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Die Zeit der Weltkriege1914-1945
Abb. /53Vereidigung de Infanterieregiments 23 im Aarauer Schachen durch MilitärdirektorArnold Ringier. Die sechsAargauer Bataillone 55 bis 60bildeten elt der I ruppenordnung von 1912 die Infanterieregimenter 23 und 24 undwaren in der Brigade 12 zusammengefas t. Sie hatten1914-1918 in sech Etappen21 Monate Militärdienst zuleisten.
Die Periode zwischen 1914 und 1945 stelltfür Europa, die Schweiz und den Kantoneinen ereignisreichen, bewegten Zeitraumdar. Während gut 10 dieser 31 Jahre leisteten Aargauer Soldaten Aktivdienst. Mehrmals drohte eine Verwicklung in qiebeiden Weltkriege von 1914-1918 und1939-1945. Im Innern stritten verschiedene Kräfte um die künftige Entwicklung,am auffälligsten 1918, als viele Anzeichenauf einen Bürgerkrieg hindeuteten. Ausheutiger Sicht war die Zeit bis 1945 für dieAargauer Bevölkerung ein Abschnitt fastunvorstellbarer Nöte und Sorgen. In Anbetracht des namenlosen Leides mit Millionen von Toten, welche zwei Weltkriegein weiten Teilen des übrigen Europus zurFolge hatten, war die Schweiz jedoch eineprivilegierte Oase des Friedens, in der nurganz wenige wegen Hunger oder aus politischen Gründen starben.
So ähnlich sich die beiden Weltkriegein mancherlei Beziehung auf die schweize-
rische und aargauische Bevölkerung auswirkten, so sehr unterschieden sie sich.Die materielle Not war für die Aargauerim Ersten Weltkrieg viel grösser als imZweiten. Der Zweite Weltkrieg tangiertedafür den Aargau in anderer Hinsicht direkter, zum Beispiel durch Kriegsschäden.
Notleidende Bevölkerungim Ersten Weltkrieg 1914-1918
Nach dem überraschenden europäischenKriegsausbruch ordnete der Bundesrat aufden 3. August 1914 die Kriegsmobilmaehung uno Die Dundesversummlung wühlte Ulrich Wille zum General. Er genoss inder stark auf Deutschland ausgerichtetenDeutschschweiz und im Aargau grosseSympathien. Akademiker hatten überwiegend an deutschen Universitäten studiert,zum Beispiel drei von fünf 1914-1918
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Abb. /54KartofTelabgabe im AarauerSaalbau 1918. Erst vom drittenKriegsjahr an waren die wichtigsten Lebensmittel rationiert.1918 unter tand aber prakti challes, wa e sbar war, der Kontrolle. Lediglich Eier, Weichkä e und Flei ch bildeten eineAusnahme. Hier be chränkteder übersetzte Prei die achfrage, was viele als unsozialempfanden.
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Preis in Franken pro Kilo/liter/Stück
Abb. /55Detailhandelspreise1914-1918. Die Grafik veranchaulicht die enorme Teue-
rung, die für die aufgeführtenahrungsmittel im Verlauf des
Ersten Weltkriegs im Durchschnitt über 175 Prozent betrug.
Graben zwischen Deutsch und Welsch tatsich auf.
Die auf den Krieg völlig unvorbereitete Zivilbevölkerung zog panikartig ihreGuthaben von den Banken zurück undleerte mit Hamsterkäufen die Regale derLebensmjttelgeschäfte. Das Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage imLebensmittelsektor führte zu drastischenPrei erhöhungen. Vor allem Arbeitnehmerund Rentner waren betroffen. Hingegenprofitierten die meisten Landwirte, da sieihre Produkte teuer verkaufen konnten.Die bescheidenen Massnahmen des Bundesrats zur Preiskontrolle zeitigten keinebesondere Wirkung. Der schweizerischeBauernverband mit Sitz in Brugg verwahrte sich energisch gegen die Preisbindungfür landwirtschaftliche Produkte, besonders gegen die Festsetzung des Milchpreises durch den Bund.
Das erste Kriegsjahr brachte einenstarken Rückgang der industriellen Produktion, verbunden mit Lohnkürzungenund Massenentlassungen. Durch die teilweise Umstellung der Produktion auf Rüstungsgüter normalisierte sich der Geschäftsgang in vielen Bereichen. MancheBetriebe erlebten sogar eine Blütezeit. DieLohnaufbesserungen hielten allerdingsmit der Teuerung nicht Schritt. Besondersbetroffen waren die Arbeiter. Sie verdienten 1917 real über ein Viertel weniger als1914. Trotz vieler privater und öffentlicherHilfsprogramme verschärfte sich die materielle Notlage stetig und mündete in Unzufriedenheit und soziale Unrast.
+271 %
7 Schweineschmalz8 Erdnussöl9 Gelbe Erbsen
amtierenden Aargauer Regierungsräten.Hochdeutsch zu sprechen, gehörte nichtnur bei der Zürcher Oberschicht zum guten Ton. Ferner wohnten viele Deutsche inder Deutschschweiz, im Aargau um 19109531 Personen oder vier Prozent der Gesamtbevölkerung, eingebürgerte Deutschenicht eingerechnet. Die Welschen sympathisierten dagegen vorwiegend mit Frankreich, dem Kriegsgegner Deutschlands,und standen dem mehrheitlich deutschfreundlichen Bundesrat und der Armeeleitung äusserst skeptisch gegenüber. Ein
1918
4 Tafelbuner5 Rindffeisch Imit Knochen}6 Frische Eier
D 1914
1 Vollmilch2 Brol3 Kaffee
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organisierte, wirkte sich auch im Aargauaus: 2000 Demonstranten in Aarau, 3500in Baden und 1000 in Brugg. Am 10. Juni1917 lehnte die SP, die 1914 mit dem Bürgertum ein Stillhalteabkommen, den sogenannten «Burgfrieden», abgeschlossenhatte, die Landesverteidigung an ihremausserordentlichen Parteitag ab. Im gleichen Sinn äusserte sich der kantonale Parteitag der aargauischen Sozialdemokraten.
