Die Staatsbibliothek Bamberg feiert das UNESCO ... · Programme’ trug diesem Kontext dadurch...

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Diese Häufung von Jahrestagen nimmt die Staatsbiblio- thek Bamberg zum Anlass, alle drei von der UNESCO prä- mierten Handschriften vom 6. Mai bis zum 28. Juli 2018 wieder einmal der Öffentlichkeit im Original zu zeigen. Reichenauer Handschriften Die Ausstellung vermittelt dem Besucher einen Eindruck vom Entstehungs- und Gebrauchskontext der Handschrif- ten. Denn die herausragenden illuminierten Codices von der Reichenau in der Bamberger Staatsbibliothek, die spektakuläre ‚Bamberger Apokalypse’ und der nicht weni- ger eindrucksvolle Kommentar zum Hohelied, sind ja keine isolierten Einzelstücke. Das UNESCO ‚Memory of the World Gleich drei Kulturerbe-Jubiläen kann Bamberg im Jahr 2018 feiern: Vor 25 Jahren nahm die UNESCO die fränki- sche Bischofsstadt in das Welterbe auf – als herausragen- des Beispiel einer frühen mittelalterlichen Stadt in Zen- traleuropa. 2003 gewährte dann die UNESCO zwei bedeu- tenden mittelalterlichen Handschriften der Staatsbiblio- thek Bamberg die prestigeträchtige Auszeichnung durch die Eintragung in das Weltdokumentenerbe, das ‚Memory of the World Programme’. Auf die zwei kostbaren Codices, die tausend Jahre vorher auf der Klosterinsel Reichenau im Bodensee mit Buchmalerei ausgestattet worden waren, folgte weitere zehn Jahre später eine karolingische Text- handschrift: das Arzneibuch aus dem Kloster Lorsch im Rheingau, das älteste erhaltene Zeugnis für die Rezeption antiker Medizin im mittelalterlichen Christentum. Drei Jubiläen und eine Ausstellung Die Staatsbibliothek Bamberg feiert das UNESCO-Weltdokumentenerbe von Bettina Wagner FORUM BIBLIOTHEKEN IN BAYERN Das Ausgießen der vierten bis sechsten Schale aus der ‚Bamberger Apokalypse’, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, Bl. 40v. 82 | 83

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Diese Häufung von Jahrestagen nimmt die Staatsbiblio-thek Bamberg zum Anlass, alle drei von der UNESCO prä-mierten Handschriften vom 6. Mai bis zum 28. Juli 2018wieder einmal der Öffentlichkeit im Original zu zeigen.

Reichenauer Handschriften

Die Ausstellung vermittelt dem Besucher einen Eindruckvom Entstehungs- und Gebrauchskontext der Handschrif-ten. Denn die herausragenden illuminierten Codices vonder Reichenau in der Bamberger Staatsbibliothek, diespektakuläre ‚Bamberger Apokalypse’ und der nicht weni-ger eindrucksvolle Kommentar zum Hohelied, sind ja keineisolierten Einzelstücke. Das UNESCO ‚Memory of the World

Gleich drei Kulturerbe-Jubiläen kann Bamberg im Jahr2018 feiern: Vor 25 Jahren nahm die UNESCO die fränki-sche Bischofsstadt in das Welterbe auf – als herausragen-des Beispiel einer frühen mittelalterlichen Stadt in Zen-traleuropa. 2003 gewährte dann die UNESCO zwei bedeu-tenden mittelalterlichen Handschriften der Staatsbiblio-thek Bamberg die prestigeträchtige Auszeichnung durchdie Eintragung in das Weltdokumentenerbe, das ‚Memoryof the World Programme’. Auf die zwei kostbaren Codices,die tausend Jahre vorher auf der Klosterinsel Reichenau imBodensee mit Buchmalerei ausgestattet worden waren,folgte weitere zehn Jahre später eine karolingische Text-handschrift: das Arzneibuch aus dem Kloster Lorsch imRheingau, das älteste erhaltene Zeugnis für die Rezeptionantiker Medizin im mittelalterlichen Christentum.

