Die PROSIT Disease Modelling Community · Das Entwicklungspotenzial der Open Source Entwicklung ist...

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Die PROSIT Disease Modelling Community Open Source Entwicklung gesundheitsökonomischer Markovmodelle für Typ 2 Diabetes Hintergrund: Seit der Gesundheitsreform 2007 ist die Kosten-Nutzen Analyse für neue Arzneimittel verbindlich in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen (§35b). In Zeiten knapper Gesundheitsbudgets ist der verantwortungsvolle Umgang mit den knappen Ressourcen von größter Bedeutung für die künftige Finanzierbarkeit der medizinischen Versorgung und eine wichtige ärztliche Aufgabe. Zielsetzung: Bis 2010 sollen für die fünf wichtigsten Folgeschäden des Typ 2 Diabetes (Nephropathie, Retinopathie, Herzinfarkt/KHK, Schlaganfall und diabetisches Fußsyndrom) transparente und frei verfügbare Erkrankungsmodelle entwickelt werden. Langfristig dient PROSIT dem Aufbau einer elektronischen Bibliothek von glaubwürdigen Erkrankungsmodellen zur gesundheitsökonomischen Entscheidungsfindung bei chronischen Erkrankungen. Gerade Ärzte sollen an die Gesundheitsökonomie herangeführt werden und sich an der interdisziplinären Forschung beteiligen. Methoden: 1.) PROSIT Ziel: Jeder sollte Modellieren können! PROSIT vereinfacht gesundheitsökonomische Fragestellungen, in dem komplexe Fragestellungen in einfacher zu lösende Teilaspekte aufgeteilt werden. Dies erlaubt den Einsatz vergleichsweise einfacher Simulationstechniken, wie den Einsatz von Markovprozessen und von weitverbreiteter Office-Software (OpenOffice Calc). Die PROSIT Community veranstaltet Workshops, in denen sie ihre Methoden offen legt und unterrichtet. 2.) PROSIT Ziel: Transparente Entwicklung! Die Entwickler kommunizieren über ein Internet-Portal (http://forum.prosit.de). Die eingesetzte Software Wikimedia ist von der Online Enzyklopädie Wikipedia bekannt. (Abbildung 1). Bei der Entwicklung von derzeit vier Modellen kann man den Entwicklern im Internet bei der Arbeit über die „ virtuelle Schulter“ schauen. Alle Entwicklungen werden mit Quellenangaben offen gelegt (Abbildung 4). Jeder Veröffentlichung eines Modells geht eine öffentliche Kommentierungsphase voraus, in der kritische Rückmeldungen gesammelt werden. 3.) PROSIT Ziel: Glaubwürdigkeit! Die Diskussion über Struktur, Inhalte und Methoden kann im Internet öffentlich und sogar anonym geführt werden. Mögliche Dispute werden transparent (Abbildung 3). Jedes Modell erhält eine Versionsnummer und wird separat validiert. Bei zukünftigen peer-review Verfahren reichen die Angabe der Versionsnummer, Patientencharakteristika und summarische Kostendaten aus, und Leser und Reviewer können die Ergebnisse einer gesundheitsökonomischen Studie am eigenen PC nachrechnen. 4.) PROSIT Ziel: Nachhaltigkeit! Die Erkrankungsmodelle stehen unter der Open-Source Lizenz GPL-2 (GNU Public License) [1]. Die Modelle sind somit kostenlos in der Anwendung und auch die uneingeschränkte kommerzielle Verwertung ist gestattet. Das PROSIT-Forum bietet dauerhaft die Infrastruktur an der Hochschule Heilbronn für die Entwicklung an. 5.) PROSIT Ziel: Lokal handeln – global denken! PROSIT ist von Anfang an als ein internationales Projekt ausgelegt worden. Die Verkehrssprache ist Englisch. Ergebnisse: Derzeit sind Modelle für Nephropathie (Abbildung 2), Schlaganfall. Diabetisches Fusssyndrom und Retinopathie in Entwicklung. Für Nephropathie liegt ein Release Candidate vor, der in den nächsten Wochen als erstes PROSIT Modell veröffentlicht wird. Für Schlaganfall und Retinopathie wird jeweils eine Betaversion für Deutschland zum freien Download angeboten. Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist relativ langsam, da alle Aktiven unentgeltlich arbeiten und derzeit kaum Budgets vorhanden sind. Diskussion & Schlußfolgerung: Open Source in der Erkrankungsmodellierung ist ein völlig neuer Ansatz für den noch keine Erfahrungswerte existieren. Die Community tastet sich langsam an einen zunehmend effektiveren Arbeitsprozess heran. Das Entwicklungspotenzial der Open Source Entwicklung ist enorm, da neben Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität zunehmend Kosten- und Nutzenanalysen im Gesundheitswesen verlangt werden (“4 th Hurdle”). Die PROSIT Community ist offensichtlich weltweit die erste Open Source Initiative im Bereich Erkrankungsmodellierung. Die Community bittet um Unterstützung in Form weiterer Mitglieder und aktiver Mitarbeit. PROSIT ist ein hervorragendes Instrument für die studentische Ausbildung an der HHN. Wendelin Schramm, Monika Pobiruchin, Michael Schöll, Sabrina Lang, Natalie Krämer, Benjamin Trinczek, Björn Schreiweis, Christian Weber GECKO Institut für Gesundheitsökonomie und Medizinische Informatik, Hochschule Heilbronn Kontaktadresse: Prof. Dr.med. Wendelin Schramm, Hochschule Heilbronn, Max-Planck Str. 39, 74081 Heilbronn [email protected] Abbildung 4: Blick hinter die Kulissen des Nephropathiemodells auf die Übergangswahrscheinlichkeit „p13“ Abbildung 1: Internetforum der PROSIT Modelling Community realisiert mit der Open Source Software Wikimedia Abbildung 2: Ein Ergebnis – Verteilung von Patienten auf Erkrankungsstadien über einen Simulationszeitraum Referenz: (1) http://www.gnu.org/ Abbildung 3: Öffentliche Kommentierung des Release Candidates für das Nephropathiemodell und Download der Modelldatei

