Dienstleistungs-Controlling · 45 Warum eigentlich Dienstleistungs-Controlling? Immer wieder kommt...

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45 Warum eigentlich Dienstleistungs-Controlling? Immer wieder kommt in unseren Seminaren bei der Controller Akademie die Frage auf, warum wir kein Fachseminar „Dienstleistungs- Controlling“ im Seminarprogramm haben. Die Antwort, dass es kein spezielles Controlling für Dienstleister gebe und wir deshalb auch kein spezifisches Fachseminar anbieten können, überzeugt den Fragenden jedoch meist nicht. Was nicht weiter überraschend ist. Er hat einen Bedarf, der nicht gedeckt ist. Andernfalls würde er nicht fragen. Hinzu kommt, dass es eine ganze Reihe von „Spezialitäten-Seminaren” für alle möglichen Zwecke gibt. Wie kann gerade dieses Thema fehlen? So wird denn auch des Öfteren in der Stufe IV, bei der freien Themenwahl am Donnerstag, vorge- schlagen, sich intensiv in einer der Gruppen mit Dienstleistungs-Controlling zu beschäfti- gen. Häufig wird der Vorschlag von den Teil- nehmern gewählt, wobei je nach Interessen- lage der Gruppe verschiedene Aspekte behan- delt werden. Die Fotos in Abbildung 1 zeigen unterschiedliche Herangehensweisen einiger Gruppen. Nachdenklich macht möglicherweise die Frage, warum ein Weiterbildungsunternehmen die Nachfrage scheinbar ignoriert. Da wird ein breites Angebot an Fachseminaren angeboten, jedoch nicht zu diesem Thema. Was macht Dienstleistungen so besonders und vielleicht deshalb Dienstleistungsunternehmen anders als andere Unternehmen? Vielleicht motiviert diese Konstellation, den Besonderheiten nach- zugehen. Dabei werden im Folgenden pro- duktbegleitende Dienstleistungen oder kon- zerninterne Services ausgeklammert. Viele Überlegungen würden aber auch für sie gelten. Besonderheiten von Dienstleistungen Physisch nicht greifbar Zuerst muss wohl genannt werden, dass Dienstleistungen „physisch nicht greifbar” sind. Sie können durchaus durch materielle Kompo- nenten ergänzt werden. Beispiele dafür wären die ausgeteilten Stifte bei einem Seminar, die angebotene Tasse Kaffee beim Reifenwechsel, und vielleicht gehört im weiteren Sinne auch noch die ausliegende Zeitschrift im Warteraum des Arztes dazu. Die Dienstleistung selber, d. h. was der Kunde als Kern der Leistung empfin- det, ist jedoch prinzipiell immateriell. Das macht es schwierig, die erbrachte Leistung zu bewer- ten: Bin ich schnell oder langsam gesund ge- worden? Noch schwieriger ist der Vergleich: Hätte mich ein anderer Arzt schneller ge- sund gemacht? Manchmal lautet die Frage auch: Hat der Arzt überhaupt etwas bewirkt? Nicht lagerfähig Zweitens sind Dienstleistung nicht lagerfähig. Sie können nicht auf Vorrat erbracht werden. Es nützt einer Verkehrsgesellschaft nichts, wenn sie mittags eine leere Straßenbahn von A nach B und nachmittags wieder zurück be- wegt. Die Bahn verfügt dann zu den Stoßzeiten im Berufsverkehr, also morgens und abends, nicht über die doppelte Kapazität. Daraus fol- gen für die Steuerung der Dienstleistung offen- sichtlich die Themen Kapazitäts-Dimensionie- rung und Steuerung der Auslastung. Am Kunden erbracht Die dritte zentrale Eigenschaft einer Dienstleis- tung besteht darin, dass sie am Kunden (oder seinem Eigentum) erbracht wird: ohne Fahr- gast keine Taxifahrt, ohne Brief keine Beför- derung, ohne Patient keine Operation, ohne Teilnehmer kein Seminar, usw. Besser gefällt mir jedoch die Formulierung „Mitwirkung des Kunden an der Leistung“, denn das hat Auswirkungen auf die Kunden- zufriedenheit. Die Leistung wird nicht nur „am Kunden” erbracht. Oft genug kann sie ohne die Mitwirkung des Kunden gar nicht im vollen Ausmaß erbracht werden. Nur wenige Kunden werden dem Friseur mitteilen „man wolle sich mal überraschen lassen“. Es ist nicht nur das handwerkliche Geschick des Friseurs, welches die Zufriedenheit des Kunden mit der Frisur bestimmt, sondern auch die Qualität der Beschreibung, die der Kunde erbringt. Genauso muss der Patient dem Haus- arzt seine Beschwerden und Symptome korrekt und vollständig schildern. Hat er etwas verges- sen oder als nicht wichtig erachtet? Dem Pro- zess, wie Kundenwünsche ermittelt werden, kommt besondere Bedeutung zu. Das wiede- rum führt zu der Frage, inwieweit Dienstleis- tungen individuelle Leistungen darstellen. Sind sie weniger standardisierbar bzw. sind sie evtl. durch höhere Variantenvielfalt, als es bei produzierende Unternehmen öfters der Fall ist, geprägt? Dienstleistungs-Controlling Alles anders – oder doch gleich? von Guido Kleinhietpaß CM Juli / August 2012

