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LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege im Lande Rheinland-Pfalz
Dokumentationdes
LIGA‐Fachtags „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege“
am Freitag, 11. Juli 2014, von 9:30 – 16:30 Uhr
im Landesmuseum Mainz
Inhaltsverzeichnis:
Seite
Programm des Fachtags ...............................................................................................................3
Prof. Dr. Wolfgang Schütte:
Neue bundesrechtliche Rahmenregelungen für Pflege und Behinderung ....................................5
Dr. Monika Seifert:
Behinderung und Pflegebedürftigkeit ..........................................................................................19
André Völlers:
Schnittstelle Eingliederungshilfe/Pflege – 3 Praxisbeispiele .......................................................29
Dagmar Kossack:
Senioren-WG Karthäuserhof in Mainz-Hechtsheim – ein ambulantes Wohnangebot
für ältere Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf und dementieller Erkrankung ................31
Alfred Marmann:
5 Wohngemeinschaften in Kettig und St. Sebastian bei Koblenz –
Eine Lösung oder die „Quadratur des Kreises“ ...........................................................................37
Christian Hassa:
Betreuung, Pflege und Förderung von Menschen mit erworbenen
neurologischen Schädigungen im stationären Bereich ...............................................................53
Friedhelm Kunz in Vertretung für Thomas Weiler:
„Binnendifferenzierung“ – eine württembergische Spezialität .....................................................59
Antje Welke:
Menschen mit Behinderung zwischen Teilhabe und Pflege –
Diskussionsstand in den Fachverbänden....................................................................................62
Eindrücke von der Veranstaltung ................................................................................................70
Vorbemerkung:
Wir möchten uns für etwaige Unzulänglichkeiten bei der Versorgung mit Speisen und Getränken im Verlauf der Veranstaltung entschuldigen.
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Zielgruppe Geschäftsführungen und leitende Mitarbeiter/innen von Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie
Teilnahmegebühr Wir erheben eine Teilnahmegebühr i.H.v. 65,00 Euro pro Person; darin enthalten sind Unterlagen und Verpflegung. Nach Eingang Ihrer Anmeldung erhalten Sie eine Rech‐nung. Bitte überweisen Sie Ihren Teilnahmebeitrag bis zum 07.07.2014 unter Angabe der Rechnungsnummer auf das dort angegebene Konto. Sofern Sie innerhalb von 3 Tagen vor der Veranstaltung absagen und keine Vertre‐tung entsenden, erfolgt KEINE Rückerstattung dieses Teil‐nahmebeitrages.
Anmeldung Bitte richten Sie Ihre verbindliche Anmeldung bis zum 13. Juni 2014 per Post, Fax oder E‐Mail an dieLIGA der Freien Wohlfahrtspflege ‐ Geschäftsstelle Bauerngasse 7 55116 Mainz Fax: 06131‐22 97 24 E‐Mail: info@liga‐rlp.de Gerne können Sie hierfür den Abschnitt links benutzen.
Veranstaltungsort Landesmuseum Mainz Große Bleiche 49‐51 55116 Mainz Wegbeschreibung unter www.landesmuseum‐mainz.de Parkmöglichkeiten bestehen in den Parkhäusern in unmit‐telbarer Nähe (z.B. Parkhaus Bleiche)
Veranstalter LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Rheinland‐Pfalz Fachgruppe Behindertenhilfe der LIGA‐Kommission Behindertenhilfe und Psychiatrie Bauerngasse 7 55116 Mainz
Foto: clipdealer.de
Menschen mit Behinderungen ‐
zwischen Teilhabe und Pflege
Einladung zum LIGA‐Fachtag
am Freitag, 11. Juli 2014
von 9:30 Uhr bis 16:30 Uhr
im Landesmuseum Mainz
verbindliche Anmeldung
zum Fachtag am 11.07.2014 in Mainz:
Menschen mit Behinderungen zwischen
Teilhabe und Pflege
(Bitte gut leserlich ausfüllen)
Name: _______________________________________
Vorname: ____________________________________
Einrichtung: ___________________________________
_____________________________________________
Anschrift: ____________________________________
_____________________________________________
_____________________________________________
_____________________________________________
Telefon: ______________________________________
Fax: _________________________________________
E‐Mail (d. TN): _________________________________
_____________________________________________Ort / Datum / Unterschrift
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Programm
9.00 Uhr Anmeldung und Kaffee
9.30 Uhr Begrüßung und Einführung Domkapitular Karl‐Ludwig Hundemer
9.45 Uhr Neue bundesrechtliche Rahmenregelungen für Pflege und Behinderung. Koalitionsvereinbarungen zum SGB XI und SGB XII ‐ endlich ein „Gesamtkonzept“? Prof. Dr. jur. Wolfgang Schütte
10.45 Uhr Pause
11.00 Uhr Behinderung und Pflegebedürftigkeit ‐ fachlicher Anspruch an der Schnittstelle von Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflegeversicherung Dr. phil. Monika Seifert
12.00 Uhr Mittagspause
12:45 Uhr Vorstellung der Praxismodelle 1. Einzelfallbeispiele (André Völlers)2. Praxiserfahrungen aus einer Wohngemeinschaft
für Menschen mit schweren Behinderungen underhöhtem Pflegebedarf (Dagmar Kossack)
3. Ambulant betreute Wohngemeinschaften inKettig und St. Sebastian (Dr. Alfred Marmann)
4. Schädel‐Hirn‐Verletzte Menschen in derstationären Pflege (Christian Hassa)
5. Binnendifferenzierung ‐ einewürttembergische Spezialität (Thomas Weiler)
13.45 Uhr World‐Café zu den 5 Praxismodellen (je 30 Minuten, 1x Wechsel)
14.45 Uhr Pause
Programm - Fortsetzung
15.00 Uhr Präsentation der Ergebnisse des World‐Cafés und Kommentierung auf dem Hintergrund des Diskussionsstandes in den Fachverbänden Antje Welke
16.00 Uhr Schlusswort und Klärung der Weiterarbeit Domkapitular Karl‐Ludwig Hundemer
Moderation: Dr. Bernd Kettern
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Referent/inn/en (alphabetisch): Christian Hassa, Altenzentrum St. Bonifatius,Limburgerhof, Einrichtungsleiter
Karl‐Ludwig Hundemer, LIGA‐KommissionBehindertenhilfe und Psychiatrie, Vorsitzender
Dr. Bernd Kettern, Caritasverband für die Diözese Trier,Trier, Caritasdirektor
Dagmar Kossack, Lebenshilfe Mainz‐ Bingen, Mainz,Geschäftsführerin
Dr. Alfred Marmann, Förder‐u.Wohnstätten Kettig,Kettig, Geschäftsführer
Prof .Dr. Wolfgang Schütte, Hochschule für angewandteWissenschaften, Hamburg, Sozialrechtswissenschaftler
Dr. Monika Seifert, Deutsche HeilpädagogischeGesellschaft, Berlin, Vorsitzende
André Völlers, Gemeinschaftswerk für beh. MenschenLandstuhl, Gesamtleiter Haus im Westrich Kusel
Thomas Weiler, Diakonie Stetten e.V., Kernen‐Stetten,Leiter Strategie‐ und Projektentwicklung
Antje Welke, Bundesvereinigung der Lebenshilfee.V., Marburg, Leiterin der Abteilung 2 ‐ Konzepte und Recht
Menschen mit Behinderungen ‐ zwischen Teilhabe und Pflege
Das Verhältnis zwischen der Eingliederungshilfe und der Pflege ist seit Jahren Thema von Ab‐grenzungsfragen, sowohl aus sozialrechtlicher wie fachlicher Sicht.
