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Bauwelt 32--33 | 2009 36 Thema Die Sicht der Fotografen Bauwelt 32--33 | 2009 37 Öffentliche Terrasse des Muse- ums mit Restaurantfunktion. Großes Foto: Erieta Attali, Foto im Steinbruch der Insel Mylos: Archiv Attali Die Akropolis und ihr Museum, gesehen von drei Fotografen Die Akropolis stellte für die dokumentarische Repräsentation schon immer eine Herausforderung dar: Ohne die genauen Zeichnungen von Jacques Carrey von 1674 etwa wären heute vermisste Teile des Parthenon-Frieses unbekannt. Erieta Attali, Christian Richters und Socratis Mavrommatis äußern sich zu den heutigen Aufgaben fotografischer Darstellung. Gespräche Kaye Geipel „Dieses Museum wirkt wie ein riesiger Spiegel“ Erieta Attali Bevor Sie ein Gebäude fotografieren, bereiten Sie sich mit Skizzen auf die Aufnahmen vor. Was waren die wichtigsten Parameter beim Akropolis-Museum? Zuallererst gibt es eine psychologische Vor- bereitung, um mich mit dem Gebäude in seiner Umgebung vertraut zu machen. Ich muss mir die Architektur geduldig erlaufen. Dann kommt die technische Seite: die Frage nach der rich- tigen Tageszeit, nach der Stellung der Sonne, den unterschiedlichen Raumdimensionen und den verschiedenen Materialien und wie diese eingesetzt wurden. Das Akropolis-Museum hat riesige Flächen aus Edelstahl und Glas, die stark reflektieren. Dieses Gebäude wirkt an vie- len Stellen wie ein riesiger Spiegel. Aufgrund seines Programms, seiner politi- schen und kulturellen Bedeutung ist das Athener Museum ein Gebäude für ein großes nationales und internationales Publikum – vergleichbar dem Centre Pompidou oder der Tate Modern. Die Ausstellungsräume sind ent- sprechend groß und monumental dimensio- niert. Die Skulpturen des Akropolis-Museums sind aber – abgesehen vom umlaufenden Parthenon-Fries – meist klein und zart. Wie bewältigt man den Maßstabswechsel? Mir ging es darum wiederzugeben, was Bernard Tschumi mit seinem Entwurf beabsichtigt hat. Dieser Intention des Architekten folge ich beim Fotografieren genau. Ich habe mich bei mei- ner Auswahl des Akropolis-Museums auf wenige Standorte beschränkt. Auf ein Foto des Ein- gangsbereichs habe ich zum Beispiel verzich- tet. Als ich durch den Sucher sah, da wirkte es, wie soll ich sagen, zu lärmend, zu laut. Es gab einfach „zu viele“ visuelle Informationen. Ich suchte mir dann – gerade da es sich um eine erste Reportage mit einigen wenigen aus- sagekräftigen Bildern handelte – eine Reihe von anderen Standpunkten. Sie haben ein Jahrzehnt als Fotografin bei ar- chäologischen Ausgrabungen gearbeitet, be- vor Sie anfingen, sich mit Architekturfotografie zu beschäftigen. Was macht den Unterschied, ob Sie Skulpturen bei einer Ausgrabung foto- grafieren oder in einem Museum? Die archäologische Fotografie ist von der rich- tigen Technik bestimmt, es geht um eine mög- lichst genau Dokumentation der Funde. Viele Betrachter der Architekturfotografie sind sich gar nicht bewusst, wie weit sich diese Form der Fotografie von der Dokumentation entfernt hat und auf einer subjektiven Interpretation beruht, die mit der Komposition des Bildes be- ginnt: Was arrangiere ich innerhalb, was bleibt außerhalb des Bildes. Die Ausstellungsarchitektur des Museums ver- wendet viele unterschiedliche Präsentations- formen: Sockel, Vitrinen, Nischen, Wände, aber auch den Raum zwischen den Säulen. Vor allem die Galerie mit dem Parthenon-Fries benutzt den Raum sowohl in seiner gesamten Tiefe wie über die ganze Höhe. In der Tat war der oberste Ausstellungsraum mit dem Parthenon-Fries fotografisch die größte Herausforderung. Es gibt dort so viele Schich- ten gleichzeitig, dass ich lange brauchte, bevor ich mich entschied. Am Abend ist die Situa- tion mit der Spiegelung der Skulpturen in der Außenfassade sogar noch komplexer. In Griechenland zu fotografieren heißt, mit ei- nem „Exzess“ an Licht konfrontiert zu sein. Der Entwurf von Bernard Tschumi holt mittels großer Glasfassaden möglichst viel von die- sem „attic light“ nach innen. Wie arbeitet man mit diesem Überfluss an Licht? Über die Reflexion habe ich eingangs gespro- chen. Ich arbeite im 4 auf 5 Inch-Format mit herkömmlichem Filmmaterial. Das ist aber emp- findlicher, als wenn ich digital arbeiten würde. So habe ich jetzt im Juli immer um sechs Uhr morgens begonnen, das Museum zu fotografie- ren. Um acht war Schluss. Das Licht wird dann so grell, dass der Film die Details nicht mehr wiedergibt. Das Material verschwindet. Die Ar- chitektur wird völlig abstrakt. Am Nachmit- tag ist es etwas anders. Da ist die Balance des Lichts ausgewogener. Erieta Attali | arbeitete in den 90er Jahren als dokumentarische Fotografin bei verschiede- nen archäologischen Ausgrabungen, unter an- derem bei den Königsgräbern von Vergina in Mazedonien und auf den Inseln Patmos und Amorgos. Als Architekturfotografin arbeitet sie ab 1998 für die wichtigsten zeitgenössischen griechischen Architekten. Seit 2003 unterrich- tet sie im Fach Architekturfotografie an der Columbia University in New York.

