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370 5. Rekonstruktion der Vorgeschichte vielleicht Information über eine vorgeschichtliche Funktion oder Funk- tionsveränderung eines Kasus geben kann. Noch mehr Information kann ein Vergleich zwischen den beiden Sprachen, morphologisch sowohl als auch syntaktisch, geben. So weit die äussere Rekonstruktion. Dazu muss eine innere Rekonstruktion der beiden Sprachen, sowohl morphologisch als syntaktisch, durchgeführt werden, was noch mehr Information, wahrscheinlich hauptsächlich über die Syntax geben kann. 5.1. Die Vorgeschichte des Paradigmas in früherer For- schung Im folgenden wird eine Zusammenfassung der Ansichten verschiede- ner Wissenschaftler über die Entwicklung/Veränderung des tochari- schen Kasussystems gegeben. 5.1.1. Kölver Kölver (1965) meint, wie viele andere, dass die Ursache der System- veränderung die Auslautgesetze sind. Der Obliquus entspricht den indogermanischen Akkusativ, auf jeden Fall im Singular der Konso- nantstämme. Der Obliquus wurde durch Prä- oder Postpositionen nä- her bestimmt (:3). Danach hat sich graduell eine engere Verbindung zwischen Obliquus und einzelnen Postpositionen vollzogen, und die sekundären Kasus haben sich ausgebildet. Danach diskutiert er, ob es gerechtfertigt ist, das Syntagma Obliquus+Postposition/Affix eigent- lich als "Kasus" zu bezeichnen (:4). Zwischen Obliquus und Affix scheint in Β eine losere Beziehung als in Α zu bestehen. In Α hat man erstens die Synkope, z.B. Nom./Obl. päcar Gen. päcri Perl. päcrä Brought to you by | Penn State - The Pennsylvania State University (Penn State - The Pennsylvania Authenticated | 172.16.1.226 Download Date | 5/9/12 3:46 PM

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370 5. Rekonstruktion der Vorgeschichte

vielleicht Information über eine vorgeschichtliche Funktion oder Funk-tionsveränderung eines Kasus geben kann.

Noch mehr Information kann ein Vergleich zwischen den beiden Sprachen, morphologisch sowohl als auch syntaktisch, geben.

So weit die äussere Rekonstruktion. Dazu muss eine innere Rekonstruktion der beiden Sprachen,

sowohl morphologisch als syntaktisch, durchgeführt werden, was noch mehr Information, wahrscheinlich hauptsächlich über die Syntax geben kann.

5.1. Die Vorgeschichte des Paradigmas in früherer For-schung

Im folgenden wird eine Zusammenfassung der Ansichten verschiede-ner Wissenschaftler über die Entwicklung/Veränderung des tochari-schen Kasussystems gegeben.

5.1.1. Kölver

Kölver (1965) meint, wie viele andere, dass die Ursache der System-veränderung die Auslautgesetze sind. Der Obliquus entspricht den indogermanischen Akkusativ, auf jeden Fall im Singular der Konso-nantstämme. Der Obliquus wurde durch Prä- oder Postpositionen nä-her bestimmt (:3). Danach hat sich graduell eine engere Verbindung zwischen Obliquus und einzelnen Postpositionen vollzogen, und die sekundären Kasus haben sich ausgebildet. Danach diskutiert er, ob es gerechtfertigt ist, das Syntagma Obliquus+Postposition/Affix eigent-lich als "Kasus" zu bezeichnen (:4). Zwischen Obliquus und Affix scheint in Β eine losere Beziehung als in Α zu bestehen. In Α hat man erstens die Synkope, z.B.

Nom./Obl. päcar Gen. päcri Perl. päcrä

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und zweitens das eingeschobene -y- zwischen Obliquus und Endung in Stämmen, die auf -i,-e und -oenden.

In Β dagegen wird die Selbständigkeit der Kasusaffixe durch fol-genden Faktoren indiziert: (:5):

1. Der Akzent fällt in zwei- oder dreisilbigen Wörtern auf die Paen-ultima, z.B. Β pälsko 'Denken'. Wenn ein sekundäres Ka-susaffix zugefügt wird, geschieht keine Veränderung: Β pälsko-sa. Nur beim Affix des Ablativs können beide Varianten auftre-ten: läklemem bzw. ldklemem.

2. In einigen Fällen kann ein Genitiv zwischen Hauptwort und Ka-susaffix eingeschoben werden, z.B. skasmenantsene 'am Sech-sten des Monats'.