Die Lage spitzte sich zu. Im Februar1918 wurden kurzfristig für drei Monatedie Aargauer Truppen der Infanteriebrigade 12 aufgeboten und rings um Zürich stationiert, um einen allfälligen Umsturz zubekämpfen. Die materielle Not zu Hauseund die Befürchtung, lange Zeit einen unnötigen, drillmässigen Dienst leisten undeventuell sogar gegen Landsleute kämpfenzu müssen, lösten jedoch zahlreiche Gehorsams- und Dienstverweigerungen aus.Auf Betreiben von General Wille erhieltendie Fehlbaren hohe Gefängnisstrafen vonbis zu 27 Monaten. Sie mussten jedochnur einen Teil ihrer Strafe verbüssen. Einenun einsetzende Grippeepidemie von verheerendem Ausrnass verschärfte die materielle Not zusätzlich .
Am 4. Oktober 1918 bat das geschlagene Deutschland die Alliierten um einenWarrcn~lilbli:lIIU, Utl' al11 11. No embcr1918 Tatsache wurde. Dadurch schwanddie äussere Bedrohung, welche dieSchweizer Bevölkerung bis anhin verbunden hatte. Der soziale Aufruhr trat nunoffen zutage und gipfelte im Landesstreikvom 12.-14. November 1918. Die Streikparole fand im Aargau zu Beginn ausschliesslich in den Bezirken Aarau, Baden,Brugg und Zurzach Beachtung. Eilendsaufgebotene Truppen in der Stärke von3000-4000 Mann schützten arbeitswilligeArbeiter und sollten allenfalls aufkeimende Gewalttätigkeiten unterdrücken. Nachden schlechten Erfahrungen vom Februargelangten die als unzuverlässig geltendenAargauer Truppen ausschliesslich im eigenen Kanton zum Einsatz, nicht etwa inZürich, wo die Wogen am höchsten schlugen. Der im Aargau nicht überall befolgteStreik verlief insgesamt ruhig, selbst in derIndustriestadt Baden, in der man am ehesten Unruhen befürchtete. Am 16. November entlie s die Kantonsregierung alle aufgebotenen Truppen.
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Die TrauerlamlUen.
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III.Od lI.verwlndt",.
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Todes-Anzeige.
Fum~m Lm~ Bm~IDaus Thayngen
Danksagung.
Jakob KlstIeraeweL Sieaerprlsideal
POr dltlllO uhlrek.hen I(undfebullfen ...armer
Teilnahme beim Hll\IdIItde UMe.fel
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Unter dem Eindruck der Krieg greuel undder um sich greifenden Not rief die sozialistische Jugendbewegung bereits auf den3. September 1916 zu Demonstrationen gegen Krieg und Militarismus auf. In derganzen Schweiz fanden an diesem Tag139 Demon trationen statt, wovon einDutzend im Aargau. Allein 700 Teilnehmer besuchten die Kundgebung in Aarau.Ein gesamtschweizerischer, halbtägigerWarnstreik am 30. August 1917, den dieSozialdemokratische Partei der Schweizzusammen mit dem Gewerkschaftsbund
Radikalisierungund drohender Bürgerkrieg
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Abb. /56Eine Seite au dem «AargauerTagblatt» vom 30. Oktober1918. Die« pani che Grippe»forderte im Aargau zwischenMai 1918 und Mai 1919 etwa750 Tote. Der Regierungsratverbot rigoro Volks- undTanzfe le, Vereinszusammenkünfle, Kino- und Theatervorführungen usw., um dieAn teckungsgefahr zu mindern. Zum Teil war sogar derSchul betrieb eingestellt, Gottesdien le fielen aus, und Totemu ten till beerdigt werden. Jeder zweite Schweizererkrankte an der Grippe.Zwanzig Millionen Men chensollen weltweit an dieser Epidemie ge torben sein.
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Landes treik: Letzte bürgerkrieg ähnliche Situation in derSchweiz mit Zürich al KonOiktzentrum, wo Barrikadenkämpfe zwischen Arbeiternund Armee drei Tote und vieleVerwundete forderten. Dasozialdemokratische OltenerKomitee hatte am 11. ovember alle Werktätigen derSchweiz zu einem unbefri teten General treik aufgerufen,bi neun oziale und politischePo tulate erfüllt seien (unteranderem 48-Stunden-Woche,Alters- und Hinterlas enenvorsorge, euwahl des Nationalrat nach dem Proporzsytem, Frauenstimmrecht). Das
Oltener Komitee kapituliertenach drei Tagen, ohne seineZiele sofort erreicht zu haben.
Faschismus: Im engeren hi torischen Sinn meint der Begriffdas von Benito Mus olini 1922in Italien hand treichartig begründete diktatorische Regierungssystem, das bis 1943bestand. Im weiteren Sinn istFaschismu die abwertendeBezeichnung für alle nationalistischen, antidemokratischenund autoritären, nach demFührerprinzip organisiertenBewegungen und Herrschaftsformen.
Nationale Front: Studentender Universität Zürich gründeten 1930 die« eue Front»,die vorwiegend in der Oberschicht verankert war. Gleichzeitig entstand im Zürcher Studentenmilieu die« ationaleFront», welche sich bald aufeine breite Öffentlichkeitausrichtete. Beide Gruppenschlossen sich im März 1933zum «Kampfhund eue undNationale Front» zu ammen.Die bald nur noch « NationaleFront» genannte Bewegunglöste sich nach Anfang erfolgen im März 1940 elbstauf. Der Bundesrat schränkteihre Nachfolgeorgani ation,die «Eidgenössische Sammlung», durch verschiedeneGesetzesbestimmungen einund verbot sie gänzlich am6. Juli 1943.
