Die unverzichtbare Generation 50plus
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AUSGABE 03/2012 · JUNI/JULI · 3,90 EUROZKZ 80194
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Vermarktungvon Trainings-ContentAndré Brühlmann:So vermarktet mansein Wissen
Organspendekann LebenrettenProf. Dr. Elisabeth Pott: Das Alter ist keinAusschlusskriterium
Identifikation und Wertschätzung= MenschMarco Kerber: Bedarf an qualifiziertenMitarbeitern wächst
„Ohne Networkkeine Karriere“Carsten Maschmeyer: Unternehmer, Bestsellerautor und begnadeter Redner
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50PLUS
Die unverzichtbare Generation 50plus
Alexander Wild: Alter ist relativ. Für die Wirtschaft zählen Erfahrung und Konsumfreude
Von Vorkriegskindern über Alt-68er bis zu
Babyboomern. Wissen Sie noch? Als Sie in die
Schule kamen, fanden Sie Ihre Lehrerin ziem-
lich alt. Dabei war sie wahrscheinlich keine 30.
Als Sie pubertierten, betrachteten Sie Ihre
Eltern vermutlich als hoffnungslos von vorges -
tern. Und in Ihrem ersten Job begegneten Sie
dem 40-jähri gen Abteilungsleiter mit dem
angemessenen Respekt vor dem Alter. – Alter
ist relativ.
Bei uns leben heute 34 Millionen Menschen,
die 50 Jahre und älter sind; im Jahr 2020
werden es etwa 38 Millionen sein. Lange igno-
riert, sind die Älteren heute ein Top-Thema: Dabei
kennen wir die vor Spiegelaffäre und Rolling
Stones Gebore nen nicht wirklich gut. Schon bei
der Bezeich nung herrscht Verwirrung: 50plus?
Best Ager? Senioren? Kann man Senioren
„Senioren“ nennen? Die letzte Antwort ist ein-
fach: NEIN! Höchs tens, wenn sie über 70 sind.
Neu ist heute das Thema „Ältere Arbeitnehmer“
(von älteren Arbeitgebern ist nicht die Rede). Um
das Jahr 2000 lag das tatsächliche Rentenein -
tritt salter bei etwa 60 Jahren. Und obwohl viele
dieser Menschen um die Welt reisen, Marathon
laufen, Fremdsprachen lernen oder ehrenamtlich
Jungunternehmer fördern, haben wir sie im Geis -
te zum Alteisen geworfen. Selbsternannte Senio -
renschützer erklären, dass weitere Arbeitsjahre
für 65-Jährige unzumutbar seien und verübeln
das prompte Angebot eines Rollators für den Weg
vom Schreibtisch zur Kantine.
Tatsächlich erreichen im Jahr 2015 täglich mehr
als 2.700 Menschen den 65. Geburtstag und
werden spätestens dann Rentner – Tendenz stark
steigend. Gleichzeitig feiern täglich nur etwa
2.200 junge Menschen den 21. Geburtstag – Ten -
denz fallend. Damit die „Graue Revolution“ ge -
lingt, müssen wir die erfahrenen 50- bis 65-
Jährigen als unverzichtbare Titanen im Arbeits -
leben halten.
Auch als lohnende Kunden wurden die Älteren
spät entdeckt. Immerhin setzen in den letzten
Jahren Unternehmen verstärkt auf die Zielgruppe
50plus: Die umfasst heute schon etwa so viele
Menschen wie die so genannte werberelevante
Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Und doch
herrscht viel Unsicherheit über das, was die älte-
ren Kunden wollen: Laufschuh oder Krückstock?
Barolo oder Brei? Roller oder Rollator? Couture
oder Kittelschürze?
Ü50 ist nicht gleich U100
Viele Schwierigkeiten beim Umgang mit älteren
50PLUS
Zielgruppen liegen in dem Versuch, alle Men -
schen zwischen 50 und 100 Jahren unter einen
Hut zu zwingen. Kein Marketer würde 15- und
35-Jährige in eine gemeinsame Zielgruppe pres-
sen – dabei sind die Unterschiede im höheren
Alter erheblich größer: Diese Menschen hatten
50, 60 oder 70 Jahre Zeit, sich auseinanderzuent-
wickeln! So wachsen auch unter Gleichaltrigen
erhebliche Unterschiede in der körperlichen und
geistigen Fitness, in Interessen und Lebensstil,
Beruf und Einkommen, Schicht und Bildung, im
sozialen und im Familienleben. Dennoch beginnt
das Verständnis dafür, wie die Älteren „ticken“,
beim Alter und der Zeit, in der sie aufwuchsen.
Vier Hauptgruppen zeichnen sich so ab:
1. Die „Babyboomer“ (geboren ca. 1958 – 1966)
Die so genannten „geburtenstarken Jahrgänge“
feiern in diesen Jahren ihren 50. Geburtstag und
haben dann noch etwa 16 bis 17 Jahre im Be -
rufsleben vor sich. Ihre Kindheit reichte vom
Wirtschaftswunder bis zur Ölkrise. Prägend war
das Gefühl, „zu viele“ zu sein: In der Schule, an
der Uni, bei der Jobsuche.