Die Zunahme der Zahl behinderter Menschen oder Menschen mit psychischer Beeinträchti‐gung und einem steigenden Bedarf an Pflege‐leistung wird dabei auch als erheblicher Kos‐tenfaktor der Eingliederungshilfen diskutiert.
Es gibt deutliche Bestrebungen auf Kostenträ‐gerseite, den Status behinderter Menschen, die Eingliederungshilfe nach SGB XII erhalten, um‐zudefinieren auf Leistungen der Pflegeversiche‐rung nach SGB XI: Menschen mit Behinderun‐gen werden immer häufiger in Pflegeeinrich‐tungen untergebracht. Einrichtungen der Ein‐gliederungshilfe wiederum sind verpflichtet, bei hohem Pflegebedarf entsprechende Pflege‐fachkräfte vorzuhalten ‐ womit sich gleichzeitig die Frage der Finanzierung stellt.
Es stellt sich die Frage: Was ist zum Wohl und im Interesse der Betroffenen angemessen und richtig?
Die Fachtagung will die Schnittmengen der Hilfen beleuchten und beitragen
zu einer Positionsfindung / Positionsklärung für Verbände und Leistungserbringer.
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PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-PfalzLIGA-Fachtag, Freitag, 11. Juli 2014
Landesmuseum Mainz„Menschen mit Behinderungen – zwischen
Teilhabe und Pflege“
Neue bundesrechtliche Rahmenregelungen für Pflege und Behinderung.
Koalitionsvereinbarungen zum SGB XI und SGB XII – endlich ein „Gesamtkonzept“?
Wolfgang SchütteHamburg
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1. Einführung: Zwischen Teilhabe und Pflege2. Menschen in und zwischen Organisationen: Folgen eines
gegliederten Sozialleistungssystems3. Rechtssystematik und Schnittstellen4. Reformpolitiken5. Thesen: Kooperationen gestalten, Konkurrenzen reduzieren!
PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
Gliederung
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• Behindertenhilfe und Pflegeversicherung• Schnittstellen im Gesetz• Strategien der Sozialhilfeträger• Reformpolitiken an 2 (3) Enden
PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
1. Einführung: Zwischen Teilhabe und Pflege
3
• Bismarcks unabsichtlich weitsichtige Entscheidung• Moderne: Arbeitsteilung und Mobilität, Funktionsverluste der Primärsysteme
und wachsende individuelle Wahlfreiheit, Menschen in unterschiedlichenBezügen,
• Systeme in einer ausdifferenzierten Gesellschaft: Selbstbezüglichkeit,unterschiedliche Handlungslogiken
• Dienstleistungskonzepte: Paternalistische Rundumversorgung(„Ganzheitlichkeit“) vs. Klientengerechte Dienstleistung
• Individuelle Bedürfnisse nach Sicherheit und personaler Beziehung• Professionalisierungen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten• Rechtskonzepte:
– Ungleichzeitigkeiten: Fürsorgelogik vs. Versicherungslogik, Ver-Sorgungvs. Be-Rechtigung
– Leistungsdreieck, wer steuert was?– Folgeprobleme: Schnittstellen und ihre Überbrückung
PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
2. Menschen in und zwischen Organisationen
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.
3. Rechtssystematik und SchnittstellenSozialrechtliches Leistungsdreieck EGH:
5PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
Leistungsberechtigte
Leistungsanbieter: Kliniken, Heime,
Einrichtungen, DiensteSozialleistungsträger: Sozialhilfe- und
Jugendhilfeträger….
Leistungsverschaffungsverhältnis (SGB XII+SGB I, IX, X): Finanzierung
und Qualitätssicherung über Vereinbarungen (Verbände)
Erfüllungsverhältnis(Privatrechtliches Vertragsverhältnis):
Durchführungsverantwortungund Gestaltungsfreiheit
bei Sozial- und Gesundheitsunternehmen in gesetzl.
Rahmen (Ordnungsrecht, WBVG+“Heim“G‘e; SGB I, XII, IX)
Sozialrechtliches Grundverhältnis
(SGB XII+SGB I, IX, X): Zugang zur Leistung,
Leistungsanspruch definieren, Bewilligungsverfahren,
Finanzierung
.
Sozialrechtliches Leistungsdreieck: erweitert (Pflege/Gesundheit)
6PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
Leistungsberechtigte
Leistungsanbieter: Kliniken, Heime,
Einrichtungen, DiensteSozialleistungsträger: Sozialhilfe- und
Jugendhilfeträger….
Leistungsverschaffungsverhältnis
Erfüllungsverhältnis(Privatrechtliches Vertragsverhältnis):
Sozialrechtliches Grundverhältnis Professionali-
sierung:Berufs-Organisationen, Kammern, fachliche Standards
Assessment: Externe Gutachter (MDK)
Verbraucher-schutz
Zulassung der Einrichtungen zum Markt
Angehörige
Bundeseinheitliche Regeln/Gremien:- Leistungen,-Qualität,-Finanzierung
Ordnungsrecht: Heimgesetze
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a) „Pflege ist mehr“: • „Grundpflege“ alter, chronisch kranker und behinderter Menschen (SGB XI) erfasst nur
einen Teil der „Pflege“;• wichtige weitere Teile sind med. Akutversorgung und Versorgung chronisch Kranker
(SGB V);• Rehabilitation und Teilhabeförderung für die Pflege eher drittrangige Aufgabe.
b) „Eingliederungshilfe ist mehr“: dreifache sozialrechtliche Aufgabe• letztes Netz für medizinische und berufliche Reha, die durch vorrangige Leistungen
weitgehend abgedeckt sind• Überlappungen bei Teilhabeleistungen: Arbeit (Werkstätten) und Bildung (Schule)• Hauptzuständigkeit im Bereich sozialer Teilhabe i.e.S.: Wohnen, soziale Kontakte,
Partizipation im Gemeinwesenc) Beide Teilsysteme des Sozialrechts haben sozialpolitisch-sozialrechtliche
„Identitätsprobleme“:• Unsicherheiten in der Ziel- und Feldbeschreibung• Schwierigkeiten bei der Identifikation der Fachlichkeit (Professionalisierung)• „Starker Seitenwind“ bei Reformen
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Sozialrechtliche Annäherungen: SGB XI und SGB XII
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Erfolglose Koordinierungsbemühungen: – Ziele: Vermeidung von Pflegebedürftigkeit Gebot des Reha-Rechts, Klare Abstufung:
Prävention und Reha vor Pflege, §§ 4, 26, 55 SGB IX, § 5 SGB XI, Ressourcenerhalt durch „Aktivierung“, § 28 Abs. 2 SGB XI, Anreiz für das Erreichen
niedrigerer Pflegestufen, § 87a IV– Leistungsrechte: verordnetes Nebeneinander § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB XI („Leistungen der Eingliederungshilfe bleiben
unberührt“) Aber: Leistungseinschränkungen bei stationärer Eingliederungshilfe mit Pflege: §
43a SGB XI– Stationäre Hilfen: Einrichtungsbezogener Ansatz, §§ 13 Abs. 3, 43a SGB XI– Beratungs-Infrastruktur: Pflegestützpunkte und Gemeinsame Servicestellen parallel,
– Budgets: Rechtskonstruktionen uneinheitlich– Reha und Pflege:
Gut gemeinte Brückenvorschriften: Versuche einer personenbezogenenHilfekoordination, Appelle zur Zusammenarbeit ohne Rechtsfolgen, § 13 Abs. 4SGB XI, §§ 10-14 SGB IX Pflegekassen sind keine Rehaträger, § 5 SGB XI
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Schnittstellen im Sozialrecht: SGB XI – SGB XII, EGH
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(Pflegestatistik 2013, DESTATIS 2011/2012/2007, BAGüS 2009)
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4. ReformpolitikenLeistungsberechtigte Personengruppen: SGB XI und XII
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ca. 740.000 vollstationäre Pflege
820.000 EinglH
Eingliederungshilfe:• Leistungsbezieher 2012: ca.