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Bauwelt 32--33 | 200936 Thema Die Sicht der Fotografen Bauwelt 32--33 | 2009 37

Öffentliche Terrasse des Muse-ums mit Restaurantfunktion.

Großes Foto: Erieta Attali, Foto im Steinbruch der Insel Mylos: Archiv Attali

Die Akropolis und ihr Museum, gesehen von drei FotografenDie Akropolis stellte für die dokumentarische Repräsentation schon immer eine Herausforderung dar: Ohne die genauen Zeichnungen von Jacques Carrey von 1674 etwa wären heute vermisste Teile des Parthenon-Frieses unbekannt. Erieta Attali, Christian Richters und Socratis Mavrommatis äußern sich zu den heutigen Aufgaben fotografischer Darstellung.

Gespräche Kaye Geipel

„Dieses Museum wirkt wie ein riesiger Spiegel“Erieta Attali

Bevor Sie ein Gebäude fotografieren, bereiten Sie sich mit Skizzen auf die Aufnahmen vor. Was waren die wichtigsten Parameter beim Akropolis-Museum?Zuallererst gibt es eine psychologische Vor-bereitung, um mich mit dem Gebäude in seiner Umgebung vertraut zu machen. Ich muss mir die Architektur geduldig erlaufen. Dann kommt die technische Seite: die Frage nach der rich-tigen Tageszeit, nach der Stellung der Sonne, den unterschiedlichen Raumdimensionen und den verschiedenen Materialien und wie diese eingesetzt wurden. Das Akropolis-Museum hat riesige Flächen aus Edelstahl und Glas, die stark reflektieren. Dieses Gebäude wirkt an vie-len Stellen wie ein riesiger Spiegel.