Er diskutiert, ob die lockere Beziehung zwischen Obliquus und En-dung in Β auf der Struktur der Endungen, die alle konsonantisch an-fangen, beruhen kann. Diesen Unterschied erklärt er folgenderweise (:6):

"Da bekanntlich toch Α durchgehend einen jüngeren Sprachzustand als toch Β aufweist, lässt sich vermuten, dass zur Zeit der uns überlieferten Texte in Β sich feste Kasusverbindungen erst herauszukristallisieren begannen, ...dass dieser Prozess in Α hingegen schon sehr viel weiter fortgeschritten war, bis schliesslich in der Bilingue TT IX des Westtocharische Obl. und Affix auch in graphischer Einheit zeigt."

Was die syntaktischen Funktionen angeht, weist er auf Kurytowicz Unterscheidung zwischen Kasus und adverbalen Fügungen bzw. ad-verbalen und syntaktischen Funktionen hin (:7).

Er berührt weiter das Problem der Autonomie der tocharischen Syntax der Sanskritvorlage gegenüber, und hebt hervor, dass Tocha-risch durch das Kasussystem feinere Ausdrucksmöglichkeiten hat (:8).

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372 5. Rekonstruktion der Vorgeschichte

5.1.2. Winter

Winter diskutiert in einem Artikel (1967) "A note on cases" das Kasus-system des Tocharischen und seine indogermanischen Wurzeln. Die Kasusformen des Tocharisch Α sind "unit word forms", weil innere Synkope vor der Kasusendung entsteht. Der "Instrumental" auf -yo führt keine Synkope mit sich und ist demnach nicht als eine Kasus-form, sondern als eine Nominalphrase zu betrachten.

In Tocharisch Β sind aber die Sekundärkasus wegen der Akzentre-gel als Nominalphrasen zu betrachten. Ausnahmen sind eine Form des Ablativs und der Kausalis. Tocharisch Β zeigt hier eine ältere Sprach-stufe, wo ein Syntagma, bestehend aus einem Nomen in Obliquus und einer Adposition noch getrennte Einheiten waren.

Das indogermanische Kasussystem ist, mit Ausnahme des Nomina-tivs, des Akkusativs (Obliquus) und des Genitivs, morphologisch verlorengegangen. Es liegt aber Winters Meinung nach eine semanti-sche Kontinuität von den indogermanischen Kasusfunktionen vor. Dies wird in (1982:8) folgenderweise zusammengefasst:

"Tocharian noun inflection has undergone very radical changes. ...The case system has had a very interesting development. If we make Tocharian Β our point of reference, we have to say that inherited Proto-Indo-European cases have been lost as morphological units, that is, as word forms, with the ex-ception of the nominative, the accusative, and the genitive. ...All other ca-ses have been replaced by phrases consisting of the accusative followed by a postposition. Now, during the period of our texts, something very peculiar happens: the casal phrases coalesce into new one-word case forms proper. In B, to be sure, the process is not quite completed by the time our tradition ends, but in A the coalescence has been completed, and we have the peculiar situation that while formally the new case forms have nothing to do with the Proto-Indo-European ones, they fill exactly the same slots - we have a dative again, an instrumental, a locative, an ablative - as we had it before; the only deviation being that a new case, a comitative, has come into exis-tence."

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5.1. Frühere Forschung 373

Hier erwähnt er weiter die textuellen Probleme der Syntaxstudien des Tocharischen: alle Texte, ausser ein paar sehr einfachen Textbelegen, sind Übertragungen aus dem Sanskrit. Ein grosser Teil der bewahrten Texte ist auch in metrischer Form belegt, und dadurch wird die Festle-gung von verschiedenen syntaktischen Einzelheiten schwierig. Un-abhängig von der Metrik muss aber die Kasuswahl sein (1984:225).

5.1.3. Penney

J.H.W. Penney (1989) behandelt die tocharischen Präverbien und Postpositionen und diskutiert, warum sich im Tocharischen keine echte Präverbien entwickelten. Über die Entwicklung des Systems schreibt er folgendes:

"It is not to be supposed, however, that Tocharian has simply preserved the Indo-European pattern. .. .Tocharian went through a process of development which involved the reduction of the inherited case system in favour of pre-positional or postpositional syntagms, the Oblique becoming the standard case in all these. (Such a development would not be in the least unusual -one need only think of Modern Greek or the Romance languages to find a parallel.) What does seem to distinguish Tocharian from other Indo-Euro-pean languages is the failure to develop true preverbs at the same time as prepositions and postpositions."

5.1.4. K.H. Schmidt

Am wichtigsten in dieser Hinsicht sind aber die Arbeiten von K.H. Schmidt (1969), (1975), (1982), (1987), (1988) und (1990). Er be-handelt den Umbau des typologischen Systems des Tocharischen und vergleicht mit anderen Sprachen (auch nichtindogermanischen) mit ähnlicher Entwicklung/ähnlichen Systemen.