820.000 (2007: 670.000)• in Einrichtungen: 528.000• außerhalb von Einrichtungen:
377.000• geringe Fluktuation, 43%
Langzeitbezieher (5 J. +)• 436.000 Hilfe zur Teilhabe
am Leben in derGemeinschaft
• 282.000 Erwachsenebeziehen Wohnhilfen, davon• 192.000 vollstationär• 92.700 ambulant
• Werkstätten: ca. 233.500,Tagesförderung: ca. 19.200
• Schulbildung: ca. 47.000
Pflege, SGB XI•Leistungsberechtigte im SGB XI: ca. 2,5Mio.
• vollstationäre Pflege: 730.000•ca. 74.000 beziehen Pflegeleistungen invollstationären Einrichtungen derBehindertenhilfe (§ 43a SGB XI)
.
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Leistungsberechtigte in der EingliederungshilfeDestatis 2007
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Proportionen von Pflegeversicherung (SGB XI) und Eingliederungshilfe (SGB XII):a) Verhältnis der Leistungsberechtigten: ca. 3 : 1
b) Verhältnis vollstationärer Plätze ca. 3,5 : 1
c) Überlappungen: ca. 200.000 Leistungsberechtigte
d) Sonderregelung im Schnittbereich stationäre Behindertenhilfe für ca. 70.000 (§ 43aSGB XI: 256 €/Monat)
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Leistungsberechtigte Personengruppen: SGB XI und XII
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Finanzen
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SGB XI: Ausgaben (Leistungen) 2012 (Pflegestatistik BMG)
23,4 Mrd., davon:
• ambulant 11,1
• stationär 10,8
Eingliederungshilfe, 2007: 11,9 Mrd., davon:•0,06 med. Reha•3,2 Werkstätten•0,2 T.a.Arbeitsl.•7 ,0 Teilh.a.L.i.d.G.2008: 12,4 Mrd.2011: 14,4 Mrd.,12,3 stationär
Hilfe zur Pflegeca. 3,6 Mrd.
H.z.Gesundheit
Haushaltshilfen
Sozialhilfeausgaben 2011•Insgesamt 25,0 Mrd.•HLU und Grundsicherung: 6,0 Mrd.
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Systemvergleich Pflege - Teilhabeförderung
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7.Personal
6.Bürgerstatus: Berechtigung
4.Steuerungs-
möglichkeiten
3.Konzept
1.Personen
2. Finanzen
8.Lernchancen
5.Märkte
1. Leistungsrechte: Leistungserschließung2. Leistungsrechte: Leistungssteuerung3. Leistungsrechte: Rechtskontrolle4. Finanzierung5. Gewährleistung: Sicherung der Infrastruktur6. Leistungserbringer: Einrichtungen, Dienste und Familien7. Leistungserbringungsrecht8. Schnittstellen im Sozialrecht: Erfolglose
Koordinierungsbemühungen9. Zusammenfassung: Sozialrechtliche Konsistenz im SGB
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Strukturvergleich SGB XI – SGB XII, EGH
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1. Leistungsrechte: Leistungserschließung
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Strukturvergleich SGB XI – SGB XII, EGH
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Pflegeversicherung Eingliederungshilfe
Antragstellung § 33 Abs. 1 SGB XI § 18 SGB XII, Bekanntheit§ 14 SGB IX, Weiterleitung
Beratung•Aufgabe der LTr•Aufgabe derLanbieter/Verbände
SGB I, §§ 13 ffSGB XI, PflegeberatungSGB XI, Pflegestützpunkte
SGB I, §§ 13 ffSGB IX, § 22, ServicestellenSGB XII, Beratung und Aktivierung, § 11 SGB XII, einschl. BudgetB, Verbände
Bedarfsermittlung „Pflegebedürftigkeit“, NBAMDK-Begutachtung
„60 verschiedene Bedarfsermittlungssysteme“(DV 2009), Gesamtplan, teilw. Bedarfsgruppen
Leistungsbescheid Pflegekasse: Stufen (max. Leistungsvolumen), Begründung auf Anfrage
SHT, teilweise Amtshilfe durch Gesundheitsämter, Begründung auf Anfrage
Schnittstellen geregelt „Reha vor Pflege“,Abgrenzung zur med. KPfl
Reharecht: verordnete Kooperation der Reha-Tr. nach §§ 10 ff SGB IX,
2. Leistungsrechte: Leistungssteuerung durch Leistungsträger
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Strukturvergleich SGB XI – SGB XII, EGH
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Pflegeversicherung Eingliederungshilfe
Leistungskonzept Starres Konzept,Begrenzt budgetfähig, Gutscheine
Offener Katalog, Gestaltungsermessen, Budgets möglich
Fallsteuerung durch Leistungsträger
Geringe Steuerung (Höherstufung), Pflegeberatung, Pfl-Stützpunkte
Leistungsabsprache § 12 SGB XII,Hilfeplanung, § 58 SGB XII
Qualitätssteuerung, Verbraucherschutz,Nutzerschutz
Marktinformation durch LTr.,Familienpfl: (-),Amb. Pfl: rudimentär, Zulassung der Einrichtungen: StrukturQ, neuerdings QPr („HeimTÜV“)Stat. Pfl: „Heimrecht“,
Familienbetreuung: (-), Berichtspflicht?Verbände?„Heimrecht“
Schnittstellen geregelt Abgestimmte Qualitätsprüfungen MDK+Heimaufsicht
Reharecht: §§ 10 ff SGB IX, unverbindlich
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4. Politische Steuerung
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Pflege Teilhabeförderung
Verantwortungsebene Zentralstaat Kommunen
Politische Einbindung Zentralstaatliche Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
Kommunale Daseinsvorsorge
Verfassungsrechtliche Vorgaben (BVerfG)
Neuere Entscheidungen•Zentralstaatliche Lösung alsPflichtversicherung möglich,•FamiliengerechtesBeitragssystem,•MenschenwürdigeMindestsicherung bei Krankheit
Letzte einschlägige Entscheidung 1975:•MenschenwürdigeMindestsicherung,•Gleichheitsgebot
Einnahmen: Ressourcenquellen
Bürgerversicherung (Sozialhilfe) Gemeindliches Steueraufkommen
Einfluss auf Leistungserbringung
• Zulassungskriterien klar,• Dichtes LeistungserbringungsR• Preisfindungsverfahren geklärt
BSG,• Qualitätssicherungsversuche
bürokratisch top-down, partiell
• Örtliche Korporatismen,• Leistungserbringungsrecht
teilweise unklar,• Preisfindung mit
Zufälligkeiten• Unklare Qualitätskriterien
Politisierungschancen „Pflegenotstand“ Kommunale Finanzkrise, UN-Konvention
6. Leistungserbringer: Einrichtungen, Dienste und Familien
PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
Strukturvergleich SGB XI – SGB XII, EGH
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Pflegeversicherung Eingliederungshilfe
Einrichtungen, stat. WahlfreiheitZulassungsverfahrenLeistungsvereinbarungen
Wahlfreiheit im Rahmen des Fürsorgerechts,Leistungsvereinbarungen
Dienste WahlfreiheitZulassungsverfahrenLeistungsvereinbarungen
Wahlfreiheit im Rahmen des Fürsorgerechts,Leistungsvereinbarungen
Familien „Familien sind der größte Pflegedienst“ (N. Blüm), Teilleistungskonstruktion, Mitfinanzierung über Eigenmittel und Fürsorge
Selbsthilfe vorrangig, Einkommensabhängigkeit gegenüber eigenen Mitteln von Grund auf, modifizierte Unterhaltsverpflichtung
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9. Zusammenfassung: Sozialrechtliche Konsistenz im SGB?
PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
Strukturvergleich SGB XI – SGB XII, EGH
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Pflegeversicherung Eingliederungshilfe
Typus •Eigener Zweig derSozialversicherung: typisierteeinkommensunabhängigeLeistungen
•mit ergänzendereinkommensabhängigerFürsorgeleistung: HzPfl im SGBXII
•PflV kein Reha-Träger § 5 SGB IX
•Fürsorge: Hilfe zur Selbsthilfe,subsidiär zu eigenen + familiärenRessourcen, einkommensabhängig,bedarfsbezogen
• im Rahmen des vereinheitlichtenReha-Verfahrensrechts, SGB IX, Teil 1
SGB-Bücher •SGB XI•SGB XII HzP•Überschneidungen zum SGB V
•SGB XII• im Rahmen des SGB IX,•Überschneidungen mit SGB VIII•nachrangig zu Leistungen des SGB II,III, V, VI, VII
Verfahren •Externes fachliches Assessment:MDK
•Assessment und Belegung durchLeistungsträger
9. Zusammenfassung: Sozialrechtliche Konsistenz im SGB?
PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
II. Strukturvergleich SGB XI – SGB XII, EGH
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Pflegeversicherung Eingliederungshilfe
Reformoptionen aus der Sicht des Sozialrechts
•Neues Bedarfsassessment,•Neues, flexibleresLeistungskonzept,
•Klientennähere undortsnähereLeistungssteuerung
•Integration der SGB XI- undSGB XII-Pflege-Leistungen
•Nachhaltige Finanzierung•Vertrauen in eine neue„Profession Pflege“
•Erweiterung vorrangigerLeistungssysteme für med.und berufl. Reha,
•Eigenes Leistungsgesetzzur sozialen Teilhabe imSGB IX, Fürsorge striktsubsidiär
•Finanzbeteiligung desBundes unter Einbeziehunganderer Nachteilsausgleiche
•EinheitlichesBedarfsbemessungsschema
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1. Individuelle Kumulation von persönlichen Risiken/Belastungen
Gesundheitsrisiken (incl. Pflege) und Risiken bei der sozialen Teilhabe treffen häufigzusammen. D. h. viele Menschen sind – gemessen an den sozialgesetzlichenVoraussetzungen – sowohl chronisch krank als auch pflegebedürftig als auch behindert– und damit in mehrfacher Hinsicht leistungsberechtigt.
2. „Gegliedertes System sozialer Sicherung“
Der Zugang zu verschiedenen Hilfesystemen ist Teil der gesellschaftlichen Teilhabe. Ander internen rechtlichen Gliederung des dt. Sozialsystems ist wenig zu ändern:Historischer „Pfad“. Die integrativen Kräfte sind schwach, die politischen undministeriellen Zuständigkeiten sind zersplittert.
3. Die fachwissenschaftlichen Konzepte bewegen sich aufeinander zu.
Medizin, Pflege und Soziale Arbeit: alle berücksichtigen auf ihre Weise bio-psycho-soziale Aspekte, alle möchten „ganzheitlich“ arbeiten –auf ihre Weise!Kooperationschancen und –Notwendigkeiten wachsen.
PROF. DR. WOLFGANG SCHÜTTEFAKULTÄT WIRTSCHAFT & SOZIALES
Thesen: Kooperationen gestalten, Konkurrenzen reduzieren
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4. In einem vernetzten Sozialleistungssystem sollten die Rückwirkungen vonVeränderungen in einem Teilsystem auf andere Teilsysteme bedacht undbearbeitet werden. Kein Drama! Oft wird durch Rechtsprechung nachgesteuert.
Rückwirkungen eines erweiterten Bedarfskonzepts in der Pflegeversicherung sind für die Sozialhilfe doppelt folgenreich: als „letztes Netz“ (nachrangige „Hilfe zur Pflege“) und als erstzuständiges Nachbarsystem („Eingliederungshilfe“: Teilhabe an der Gesellschaft). PflegeV zeigt, dass das leistbar ist.
5. Die Pflegeversicherung ist dabei, einen „Lernprozess“ zu vollziehen.
Sie ist sichtbar innovativ. Außerdem ist sie – im Verhältnis zur Eingliederungshilfe - dasweitreichendere Hilfesystem (Leistungsberechtigte) mit sichereren Finanzgrundlagen(Sozialversicherung), einer höheren politischen Akzeptanz („Standardrisiko“) undhöheren Steuerungspotentialen im eigenen Gelände (Bundeskompetenz –Finanzsteuerung).
- Das NBA ist der gelungene Versuch, Erkenntnisse zum Zusammenhang vonKrankheit, Hilfsbedürftigkeit und Bedürfnissen nach sozialer Interaktion in ein modernesBedarfsbemessungsschema zu gießen. Die rechtliche Zuweisung von Pflegehilfen wirddadurch transparenter und sachgerechter.
– Zwischenlösung: Betreuungsleistungen nach §§ 45a ff SGB XI
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Thesen: Kooperationen gestalten, Konkurrenzen reduzieren
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6. Die Pflegereform und das NBA sind für Leistungsberechtigte derEingliederungshilfe günstig.
Denn sie weiten den über Sozialversicherungsleistungen gewährten Gesundheitsschutzgenerell und insbesondere für diese Personengruppe aus. „Inklusion“ in derEingliederungshilfe als Arbeitsprinzip kann hier nur bedeuten: alle vor der Sozialhilfe(Fürsorge) vorrangigen Leistungen allen Berechtigten, auch Menschen mitBehinderungen, verfügbar zu machen.
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Thesen: Kooperationen gestalten, Konkurrenzen reduzieren
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7. Systematisch und politisch schwierig sind die Nebenfolgen aus dem NBA für dieEingliederungshilfe aus Gründen, die in problematischenKonstruktionsmerkmalen der Eingliederungshilfe liegen, nicht in solchen derPflegeversicherung:
• Das Hilfesystem Eingliederungshilfe ist notorisch und aktuell unter Stress; es istwahrscheinlich, dass es jede politische Chance nutzt, die eigenenFinanzierungsschwächen zu bewältigen (Rechtsanspruch dem Grunde nach,Leistungsgestaltung nach Ermessen; Ausgabendynamik durch Fallzahlsteigerungen;rechtliche Nachrangkonstruktion; kommunale Finanzverantwortung in Zeiten derFinanzkrise….).
• Reformpolitisch nötig ist eine politische Bremse, damit die kommunalenSozialhilfeträger nicht das NBA nutzen, um sich teilweise aus der Verantwortung fürTeilhabeleistungen zu verabschieden. Dies kann nur gelingen, wenn diese kommunaleAufgabe zentralstaatlich trennscharf beschrieben wird .
• Ein Instrument dazu könnte sein: Leistungsgesetz zur sozialen Teilhabe im SGB IX incl.eines einheitlichen Bedarfsbemessungssystems + fürsorgeunabhängigerbundesfinanzierter Grundleistungen (unter Einschluss anderer Nachteilsausgleiche)
• …gekoppelt mit einem Gemeinsamen Bundesausschuss Rehabilitation (analogGemeinsamer Bundesausschuss GBA im SGB V), der die leistungsrechtlichenSchnittstellen/Verantwortlichkeiten im Reha-Recht verbindlich klärt.