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Warum eigentlich Dienstleistungs-Controlling?

Immer wieder kommt in unseren Seminaren

bei der Controller Akademie die Frage auf,

warum wir kein Fachseminar „Dienstleistungs-

Controlling“ im Seminarprogramm haben. Die

Antwort, dass es kein spezielles Controlling für

Dienstleister gebe und wir deshalb auch kein

spezifisches Fachseminar anbieten können,

überzeugt den Fragenden jedoch meist nicht.

Was nicht weiter überraschend ist. Er hat einen

Bedarf, der nicht gedeckt ist. Andernfalls würde

er nicht fragen. Hinzu kommt, dass es eine

ganze Reihe von „Spezialitäten-Seminaren” für

alle möglichen Zwecke gibt.

Wie kann gerade dieses Thema fehlen? So

wird denn auch des Öfteren in der Stufe IV, bei

der freien Themenwahl am Donnerstag, vorge-

schlagen, sich intensiv in einer der Gruppen

mit Dienstleistungs-Controlling zu beschäfti-

gen. Häufig wird der Vorschlag von den Teil-

nehmern gewählt, wobei je nach Interessen-

lage der Gruppe verschiedene Aspekte behan-

delt werden. Die Fotos in Abbildung 1 zeigen

unterschiedliche Herangehensweisen einiger

Gruppen.

Nachdenklich macht möglicherweise die Frage,

warum ein Weiterbildungsunternehmen die

Nachfrage scheinbar ignoriert. Da wird ein

breites Angebot an Fachseminaren angeboten,

jedoch nicht zu diesem Thema. Was macht

Dienstleistungen so besonders und vielleicht

deshalb Dienstleistungsunternehmen anders

als andere Unternehmen? Vielleicht motiviert

diese Konstellation, den Besonderheiten nach-

zugehen. Dabei werden im Folgenden pro-

duktbegleitende Dienstleistungen oder kon-

zerninterne Services ausgeklammert. Viele

Überlegungen würden aber auch für sie gelten.

Besonderheiten von Dienstleistungen

Physisch nicht greifbar

Zuerst muss wohl genannt werden, dass

Dienstleistungen „physisch nicht greifbar” sind.

Sie können durchaus durch materielle Kompo-

nenten ergänzt werden. Beispiele dafür wären

die ausgeteilten Stifte bei einem Seminar, die

angebotene Tasse Kaffee beim Reifenwechsel,

und vielleicht gehört im weiteren Sinne auch

noch die ausliegende Zeitschrift im Warteraum

des Arztes dazu. Die Dienstleistung selber, d. h.

was der Kunde als Kern der Leis tung empfin-

det, ist jedoch prinzipiell immate riell. Das macht

es schwierig, die erbrachte Leis tung zu bewer-

ten: Bin ich schnell oder langsam gesund ge-

worden? Noch schwieriger ist der Vergleich:

Hätte mich ein anderer Arzt schneller ge­sund gemacht? Manchmal lautet die Frage

auch: Hat der Arzt überhaupt etwas bewirkt?