Nachwehendes Landesstreiks
Die auf den I. Januar 1920 landesweit eingeführte 48-Stunden-Woche i t einer derwenigen sozialen Fortschritte, die sich direkt aus dem Landesstreik ergaben. DieseZeit war im allgemeinen von einer unversöhnlichen und misstrauischen Stimmunggeprägt. Bezeichnend ist die Regierungsratswahl von 1919, als in der Person desdurchaus gemä sigten Badener Lehrersund künftigen Stadtammanns (1927-1948)Karl Killer erstmals ein Sozialdemokratfür den Regierungsrat kandidierte. Einvon bürgerlicher Seite demagogisch undgehässig geführter Wahlkampf, der vorpersönlicher Verunglimpfung Killers nichtzurückschreckte, endete mit der Wahl desfreisinnigen Bauernvertreters Albert Studler. Jegliche Kritik am Staat galt in denAugen der Bürgerlichen als Versuch derUnterwanderung. Als sich zum BeispielAarauer Kantonsschüler für die Abschaffung des obligatorischen, bewaffneten Kadettenunterrichts aussprachen, war mansofort mit dem Vorwurf kommunistischerVerseuchung zur Hand.
Auch die Arbeiterschaft begann ichzunehmend auszugrenzen, indem ie beispielsweise eigene Turn-, Gesangs- undSchützenvereine gründete. Staatspolitischungleich bedenklicher als vereinzelte linkeTendenzen zur Radikalisierung warendie im Gefolge des Landesstreiks ohneRechtsgrundlage entstandenen, gemeindeweise organisierten Bürgerwehren. IhreDachorganisation, die stramm rechtsbürgerliche Aargauische Vaterländische Vereinigung, schrieb den Kampf «gegen allesUnschweizerische» - gemeint ist der Bolschewismus - auf ihr Banner. Sie erhieltihre Finanzen vor allem aus Wirtschaftskreisen und zählte 1919 15000 Mitglieder.1919 entstand mit Sitz in Aarau die Landesorganisation Schweizerischer Vaterländischer Verband, die 1923 17 Kantonalsektionen zählte. Massgeblich war undblieb jedoch der aargauische Verband,der 1936 noch knapp 1600 Mitglieder umfasste. Die bis heute bestehende Vaterländische Vereinigung verstand über zweiJahrzehnte lang unter Patriotismus in erster Linie das unerbittliche Ankämpfengegen alles Linke und verkannte verhängnisvollerweise die von rechts aufkommende Gefahr.
Rechtsextreme Tendenzenin den dreissiger Jahren
Die schlechte Wirtschaftslage der 1930erJahre und die Abwehr gegen den vermeintlich drohenden Kommunismus liesszusehends Sympathien für faschistischeIdeen aufkommen. Insbesondere die am30. Januar 1933 erfolgte Ernennung AdolfHitlers zum deutschen Reichskanzler verfehlte ihre Wirkung aus erhalb des Deutschen Reichs nicht und rief in Teilen derSchweiz viele Bewunderer der nationalsozialistischen Diktatur auf den Plan. Angesprochen fühlten sich Angehörige aller sozialer Schichten, altersmässig vor allemdie jüngere Generation der 20-40jährigen.Die in rascher Folge entstehenden Gruppierungen waren völlig zersplittert. Wegender häufigen Verwendung von «Front»im Partei namen spricht man von den«Fronten», wegen der aufsehenerregendenWahlerfolge 1933 vom «Frontenfrühling».Diese Bewegungen setzten sich oft keineklaren Ziele und Programme. Gemeinsamwar ihnen die schroffe Ablehnung der parlamentarischen Demokratie. «Wir sindder Meinung, dass unsere Volksvertretungen zu erbärmlichen Schwatzbuden herabge unken ind, die besser ge ch10 senwürden» (<<Die Nationale Front», 21. August 1933). Sie verlangten zugunsten einerausgebauten Exekutive den Abbau derVolksrechte (Initiative, Referendum), derindividuellen Freiheitsrechte (Glaubens-,Gewissens-, Presse- und Vereinsfreiheit)und träumten von einem autoritären Führertum, dem sich alle bedingungslos zu unterwerfen hatten. «Autorität statt Majorität» lautete ein gängiges Schlagwort. DasWirtschaftssystem sollte ständisch, ähnlich wie in den Zünften vor 1798, organisiert werden. Viele Fronten waren ausgesprochen rassistisch. Obwohl lediglich0,44 Prozent der in der Schweiz wohnhaften Bevölkerung jüdischen Glaubens war,beschworen die Fronten «die Verjudungder Heimat» herauf.
Seine unmittelbare Grenzlage zuDeutschland machte den Aargau fürrechtsextreme Einflüsse empfänglich. DerKanton gehörte mit Zürich, Schaffhausenund Genf zu jenen Gebieten der Schweiz,in denen nazistische Ideen überdurchschnittlich starken Anklang fanden. DieNationale Front als bedeutendste rechtsradikale Gruppierung der Schweiz fasste
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im Aargau bemerkenswert früh Fuss. Bereits 1932 bestand in Zurzach eine aktiveOrtsgruppe. Weitere Gruppen sind zu dieser frühen Zeit lediglich in den grossenStädten Zürich, Basel, Bern und Lausannenachweisbar. Nicht zufällig erschien derseit 1931 bestehende «Eiserne Besen», dasoffizielle schweizerische Presseorgan derNationalen Front, von Oktober 1932 bisAugust 1933 in Zurzach, angeblich miteiner Auflage von bis zu 25000 Exemplaren. Dieses Blatt machte aus seinem Judenhass und seiner Hitler-Bewunderungkeinen Hehl: «Wir bedauern ausserordentlich, dass wir in der Schweiz wedereinen Hitler noch einen Mussolini besitzen, die einen solchen politischen Saustall[... ] innert kürzester Zeit ausräumen würden» (14. November 1931). Auf demAchenberg bei Zurzach veranstaltete dieNationale Front am Wochenende des
30.131. Juli 1932 eine gesamtschweizerische Zusammenkunft. Die im Freienabgehaltene abendliche Bundesfeier aufdem «neuen Rütli», wie die sozialdemokratische Zeitung «Volksrecht» spottete,gipfelte in Hetzreden. Propagandaveranstaltungen in diesem Stil waren typisch:Treffen auf dem Land, wenn möglich anhistorischen Gedenkstätten, dazu Umzügeund Aufmärsche mit Fahnen und Uniformen.