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Thesen: Kooperationen gestalten, Konkurrenzen reduzieren
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8. Positive Reaktionen aufseiten der Leistungsträger und Leistungsanbieter derEingliederungshilfe könnten sein:– Sich orientierend und kritisch mit den weiter entwickelten Konzepten der
Bedarfsbemessung, der Leistungszumessung und der fachlichen Steuerung im„Nachbarsystem“ auseinandersetzen.
– Pflegeleistungen in das eigene Angebot, Pflegefachkräfte in die eigene Belegschaftintegrieren. Verträge mit den Leistungsträgern der Pflege anstreben. DerenFachstandards beachten.
– Verantwortung für die ihnen anvertrauten leistungsberechtigten Personenübernehmen: Beratung, Begleitung, Erschließung sozialer Unterstützungsangebote,Hilfekoordination….
9. Positive Reaktionen aufseiten der Leistungsträger und Leistungsanbieter im SGBXI/SGB V könnten sein:– Rehabilitationsleistungen in das eigene Angebot integrieren– Fachkräfte der sozialen Arbeit in die eigene Belegschaft aufnehmen.– „Reha-freundliche“ Verträge mit den Leistungsträgern der Eingliederungshilfe und
anderer Reha-Träger anstreben.– Als Leistungsträger vor Ort einheitliche kooperations- und entscheidungsfähige
Organisationen aufbauen und mit Entscheidungskompetenz ausstatten.– Annexleistungen §§ 26, 33 SGB IX anbieten und die Finanzierung erstreiten er
Schiedsstellen (neuerdings über Schiedsstellen möglich).
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Thesen: Kooperationen gestalten, Konkurrenzen reduzieren
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10. Zur Ausgangsfrage zurück: Ein systemübergreifendes Gesamtkonzeptbei Rehabilitation und Teilhabe ist nicht in Sicht – und vielleicht gar nichtwünschenswert. Das Leitbild des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabebehinderter Menschen) ist nach wie vor aktuell: ein bedarfsbezogenes, finalausgerichtetes Zusammenwirken verschiedener Reha-Leistungsträger,Leistungsanbieter und Professionen – auf der Basis partizipativ ausgestalteterVerfahren (Autonomieprinzip).Die Energien der Behindertenhilfe sollten sich darauf richten:- Leistungen zur med. Reha und Pflege sowie Leistungen zur Teilhabe an
Arbeit allen Berechtigten zu erschließen („sozialrechtliche Inklusion“)- das fachliche Profil der gesellschaftlichen Teilhabeförderung zu schärfen
(aktive Professionalisierung, Expertise zur sozialen Teilhabe entwickeln, einschließlich Sozialraum- und Quartiersentwicklung und Stadtplanung)
- dazu beizutragen, dass aus einem konkurrenzbetonten Nebeneinander von verschiedenen Leistungssystemen und Professionen und finanziell motivierten „Verschiebebahnhöfen“ ein multiprofessionelles Kooperationsgefüge entsteht.
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Thesen: Kooperationen gestalten, Konkurrenzen reduzieren
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Behinderung und Pflegebedürftigkeit
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Dr. Monika Seifert
Fachlicher Anspruch an der Schnittstelle von Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflegeversicherung
LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (2)Dr. Monika Seifert
Überblick
Schnittstellenproblematik zwischen Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung
Verortung der Ziele der Leistungssysteme in der UN-Behindertenrechtskonvention
Kernelemente des neuen Begutachtungs-assessments NBA
Blickrichtung von NBA und ICF im Vergleich
Recht auf Teilhabe
Zusammenfassende Einschätzung und Perspektiven
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LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (3)Dr. Monika Seifert
Aktuelle Entwicklungen
Schnittstelle von Eingliederungshilfeund Pflege – ein „Dauerbrenner“
Anstieg der Zahl behinderter Menschen in Pflegeeinrichtungen – fiskalische Gründe
Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs– Verschärfung der Abgrenzungsproblematik
Erfordernis: Präzisierung des fachlichen Anspruchs einer teilhabeorientierten Pro-fessionalität im Kontext von Eingliederungs-hilfeleistungen
LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (4)Dr. Monika Seifert
Neues Begutachtungs-assessment (NBA)
Meilenstein auf dem Weg zu einer differenzierten Betrachtung der Lebenslage von pflegebedürftigen Menschen
Einbeziehung von Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz und psychischen Problemlagen
Betreuung als 3. Säule der Pflegeversicherungneben Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung
Sorge der Behindertenhilfe: Verstärkung der „Verschiebe-Praxis“ – insbesondere bei schweren Behinderungen
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Bezug der Pflegeversicherung zur UN-BehindertenrechtskonventionArt. 25 BRK „Gesundheit“
Ziel: „weitere Behinderungen möglichst gering zu halten“
§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB XI
Ziel: „die körperlichen, geistigen undseelischen Kräfte derPflegebedürftigen wieder zu gewinnenoder zu erhalten“
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Bezug der Eingliederungshilfe zur UN-BehindertenrechtskonventionArt. 26 BRK „Habilitation und Rehabilitation“
„Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren“(vgl. Art. 25, Art. 27, Art. 24, Art. 19b,c BRK)
§ 53 Abs. 4 SGB XII i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX
Ziel der Leistungen zur Teilhabe: „die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern“
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NBA: Struktur
Zweck: Ermittlung von Leistungsansprüchen durchumfassende Abbildung von Pflegebedürftigkeit( keine Erfassung des Pflege- oder Hilfebedarfs)
Bezugspunkt: Selbständigkeit / personelle Abhängigkeit
Inhalt: Acht Module
Operationalisierung: Schlüsselitems je Modul-Teilbereich
Ausmaß Pflegebedürftigkeit: Punktwerte in Teilbereichen
Auswertung: Fünf Pflegegrade (Grad der Selbstständigkeit)jeweils Schwellenwerte zugeordnet
- PG 1: geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- PG 2: erhebliche Beeinträchtigung …
- PG 3: schwere Beeinträchtigung …
- PG 4: schwerste Beeinträchtigung …
- PG 5: Besondere Bedarfskonstellation
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NBA: Module
1. Mobilität2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
4. Selbstversorgung
5. Umgang mit krankheits-/therapiebedingtenAnforderungen und Belastungen
6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialeKontakte
7. Außerhäusliche Aktivitäten
8. Haushaltsführung
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Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Kognitive Fähigkeiten Personen aus näherem Umfeld erkennen Örtliche und zeitliche Orientierung Gedächtnis Mehrschrittige Alltagshandlungen ausführen Entscheidungen im Alltagleben treffen Sachverhalte und Informationen verstehen Risiken und Gefahren erkennen
Interpersonelle Kommunikation Mitteilung elementarer Bedürfnisse Aufforderungen verstehen Beteiligung an einem Gespräch
ICF (WHO)Bezugspunkt:
Teilhabe (Partizipation)
NBA (IPW)Bezugspunkt:
Selbstständigkeit
Lernen und Wissensanwendung (einzelne Aspekte in Modul 2)
Allgemeine Aufgaben und Anforderungen
(einzelne Aspekte in Modul 6)
Kommunikation Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte (M6)Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (M2)
Mobilität Mobilität (M1)
Selbstversorgung Selbstversorgung (M4)Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (M5)
Häusliches Leben Haushaltsführung (M8)
Interpersonelle Interaktion und Beziehungen
Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte (M6)
Bedeutende Lebensbereiche (Bildung, Arbeit, wirtschaftliches Leben)