Nicht lagerfähig

Zweitens sind Dienstleistung nicht lagerfähig.

Sie können nicht auf Vorrat erbracht werden. Es

nützt einer Verkehrsgesellschaft nichts, wenn

sie mittags eine leere Straßenbahn von A nach B und nachmittags wieder zurück be-

wegt. Die Bahn verfügt dann zu den Stoßzeiten

im Berufsverkehr, also morgens und abends,

nicht über die doppelte Kapazität. Daraus fol-

gen für die Steuerung der Dienstleistung offen-

sichtlich die Themen Kapazitäts-Dimensionie-

rung und Steuerung der Auslastung.

Am Kunden erbracht

Die dritte zentrale Eigenschaft einer Dienstleis-

tung besteht darin, dass sie am Kunden (oder

seinem Eigentum) erbracht wird: ohne Fahr­gast keine Taxifahrt, ohne Brief keine Beför-

derung, ohne Patient keine Operation, ohne

Teilnehmer kein Seminar, usw.

Besser gefällt mir jedoch die Formulierung

„Mitwirkung des Kunden an der Leistung“,

denn das hat Auswirkungen auf die Kunden-

zufriedenheit. Die Leistung wird nicht nur „am

Kunden” erbracht. Oft genug kann sie ohne

die Mitwirkung des Kunden gar nicht im vollen

Ausmaß erbracht werden. Nur wenige Kunden

werden dem Friseur mitteilen „man wolle sich

mal überraschen lassen“.

Es ist nicht nur das handwerkliche Geschick des Friseurs, welches die Zufriedenheit des

Kunden mit der Frisur bestimmt, sondern auch

die Qualität der Beschreibung, die der Kunde

erbringt. Genauso muss der Patient dem Haus-

arzt seine Beschwerden und Symptome korrekt

und vollständig schildern. Hat er etwas verges-

sen oder als nicht wichtig erachtet? Dem Pro-

zess, wie Kundenwünsche ermittelt werden,

kommt besondere Bedeutung zu. Das wiede-

rum führt zu der Frage, inwieweit Dienstleis-

tungen individuelle Leistungen darstellen. Sind

sie weniger standardisierbar bzw. sind sie evtl.

durch höhere Variantenvielfalt, als es bei

produzie rende Unternehmen öfters der Fall ist,

geprägt?

Dienstleistungs-ControllingAlles anders – oder doch gleich?

von Guido Kleinhietpaß

CM Juli / August 2012

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Weitere Besonderheiten

Ergänzend zu den gerade ausgeführten Punk-

ten gibt es eine Reihe weiterer Vermutungen

bezüglich der Besonderheit von Dienstleis-

tungen. Besonders häufig höre ich im Seminar

die drei folgenden: keine Produktkosten („weil

kein Produkt“), extrem hohe Lohnkosten („weil

keine Materialkosten”) und geringes Anlage-

vermögen („weil keine Maschinen“). Da diese

drei Nennungen offenbar besonders stark im

Bewusstsein verankert sind, sollen sie an aus-

gewählten Beispielen diskutiert werden.

Gegenbeispiele

Betrachten wir zunächst Transportdienstleis­tungen. Am Beispiel der Lufthansa oder der

Deutschen Bahn ist leicht ersichtlich, dass

Dienstleister durchaus über ein sehr hohes An-

lagevermögen verfügen können; mit entspre-

chenden Abschreibungen in der Ergebnis-

rechnung (vgl. Abbildung 2).

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt,

dass auch hier ein genauerer Blick lohnt. So do-

minieren bei der DB die Sachanlagen mit 37.873,

während bei der Lufthansa die Finanzanlagen mit

8.593 den größten Posten ausmachen.