Die Babyboomer waren die ersten Nutznießer des
großen Wandels in den 60ern und 70ern. Trotz
hoher moralischer Ansprüche pflegten viele ein
ausgeprägtes Laissez-faire. Heute besetzen sie,
im Verhältnis zu ihrer großen Zahl, erstaunlich
wenige Schlüsselpositionen. Umso höher sind die
Ansprüche an die eigenen Kinder. Leider – oder
glücklicherweise, ich bin mir da nicht ganz sicher
– haben die Babyboomer noch nicht entdeckt,
welche Macht sie als größte Wählergruppe
haben. Zurzeit verursachen und wecken sie Angst
vor Altersarmut und Pflegenotstand.
Doch die Stärke der Babyboomer ist der Schlüs -
sel für unseren künftigen Wohlstand. Jetzt näm-
lich wird ihre Arbeitskraft wirklich gebraucht, um
die Lücke zwischen steigenden Rentnerzahlen
und der Pillenknick-Generation zu schließen. Und
obwohl die Babyboomer keine so ungebrochene
Erwerbsbiografie haben wie die Generationen vor
ihnen, werden eine hohe Frauenerwerbs tätig keit
und eine spätere Rente diese große Gruppe zu
einer höchst attraktiven Zielgruppe machen.
2. Die „68er“ und die „Willi-Brandt-Fans“
(geboren ca. 1943 – 1957).
Rein altersmäßig betrachtet, zählt die jüngere
Hälfte dieser Gruppe zu den noch Berufstätigen
und die ältere zu den Nachkriegs kindern, den
aktiven Rentnern. Letztere gehören zu den best-
situierten, unternehmungslustigsten und an -
spruchsvollen Zielgruppen für Handel und Dienst -
leister. Viele Mitglieder dieser so interessanten
wie schwie rigen Gruppe verbindet jedoch die
Erfah rung, den großen Umbruch der bundesrepu-
blikanischen Gesellschaft bewirkt zu haben –
oder zu mindest dabei gewesen zu sein. Diese
identitätsstiftende Gemeinsamkeit überwindet
sogar die Kluft zwischen den Schon-Rentnern
und den Noch-Berufstätigen.
3. Die Kriegs- und Nachkriegskinder:
(geboren ca. 1932 – 1942/1952)
Noch vor zehn Jahren wurden die Jahre zwischen
60 und 80 als „drittes Lebensalter“ (nach Jugend
und Erwachsenendasein) bezeichnet. Diese Grup -
pe hadert wohl mit zunehmenden körperlichen
Beschwerden, doch die meisten sind noch aktiv
genug, um das Leben zu genießen. Mit steigen-
dem Renteneintrittsalter wird diese Zielgruppe
am unteren Ende schrumpfen. Mit wachsender
Ge sundheit der Älteren wird sie am oberen Ende
zunehmen.
Die Kriegs- und Nachkriegskinder wuchsen auf
mit Angst und Entbehrung – und riesigen Chan -
cen auf einem großen Abenteuerspielplatz. Dann
wurde es ernst: In der piefigen Adenauerzeit er -
setzten sie früh die in zwei Weltkriegen ausge-
dünnte Vätergeneration. Und im Gegensatz zu den
meistern anderen Generationen wurde für die
Kriegs- und Nachkriegskinder das Leben umso
einfacher, je älter sie wurden.
4. Die „Generation Aufbau“: (geboren vor 1930)
Das so genannte „vierte Lebensalter“ bezeichne-
te früher die Jahre, in denen das Alter zu Last
Alexander Wild gründete 1998 Feierabend.de, das
erste deutschsprachige soziale Netzwerk „für
Menschen in den besten Jahren“. Er ist Vor stands -
vorsitzender der Feierabend Online-Diens te für
Senioren AG.
Alexander Wild
ZUR PERSON
wird. In denen schon die Körperpflege eine riesi-
ge Anstrengung ist, in denen immer mehr Hilfen
nötig werden und den Lebensgenuss reduzieren.
Wissenschaftliche Untersuchungen lassen darauf
schließen, dass diese Phase schrumpft: Wir wer-
den länger aktiv bleiben und kürzere Lei dens -
zeiten haben.
Die sparsame Generation Aufbau hat ihren Titel in
der Nachkriegszeit hart erarbeitet – dafür erzielte
sie die höchste Rendite, die die staatliche Rente
jemals erreichte.
Auf diese GENERATIONEN 50plus müssen sich
Unternehmen einstellen – als Arbeitgeber ebenso
wie als Anbieter von Produkten und Dienstleistun -
gen. Aber Achtung: In fünf bis zehn Jahren wird
diese Einteilung wieder überholt sein.
Alexander Wild gründete 1998 Feierabend.de, das
erste deutschsprachige soziale Netzwerk „für
Menschen in den besten Jahren“. Er ist Vor -
stands vorsitzender der Feierabend Online-Diens -
te für Senioren AG. n
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