Höhepunkt und Niedergangder Nationalen Front
Die Nationale Front breitete sich raschaus und interessierte vor allem in den Bezirken Aarau, Baden, Brugg und Zurzachviele Menschen. Der «Eiserne Besen»
Abb. /57Die Karte zeigt die Ende 1933aktiven Ortsgruppen der
ationalen Front, die in derfronti ti chen Pre se Erwähnung fanden. Um die Jahresmitte 1933 zählte die NationaleFront laut eigenen Angabengesamt chweizerisch 100 Ortsgruppen, davon angeblichüber 40 im Aargau. In derLande leitung mit Sitz in Zürich pielten auch Aargauerwie Hans Oehler (Aarau),Eduard Rüegg egger (Brugg)oder Werner Ursprung (Zurzach) zeitweilig eine massgebliche Rolle.
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Beiwerk» an, aber «leder klare Wein isteinmal Sauser gewesen» (30. Mai 1933).
Im Aargau stellten sich die Frontistenlediglich an einem einzigen grösserenWahlgang den Stimmbürgern, nämlich anlässlich der Grossratswahlen von 1937.Der Erfolg war bescheiden. Sie kandidierten in den drei Bezirken Aarau, Brugg undBaden und erhielten im Schnitt 3,5 Prozent der Stimmen, in den Städten Badenund Brugg je 8 und in Aarau 2 Prozent.Nur in den Gemeinden Elfingen, Linn,Schinznach Bad und Remetschwil wurdedie IO-Prozent-Marke übertroffen. Immerhin reichte die Stimmenzahl im Bezirk Baden für einen Grossratssitz.
Ende 1934 hatte der Frontismus gesamtschweizerisch seinen Höhepunkt bereits überschritten. Weniger schnell als inanderen Kantonen zeichnete sich im Aargau ebenfalls der iedergang ab. Nach1933 radikalisierte sich die NationaleFront; bürgerliche Parteien gingen zunehmend auf Distanz. Die Aargauer begannen Hitlerdeutschland, das seine Machtstetig ausweitete, als immer grössere Bedrohung zu empfinden. Entsprechend verlor die deutschfreundliche NationaleFront an Boden. Sie umfasste im Sommer1939 im Aargau höchstens noch 150 eingeschriebene Mitglieder. Die Frontenbewegung war damit klar gescheitert und isolierte sich nach Kriegsausbruch immermehr. Im Mai 1940 schritt sie zur Selbstauflösung.
Steigende Wehrbereitschaftund Kriegsausbruch
Nach 1918 waren weite Kreise einer Armee überdrüssig. «Nie wieder Krieg» lautete die Parole, welche am entschiedenstendie Sozialdemokraten vertraten. Der Führer der Aargauer Sozialdemokraten, Arthur Schmid sen. (1919-1958 Nationalrat,1921-1958 Grossrat), vertrat beispielsweise1930 in einem Streitgespräch in Gränichengegen Bundesrat Rudolf Minger, denneuen Chef des Eidgenössischen Militärdepartements, einen pazifistischen und vorbehaltlos armeefeindlichen Standpunkt.Mit den immer klarer zutage tretendenGrossmachtambitionen Hitlers ändertensich die Verhältnisse allerdings rasch. Alserste sozialdemokratische Kantonalparteibefürwortete Anfang 1934 ausgerechnet
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konnte ferner im Juni 1933 mit Befriedigung vermelden: «Unsere Sache wächstim Fricktal erfreulich.» Als frontisti cheHochburgen erwiesen sich bald Badenund Brugg, wo allein 1933 mehrere Versammlungen mit bis zu 4000 Teilnehmernstattfanden. Die Nationale Front verzeichnete 1933 verschiedentlich Erfolge beiAargauer Kommunalwahlen.
Die aargauischen Sozialdemokratenwidersetzten sich den Fronten von Beginnan konsequent. Die bürgerlichen Parteienindessen verhielten sich den neuen Bewegungen gegenüber zwiespältig und brachten ihnen zumindest anfänglich einigesWohlwollen entgegen. Die Aargauer Bauern begeisterten sich zum Beispiel im Mai1933 in ihrem Organ «Schweizer FreiePresse» für den «vaterländischen Geist»der Nationalen Front: «Öffnen wir diesenwertvollen jungen Kräften die Tore unseres Parteihauses so weit als möglich».Auch beim freisinnig-demokratischen«Badener Tagblatt» genossen die Frontenviele Sympathien. Der jungen Bewegunghafte zwar manches «unreine und unreife
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Abb.158Inserat der ationalen Frontim «Badener Tagblatt» vom8. März 1937 im Hinblick aufdie anstehenden Grossratswahlen. Öffentliche Versammlungen mit mehreren Rednernwaren übliche Aktivitäten,Diskussionen, wie in diesemInserat versprochen, jedochnicht. Kritische Äusserungenliess der sogenannte «Harst»,eine aus jungen Männerngebildete, der reichsdeutschenSA und SS nachempfundeneTruppe, gar nicht aufkommen.Als «Saalschutz» gewährleistete er den im frontistischenSinn reibungslosen Verlaufvon Versammlungen, indemdie Harst-Leute kritischeKundgebungsteilnehmer einschüchterten und notfalls verprügelten.
Mililärkanlon Aargau: Aargauer sind seit jeher auffallendstark an massgeblichen militärischen Schaltstellen vertreten. Der Kanton stellte mitdem Oberbefehl haber von1870171, Hans Herzog, einenvon gesamthaft vier SchweizerGenerälen. In der Militärverwaltung de Bundes wirktenzeitweise so viele Aargauer,da von «Aargauerei im Eidgenössischen Militärdepartement» die Rede war. Zwischen1890 und 1990 bekleidetenAargauer Offiziere während28 Jahren das Amt de General tab cher , unter anderemJakob Huber in den Kriegsjahren 1940-1945.
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die SP Aargau unter der Leitung Schmidsdie militärische Landesverteidigung.
Seit 1935 konnten Bundesrat und Parlament im Wissen, von der Volksmeinunggetragen zu sein, die Rü tungsaufwendungen massiv erhöhen. Die Bewohner des«Mililärkantons» Aargau bekannten sichteilweise noch klarer zur Aufrüstung alsdie übrige Schweiz. Sinnfällig erschiendie Wehrbereitschaft an der Landesausstellung von 1939, diesem Symbol der geistigen Landesverteidigung. Der 25. August galt an der «Landi» als Aargauertag.Der sozialdemokratische RegierungsratRudolf Siegrist hielt eine patriotische Rede, «wie es auch ein Vertreter einer bürgerlichen Partei nicht hätte besser tunkönnen». Trotz der gespannten aussenpolitischen Lage ahnten zu diesem Zeitpunkt die wenigsten, dass bereits eineWoche später der Zweite Weltkrieg ausbrechen würde.