Bei Transportdienstleistungen ist zugleich die

Situation gegeben, dass es sich um externe

Dienstleister oder um interne Services handeln

kann. Ein anderes Beispiel gleicher Art wäre

die IT.

Damit ist ein erster Punkt widerlegt. Manche

Dienstleister verfügen über erhebliches,

manchmal sogar dominierendes, Anlagever-

mögen. Überhaupt wird an der Formulierung

deutlich, dass „geringes Anlagevermögen“ un-

terschiedlich verstanden werden kann – als

absolute Höhe oder als relativer Anteil des An-

lagevermögens. Beispielsweise hat ein Taxiun-

ternehmer im Vergleich zu den obigen Konzer-

nen einen geradezu winzigen (absoluten) Kapi-

taleinsatz. Relativ betrachtet ist der Wert des

Fahrzeugs aber die größte Position in seiner

Bilanz (sofern er eine erstellt).

Zudem ist die Vermutung, dass Dienstleis-

tungen grundsätzlich durch Personalkosten

geprägt und Materialkosten vernachlässigbar

seien, schnell als Vorurteil entlarvt (siehe Abbil-

dung 3).

Nun ließe sich vermuten, dass Transporte einen

Sonderfall darstellen. Erwartungsgemäß ist

Treibstoff eine bedeutende Position. Aber Ma-

terialkosten treten nicht nur bei Dienstleistern

auf, die einen hohen Maschineneinsatz haben:

· In einem Friseursalon ist bspw. die Tönung

ein bedeutender Kostenfaktor.

· Bei einem Seminaranbieter fallen erheb-

liche Sachkosten an. Dazu zählen bspw. Ho-

telkosten (z. B. Getränke, Raummiete) oder

Arbeitsmittel (z. B. Bücher, Mappen). Einige

davon sind – zumindest auf der Vorstufe –

auch Materialkosten.

Die Beispiele sollten zeigen, dass pauschale

Aussagen über Kostenstrukturen, Anlagever-

mögen, usw. nicht zutreffend sein müssen.

Ohne entsprechende Hintergrundinformationen

verschätzt man sich leicht. So würden vermut-

lich sehr viele Menschen bei Handelsunter­nehmen sofort an Material­ und Personalkos­ten denken. Oft werden die Mietkosten unter-

schätzt. Gerade in den so genannten 1A-Lagen

der Innenstädte machen diese einen erheb-

lichen Betrag aus. Die vermutlich teuersten drei

Lagen sind die Kaufingerstraße (München), die

Zeil (Frankfurt /Main) und die Königsallee

(Düsseldorf) mit Mieten von 250 bis über 300 €

je Quadratmeter (Neuvermietungen in 2009

bei 100 m² Fläche und 6 m Front; zitiert nach

Süddeutsche Zeitung).

Interessant ist deshalb zu sehen, wie die Teil-

nehmer aus Dienstleistungsbranchen unterei-

nander einschätzen. Auch dazu drei Beispiele

(siehe Abbildung 4), die die Bandbreite der

Meinungen zeigen.

Die Diskussionen sind nicht nur intensiv, son-

dern auch andauernd. Spätestens bei der Prä-

sentation und anschließenden Diskussion im

Abb. 1: Beispiele zur Annäherung an das Thema „Dienstleistungs-Controlling”

Abb. 3: Aufwandsstruktur

Dienstleistungs-Controlling

Abb. 2: Bilanzstruktur1

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Plenum wird die eine oder andere Meinung

nochmals korrigiert. Das liegt auch daran, dass

bis dahin vielfach aus Sicht des eigenen Unter-

nehmens argumentiert wird. Die Vermutung,

dass die eigene Situation typisch für die ge-

samte Branche sei, wird von den übrigen Kolle-

gen oft relativiert. Gerade ältere Kollegen, die

schon in verschiedenen Firmen gearbeitet

haben, differenzieren weitaus stärker.

Differenzierung innerhalb einer DL nötig

Pauschalierte Aussagen sind oft noch nicht ein-

mal für Dienstleistungen gleichen Typs gültig.