Aufgrund seines Programms, seiner politi-schen und kulturellen Bedeutung ist das Athener Museum ein Gebäude für ein großes nationales und internationales Publikum – vergleichbar dem Centre Pompidou oder der Tate Modern. Die Aus stellungsräume sind ent-sprechend groß und monumental dimensio-niert. Die Skulpturen des Akropolis-Museums sind aber – abgesehen vom umlaufenden Parthenon-Fries – meist klein und zart. Wie bewältigt man den Maßstabswechsel? Mir ging es darum wiederzugeben, was Bernard Tschumi mit seinem Entwurf beabsichtigt hat. Dieser Intention des Architekten folge ich beim Fotografieren genau. Ich habe mich bei mei-ner Auswahl des Akropolis-Museums auf wenige Standorte beschränkt. Auf ein Foto des Ein-gangsbereichs habe ich zum Beispiel verzich-tet. Als ich durch den Sucher sah, da wirkte es, wie soll ich sagen, zu lärmend, zu laut. Es gab einfach „zu viele“ visuelle Informationen. Ich suchte mir dann – gerade da es sich um eine erste Reportage mit einigen wenigen aus-sagekräftigen Bildern handelte – eine Reihe von anderen Standpunkten.

Sie haben ein Jahrzehnt als Fotografin bei ar-chä ologischen Ausgrabungen gearbeitet, be -vor Sie anfingen, sich mit Architekturfotografie zu beschäftig en. Was macht den Unterschied, ob Sie Skulpturen bei einer Ausgrabung foto-

grafieren oder in einem Museum? Die archäologische Fotografie ist von der rich-tigen Technik bestimmt, es geht um eine mög-lichst genau Dokumentation der Funde. Viele Betrachter der Architekturfotografie sind sich gar nicht bewusst, wie weit sich diese Form der Fotografie von der Dokumentation entfernt hat und auf einer subjektiven Interpretation beruht, die mit der Komposition des Bildes be-ginnt: Was arrangiere ich innerhalb, was bleibt außerhalb des Bildes.

Die Ausstellungsarchitektur des Museums ver-wendet viele unterschiedliche Präsentations-formen: Sockel, Vitrinen, Nischen, Wände, aber auch den Raum zwischen den Säulen. Vor allem die Galerie mit dem Parthenon-Fries benutzt den Raum sowohl in seiner gesamten Tiefe wie über die ganze Höhe.In der Tat war der oberste Ausstellungsraum mit dem Parthenon-Fries fotografisch die größte Herausforderung. Es gibt dort so viele Schich-ten gleichzeitig, dass ich lange brauchte, bevor ich mich entschied. Am Abend ist die Situa-tion mit der Spiegelung der Skulpturen in der Außenfassade sogar noch komplexer.

In Griechenland zu fotografieren heißt, mit ei-nem „Exzess“ an Licht konfrontiert zu sein. Der Entwurf von Bernard Tschumi holt mittels großer Glasfassaden möglichst viel von die-sem „attic light“ nach innen. Wie arbeitet man mit diesem Überfluss an Licht? Über die Reflexion habe ich eingangs gespro-chen. Ich arbeite im 4 auf 5 Inch-Format mit herkömmlichem Filmmaterial. Das ist aber emp-findlicher, als wenn ich digital arbeiten würde. So habe ich jetzt im Juli immer um sechs Uhr morgens begonnen, das Museum zu fotografie-ren. Um acht war Schluss. Das Licht wird dann so grell, dass der Film die Details nicht mehr wiedergibt. Das Material verschwindet. Die Ar-chitektur wird völlig abstrakt. Am Nachmit-tag ist es etwas anders. Da ist die Balance des Lichts ausgewogener.

Erieta Attali | arbeitete in den 90er Jahren als dokumentarische Fotografin bei verschiede-nen archäologischen Ausgrabungen, unter an-derem bei den Königsgräbern von Vergina in Mazedonien und auf den Inseln Patmos und Amorgos. Als Architekturfotografin arbeitet sie ab 1998 für die wichtigsten zeitgenössischen griechischen Architekten. Seit 2003 unterrich-tet sie im Fach Architekturfotografie an der Columbia University in New York.