Außerhäusliche Aktivitäten (M7)
Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben
Außerhäusliche Aktivitäten (M7)
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Gesundheits-Problem
WHO: Menschenbild (ICF)
LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (12)Dr. Monika Seifert
UN-BRK: Behinderungsbegriff
Behinderung entsteht aus der Wechselwirkung zwischen Menschenmit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbezogenen Barrieren, diesie an der vollen, wirksamen und gleich-berechtigten Teilhabe hindern. (Präambel lit. e)
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LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (13)Dr. Monika Seifert
NBA: Menschenbild
„Mensch als selbstständig handelndes Subjekt“(vgl. ICF)
Kriterium für Pflegebedürftigkeit defizitorientiert: Ausmaß der Einschränkung der Selbstständigkeit (Skala: keine – gering – erheblich – schwer – Selbstständig-keitsverlust)
Verlust der Selbstständigkeit: i. d. R. alters- oder krankheitsbedingt
Fokussierung auf Selbstständigkeit lässt außer acht, dass Menschen mit kognitiver und mehrfacher Behinderung einen weiteren, vor allem qualitativ anderen Hilfebedarf haben als die Kompensation von Beeinträchtigungen
LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (14)Dr. Monika Seifert
Recht auf Teilhabe (1)Teilhabe an Bildung ICF: „Lernen und
Wissensanwendung“
NBA: nur wenige Berührungspunkte
Modernde Pflegewissenschaft:fähigkeitsorientierte-fördernde Pflege
Unterschiede zwischen Pflege und Pädagogik im
Denkansatz: „Es macht einen Unterschied, ob man schwere Behinderung vom Pflege- und Hilfebedarf oder der Teilhabe an Kultur und von den Fähigkeiten zur Lebensgestaltung aus denkt, weil es zu einer anderen Gewichtung der notwendigen Unterstützungsmaß-nahmen und letztendlich zu einer anderen Praxis führt.“
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LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (15)Dr. Monika Seifert
Recht auf Teilhabe (2)
Teilhabe am sozialen Leben ICF: „Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen “
„Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben“
NBA: „Gestaltung des Alltagslebens und Soziale Kontakte“„Außerhäusliche Aktivitäten“
Teilhabeorientierte Pädagogik:Sozialraumorientierung, Erschließen von sozialen undkulturellen Ressourcen im Gemeinwesen
Inklusion wird realisiert, wenn Menschen mit Behinderungen soziale Rollen wahrnehmen, die die Gemeinsamkeit von Menschen mit und ohne Behinderung dokumentieren.
LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (16)Dr. Monika Seifert
Recht auf Teilhabe (3)
Teilhabe im Alter Herausforderungen des demografischen Wandels
Prämisse: „Menschen mit Behinderung sollen im Alter, solange es möglich und gewünscht ist, in ihrer Wohnung oder zumindest in ihrem gewohnten Wohnumfeld verbleiben können. Dazu müssen Unterstützer ihre Dienste und Angebote an die Bedarfe ihrer Klienten in ihrer Häuslichkeit anpassen.“
Erfordernis: strukturelle Veränderungen individuelle Hilfearrangements
Aufgabenspezifische Vernetzung der Hilfesektoren(Behindertenhilfe, Altenhilfe, Gesundheitsversorgung)
Einbeziehung der persönlichen sozialen Netzwerke und derallgemeinen Angebote in den Gemeinden
(vgl. Dieckmann et al. 2013)
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LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (17)Dr. Monika Seifert
Zusammenfassende Einschätzung aus pädagogisch-fachlicher SichtUnterschiede der Leistungssysteme
Ausrichtung: Selbstständigkeit vs. Teilhabe
Sichtweise: aktivitätsbezogenes vs. mehrdimen-sionales Menschenbild
Verankerung in der UN-BRK: Gesundheit vs. Habilitation/Rehabilitation
Kernaufgaben der Mitarbeitenden: Erhalt bzw. Kompensation von Fähigkeiten zur selbstständigen Alltagsbewältigung vs. Empowerment für eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung und die Einbeziehung in die Gemeinschaft/Gesellschaft
LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (18)Dr. Monika Seifert
Perspektiven
Pflege und Pädagogik sind bei der Gestaltung des Alltags von Menschen mit Behinderung eng miteinander verknüpft. Pflegebedürftige Menschen mit Behinderung benötigen beides – und beides auf qualitativ hohem Niveau.
Eine einseitige Ausrichtung der Betreuung bzw. Begleitung auf der Basis des erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriffs beeinträchtigt die Teilhabechancen von Menschen mit Behinderung.
Perspektivisch ist ein einheitliches partizipativ angelegtes Begutachtungsverfahren zur Feststellung des teilhabe-bezogenen Unterstützungsbedarfs von Menschen mit Behinderung auf der Basis der ICF und der UN-BRKzu entwickeln.
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LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (19)Dr. Monika Seifert
Danke
für Ihre Aufmerksamkeit
LIGA Rheinland-Pfalz, 11.07.2014 (20)Dr. Monika Seifert
Empfehlungen des NBA-Expertenbeirats zur Psychosozialen Unterstützung
Ergebnisse von Fallstudien zum NBA zeigen Erweiterungsbedarf in folgenden Bereichen:
Hilfen im Bereich der verbalen/schriftlichen Kommunikation undNutzung von technischen Hilfen zur Kommunikation
Unterstützung im Bereich Beschäftigung
Orientierungshilfen, Anleitung im Alltag, Tagesstrukturierung
Kognitiv fördernde Maßnahmen
Emotionale Entlastung, Förderung positiver Emotionen;Ansprache zum allgemeinen Abbau psychischer Spannungen
Interventionen zur Verhinderung von Risikosituationen –herausfordern-des Verhalten – Umgebungsbedingte Gefahrenoder spezielle Risiken
Präsenz ohne direkte Unterstützung(Wingenfeld & Gansweid 2013)
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André Völlers: Schnittstelle Eingliederungshilfe/Pflege (3 Praxisbeispiele)
Beispiel 1 Bei einer alleinlebenden Frau, die bisher berufstätig war, machten sich im Alter von 51 Jahren motorische Einschränkungen bemerkbar. Diese verstärken sich in den Folgejahren soweit, dass sie im häuslichen Bereich zunehmend auf die Assistenz im hauswirtschaftlichen und auch grundpflegerischen Bereich angewiesen war. Diese Assistenz wurde zunächst und schrittweise zunehmend von Angehörigen (Sohn, Tochter, Schwester) und morgens durch einen ambulanten Dienst sichergestellt. Im Alter von 56 Jahren stellte die kognitiv vollständig orientierte Frau dann einen Aufnahmeantrag in die Tagesförderstätte. Aufgrund des weiter zunehmenden Assistenzbedarfs beantragte die Frau dann Persönliches Budget zur Sicherstellung ihrer Teilhabe-Bedürfnisse. Ihr war es wichtig, weiter in der eigenen Wohnung zu leben und dies aufgrund der sozialen Kontakte in ihrem Wohnort. So nahm sie eine „Betreuungskraft“ in ihrer Wohnung auf. Phasenweise nahm sie Verhinderungspflege in Anspruch. Im Jahr 2008 wurde die Versorgung der mittlerweile 62-jährigen Frau im häuslichen Umfeld zunehmend schwierig, da die Assistenz durch eine „Betreuungsperson“ kaum mehr sicherzustellen war. Deshalb stellte die Frau einen Antrag auf Aufnahme in eine Wohneinrichtung der Eingliederungshilfe im Nachbarkreis. Der Leistungsträger genehmigte die Aufnahme nicht unter dem Hinweis auf das Alter der Frau sowie deren in früheren Jahren vehement vorgetragenen Wunsch das sozialräumliche Umfeld zu erhalten. Aufgrund dieser Argumentation genehmigte der Leistungsträger deshalb die ambulante Wohnform. Jetzt argumentierte der Leistungsträger, dass ein Wechsel in den Nachbarkreis das bislang als sehr wichtig erachtete sozialräumliche Umfeld nicht mehr gewährleisten könne und schlug ein Pflegeheim in 8 Kilometern Entfernung zum Wohnort vor. Dort wurde die Frau daraufhin aufgenommen und besucht weiter die Tagesförderstätte.