Man denke nur an die unterschiedlichen Han-

delsunternehmen wie z. B. einen Autohändler, einen Lebensmitteleinzelhändler oder einen

Herrenausstatter. Da Zahlen das Geschäft

nur abbilden („spiegeln“), ist es wichtig, zu-

nächst die treibenden Faktoren in einer Branche zu finden. Beispielhaft seien für den

Handel einige Kriterien genannt:

· Groß- vs. Einzelhandel

· Physische Präsenz: stationärer H.,

ambulanter H., Versandhandel

· Verkaufsfläche: von Shop-Konzepten

(Extremfall: Automatenverkauf) bis hin zu

Verbrauchermärkten und Mega-Stores

· Die Sortimentsbreite: vom Vollsortimenter-

Kaufhaus bis zum Spezialhandel

· Das Preisniveau: Luxussegment bis

Discounter

Die beispielhaft für den Handel gemachten

Überlegungen sollen verdeutlichen, dass es die

„eine Dienstleistung gleichen Typs“ nicht gibt.

Manche Dienstleister führen dies zur Unter-

scheidung sogar in ihrem Namen. Man denke

nur an Privatbanken, Landesbanken, Volks­banken, etc. Genauso wenig wie es also die

eine Dienstleistung gibt, gibt es die typischen

Probleme von Dienstleistern und damit natür-

lich auch nicht die typischen Instrumente für

Dienstleistungs-Controlling.

Auch Dienstleister haben Produktkosten

Bleibt die Frage, ob bei Dienstleistern die Pro-

duktkosten prinzipiell gering gegenüber den

Strukturkosten („Fixkosten“) ausfallen. Die ein-

gangs genannte Vermutung vieler Kollegen lau-

tete gar, dass Dienstleister mangels Produkt

auch keine Produktkosten hätten. Vielleicht

liegt es nur am Sprachgebrauch. Dienstleister

reden selten von ihrer Produktion und sie be-

zeichnen ihre Leistung auch selten als Produkt.

Vielleicht kommt daher die Vermutung, keine

Produktkosten zu haben. Aber betriebswirt-

schaftlich ist die Produktion der Ort der Leis-

tungserstellung für den Kunden. Auch wenn ein

Dienstleistungsunternehmen intern einen an-

deren Begriff verwendet: es hat eine Produkti-

on, es hat eine Leistung für seine Kunden

(„Produkt”) und es hat darum auch Produktkos-

ten. Vielleicht hilft es, wenn statt von Pro-

duktkosten von proportionalen Kosten oder

Grenzkosten gesprochen wird. Anders ausge-

drückt: gesucht sind die Kosten der zusätz­lich erzeugten Leistungseinheit.

Auch hier lässt sich die pauschale Vermutung,

Dienstleistungen hätten durchweg geringe Pro-

duktkosten (relativ an den Gesamtkosten) nicht

halten. Man denke nur an die Behandlungs­

kosten bei einer Krebstherapie. Allein die

Medikamente (als nur eine Teilkomponente

der Produktkosten) können einen sechsstelli-

gen Betrag erreichen. Hinzu kommen die be-

handelnden Zeiten der Ärzte und Pflege­kräfte. Die Kosten für Raum, Bett, Essen und

andere Strukturkosten sind im Vergleich deutlich

geringer. Auch bei Steuer­ oder Unterneh­mensberatern sind die Produktkosten dominie-

rend. Hier sind jedoch die Personalkosten die

entscheidende Teilkomponente. Die nicht leis-

tungsbezogenen Kosten wie z. B. Sekretariat,

Buchhaltung, Raumkosten sind weniger hoch.