Drei Jubiläen und eine AusstellungDie Staatsbibliothek Bamberg feiert das UNESCO-Weltdokumentenerbe

von Bettina Wagner

FORUMBIBLIOTHEKEN IN BAYERN

Das Ausgießen der vierten bis sechsten Schale

aus der ‚Bamberger Apokalypse’,

Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, Bl. 40v.

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Programme’ trug diesem Kontext dadurch Rechnung, dassneben den beiden Bamberger Bänden acht andere Rei-chenauer Codices aus der Zeit der Ottonen aufgenommenwurden, die heute auf mehrere Bibliotheken verteilt sind.Weltweit sind heute insgesamt noch 58 Codices aus derReichenauer Malerschule erhalten. In der Bamberger Aus-stellung wird zumindest ein Teil davon zu bewundern sein:Gezeigt werden im Scagliola-Saal der Neuen Residenz allesechs Handschriften der Staatsbibliothek Bamberg, die aufder Reichenau entstanden und als Stiftung des letzten ot-tonischen Kaisers, Heinrich II., im Zuge der Bistumsgrün-dung 1007 nach Bamberg gelangten.

Kostbare Einbände

Als besonderes Highlight wird als Leihgabe der Baye-rischen Staatsbibliothek München eine herausragende Zi-melie präsentiert, die Heinrich II. nach Bamberg schenkte:das ‚Reichenauer Evangeliar’ mit dem prachtvollen zeitge-nössischen Goldschmiedeeinband, den der Kaiser anferti-gen ließ, um den Wert der Gabe auch von außen deutlichzu machen. Bei der Säkularisation 1803 wurde der Codexmit seinem Originaleinband der Hofbibliothek in Münchenübergeben. Im Falle der ‚Bamberger Apokalypse’ trennteman jedoch die Pergamentblätter und den Bucheinbandvoneinander. Vom ehemaligen Buchdeckel, der aus vergol-detem Silber bestand und mit 46 Edelsteinen geschmücktwar, blieb nur das außergewöhnlichste Dekorelement er-halten: eine großformatige ovale Halbedelsteinplatte, diewohl im 7. oder 8. Jahrhundert auf dem Gebiet des heuti-gen Irak oder West-Iran im Umkreis der antiken Stadt Susaentstand. Heute befindet sie sich als Teil der Dauerausstel-lung in der Schatzkammer der Münchener Residenz. 2018kehrt auch sie aus Anlass der Ausstellung für drei Monatenach Bamberg zurück.

Handschriften aus der Bamberger Domschule

Im Mittelpunkt des zweiten Raums der Ausstellung, demSterngewölbe der Neuen Residenz, steht die dritteUNESCO-Handschrift der Staatsbibliothek, das ‚LorscherArzneibuch’. Auf den ersten Blick eine schmucklose Text-handschrift, stellt dieses Buch doch einen unvergleichli-chen Schatz dar: Es ist das früheste Zeugnis für die Rezep-tion antiken medizinischen Wissens im christlichen Mittel-alter, und es enthält eine nachgetragene Liste von Bü-chern, die im Besitz von Kaiser Otto III. waren, dessen Hin-terlassenschaft sich sein Nachfolger Heinrich II. mit großer

Zielstrebigkeit aneignete. Anders als bei den ReichenauerHandschriften handelt es sich bei den Bänden Ottos nichtum Bücher der Bibel oder Werke des christlichen Mittelal-ters. Otto las vielmehr Schriftsteller der Antike und Spät-antike. Die meisten Exemplare sind verloren, doch vom Ge-schichtswerk des Titus Livius besitzt die StaatsbibliothekBamberg Fragmente des 5. Jahrhunderts und einen Codexdes 9. Jahrhunderts, der vermutlich aus dem Besitz Ottosstammt. Auch er wird in der Ausstellung gezeigt. Danebenkann man eine Auswahl antiker Werke bestaunen, die seitdem 11. Jahrhundert in der Bamberger Domschule zurAusbildung der Kleriker dienten und von den Schülern bis-weilen intensiv durchgearbeitet wurden.