Auf den 29. August 1939 rückte in derSchweiz der gesamte Grenzschutz ein. Fürdie Aargauer Grenze betraf dies dieGrenzbrigade 5. Die eingezogenen 4800Mann hatten den Aufmarsch der 5. Division zu decken. Tags darauf wählte dieBundesversammlung den WaadtländerKorp kommandanten Henri Guisan zumGeneral. Auf den 2. eptember erfolgtedie Mobilmachung der gesamten Armee.Am 4. September zählte die 5. Division,die unter anderem den aargauischenRaum abdeckte, 15200 Mann.
Herbst und Winter 1939/40 waren imZeitverhältnis von 2:1 mit Ausbildungund Stellungsbau ausgefüllt. Beides tatnot. Der Stabschef der 5. Division stelltenoch im Dezember 1939 in einem erstenBericht an die Armeeleitung fest, dass derAusbildungsstand der Soldaten «für dasGefecht nicht kriegsgenügend» sei. DieWehrbereitschaft war zwar bereits vorKriegsausbruch hoch, doch benötigte dieBeschaffung der Rüstungsgüter Zeit. AltRegierungsrat Paul Hausherr meinterückblickend, dass wir «keinen vornehmen Staat gemacht hätten», wenn es inden ersten Septembertagen 1939 zumkriegsmässigen Einsatz gekommen wäre.Zum Beispiel liess die Einsatzbereitschaftmehrerer Bunker an der Grenze zu wünschen übrig, und ein Viertel der für dieGrenzbrigade 5 requirierten Lastwagenwar in einem Zustand, «dass eine Verwendung im Dienst zum vornherein nichtin Frage kam». Das Divisionshauptquar-
tier befand sich anfänglich im bequemen«Aarauerhof» in Aarau. Erst ein verirrtesdeutsches Flugzeug, das die Kantonshauptstadt in geringer Höhe überflog, rüttelte den sorglosen Divisionsstab auf, dernicht im Traum mit Luftüberfällen gerechnet hatte. Schliesslich richtete derStab sein Hauptquartier am StadtrandAaraus im Kantonsschülerheim ein.
Unmittelbare Gefahrund Rückzug ins Reduit
Am 10. Mai 1940 begannen die Deutschenan den Rheinbrücken Grenzsperren zu errichten und schlossen die Übergängegänzlich. Der deutsche Überfall auf Holland, Belgien und Luxemburg, der demAngriff auf Frankreich vorausging, lösteam 11. Mai die zweite Generalmobilmachung der Schweizer Armee aus. Sämtliche Urlauber mussten wieder zur Truppezurückkehren. Man befürchtete nun stündlich einen deutschen Einfall im Fricktaloder unteren Aaretal. Am 12. Mai 1940 erfolgte für die nicht dienstleistende Bevölkerung ein Aufrufzur Bildung von Ortswehren. Aus den Grenzgegenden und den Ballungszentren Zürich und tla el begannenTeile der Bevölkerung panikartig RichtungInnerschweiz, Graubünden und Westschweiz zu fliehen. Über den Mutschellenergoss sich eine kaum abreissende Autoschlange, «obenauf die Matratze und zuoberst der Kanarienvogel». Bei den Zuhausegebliebenen waren die Rucksäcke gepackt und das «Leiterwägeli» vorbereitet.
Der deutsche Einmarsch erfolgtenicht. Am 22. Juni zwang Hitler Frankreich zu einem erniedrigenden Waffenstillstand, worauf General Guisan seinVerteidigungskonzept änderte. Er befahlim Sommer 1940 einen Grossteil der Armee in eine alpine Verteidigungsstellung,in das Reduit. Die 5. Division zog sich inder zweiten Maihälfte 1941 in den Raumdes Vierwaldstättersees zwischen PiJatusund Seelisberg zurück. Einzig die Grenzbrigade blieb im Aargau. Für die mitGewaltmärschen in die Innerschweiz versetzten «Flachlandsoldaten» ergaben sicheinige Probleme. Zu Beginn fehlte eineGebirgsausrüstung ebenso wie die Erfahrung im alpinen Gelände. Im Zusammenhang mit dem Bezug des Reduits liess dieArmee im Mittelland gegen 200 Fabriken
Abb. /59Eugen Bircher (/882-/956):Wie ein Vater Heinrich schlugder Küttiger Eugen Bircher diemedizinische Laufbahn einund galt bald als einer derbesten Chirurgen der Schweiz.Parallel verlief eine steilemilitärische Karriere. Er warein kompetenter Truppenführer, der sich für seine Soldaten einsetzte. 1934 entschiedsich der zum OberstdivisionärBeförderte ganz für den Militärberuf und gab seinen Direktorenposten am KantonsspitalAarau auf. Der ehrgeizige Bircher profilierte ich früh alMilitärwi en chaftler undbemühte sich um die militärische Landesverteidigung.Weitsichtig sah er bereits 1924innerhalb der folgenden zehnbis zwanzig Jahre einen Kriegzwischen Italien/Deutschlandund Frankreich voraus. Eineunverhüllte Abgrenzung gegenLinksparteien und ultrakonservative An ichten machtenihn höchst umstritten. SeineLoyalität wurde angesichtsseiner bis in die Zeit des ErstenWeltkriegs zurückreichendenDeutschfreundlichkeit verschiedentlich angezweifelt.Nach dem militärischen Abschied rückte er 1942 als er terErsatzmann der Bauemlistefür den verstorbenen RomanAbt in den ationalrat nach.Zeitlebens war der oft hemdsärmlig argumentierende Haudegen Eugen Bircher sehrpopulär. 1955 zog er sich,gesundheitlich angeschlagen,au der Politik zurück undstarb 1956 in Aarau.
für die Zer törung vorbereiten, damit sienicht unversehrt in Feindeshand fallenkonnten. Neun Anlagen befanden sich imAargau, darunter die Kern und die Sprecher + Schuh in Aarau, die BBe in Badenund die Schweizeri che Spreng toff-Fabrik in Dottikon.