Beispiel 2 Eine Person lebt im Pflegeheim und geht in die Tagesförderstätte. Die gesetzliche Betreuerin und Tochter überlegt, dass die Person den Wohnbereich einer Eingliederungshilfeeinrichtung wechseln soll, da sie den Vater dort besser versorgt sieht. Die im Pflegeheim lebende Person ist Eigentümer eines Hauses, das im Zweifelsfall eingebracht werden muss. Die Pflegeversicherung und Rente werden zur Deckung der Heimkosten des Vaters verwendet. Ebenfalls wird dessen Barvermögen eingebracht. Die Tochter fürchtet sich vor der Inanspruchnahme Ihres eigenen Einkommens. Deshalb möchte sie die Kosten so gering wie möglich halten, so dass der Verkaufserlös des Hauses, das ebenfalls eingebracht werden muss, möglichst lange hält. Nachdem die Tochter die Kostensituationen durchgerechnet hat und ebenfalls die Mehrkosten der Eingliederungshilfe-Wohneinrichtung bedacht hat, verwirft sie den Plan eines Wechsels. Unter fachlichen Voraussetzungen, würde die Person auf jeden Fall eher in die Einrichtung der Eingliederungshilfe als in die Einrichtung der Pflege passen.
Beispiel 3 Eine Person (50 Jahre) lebt nach einer Hirnblutung in einem Pflegeheim. Nach einem Besuch der Beratungs- und Prüfbehörde LWTG (Heimaufsicht) erlässt der zuständige Mitarbeiter einen Bescheid, dass die Person in eine Einrichtung der Eingliederungshilfe wechseln muss, da diese besser geeignet ist. Der zuständige Leistungsträger spricht mit der Einrichtung der Eingliederungshilfe und veranlasst deren Wechsel. Zwischenzeitlich wird die Ehefrau der Person ebenfalls pflegebedürftig und in einem anderen Pflegeheim aufgenommen. Da sie allerdings keine erworbene Behinderung hat, kann sie nicht in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe aufgenommen werden.
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Das Ehepaar kann somit nicht in der gleichen Einrichtung leben, obwohl beide Unterstützungsbedarf haben. Das Pflegeheim und die Einrichtung der Eingliederungshilfe suchen inzwischen Wege, dass beide den Kontakt halten und sich weiter sehen können.
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Lebenshilfe Mainz – Bingen gGmbH
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
Senioren-WG Karthäuserhof
in Mainz-Hechtsheim
ein ambulantes Wohnangebot für ältere Menschen
mit hohem Pflege-/Unterstützungsbedarf und dementieller Erkrankung
Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Ausgangssituation
Zunahme an älteren Menschen mit geistiger Behinderung imstationären Wohnen gemäß § 53 ff. SGB XII
mit hohem pflegerischen Unterstützungsbedarf (anerkannte
Pflegestufe gemäß § SGB XI)
mit einer dementiellen Erkrankung
unzureichende bundesgesetzliche Regelung
politische Zielsetzung der Weiterentwicklung von ambulantenWohnformen
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
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Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Organisation der Senioren-WG
barrierefreie Wohnung für 5 Senioren im Ortskern startet imDezember 2012
Berücksichtigung des besonderen Hilfebedarfes:
- Inanspruchnahme der Leistungen gemäß der
individuellen Pflegestufe (SGB XI)
- zusätzliche Betreuungsleistungen nach §45 b SGB XI
- 24Stunden-Betreuung inkl. Nachtdienst
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Organisation der Senioren-WG
Orientierung am „privaten“ Wohnen Wohnen im häuslichen Umfeld
Fachassistenz und einfache Assistenz auf Basis desPersönlichen Budgets (SGB XII) – geplant
Personelle Besetzung
Finanzierung
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
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Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Auswirkungen
positive gesundheitliche Entwicklung der Senioren
- Weglauftendenzen reduziert
- Medikation reduziert
- Tag- und Nachtrhythmus eingestellt
geringere Belastung von Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnenim stationären Wohnen
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Chancen und Risiken zu Beginn
großes Interesse am neuen Wohnangebot
Kontinuität in der Unterstützung der Menschen mit Behinderung
Menschen mit Behinderung gehen nicht in ein Alten-/Pflegeheim
schnelles, bedarfsgerechtes Handeln
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
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Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Chancen und Risiken zu Beginn
Unerwartete Vorbehalte gegenüber der neuen Wohnform
Unsicherheit bei der Einordung nach dem LWTG
Unsicherheit bei Mitarbeiterinnen des Pflegedienstes imUmgang mit Menschen mit geistiger Behinderung
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Chancen und Risiken - Heute
Inklusives Wohnangebot
Menschen mit Behinderung profitieren
„entspannteres“ Arbeiten im stationären Wohnen
gegenseitiges Lernen von Mitarbeiterinnen aus derBehindertenhilfe und der Pflege
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
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Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Chancen und Risiken - Heute
hoher Koordinierungsbedarf
hohe Unsicherheit in der Arbeit bei den Nichtfachkräften
befristete Kostenzusagen
hohe Personalfluktuation
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Wir halten das Modell für übertragbar
und würden es wieder machen!
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
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Lebenshilfe Mainz-Bingen gGmbH
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
LIGA Fachtag „Menschen mit Behinderungen – zwischen Teilhabe und Pflege am 11.07.2014
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5 Wohngemeinschaften in Kettig und St. Sebastian bei Koblenz
Eine Lösung oder die „Quadratur des Kreises“?
Unsere Klienten - im stationären Bereich und in den WGs:
Menschen mit schwerer und mehrfacherBehinderung mit einem hohenUnterstützungsbedarf, alle geistig behindert.
Ca. 65% rollstuhlgebunden.
Ca. 60% blind oder sehbehindert.
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TAF-Besucher (74%)Werkstatt-Besucher (26%)
TAF; 98; 74%
WfbM; 34; 26%
Ambulant betreute Wohngemeinschaften
„Dieser Weg wird kein leichter sein…“
…in Zeiten der Inklusion
…in Zeiten knapper Mittel
Und trotzdem: 5 x Ziel erreicht!
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Leitstern „Inklusion“
1000 Menschen ohne Behinderung
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1000 unbehinderte Menschen: 4 –Menschen mit geistiger Behinderung
Gruppenpädagogischer Ansatz der Wohngemeinschaft als Mittel der Wahl
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Die „inklusive“ Wohngemeinschaft
Kettig: WG Wiesenweg und WG Niederflur
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Rheindörfer Platz 1- 3 in St. Sebastian
Vor der ersten WG „Wiesenweg“
Bedarfsmeldungen an Kreis und Land;von 2004 bis 12.2008, Antrag aufErweiterung (Warteliste)
Absage durch Land in 11/2008, fastgleichzeitig Auftrag eine ambulanteWohnform für „anerkannte“ Fälleaufzubauen.