Europäisches Kulturerbe

Weit gespannt sind also die regionalen Netzwerke, in de-nen die Exponate der Bamberger Ausstellung stehen:Schmucksteine aus dem Vorderen Orient, Buchmalerei

BIBLIOTHEKSFORUM BAYERN 12 | 2018

Achatplatte vom Einband

der ‚Bamberger Apokalypse’,

Bayerische Verwaltung der

staatlichen Schlösser,

Gärten und Seen, München,

Schatzkammer, Inv.6 WL

Einband des ‚Reichenauer

Evangeliars’, Bayerische

Staatsbibliothek München,

Clm 4454, Vorderdeckel

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vom Bodensee, Werke antiker Autoren, Bibeltexte undSchriften mittelalterlicher Mönche gingen eine Verbin-dung ein, die über hunderte von Jahren Bestand hatte.Bamberg stellt somit einen kulturellen Kristallisations-punkt dar, an dem die schöpferischen Energien aus ganzEuropa sich bündelten und fruchtbar gemacht wurden.Den Büchern kamen dabei zwei zentrale Funktionen zu:Als Träger des Wortes Gottes und Objekte von höchstemkünstlerischen Rang repräsentierten sie die spirituelleKraft des Christentums; als Vermittler antiken Wissensüberbrückten sie die Epochengrenze zum Mittelalter undsymbolisierten so intellektuelle Kontinuität. Jeder der bei-den Räume der Bamberger Ausstellung thematisiert einendieser Aspekte.

Die einzigartigen Bücher und kostbaren Bucheinbändein der Bamberger Ausstellung führen dem Besucher zu-dem eindringlich vor Augen, dass Kultur schon im Mittel-alter grenzüberschreitend war. Daher versteht sich dieBamberger Ausstellung nicht nur als ein Beitrag zum drei-fachen UNESCO-Jubiläum der fränkischen Bischofsstadt,sondern zugleich zum Europäischen Jahr des Kulturerbes.Das Motto des Jahres 2018, ‚Sharing Heritage’, bringt dieKernaussage auf den Punkt: Das kulturelle Erbe (‚Heritage’)ist ein zentraler Bestandteil der europäischen Identität,und es bleibt nur dann lebendig, wenn möglichst vieleMenschen daran Anteil nehmen (‚Sharing’). Und wer nichtwie 6,3 Millionen Tagestouristen pro Jahr selbst nachBamberg reisen kann, um das UNESCO-Welterbe authen-tisch zu erleben, dem bietet das Internet die Chance, dieHandschriften von der Reichenau und aus der Kaiser-Heinrich-Bibliothek in aller Ruhe durchzublättern und je-des kleinste Detail zu betrachten:www.bamberger-schaetze.de/weltdokumentenerbe

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Ausgezeichnet: UNESCO Memory of the World

Dauer: 7. Mai bis 28. Juli 2018Ort: Staatsbibliothek Bamberg in der Neuen Residenz,Domplatz 8, 96049 Bamberg

Eröffnung: Sonntag, 6. Mai 2018, 11:00 Uhr

Vortrag von Prof. Dr. Peter Schmidt (Universität Ham-burg, Kunstgeschichtliches Seminar): Von der Kunst, dasgöttliche Liebeslied zu illustrieren: Der Bamberger Kom-mentar zum Hohelied und seine Bilder

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 09:00 bis 18:00 UhrSamstag: 09:00 bis 12:00 UhrAn Sonntagen und Feiertagen geschlossenEintritt: kostenfrei

Öffentliche Führungen: Jeden Dienstag, 17:00 Uhr, Dauer 1 Stunde, keine Anmeldung erforderlich, kosten-frei. Sonderführungen für Gruppen nach Terminverein-barung: Telefon 0951/95503–101,[email protected]

Online-Präsentation: www.bamberger-schaetze.de/weltdokumentenerbe

Ansprechpartner:Dr. Bettina Wagner, Bibliotheksdirektorin, Staatsbiblio-thek Bamberg, Neue Residenz, Domplatz 8, 96049 Bam-berg, Telefon: 0951/[email protected]

DIE AUTORIN:

Dr. Bettina Wagner ist Direktorin

der Staatsbibliothek Bamberg.

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Bücherverzeichnis Ottos III.

aus dem ‚Lorscher Arzneibuch’,

Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Med.1, Bl. 42v.

[Ausschnitt]

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