Der Wehrwille war und blieb bei derMehrheit de Aargauervolk tark. Unverkennbar löste jedoch der überwältigendeSiege zug der deut chen Armee im erstenHalbjahr 1940 Pessimi mus au . Diverse
Frontenbewegungen bekamen wiederAuftrieb. Im nachhinein erschien die sogenannte «Eingabe der Zweihundert» vom15. November 1940 als Höhepunkt dersich wieder verstärkenden Anpassungsbereitschaft. Diese von 173 Personen, darunter echs Aargauern, unterschriebenePetition an den Bundesrat forderte unteranderem die staatliche Gleichschaltungder Pre se und bezweckte zwischen denZeilen eine Angleichung an das DeutscheReich. Der Bunde rat erfüllte die Forderungen zwar nicht, äusserte ich aber inmündlichen Besprechungen den Bittstel-
lern gegenüber durchaus wohlwollend. Eskennzeichnet die Stimmung der Jahre1940/41, dass niemand trafrechtlicheoder politi che Sanktionen gegen die«Zweihundert» verlangte.
Unzweifelhaft neutralität widrig wardie im Oktober 1941 ge tartete Ärztemis-ion an die Ostfront. Ma geblich vom
Aargauer Divi ionär Eugen 8ircher gefördert, teilte ein schweizeri che Komiteefür Hilf aktionen unter Billigung de Bundesrat und des Generals ein Kontingentfreiwilliger chweizeri cher Ärzte zur medizini chen Betreuung verwundeter Soldaten an der deut ch-russischen Front. Ärzte, Schwe tern und Hilfspersonal leistetendrei Monate lang gute Arbeit, doch unterstanden ie - was die wenig ten wussten der Kommandogewalt der deut chenWehrmacht. Missionschef Bircher fieldurch deutschfreundliche Äusserungenauf, indem er beispielsweise im Anschlussan einen deutschen Propagandavortragbegeistert verlautbart haben oll: «Wirdanken Ihrem Führer, dass wir, dieSchweizer Ärztemission, teilnehmen dürfen am Kampf gegen den Bolschewismus.» Der er ten Ärztemis ion folgtendrei weitere von ebenfalls je drei MonatenDauer. Die prodeut che Haltung Birchersbela tete ein Verhältnis zu General Gui-an stark. Die Beziehung zu einem un
mittelbaren Vorgesetzten, Oberstkorpskommandant Fritz Prisi, war ebenfallsgestört. Der weitere militärische Aufstiegwar damit verunmöglicht, um so mehr, alsBundesrat Rudolf Minger, ein einflussreicher Vertrauter Bircher , Ende 1940 alsVorsteher des Militärdepartements zurückgetreten war. Bircher legte 1942 dasDivisionskommando nieder und wandtesich der Politik zu.
Truppenalltag
Auf einer Länge von siebzig Kilometerntrennte nur der Rhein den Kanton vomDeutschen Reich. Viele Aargauer empfanden daher die Zeit des Zweiten Weltkriegsunmittelbarer und bedrohender als diemeisten Bewohner anderer Kantone. Überden Rhein blickten die Grenztruppen inmögliches Feindesland und bekamenzwangsläufig die auf deutscher Seite überLaut precher verstärkten Hitler-Redenmit. Die den Fluss entlang patrouillieren-
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Abb. /60Soldatischer Galgenhumorange ichts de beschränktenUrlaub, im Mai 1940 bei Laufenburg. Die vielzitierte undbeschworene gute Kameradschaft und die Bejahung derNotwendigkeit, das eigeneLand zu verteidigen, war die inder Truppe vorherrschende,jedoch keine fall die jederzeitund überall gültige Stimmung.Häufig empfanden Soldatenden Dien tal langweilig undstupid.
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Abb. /6/Beispiele von Soldatenbriefmarken. Der Verkauf erlöskam jeweil den Unterstützungskassen der Einheiten zugute. Auf wenig Gegenliebebei höheren militäri chenStellen tie in diesemFall der unverblümte Text«D'Schnörre halte», derseinen Ur prung in dersaloppen Sprache von Divi-ionskommandant Eugen
Bircher hatte. Für die neueAunage der Marke mu tedas al an tö ig empfundeneWort abgeändert werden.
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den deutschen Soldaten hinterliessen einenstärkeren Eindruck als dürre Pre semeldungen über die Deut che Wehrmacht, diesi 11 1:II1M:lIickle, die WeIL lu efObclll. Abg hörte deutsche Sender lösten durch ihre unaufbörlichen Siegesmeldungen gleichermassen Furcht wie Bewunderung aus. DieNervosität diesseits der Grenze war gross.Helm- statt wie üblicherweise mützentragende deutsche Soldaten gaben bereits zuschlimmsten Befürchtungen Anlass, undAuspuffexplo ionen deutscher Lastwagenversetzten die hiesigen Wachtposten inhelle Aufregung.
Der Zwangsaufenthalt in den engen,schlecht durchlüfteten Bunkern führte beietlichen Soldaten zum Koller. Die hygienischen Bedingungen waren misslich. ImJanuar 1940 lag infolge einer Grippeepide-
mie jeder zwanzigste Mann der 5. Divisionim Krankenzimmer. Chronische Übermüdung war die Folge des verhassten Wachesl.:hiebens und der langen Prasenzzeilen.Hoffnungen auf einen kurzen Krieg erfüllten sich nicht, wa zu ätzlich an den Nerven zerrte. Die lange Trennung von zuHause brachte vielen Wehrmännern persönliche und berufliche Schwierigkeiten.
Viele Kommandanten aller Stufen erkannten durchaus die Probleme, die sichim Dienst stellten, und versuchten, dieSoldaten durch staatsbürgerliche Vorträge, Filme, Theateraufführungen und Musikvorträge zu motivieren und etwas Abwechslung in den Truppenalltag zu bringen. Während dreieinhalb Monaten erschien täglich die beliebte «Grenzschutzzeitung der 5. Divi ion», bis man sie höheren Ort im Hinblick auf die Schaffungder offiziellen Armeezeitung «SchweizerSoldat» untersagte.