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Bauwelt 32--33 | 200938 Thema Die Sicht der Fotografen Bauwelt 32--33 | 2009 39

Christian Richters | arbeitet seit 20 Jahren in Europa, Asien und Amerika als Architektur-fotograf. Er beschäftigt sich mit ausführlichen fotografischen Dokumentationen bauhisto-ri scher Denkmäler, so auch bei der 2007 von Attilio Petruccioli im Electa Verlag vorgeleg-ten Bestandsaufnahme der indischen Kaiser-stadt Fatehpur Sikri.

Das Museum im noch leeren Zustand: Blick von der großen Halle mit der Rampe auf die anschließende Treppe.

Foto: Christian Richters; kleines Foto: Hede Ziranka

„Eine fast trotzige Abstraktheit war mein erster Eindruck“ Christian Richters

Sie waren bereits einmal in Athen und haben das Museum im damals noch leeren Zustand fo-tografiert. Die Textur der Sichtbetonwände und die mächtigen Stützen spielten dabei eine größere Rolle. Was ändert sich generell, wenn Sie ein derart großes Haus im leeren Zustand fotografieren?Die erste Fotoserie habe ich im September 2007 aufgenommen, der Bau war fast fertig, aber noch leer. Die Abstraktheit fand ich bei der Größe des Museums sehr problematisch. Es gab in zahlreichen Räumen kaum eine sicht-bare, ableitbare Maßstäblichkeit. Eine Foto-grafie des unbespielten „Archaischen Saales“ zum Beispiel kann kaum ein Gefühl für die tatsächlich sehr monumentale Dimension die-ses Raumes vermitteln. Bei kleineren Bauten ist die Leere weniger problematisch, man ist näher an den Materialien und an der Textur.

Wie bereiten Sie sich vor, wenn Sie einen sol-chen Bau fotografieren?Die wesentlichen Hilfsmittel zur Vorbereitung sind Lagepläne und Grundrisse, Informatio-nen über die umgebende Bebauung, eventuell Baustellenbilder, die der Architekt zur Verfü-gung stellen kann, schließlich ein gemeinsamer Rund gang – nicht immer nötig oder möglich, meist aber, so wie hier in Athen, für beide Sei-ten sehr hilfreich. Doch gehe ich eigentlich im mer davon aus, dass sich mir ein Bau aus sich heraus erschließen kann. Die Fotoarbeit an sich bereite ich dann anhand eines Ablauf-plans vor, der sich im Wesentlichen an den wechselnden Lichtverhältnissen von früh bis spät orientiert – aber immer noch etwas Luft lässt für kurzfris tiges Umdisponieren oder eher spontan entstehende Bilder.

Für den Architekten und den Bauherrn ging es bei diesem ersten Fototermin wohl auch darum, der anfänglichen Kritik zu begegnen, die Ar-chi tektur des Museums sei sehr abstrakt. Was war für Sie der zentrale Aspekt bei der äuße-ren Form des Museums, der Ihnen sofort im Ge-dächtnis blieb und den Sie dann versucht ha-ben festzuhalten?Die fast trotzige Abstraktheit war tatsächlich mein erster Eindruck. Die Bilder der Innen-

räume mit den Skulpturen und mit Besuchern wirken weniger abstrakt und in gewisser Weise „weicher“, aber beim Blick zurück auf die äu-ßere From erscheint diese dann umso schroffer. Mich interessierte auch dieser Gegensatz – hier Tschumis Entwurf, scharfkantig und quasi mathematisch wie er ist, und dort die Ele-ganz und Schönheit vor allem der Skulpturen im „Archaischen Saal“.