Parallele zu produzierenden Unternehmen

Die allzu schnell vermuteten Besonderheiten

„keine oder geringe Produktkosten”, hohe Per-

sonal- und geringe Materialkosten sowie ge-

ringes Anlagevermögen lassen sich nicht un-

eingeschränkt halten. Zu jedem Punkt wurden

Gegenbeispiele angeführt. Mancher Leser mag

zudem beim Lesen die Parallele zu klassisch

produzierenden Unternehmen gesehen haben:

· Es gibt auch produziere Unternehmen mit

(relativ gesehen) verschwindend geringen

Produktkosten. Man denke nur an die zu-

sätzlichen Kosten, die Microsoft™ entste-

hen, wenn es einem Kunden Windows 7™

verkauft. Selbst wenn der Kauf nicht per

Download abgewickelt wird, sind die Kosten

für Microsoft verschwindend gering. Eine

Zusatz-Programmierung findet für den klas-

sischen Endverbraucher nicht statt. Die Zu-

satzkosten sind auf die DVD samt Hülle und

Karton beschränkt. Angesichts der riesigen

Herstellungsmenge sind die Kosten von

Abb. 4: Einschätzung der Dienstleistung (teilweise durch Branchenfremde)

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untergeordneter Bedeutung. Ganz im Ge-

gensatz zu den enormen Programmier- und

Entwicklungsarbeiten. Allein diese eine Po-

sition treibt massiv die Strukturkosten.

· Es gibt auch produzierende Unternehmen mit

sehr hohem Materialaufwand. Die Preisent-

wicklung der letzten 10 Jahre bei Öl, Gold,

Kupfer, seltenen Erden und den meisten Me-

tallen muss nicht weiter erläutert werden.

Schon an wenigen Beispielen läßt sich zeigen,

dass deutliche Unterschiede zwischen ver-

schiedenen Dienstleistungsbranchen, als auch

innerhalb einer Branche existieren. Von „der“ Dienstleistungsproblematik kann nicht die Rede sein. Zugleich gibt es – wie zuletzt ge-

zeigt – ähnlich gelagerte Situationen bei produ-

zierenden Unternehmen. Die vermeintlichen

Besonderheiten sind offensichtlich auch produ-

zierenden Betrieben bekannt. Bleiben also die

ursprünglich genannten Besonderheiten von

Dienstleistungen übrig: Dienstleistungen sind

immateriell („nicht physisch greifbar“), deshalb

nicht lagerfähig und sie benötigen die Einbezie-

hung des Kunden. Am Ende seiner kurzen Prä-

sentation nannte ein Seminarteilnehmer diese

drei Aspekte „die drei wahren Probleme“ im

Dienstleistungs-Controlling.

„Die drei wahren Probleme“ im DL-Controlling

Die Immaterialität der Leistung macht es dem

Kunden schwer, die Qualität der Leistung zu

überprüfen. Deshalb kommen Ersatzindikatoren,

wie z. B. Sauberkeit oder Pünktlichkeit eine hö-

here Bedeutung zu. Das sind Themen des Pro-

zess-Controllings. Zugleich sind Marketing und

Kommunikation gefordert, dass die Leistung

dem Kunden besser vermittelt wird. Ausgerech-

net dies ist jedoch ein Bereich, der im Controlling

noch unterentwickelt ist. Es kann jedoch auf das

Statement des Internationalen Controller-Vereins

„Grundmodell für Kommunikations-Controlling” verwiesen werden, welches sowohl von der

Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG)

als auch vom Public Relations Verband Austria

(PRVA) als Standard empfohlen wird.

Die fehlende Lagerfähigkeit mit den Fragen

der Kapazitätsbereitstellung und -auslastung,

der Flexibilität in der Leistungserstellung und

den erforderlichen Abweichungsanalysen sind

seit jeher Kernthemen „klassischer” Produk-

tionsunternehmen. Die Instrumente sind vor-

handen. Es geht also um die Übertragung vor-

handener Methoden ins eigene Unternehmen.

Das heißt aber auch, die Daten analog zu erfas-

sen, wie in einem Produktionsbetrieb. Betriebs-

datenerfassung ist jedoch ein Reizwort. Die

Diskussion um die Erfassung und Rückmel-

dung von Zeiten ruft – zumindest im Seminar –

großen Widerstand hervor. Den Aufwand, den

klassisch produzierende Unternehmen für die

Ermittlung der Daten betreiben, betrachten

viele Dienstleistungskollegen als nicht akzepta-

bel. Hier ist eher ein „Nicht-Wollen“ als ein

„Nicht-Können“ das Problem.