In "Agglutination und Postposition im Tocharischen" (1969) teilt er die zwei verschiedenen Kasusformanzen des Tocharischen, die primä-ren und sekundären, in "Order 1" (Ol) und "Order 2" (02) ein. 0 2 ist

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auf Ol gebaut, und enthält dadurch immer Ol (d.h. der Obliquus ist immer vorhanden in den sekundären Kasus). 02 unterscheidet sich weiter von Ol dadurch, dass in jedem Kasus nur eine Kasusendung vorhanden ist, und dass diese Endung viel mehr ein selbständiges Sprachelement ist. Er rechnet weiter typische Züge des 02 auf: das agglutinierende Flexionsprinzip, das Nichtvorhandensein etymolo-gischer Verknüpfungen der Affixe miteinander, die Verbindung einiger Affixe mit Konjunktionen und Adverbien und die Gruppenflexion.

Er vergleicht dieses System mit dem des ostkaukasischen Tabassa-ranischen. Diese Sprache zeigt wenigstens 5-6 Orders, in einem ganz komplizierten System zusammengesetzt (: 107-109), wo jede Order als Grundlage für die Bildung von Kasusformen mit Affixen fungiert.

Gruppenflexion gibt es aber nicht im Tabassaranischen, dagegen wird das Determinativ in einem Syntagma Determinativ+Hauptwort nicht flektiert.

Weil im Tocharischen nur zwei Orders vorliegen, bezeichnet K.H. Schmidt das Tocharische als "schwach-agglutinierend" (: 109). Eine typologische Übereinstimmung ist der Gebrauch von Postpositionen als Affixe (: 110). Zuletzt vergleicht er das tocharische System mit Greenbergs658 "Basic Order Typology" (: 110): Eine postponierende Sprache sollte Voranstellung des Genitivs und des attributiven Adjek-tivs zeigen, wie auch die Wortfolge SOV, was auch für Tabbassa-ranisch passt. Im Tocharischen gibt es aber auch Präpositionen, was ihm zufolge einen indogermanischen Archaismus repräsentiert (: 111).

In (1975) behandelt er das Tocharische als eine Sprache der "flektierend-agglutinierenden Typen". Über die Entwicklung des funk-tionalen Systems dem formalen System gegenüber schreibt er (:284-285):

"Zusammenfassend lässt sich zum tocharischen Kasussystem sagen, dass es eine Mischung aus flektierender und agglutinierender Flexion darstellt: der ältere Typus bleibt auf die besonders konservativen grammatischen Kasus Nominativ, Akkusativ (=Obliquus) und Genitiv beschränkt.. .der (auf dem Obliquus aufgestockte) jüngere agglutinierende Typus umfasst dagegen die

""Greenberg (1963).

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konkreten Kasus. Darüber hinaus korreliert er mit der Struktur der Syntax (Postpositionen; Stellungen SOV bzw. Determinans vor Determinatum)."

In "Zur semantischen Differenzierung des indogermanischen Kasus-systems im Tocharischen" (1987) behandelt er weiter die funktionale Entwicklung des Systems. Er wiederholt erstens die typologische Ar-gumentation von (1969) und (1975) und vergleicht Tocharisch mit Os-setisch und Neuarmenisch, "idg. Sprachen, die ebenfalls den Über-gang von flektierender zu agglutinierender Flexion vollzogen haben". Dabei ist in den Kasussystemen des Ossetischen und Neuarmenischen der Unterschied zwischen flektierten grammatischen und agglutinie-renden sekundären Kasus nicht vorhanden (: 140).

Danach behandelt er die Entwicklung der Kasusfunktionen im Tocharischen, die er folgenderweise aufstellt (:141):

I. Spaltung des indogermanischen Akkusativs in Obliquus vs. Al-lativ

Ii. Spaltung des indogermanischen Genitiv-Ablativs Singular von nicht-o-Stämmen in Genitiv vs. Ablativ

Iii. Spaltung des indogermanischen Instrumentals in Instrumental vs. Komitativ vs. Kausalis vs. Perlativ

IV. Ausbau eines lokalistischen Systems: Lokativ-Ablativ-Allativ-Perlativ.

Zu I weist er auf die Untersuchung des Obliquus als Akkusativ der Richtung von Thomas (1983b) hin. Die Entwicklung des indogermani-schen Akkusatives der Richtung beschreibt er folgenderweise: "...entspricht die kontextbedingte Zurückdrängung des dem idg. Alla-tiv entsprechenden tochar. Obliquus durch markierte Richtungskasus, darunter besonders den neugebildeten Allativ..." (:143). Er stellt die-sen tocharischen Richtungsakkusativ der Verwendung des Richtungs-akkusativs im Griechischen gegenüber und meint, dass dieser Kasus-gebrauch auch im Griechischen einen Archaismus repräsentiert. Weiter vergleicht er tocharisch 'gehen' und 'führen' mit Obliquus von Verbal-abstrakta mit ved. hotumeti, lat. cubitum ire etc. (:143). Zu Punkt II fügt er eine Beschreibung der Entwicklung von Genitiv und Ablativ in verschiedenen indogermanischen Sprachfamilien, wo der Synkre-tismus Genitiv/Ablativ von nicht-o-Stämmen in einigen Sprachen auf-