Eine ganze Serie von Fotos haben Sie aus eini-ger Distanz gemacht, und zwar nicht aus der Vogelperspektive, sondern aus den engen Stra-ßen des Makriyianni-Viertels heraus. Ihre Bil-der zeigen einen Aspekt der Museumsarchitek-tur, der bisher kaum thematisiert wurde: die Analogie der auskragenden Geschossdecken zu einem zentralen Motiv der Athener Wohnbau-architektur, zu den weit in den Straßenraum auskragenden Balkonen. Wie sehen Sie das Ver-hältnis von Museumarchitektur und umgeben-dem Stadtraum?Wenn ich versuche, eine Fotoarbeit als Serie oder Sequenz aufzufassen, als Annäherung an einen Ort oder einen Bau, so ist dies in Athen etwas schwierig gewesen. Die einzig schlüs-sige Route führt, von der Akropolis kommend, über eine Treppenanlage herab auf das über den Grabungen aufgeständerte Plateau und dann zum Haupteingang. Kommt man aus der Stadt, ist eine schrittweise oder sich herantas-tende Annäherung kaum möglich – plötzlich und sehr unvermittelt, beinahe sperrig steht das Museum in den verschiedenen Blickach-sen der umgebenden Straßenräume. Analogien oder eine bildhafte Referenz habe ich da ei-gent lich nicht gesehen. Auch die Topografie – die leicht ansteigende Hanglage am Fuß der Akropolis – greift der Entwurf zumindest aus der Blickrichtung des umgebenden Stadt-raumes kaum auf.

Ihre Innenraumfotos zeigen sehr gut die Mehr-schichtigkeit der Raumbezüge: zwischen Innen und Außen, zwischen Parthenon oben auf der Festung und dem Fries im Museum, zwischen den Skulpturen auf ihren unterschiedlichen So-ckeln und der Stadtsilhouette im Hintergrund. Wie lassen sich diese verschiedenen Ebenen in einem Foto darstellen? Und wo liegen die Gren-zen für eine fotografische Darstellung, die meh-rere Ebenen zusammenbringt?Die Mehrschichtigkeit im Raum wird durch die Fotografie in die Zweidimensionalität proji-

ziert – lesbar als Tiefe und als Raum dann vor allem durch Licht und Lichtfarben: zum Bei-spiel der im warmen Licht der Abendsonne ste-hende Fries in der Tiefe des Innenraums und die Metopen etwas weiter vorne, dann die struk-turierte Fassade und die Verglasung mit ihrem leichten Blau- oder Grünton, schließlich im Hin-tergrund die schon im kühlen Halbschatten liegende Stadtsilhouette. Die Grenzen für eine fotografische Darstellung sind dann erreicht, wenn die Lichtkontraste entweder zu hoch oder, was auch oft der Fall ist, zu schwach sind. Noch schwieriger wird es, wenn dann zusätz-lich die Eigenstrukturen der verschiedenen Schichten sehr ähnlich sind.

Gerade im „Archaischen Saal“ stehen die Skulp-turen in einer offenen Anordnung, bei der die Ausstellungsarchitektur so gut wie keine Hier-archien vorsieht. Wie haben Sie als Fotograf, der doch immer den privilegierten Blick sucht, auf die Offenheit reagiert?In die offene, „demokratische“ Anordnung hinein habe ich das Stativ mit der Kamera ge-stellt – gewissermaßen als ein Gegenstand neben anderen. Als Architekturfotograf bringt man sich selber hinter der Kamera fast zum Verschwinden, so exponiert man mit dem rela-tiv großen Equipment auch immer ist. Das Pri-vileg liegt dann eher im Unbeteiligt-Sein und im Warten-Können. Wenn das Museum um acht Uhr morgens öffnet, füllt es sich sehr schnell. Es braucht dann Geduld, auf eine gewisse Ba-lance von Statik und Dynamik, von Skulpturen und Besuchern zu warten.