Die auf den I. Januar 1940 eingeführteLohnausfallentschädigung, welche Staat,Arbeitgeber und -nehmer zu je einemDrittel bestritten, vermochte schwere finanzielle Engpässe zu lindern und teiltegegenüber dem Er ten Weltkrieg einenbedeutenden Fort chritt dar, der sozialeKonflikte wie den Landes treik zu vermeiden half.
Anbauschlacll/: Schlagwortfür die bedeutende Vergrö serung der Anbaufläche und dieinten ivierte Nutzung deBodens zwischen 1939 und1945 mit dem Ziel, die Landwirtschaft erträge we entliehzu erhöhen und die Schweizvom Ausland unabhängig zumachen. Das Vorhaben deMehranbau bedeutete denWech el von der Markt- zurPlanwirtschaft. Jeder Landwirt erhielt verpflichtende Vorgaben, wa und wieviel eranzubauen habe und wievieler von einer Produktion fürich behalten könne. Der Plan
war von rfolg gekrönt, auchwenn nicht alle ehrgeizigenVorgaben eingehalten werdenkonnten.
Episoden und Erinnerungen
Die Kriegszeit prägte die Generation, die jahrelang im militärischen Einsatz stand,we entlieh. Bis heute erzählen viele Veteranen gerne aus ihrer Aktivdienstzeit.
eben nachdenklich stimmenden Episoden sind viele anekdotische und legendenumwobene Erlebni e überliefert. In der Grenzregion spielten ich über dieRheinbrücken hinweg oft provokative Wortgefechte ab. Im Dezember 1939 warendie im Ausbau befindlichen Grenzbunker auf Schweizer Seite westlich von Laufenburg mit Sacktuchwänden gegen Sichtkontakt geschützt. Auf die PackJeinwand hatte ein Witzbold gekonnt einen rie igen E elskopf mit der typi ehen, in dieStirn fallenden Hitlerlocke gemalt. Deut ehe filmten diese für sie höchst anstössige Dar teilung, die zu einem diplomatischen Nachspiel wegen «Führerbeleidigung» führte. Bern sah ich gezwungen, zu diesem Sachverhalt eine Untersuchunganzuordnen, die jedoch erwartungsgemäss keine Ergebnisse zeitigte.
An Weihnachten 1939 stellten Deutsche einen Eimer voll Kuhdreck «für dieKuh chweizer» auf die Mitte der Zurzacher Brücke. Diese antworteten mit einemKübel voll Butter mit der Widmung: «Un eren deutschen Freunden - jeder gibt,was er hat.» Aber auch ungezwungene und vertrauliche Kontakte ergaben sichüber den Rhein hinweg. Als ob kein Krieg herrschte, kam ein deutscher Grenzwachtmeister fast täglich von Säckingen über die Rheinbrücke nach Stein, um hierKaffee einzukaufen oder ich einen Feierabendschoppen zu genehmigen.
Abb. /62Rodung arbeiten für die Vergrö erung der Anbauflächeim Tägerhard zwischen Würenlo und Wellingen im Frühjahr 1943. Links bcfindcl sichdie Bahnlinie WellingenOerlikon, in der Bildmitte imHintergrund die KJus vonBaden. Die Bevölkerung decktsich mit Abfallholz ein. Diege amte Rodungsfläche für dieAnbau chlacht betrug im Aargau zwi ehen 1939 und 1945845 Hektaren.
Zwang zum MehranbauUm die Bevölkerung während der Kriegszeit ernähren zu können, entwickelte der
TH-Prore or und pätere Bunde ratFriedrich Traugott Wahlen den Plan zur«Anbauschlachl». An den Vorarbeiten,die bereits 1938 einsetzten, waren die beiden Freiämter Agronomen Roman Abtund JosefKäppeli massgeblich beteiligt.
Die Anbauflächen konnten zwischen1939 und 1945 in sieben Etappen bedeu-
tend vergrö sert werden. Der Aargauübertraf sein Plansoll und lag mit einerFlächenzunahme von 113 Prozent deutlichüber dem chweizerischen Durchschnittvon 100 Prozent. Zum einen bra hten Rodungen und Meliorationen zusätzlichesKulturland. Ferner kamen viele Rasenflächen wie Sportplätze oder Parkanlagenunter den Pflug, so zum Beispiel derSchinznacher Golfplatz. 1939 machte dieAckerfläche im Aargau 23 Prozent desgesamten Kulturlandes aus, 1945 42 Prozent. Auch nichtlandwirtschaftliche Haushalte trugen entscheidend zum Mehranbau bei. Bereits 1941 deckte nahezu jedezweite Familie ihren Bedarf an Kartoffelnganz oder teilweise aus dem eigenen Garten. Trotzdem wurden von September1939 bis Juni 1943 fortlaufend mehr Lebensmittel rationiert, Brot und Milch zumBeispiel seit Oktober/ ovember 1942.Fisch, Wild, Obst, Kartoffeln und Gemüsewaren während der ganzen Kriegszeit keiner Beschränkung unterworfen. Allerdings umgingen viele die bis ins letzte Detail reglementierenden Vorschriften.Schwarzhandel sowie die Umgehung vonAbgabepflicht und Preisvor chriften wa·ren an der Tagesordnung. Jeder 23. Aargauer hatte sich zwischen 1939 und 1946wegen kriegswirtschaftlicher Vergehen zuverantworten.
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Fliichllinge: Die chweizerische Flüchtling politik imZweiten Weltkrieg i t ein traurige Kapitel. Bi im Juli 1944galtendieau rassi chen Gründen Verfolgten, etwa dieJuden, nicht al politi cheFlüchtlinge und wurden an derSchweizer Grenze in fünf telliger zahl zurückgewie en undausge chafft. Auch die aar-gaui che Regierung lie ichhäufig eher von finanziellenals von humanitären Erwägungen leiten und hielt mittel10 e Flüchtlinge nach Möglichkeit vom Kanton gebietfern. Der Regierungsrat vermerkte im Juli 1941 stolz:«Dadurch i te un gelungen,dem Kanton Au lagen zuersparen.»
