genetisch bedingten erhöhten Insulinspiegels leiden diese Menschen ständig an Hunger und essen deshalb mehr, so dass dann noch mehr Insulin ausgeschüttet wird!“

Abhilfe aus diesem Teufelskreis schafft oft eine Ernährungssumstellung: Fett, besonders die gesättigten Fettsäuren, begünstigen Übergewicht und damit ein Verschlimmern des Diabetes. Deshalb sollte gerade hier der „Rotstift“ angesetzt werden: Fettarme Produkte auf dem Einkaufszettel, leichte Alternativen statt allzu üppiger Zutaten beim Zubereiten der Speisen – mit relativ einfachen Mitteln lassen sich hier Kalorien einsparen, ohne dass man hungern muss.

Satt essen kann man sich mit komplexen Kohlenhydraten, dazu zählen Kartoffeln, Gemüse und Getreideprodukte - am besten aus Vollkorn. Sie sorgen für einen nur langsam ansteigenden, konstanten Zuckerspiegel und bewirken damit eine gemäßigtere Insulinproduktion. Einfacher Zucker, der schnell ins Blut übergeht, lässt die Insulinproduktion dagegen in die Höhe schnellen, er sollte deshalb eingeschränkt werden. Wer gerne süß isst, kann stattdessen auf künstliche Süßstoffe zurückgreifen, doch sollten auch die nicht im Übermaß verwendet werden. Ansonsten gilt für Diabetiker wie für jeden anderen, der sich gesund ernähren will, auch: Bewusst essen und genießen.

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Mehr Aufwand erfordert allerdings ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus: Hier müssen Kohlenhydratmengen genau berechnet bzw. abgeschätzt werden, denn danach richtet sich die Insulindosis. Kohlenhydrattabellen erleichtern das Abschätzen der Mengen.

Bewegung gegen die InsulinresistenzAuch Bewegung ist ein wichtiges Mittel in der Diabetes-Therapie. Denn sie verbrennt einerseits Kalorien, hilft also beim Abnehmen. Außerdem wirkt sie der zunehmenden Insulinresistenz entgegen, denn trainierte Muskelzellen öffnen sich bereitwilliger dem Zuckerzustrom. Darüber hinaus fördert mehr körperliche Aktivität ganz allgemein die Gesundheit und tut nicht zuletzt auch der Seele gut.

Bewegung lässt sich durch regelmäßige sportliche Betätigung oder ein entsprechendes Hobby (z.B. Gartenarbeit) erreichen. Doch auch in den Alltag lässt sie sich einbauen, wenn man nur ein paar allzu „bequeme“ Gewohnheiten ändert: Zum Beispiel kurze Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegt, anstatt sich immer nur ins Auto zu setzen. Oder Treppen hochsteigt, anstatt den Lift zu nehmen.

Bevor Diabetiker – insbesondere Typ 1 Diabetiker – intensiv Sport betreiben, ist aber immer Rücksprache mit dem Arzt notwendig: Denn der Insulinbedarf muss dann neu angepasst werden. Grundvoraussetzung für das Training ist in jedem Fall eine gute Blutzuckereinstellung, sowie eine stabile Stoffwechsellage.

Antidiabetika zur Stoffwechselregulierung Gelingt die Stoffwechselentlastung durch Abnehmen und/ oder körperliche Aktivität nicht, oder reicht sie nicht aus, werden Medikamente nötig. Hier gibt es unterschiedliche Substanzgruppen, die den Zuckerstoffwechsel jeweils über unterschiedliche Wirkmechanismen beeinflussen. Zu Beginn werden häufig so genannte Alpha-Glucosidasehemmer verordnet, das sind Mittel, die die Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Darm in die Blutbahn verzögern, der Blutzucker steigt nach dem Essen also nicht zu schwallartig an. Die Gruppe der Biguanide, zu denen auch das häufig verordnete Metformin zählt, sorgen dafür, dass weniger Glucose in der Leber produziert und mehr in die Muskeln eingeschleust wird. Sehr häufig werden Sulfonylharnstoffe verordnet, die die Insulinabgabe aus der Bauchspeicheldrüse steigern. Doch gerade hierbei sollte kein unkritischer Einsatz erfolgen. „Solange ohnehin noch eine Hyperinsulinämie besteht, sind diese Medikamente nicht indiziert“, warnt Dr. Schuhmacher. „Erst wenn im Spätstadium der Krankheit tatsächlich zu wenig Insulin ausgeschüttet wird, können sie zum Einsatz kommen!“ Vorsicht ist bei diesen Mitteln auch angezeigt, weil sie schwere Unterzuckerungen verursachen können. Weiter