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Page 1: Die PROSIT Disease Modelling Community · Das Entwicklungspotenzial der Open Source Entwicklung ist enorm, da neben Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität zunehmend Kosten- und Nutzenanalysen

Die PROSIT Disease Modelling Community

Open Source Entwicklung gesundheitsökonomischer Markovmodelle für Typ 2 Diabetes

Hintergrund: Seit der Gesundheitsreform 2007 ist die Kosten-Nutzen Analyse für neue Arzneimittel verbindlich in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen (§35b). In Zeiten knapper Gesundheitsbudgets ist der verantwortungsvolle Umgang mit den knappen Ressourcen von größter Bedeutung für die künftige Finanzierbarkeit der medizinischen Versorgung und eine wichtige ärztliche Aufgabe.

Zielsetzung: Bis 2010 sollen für die fünf wichtigsten Folgeschäden des Typ 2 Diabetes (Nephropathie,

Retinopathie, Herzinfarkt/KHK, Schlaganfall und diabetisches Fußsyndrom) transparente und frei verfügbare Erkrankungsmodelle entwickelt werden.

Langfristig dient PROSIT dem Aufbau einer elektronischen Bibliothek von glaubwürdigen Erkrankungsmodellen zur gesundheitsökonomischen Entscheidungsfindung bei chronischen Erkrankungen.

Gerade Ärzte sollen an die Gesundheitsökonomie herangeführt werden und sich an der interdisziplinären Forschung beteiligen.