Auch die Aussenwirtschaft verändertesich durch den Krieg zwangsläufig. DieSchweiz geriet wirtschaftlich immer stärker in Abhängigkeit von Deutschland undbezahlte materiell und ideell einen teurenPreis für die nationale Selbständigkeit.1941 musste die Eidgenossenschaft demDeut chen Reich zum Beispiel einen Kredit von 850 Millionen Franken gewähren.Es hiess, «die Schweizer arbeiten sechTage in der Woche für Hitler und betenam siebten für den Sieg der Alliierten».Man sah ich überdies gezwungen, in erhöhtem Ausrnass kriegswichtige Warennach Deutschland und Italien zu exportieren. Eine wichtige Rolle spielte in diesemZusammenhang das Potential des Energiekantons Aargau. Deut chland bezogaus diesem Raum bedeutende Mengen anele1ctri cher Energie für seine Kriegswirtschaft. Nicht zufällig nahm das indeutsch-schweizerischer Gemei nschaftsproduktion erstellte Rheinkraftwerk Rekingen 1941, mitten im Krieg, seine Produktion auf.
Kriegsendeund Säuberungswelle
Die Niederlage der Deutschen begannsich seit der alliierten Invasion vom 6. Juni1944 in der Normandie immer klarer abzuzeichnen. Die schweizerische Armeefüh-
rung beorderte die Truppen aus dem Reduit wieder in Vorland. Der Aargau warals Grenzland der Gefahr von unbeabsichtigten alliierten Grenzverletzungen besonders ausgesetzt. Die schwersten Neutrali·tätsverletzungen ereigneten sich in denletzten Krieg monaten, als die alliierteLuftüberlegenheit dauernd zunahm. DieAarauer Bevölkerung erlebte beispielsweise im ganzen Krieg 516 Fliegeralarme.Die alliierten Bombardierungen währendder letzten Krieg monate berührten ungewollt chweizeri ches Gebiet. NamhafteSchäden beklagten etwa die DörferSchneisingen, Koblenz, Leuggern undFull-Reuenthal. Zu den spektakulär tenKriegszwi chenfällen gehörten ferner diebei Birmen torf, Würenlingen und Zuzgen zwischen 1943 und 1945 abgestürztenalliierten Kampfflugzeuge.
Am 25. April 1945 erreichten dierheinaufwärts vorstossenden AlliiertenWaldshut. Knapp konnte verhindert werden, dass zurückweichende deutscheTruppen Brücken und Elektrizitätswerkeam Rhein sprengten. Unter Zusage desGrenzübertritt in die Schweiz liessen dieDeutschen von ihrem Vorhaben ab. Tausende von Men chen flohen in die en Tagen nochmals von orden her in den Aargau. Das in <Jen stillgelegten Gebau<Jender Saline Rheinfelden eingerichtete Auffanglager für geflohene Kriegsgefangeneund Fremdarbeiter beherbergte im April1945 zeitweise gegen 4000 Flüchtlinge aus
Abb.163Krater in Koblenz nach einerirnümlichen Bombardierungdurch amerikanische Kampfnugzeuge am 16. Februar 1945.III be chädigte und ein komplett zerstörtes Gebäude waren die Bilanz in der vomKrieg am stärksten betroffenen aargauischen Ortschaft.Legendär wurde SoldatOe chger, der auf der Latrineim Begriff war, sein Ge chäftzu verrichten, als in unmittelbarer ähe eine Bombe einschlug und das Latrinenhültchen wegfegte. Unverletzt undin unveränderter Po ition soller sich plötzlich im Freienbefunden haben.
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20 Nationen. Ende Mai 1945 waren noch2602 Militärangehörige im Aargau interniert, vorwiegend Deutsche, Italiener,Russen und Österreicher.
Nach fast sechs Jahren schwiegen inEuropa die Waffen. Die offizielle Kapitulation der Wehrmacht des Dritten Reichstrat am 9. Mai 1945 in Kraft. Am Vorabendläuteten im ganzen Land um 20 Uhr eineViertel tunde lang die Kirchenglocken. DieAargauer Bevölkerung beging diesen Tag«würdig, voU Freude und doch wiederernst» (<<Aargauer Volksblatt»). «Immerwieder war zu vernehmen, dass e einemnicht so recht um 'Festen' ei - derKriegsdruck hat sich, was angesichts derungeheuren Not begreiflich ist, noch nichtvon den Seelen gelöst» (<<Aargauer Tagblatt»). Im ganzen Kanton fanden Dankgottesdienste statt. Anfang September1945, nach dem Abwurf der ersten beidenamerikanischen Atombomben über denjapanischen Städten Hiroshima und Nagasaki, ging der Zweite Weltkrieg definitivzu Ende.
Nach dem Schwinden des aussenpolitischen Drucks wurde der Wun ch wach,mit nazifreundlichen Per onen und Organi ationen in der Schweiz abzurechnen.
Bundesrat, Regierungsrat und kantonaleFremdenpolizei verfügten zwi chen Maiund Dezember 194561 Ausweisungen ausdem Aargau. Typisch für die Nachkriegsstimmung und für die spät einsetzendeJagd nach Sündenböcken ist der Fall desAargauer Staatsarchivars und Kantonsbibliothekar Hektor Ammann, der unteranderem al Erstunterzeichner und Mitinitiant der «Eingabe der Zweihundert» undal offiziö er Gesprächspartner von deutschen, nationalsozialistischen Stellen imUrteil der Zeitgenossen eine unverhältnismässig deutschfreundliche Gesinnungbewiesen hatte. Der vom Parlament unter-tützte Regierungsrat entliess den Staats
archivar auf den I. September 1946. Ammann rief jedoch mit einer staatsrechtlichen Beschwerde das Bundesgericht anund erzielte 1949 einen «Sieg nach Punkten». Der aargauische Staat musste ihn fürdie Zeit bis 1949 entlöhnen und ihm eineProzessentschädigung ausrichten. DasBundesgericht argumentierte, die HaltungAmmanns sei den aargauischen Behördenchon jahrelang bekannt gewesen, ohne
da ie de wegen etwa unternommenhätten.
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