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entwickelte Medikamente mit ähnlicher Wirkungsweise verringern diese Gefahr etwas, weil sie die Bauchspeicheldrüse nur dann antreiben, wenn tatsächlich Insulin gebraucht wird.Mit der noch relativ neuen Arzneimittelgruppe der Insulinsensitizer (Glitazone) sollen die Zellen wieder empfindlicher für Insulin gemacht werden.

Insulin, wenn die Bauchspeicheldrüse kapituliertLassen sich die Zuckerwerte auch mit diesen Medikamenten nicht mehr genügend senken, muss Insulin zugeführt werden. Dr. Schuhmacher rät, nicht zu lange damit zu warten: „Wenn auch der Nüchternblutzucker wiederholt erhöht ist, zeigt das, dass die Bauchspeicheldrüse überfordert ist. Dann sollte zu ihrer Entlastung mit der Insulintherapie begonnen werden!“ Beim Typ-1-Diabetes, der ja ursächlich auf einem Insulinmangel beruht, ist die Zufuhr dieses Hormons von Anfang an notwendig.

Insulin wird in die Haut gespritzt, am Oberschenkel oder Bauch. In Einzelfällen kann es aber auch mittels einer Insulinpumpe, die über einen dünnen Schlauch mit dem Körper verbunden ist, permanent zugeführt werden. In der Erprobung ist derzeit Insulin in Pulverform, das eingeatmet werden kann.

Was die medizinische Wirkung betrifft, lassen sich die vielen verfügbaren Insuline - vereinfacht gesagt - in zwei Hauptgruppen einteilen: Bei schnell wirkenden Insulinen setzt die Wirkung sofort ein, dauert aber nur kurz an, sie werden deshalb zu den Mahlzeiten gegeben. Langsames Insulin wirkt erst nach einer gewissen Zeit, dafür aber länger, es wird zwischen den Mahlzeiten und nachts verwendet. Wann und wie oft am Tag Insulin notwendig ist, muss je nach Stoffwechselsituation aber auch nach Lebens- und Alltagsgewohnheiten individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Bei der so genannten konventionellen Insulintherapie (CT) werden schnelles und langsames Insulin zu jeweils festen Zeiten ein- bis zweimal täglich eingesetzt. Für den Patienten ist dies einfach zu handhaben, doch muss er sich bei diesem Schema streng an den üblichen Tagesablauf halten. Vor allem sollen Zeitpunkt und Menge der Mahlzeiten nicht wesentlich variieren.Anpassungsfähiger ist deshalb die Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT): Zu den Mahlzeiten wird je nach aktuellem Blutzucker und Nahrungsmenge eine unterschiedliche Dosis schnellen Insulins gespritzt, nachts kommt ein Verzögerungsinsulin zum Einsatz. Der Vorteil hierbei ist, dass ein flexibler Tagesablauf mit spontanen Mahlzeiten erlaubt ist, der Nachteil der höhere Aufwand: Blutzuckermessung und Spritze sind zu jeder Mahlzeit erforderlich. Beim Typ-1-Diabetes wird diese Therapieform bevorzugt eingesetzt, denn sie verbessert Behandlungsergebnisse und Lebensqualität. Regelmäßige Kontrolle...