Methoden: 1.) PROSIT Ziel: Jeder sollte Modellieren können! PROSIT vereinfacht gesundheitsökonomische Fragestellungen, in dem komplexe Fragestellungen in einfacher zu lösende Teilaspekte aufgeteilt werden. Dies erlaubt den Einsatz vergleichsweise einfacher Simulationstechniken, wie den Einsatz von Markovprozessen und von weitverbreiteter Office-Software (OpenOffice Calc). Die PROSIT Community veranstaltet Workshops, in denen sie ihre Methoden offen legt und unterrichtet.2.) PROSIT Ziel: Transparente Entwicklung! Die Entwickler kommunizieren über ein Internet-Portal (http://forum.prosit.de). Die eingesetzte Software Wikimedia ist von der Online Enzyklopädie Wikipedia bekannt. (Abbildung 1). Bei der Entwicklung von derzeit vier Modellen kann man den Entwicklern im Internet bei der Arbeit über die „virtuelle Schulter“ schauen. Alle Entwicklungen werden mit Quellenangaben offen gelegt (Abbildung 4). Jeder Veröffentlichung eines Modells geht eine öffentliche Kommentierungsphase voraus, in der kritische Rückmeldungen gesammelt werden.3.) PROSIT Ziel: Glaubwürdigkeit! Die Diskussion über Struktur, Inhalte und Methoden kann im Internet öffentlich und sogar anonym geführt werden. Mögliche Dispute werden transparent (Abbildung 3). Jedes Modell erhält eine Versionsnummer und wird separat validiert. Bei zukünftigen peer-review Verfahren reichen die Angabe der Versionsnummer, Patientencharakteristika und summarische Kostendaten aus, und Leser und Reviewer können die Ergebnisse einer gesundheitsökonomischen Studie am eigenen PC nachrechnen.4.) PROSIT Ziel: Nachhaltigkeit! Die Erkrankungsmodelle stehen unter der Open-Source LizenzGPL-2 (GNU Public License) [1]. Die Modelle sind somit kostenlos in der Anwendung und auch die uneingeschränkte kommerzielle Verwertung ist gestattet. Das PROSIT-Forum bietet dauerhaft die Infrastruktur an der Hochschule Heilbronn für die Entwicklung an.5.) PROSIT Ziel: Lokal handeln – global denken! PROSIT ist von Anfang an als ein internationales Projekt ausgelegt worden. Die Verkehrssprache ist Englisch.

Ergebnisse:

Derzeit sind Modelle für Nephropathie (Abbildung 2), Schlaganfall. Diabetisches Fusssyndrom und Retinopathie in Entwicklung.

Für Nephropathie liegt ein Release Candidate vor, der in den nächsten Wochen als erstes PROSIT Modell veröffentlicht wird. Für Schlaganfall und Retinopathie wird jeweils eine Betaversion für Deutschland zum freien Download angeboten.

Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist relativ langsam, da alle Aktiven unentgeltlich arbeiten und derzeit kaum Budgets vorhanden sind.

Diskussion & Schlußfolgerung: Open Source in der Erkrankungsmodellierung ist ein völlig neuer Ansatz für den noch keine

Erfahrungswerte existieren. Die Community tastet sich langsam an einen zunehmend effektiveren Arbeitsprozess heran.

Das Entwicklungspotenzial der Open Source Entwicklung ist enorm, da neben Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität zunehmend Kosten- und Nutzenanalysen im Gesundheitswesen verlangt werden (“4th Hurdle”).

Die PROSIT Community ist offensichtlich weltweit die erste Open Source Initiative im Bereich Erkrankungsmodellierung. Die Community bittet um Unterstützung in Form weiterer Mitglieder und aktiver Mitarbeit.

PROSIT ist ein hervorragendes Instrument für die studentische Ausbildung an der HHN.

Wendelin Schramm, Monika Pobiruchin, Michael Schöll, Sabrina Lang, Natalie Krämer, Benjamin Trinczek, Björn Schreiweis, Christian WeberGECKO Institut für Gesundheitsökonomie und Medizinische Informatik, Hochschule Heilbronn

Kontaktadresse: Prof. Dr.med. Wendelin Schramm, Hochschule Heilbronn, Max-Planck Str. 39, 74081 [email protected]

Abbildung 4: Blick hinter die Kulissen des Nephropathiemodells auf die Übergangswahrscheinlichkeit „p13“

Abbildung 1: Internetforum der PROSIT Modelling Community realisiert mit der Open Source Software Wikimedia

Abbildung 2: Ein Ergebnis – Verteilung von Patienten auf Erkrankungsstadien über einen Simulationszeitraum

Referenz:(1) http://www.gnu.org/

Abbildung 3: Öffentliche Kommentierung des Release Candidates für das Nephropathiemodell und Download der Modelldatei