Das hängt unmittelbar mit der dritten Dienstleis-

tungseigenschaft zusammen. Wegen der Ein­beziehung des Kunden sei jede Leistungser-

bringung individuell und damit weder standar-

disierbar noch vergleichbar – so wird argumen-

tiert. Wegen dieser „Einmaligkeit” lohne der

Aufwand der Datenerfassung nicht. Wenn die-

se Argumentation stichhaltig wäre, dann könnte

keine Versicherung einen Tarif ermitteln und

kein Friseur Termine vergeben. Dass sich Ab-

läufe innerhalb einer Schwankungsbreite bewe-

gen, ist auch in produzierenden Unternehmen

trotz aller Standardisierung nicht vermeidbar.

Sonst wäre es in Automobilwerken völlig über-

flüssig, die Zahl der am Tag / in der Woche ge-

fertigten Autos am Fertigungsband anzuzeigen.

Wofür gibt es im Werks-Controlling die Abwei-

chungsanalysen? Sie wären überflüssig, wenn

alles gemäß Standard eintreten würde – Fore-

casts ebenso. Alles wäre wie vorherbestimmt.

Wofür gäbe es dann noch Manager und Con-

troller, wenn doch alles standardmäßig, um

nicht zu sagen „wie von selbst“ läuft? Die

Kunst ist es vielmehr, gleiche Sachverhalte zu

identifizieren (z. B. Typ- und Regionsklassen

bei Autoversicherungen) und für diese den

Durchschnitt zu bestimmen. Natürlich nicht nur

im IST, sondern auch im Plan. Der Standard

drückt das Wollen aus, den der Plan beinhaltet.

In Wirklichkeit berücksichtigen die allermeisten

Dienstleister das auf eine andere Art und Wei-

se schon jetzt. Der unterschiedliche Aufwand

verschiedener Leistungen fließt in die Kalkula-

tion und damit in den Verkaufspreis ein. Ob es

sich für eine weitergehende Steuerung lohnt

und ob es juristisch zulässig ist, Betriebsdaten

zu erfassen, sind separate Fragen. Möglich

wäre es.

Fazit

Ein eigenständiges Dienstleistungs­Control­ling kann es nicht geben. Darum finden sich in

Büchern zum Thema auch keine Instrumente, die

ausschließlich von Dienstleistern angewendet

werden (können). Vielmehr können solche Bü-

cher lediglich eine Hilfestellung bei der Übertra-

gung, Tipps zur Einführung, usw. bieten. Ange-

sichts der Unterschiedlichkeit der Dienstleis-

tungen kann dies nur exemplarisch geschehen.

Das gilt analog für ein Fachseminar. Ließe sich

die Zielgruppe überhaupt treffen? Und ist es

nicht ehrlicher, das Seminar nicht anzubieten

und stattdessen darauf hinzuweisen, dass alle

dafür wesentlichen Instrumente im Stufen-Pro-

gramm behandelt werden? So ist es aus Sicht

des Seminaranbieters Controller Akademie

beruhigend, dass auch die Teilnehmer am Ende

aller Gruppenarbeiten bisher immer genau zu

diesem Ergebnis gekommen sind.

Fußnoten

1 Quelle: Geschäftsberichte 2010 (hier ohne se-

paraten Ausweis von RAP), Zahlenin Mio. Euro2 Quelle: Geschäftsberichte 2010, Zahlen in

Mio. Euro

Autor

Dipl.­Oec. Guido Kleinhietpaß

ist Trainer und Partner der Controller Akademie AG und Mitglied im ICV-Fachkreis „Kommunikations-Controlling”. Zu seinen Schwerpunkten zählen Businessplanung, Investitionsrechnung, Kommunikations-Controlling, Kostenmanagement, Verrech-nungspreise, Vertriebs-Controlling.

E-Mail: [email protected]

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