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Schwieriger als jede andere Medikamenteneinnahme ist die Diabetestherapie vor allem deshalb, weil der Insulinbedarf starken Schwankungen unterliegt. Er hängt ab von Art und Menge der Kohlenhydrate, die man isst, von der Intensität der Bewegung und ändert sich zum Beispiel bei Infekten und anderen Krankheiten. Beim Gesunden wird dies durch körpereigene Mechanismen ideal angepasst. Beim Diabetiker, der stoffwechselregulierende Medikamente oder eine Insulinzufuhr von aussen benötigt, müssen Arzt und Patient diese Einstellung vornehmen. Gelingt sie nicht, kann es zu schweren Stoffwechselentgleisungen (siehe Kasten) oder den bereits beschriebenen Folgeschäden kommen.

Aus diesem Grund ist die regelmäßige ärztliche Kontrolle unerlässlicher Bestandteil der Behandlung. Neben den Blutzuckerwerten selbst, müssen dabei auch weitere Risikowerte (Blutdruck, Blutfette, Gewicht) gemessen und gefährdete Organe (Augen, Nieren, Nerven) immer wieder untersucht werden. Ganz wichtig ist zudem die Inspektion der Füße, um dem Risiko von Fussgeschwüren vorzubeugen. Dokumentiert werden die jeweiligen Ergebnisse im Diabetikerpass. Hier können alle Messwerte bzw. angestrebten Zielwerte eingetragen werden und sind immer auf einen Blick verfügbar.

...und intensive Schulung notwendig Besonders wichtig ist es aber, dass die Betroffenen (bzw. bei Kindern auch die Eltern) selbst intensiv über ihre Krankheit informiert werden. Zu diesem Zweck werden Diabetes-Schulungen z.B. in Diabetes-Zentren, Kliniken oder Arztpraxen durchgeführt. Denn ein Diabetes lässt sich nicht allein durch ärztliche Maßnahmen in den Griff bekommen, die Betroffenen sind bei dieser Krankheit selbst sehr stark in die Behandlung eingebunden: sie müssen den Umgang mit Blutzuckermessgerät und Spritze lernen, sie müssen wissen, wie individuelle Insulindosen zu berechnen sind, sie sollen Warnsymptome für drohende Zuckerentgleisungen bei sich selbst erkennen und rechtzeitig gegensteuern können. Und vor allem: Sie sollen verstehen, warum Sorgfalt und Disziplin gerade bei dieser Krankheit so wichtig sind. Denn wenn sie es in Zusammenarbeit mit dem Arzt schaffen, ihren Blutzucker optimal einzustellen, dann ist das der beste Garant gegen Folgeschäden und für bleibende Lebensqualität.Johanna Kallert

Kasten: Notfall Stoffwechselentgleisung

-Hyperglykämie (Überzucker) entsteht durch zuwenig Insulin im Blut und führt im Extremfall zum lebensgefährlichen diabetischen Koma:Warnsymptome: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Azetongeruch der Atemluft.Erste Hilfe-Maßnahme: Insulin injizieren, danach ins Krankenhaus.

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War die Erkrankung bislang unbekannt, ist also kein Insulin verfügbar: Sofort den Notarzt rufen.

-Hypoglykämie (Unterzucker) entsteht nach zu hoher Dosis an Insulin oder blutzuckersenkenden Tabletten.Warnsymptome: Kribbeln, Blässe, Schweißausbrüche, Herzklopfen, Heißhunger, Sehstörungen, Schwindel, bis zur Bewusstlosigkeit

Erste-Hilfe-Maßnahme: Sofort schnell ins Blut übergehende Kohlenhydrate essen (Zucker, Cola).Bei Bewusstlosigkeit muss vom Arzt Glukagon (Gegenspieler des Insulins) gespritzt werden.

Damit Aussenstehende bzw. fremde Ärzte die Symptome richtig deuten können, sollten Diabetiker immer den Diabetiker-Ausweis bei sich tragen.

Johanna Kallert