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Bauwelt 32--33 | 200940 Thema Die Sicht der Fotografen Bauwelt 32--33 | 2009 41

Socratis Mavrommatis | ist seit 1979 für das griechische Kulturministerium als verantwort-licher Fotograf der Restaurierungsarbeiten auf der Akropolis tätig. Er unterrichtet das Fach „Fotografische Sehweisen“ an der „Valkalo Design School“ in Athen und „Archäologische Dokumentation“ an der „European School of Photography“, ebenfalls in Athen. Eine Aus-stellung mit seinen Aufnahmen der Akropolis wird im November im Römisch-Germanischen Museum in Köln gezeigt.

Bild von einem Gerüst der Propyläen mit dem Parthenon rechts und dem Erechtheion links, aufgenommen im Win-ter 1987.

Foto: Socratis Mavrommatis;kleines Foto: Tina Skari

„Das Prinzip lautet: Wenige Bilder, viele Informationen.“ Socratis Mavrommatis

Sie sind seit den 70er Jahren als verantwortli-cher Fotograf auf der Akropolis tätig. Wie kann man sich Ihren Arbeitstag vorstellen?Ich arbeite seit 1979 als Chef-Fotograf der Ab-teilung für die fotografische Dokumentation der Restaurierungsarbeiten an den Denkmälern der Athener Akropolis. Die dokumentarische Arbeitsweise mittels Fotografien besteht darin, die an jedem Denkmal vorgenommenen Arbei-ten von bestimmten Standpunkten aus zu ver-folgen. Das geschieht, indem jede Fotoserie mit entsprechend älteren, von denselben Posi-tionen aus realisierten Fotos verglichen wird. So lässt sich jede Änderung im Erscheinungs-bild der Denkmäler verfolgen, und so wird auch das Voranschreiten der Arbeiten nachvollzieh-bar dokumentiert.

Wie hat sich Ihre Arbeit in den letzten 30 Jah-ren verändert? Zum einen was die Technik be-trifft, zum anderen aber auch hinsichtlich des wissenschaftlichen Ansatzes? Obwohl sich die Fotografie in den letzten 30 Jah-ren in Bezug auf die Mittel deutlich weiterent-wickelt hat (analog–digital), bleiben die Metho-den und die Herangehensweise an fotografi-sche Dokumentation dieselben. Auch im Falle der Akropolis-Denkmäler ist die anzuwendende Methode seit 30 Jahren die gleiche, abgese-hen natürlich von notwendigen Anpassungen.

Sie haben mit Ihren Fotografien ein eindrucks-volles Archiv der Veränderungen auf der Akro-polis geschaffen. Die Fotoserien von der schritt-weisen Zerlegung und Wiedererrichtung des Tempels der Athena Nike zeigen die Veränderun-gen vielleicht besser noch als schriftliche Do-kumente. Was sind die Kriterien für den jeweils „richtigen Augenblick“? Die Fotos der Demontage des Nike-Tempels sind ein gutes Beispiel für die Methode der Do-kumentation einer chronologischen Entwick-lung. Sie machen auch die Notwendigkeit eines festgelegten Ausgangspunktes klar, der bei die sen Bildern die Pinakothek südlich der Pro-pyläen ist, so dass die Fotografien vergleich-bar sind. Die Einschätzung der „historischen Augenblicke“ ist ein wichtiger Teil des Unter-fangens. Die dramatischen Veränderungen, die

sich in einer kurzen Zeitspanne vollziehen, so-wie das Verantwortungsgefühl der Restaurato-ren, die Realität aufzuzeichnen, sind Parame-ter für die Auswahl des Bildes – eines Bildes, das unwiederbringlich verloren geht und das durch ein neues Bild ersetzt wird, d.h. durch einen „neuen Augenblick“ in der Entwicklung des Denkmals.