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gegeben worden ist (Typus 1), in anderen auf nicht-o-Stämme übertra-gen (Typus 2). Über die Relevanz dieser Frage für das Tocharische schreibt er: "Auf dem Hintergrund dieser Daten stellt die im Tochar. vorliegende Differenzierung von Genitiv und Ablativ aller Stammklas-sen eine geradezu normale Entwicklung dar." (:145).

Zu III diskutiert er erstens die Funktion des Perlativs und behauptet, dass seine Funktion dem indogermanischen "Instrumental der Raum- und Zeiterstreckung" entspricht659 (: 145). Die Aufteilung in Instrumental und Perlativ ist als Neuerung zu betrachten. Der Kausal, der nur bei Gemütsbewegungen nachweisbar ist, entspricht der indogermanische Instrumental der Ursache und des Grundes. Andere indogermanische Sprachzweige, Italisch und Germanisch, verwenden dafür den Ablativ. Der Ursprung des -n in Β aus dem Genitiv kompli-ziert die funktionale Deutung des Kausalis: "Anderseits setzt die von Krause/Thomas 1960, 90 erwogene Identifizierung des Kausalaffixes mit der westtoch. Genitivendung -n deren nicht nachgewiesene Ver-bindung zum Ablat. Sg. voraus (: 146)".

Der Komitativ, dessen Grundbedeutung "Zusammenkommen, Be-gleitung, Zusammensein" ist, ist mit dem Perlativ funktional verwandt.

Schliesslich behandelt er den "Ausbau eines lokalistischen Systems: Lokativ-Ablativ-Allativ-Perlativ" folgenderweise: "Trotz der fehlen-den Differenzierung von Instr. und Perlativ in Β entspricht die Existenz der vier Lokalkasus (und ihrer Konkurrenten) dem lokalistischen Ansatz, wie er beispielsweise von Kurytowicz 1964, 189 zusammengestellt worden ist". Das System liegt seiner Meinung nach dem System des Althethitischen nahe.

Zuletzt erwähnt er den Vergleich des tocharischen Systems mit dem Prinzip der meisten ostkaukasischen Sprachen, aus dem Ergativ ver-schiedene Serien von Lokativen abzuleiten (:148).660

65t> Kurytowicz "instr. of traversed Space". 660 Vgl. K.H. Schmidt (1969).

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5.2. Die morphologische Rekonstruktion 377

5.1.5. Zusammenfassung/Diskussion

Diese Analysen der Entwicklung des tocharischen Systems sind alle von grossem Gewicht. Es fehlt ihnen aber die u.a. von Gippert (1987) vorgenommene Rekonstruktion eines gemeintocharischen Paradigmas. Eine Rekonstruktion des funktionalen Aufbaus eines Systems sollte sich auf den formalen Aufbau gründen, wie oben in 5.0. angedeutet worden ist.

5.2. Das tocharische Paradigma - die morphologische Re-konstruktion

Die morphologische Rekonstruktion des tocharischen Paradigmas ist von mehreren Wissenschaftlern behandelt worden.661 Die Tatsache wird hier nur kurz wiederholt, da diese Rekonstruktion als Grundlage der Rekonstruktion der funktionalen Entwicklung fungieren soll.

5.2.1. Die Primärendungen

Die sogenannten Primärendungen (Nominativ, Obliquus und Genitiv) haben gemeinsam, dass sie flektierend gebildet werden. Die Aufstel-lung der Primärendungen hat im grossen und ganzen indogermanische Wurzeln, obwohl sich unter den ererbten Endungen auch vereinzelte Neubildungen verstecken. Wegen der Auslautsgesetze sind die En-dungen des Maskulinum/Neutrum Singulars zusammengefallen.662

Eine neue Obliquusendung, die wahlscheinlich indogermanische Wurzeln hat, wurde für die vernunftbegabten Wesen gebildet.663

Die Aufstellung der Genitiv-Endungen sind teils ererbte Genitiv-oder Dativ-Endungen, teils Neubildungen.664

661 Für eine Zusammenfassung verweise ich auf Carling (1999). 662 S. Pinault (1989a:67-68). 663 Vgl. auch K.H. Schmidt (1988:220f.). 664 S. Pinault (1989a:87f.).

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