Wie groß ist Ihr Archiv, und nach welcher Logik und nach welchem Ordnungssystem ist es an-gelegt? Das Archiv mit charakteristischen Bildern, die die Arbeiten dieser 30 Jahre vollständig be-schreiben, ist eigentlich erstaunlich schmal. Es umfasst etwa 5000–6000 Fotografien für die Gesamtheit der Arbeiten an allen Denkmä-lern. Wenngleich diese Zahl als sehr klein er-scheinen mag, ist sie absolut ausreichend. Sie stellt unsere prinzipielle Einstellung bei der fotografischen Dokumentation der Restaurie-rungsarbeiten dar. Diese Einstellung respek-tive Auswahl passt sich dem notwendigen und ständi gen Bedürfnis von derartigen Dokumen-tationsarchiven an, indem sie dem Grundsatz „Wenige Bilder – viele Informationen“ folgt. Kurzum: Jede Arbeit muss mit wenigen Fotogra-fien beschrieben werden, die aber möglichst viele Informationen enthalten. Der Gewinn ist offensichtlich: ein kleines und daher leicht handhabbares Archiv, das Bild-Beispiele anbie-tet. Jedes von ihnen – um ein Sprichwort zu zitieren – „sagt mehr als tausend Worte“.

Die Geschichte der archäologischen Fotografie hat sich in den letzten 100 Jahren verändert. Sie reflektiert den ideologischen Hintergrund der jeweiligen kulturellen und wissenschaft-lichen Haltung ihrer Zeit. Beispiele sind etwa die subjektiven „Einsprengsel“ eines Walter Hege in den 20er Jahren oder die neutrale, de-dramatisierende Haltung eines Goesta Hell-ner in den 60ern. Wie sehen die Prinzipien der archäologischen Fotografie heute aus? Walter Hege zeichnete die Denkmäler – was seine 1929 aufgenommenen Akropolis-Bilder betrifft – so auf, wie er sie „sah“, durch einen ästhetisch-politischen Blick, der der seine war, aber auch der seiner Zeit. Die fotografische Dokumentation bei Hege – wenigstens wie wir sie heute verstehen – ist eher gleichgültig. Goesta Hellner hat seinen persönlichen bilden-den Blick der Dokumentation untergeordnet, ohne natürlich an der Ästhetik desinteressiert

zu sein. Seine fotografischen Dokumente haben gleichsam einen ästhetisch-künstlerischen Ei-genwert. Meines Erachtens tat Goesta Hellner das, was die Natur der Fotografie selbst gebie-tet: die Ästhetik und die Information in einer harmonischen Analogie koexistieren zu lassen. Gibt es für Sie bei der Arbeit auf der Akropolis Lieblingsschauplätze?Bestimmte Punkte untersuche ich tatsächlich immer wieder neu. Das sind Details an den Denkmälern, vor allem am Parthenon, in denen die menschliche Spur und das „kollektive Be-wusstsein“ des 5. Jahrhundert v. Chr. durch den Abdruck des Werkzeugs, der Hand, der Seele und des Hirns des Schaffenden zu entdecken sind.

Das Foto, das sie 1987 vom Dach der Propyläen gemacht haben, wurde sehr bekannt. Es zeigt die Schönheit des archäologischen Feldes, aber eben auch Gruppen von Besuchern, die sich nicht so sehr als Touristen zu verhalten schei-nen, sondern einfach als „Neugierige“. Erin-nern Sie sich noch an diesen Moment? Das Foto wurde an einem Wintertag mit weni-gen Besuchern – auf die die Bezeichnung „Touristen“ nicht wirklich passen würde – von ei nem Gerüst an den Propyläen aus gemacht. Das, was ich von jenem Tag erinnere, und das Gefühl, das über diese Fotografie in mein Gedächtnis zurückkommt, sind die Ruhe und der Nordwind, der sie begleitete und der ein „Filter“ gegen die Besuchbarkeit darstellte und weiterhin darstellt, eine „Barriere“ gegen die laute Touristenmenge, die das Bild der Denkmäler verwandelt und uns von der anti-ken Vergangenheit entfernt.