Eröffnung: 2/2010 („heiße Nadel“)
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Wohngemeinschaften mit folgenden Eckdaten:
8 WG-Mitglieder Behindertengerechte Wohnung mit 8
Einzelzimmern (inkl. individuellem Bad) undGemeinschaftsräumen
Nachtdienst erforderlich Bewohner WG Wiesenweg in Pflegestufen: 1 x
Stufe 1, 4 x Stufe 2, 3 x Stufe 3 WG „Rheindörfer Platz 1“: 8 x Stufe 3
Das konzeptionelle Ziel: ambulant betreute, selbstorganisierte WG
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Konzeptionelles Ziel bei der Wohnbetreuung:
Betreuungsleistungen (SBG XII) &
Pflegeleistungen (SGB XI)
aus einer Hand anbieten!
Pflege und Betreuung aus einer Hand -Vorteile:
Konstanz der Bezugspersonen
Intensives Kennenlernen
Entwicklung von Vertrauen
Flexibilität im Alltag
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Gründung einer Tochter-gGmbH als Anbieterfür ambulante soziale Dienstleistungen inBetreuung und Pflege
= Soziale DienstleistungsgesellschaftMittelrhein gGmbH Kettig (= SDM). ambulante Angebote aller Art ohne
Leistungsvereinbarung
Antrag auf Anerkennung als ambulanterPflegedienst
Strategische Schritte:
Selbstbestimmte WG
Autonomie durchSelbstversorgung in allenBereichen
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WG Wiesenweg
Hausrecht:Mieter- undNutzerge-
meinschaft
Eigentümer:FWS gGmbH
Anbieter der Dienstleistungen:SDM gGmbH
Wesensunterschied zum Heim: Stärkere Rechtsposition der Klienten
Vertragliche Rahmenbedingungen
Plan: Finanzierung des Wohnens in der WGüber ein trägerübergreifendes PersönlichesBudget!
Ist: Dieser Gedanke musste im Verlaufe derProjektrealisierung aufgegeben werden! DieFolge:
5 Verträge sind erforderlich!
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5 Verträge
Mietvertrag zwischen Mitglied der Wohngemein-schaft (bzw. gesetzlichem Vertreter) und FWS
Zielvereinbarung zwischen Mitglied derWohngemeinschaft (bzw. gesetzlichem Vertreter)und Kostenträger (Sozialamt)
Dienstleistungsvereinbarung zwischen Mitglied derWohngemeinschaft (bzw. gesetzlichem Vertreter)und der SDM über ein persönliches Budget fürBetreuungsleistungen.
Pflegevertrag
Mieter- und Nutzervereinbarung
Vereinbarung mit dem Sozialministerium (Herr Diehl)
Miete (ca. 70 qm zu 9,50 €) 680 € zzgl.Nebenkostenpauschale 200 € (150 €) =Sozialhilfe.
Grundsicherung Regelsatz zzgl. Zuschlag(hierin: Bekleidungsgeld, Taschengeld,Lebensmittel, Artikel des persönlichenBedarfs)
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Vereinbarung mit dem Sozialministerium (Herr Diehl) Persönliches Budget auf Grundlage von
sog. „Pool-Leistungen“ nachts: 1:8; tags: 1:4
Bei einem Jahresentgelt von 41.600 (Stand:12.2010); Achtung: keine Dynamisierung!
HW-Leistungen (16,84 € pro Stunde),(Achtung: Hausmeisterservice wird ausGrundsicherung finanziert.)
Zzgl. Pflegekasse
Pflegesachleistung gemäß der individuellenPflegestufe:
1= 450 €
2= 1.100 €
3= 1.550 €
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Personelle Ausstattung
Team aus Heilerziehungspflegern,Altenpflegern, Gesundheitspflegern,hauswirtschaftlichen Kräften, Erziehern undHelfern: ganzheitliches Arbeiten!
Quote für Pflegefachkräfte = 50%.
Qualifizierung aller Mitarbeiter zumindest biszum Level „Pflegediensthelfer oderSchwesternhelfer“ (200 Stunden-Kurs) oder„Krankenpflegehelfer“ (1-jährige Ausbildung).
Anforderungen an Dokumentation:
Übliche „Wohneinrichtungs-Dokumentation“,auch THP.
Zusätzlich: Übliche Pflegedokumentation,auch Pflegeplanung; alle Standards einesambulanten Pflegedienstes müssenvorgehalten werden. Die Prüfung erfolgt wiebei allen anderen ambulanten Pflegedienstendurch den MDK (bei uns bereits zweimal!).
Insgesamt: sehr hoher Aufwand, auch fürAbrechnung.
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Wohngemeinschaften und LWTG
§ 5 oder § 6 LWTG ???
Vorläufige Lösung: § 17 LWTG
Probleme 1:
Vorlaufkosten beim Start einer WG werdenvon keiner Seite übernommen (ambulant)
Kein Automobil vorhanden (alle sindSozialhilfeemfpänger mit geistigerBehinderung)
Keine Pflegesachleistung mehr frei fürWochenenden zu Hause
Pflegesachleistungen reichen für diePflege nicht aus = Finanzierungslücke
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Probleme 2:
Eine solche WG ist teurer als dasWohnen im Heim! (z.B. durchNachtdienst bei 8 Bewohnern)Akzeptanzproblem bei den
örtlichen Kostenträgern!Wie sicher können wir mit solchen
Angeboten angesichts derSchuldenbremse planen?
Probleme 3
Bislang keine Leistungsvereinbarung mit demregionalen Kostenträger erzielt!
Land fühlt sich nicht mehr zuständig, weil essich um ein ambulantes Angebot handelt!
= wir sitzen zwischen zwei Stühlen!
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Chancen:
Wir beobachten positive Effekte u.a.hinsichtlich der Selbstversorgung, desEinbezugs der WG-Mitglieder, derGanzheitlichkeit der Dienstleistungen.
Immerhin: in schwierigen Zeiten sind 40neue Wohnmöglichkeiten geschaffen
Aber: ohne die FWS gGmbH wäre dieTochter SDM bereits insolvent!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Die Mühe hat sich gelohnt!
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Betreut, pflegt und begleitet 17 Menschen mit neurologisch erworbenen Beeinträchtigungen ab dem 18. Lebensjahr und deren Angehörige.
Besteht seit 2006 als erste anerkannte Phase F Einrichtung in Rheinland Pfalz in Trägerschaft der Caritas für die Diözese Speyer.
bündelt unterschiedliche Berufsgruppen im multiprofessionellem Team.
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Unser Wohnbereich richtet sich an erwachsene Menschen, die durch ein plötzliches Ereignis eine Schädel-Hirn-Verletzung erlitten haben.
Zu den häufigsten Ursachen zählen:
Unfälle (im Verkehr, Sport, Beruf)SchlaganfallHirnblutungenHirntumoreSauerstoffmangelschädigung z.B. nach ReanimationErworbene chronisch-verlaufende neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose)
Menschen mit der Diagnose „Wachkoma“ oder Menschen mit Beatmungsbedarf betreuen wir ebenfalls nach modernsten pflegewissenschaftlichen Standards.
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Bereits vor 15 Jahren wurde im Altenzentrum St. Bonifatius die erste junge Wachkomapatientin aus der Region aufgenommen
Weitere Anfragen von jungen schwerstpflegbedürftigen Menschen folgten.
Um für diese spezielle Personengruppe die Aufnahme in ein Altenpflegeheim zu verhindern, entstand bereits 2002 die Idee für einen spezialisierten Pflegefachbereich innerhalb der Einrichtung.
Jungen schwerstpflegebedürftigen Menschen, bei denen der pflegerische Bedarf so hoch ist, dass sie nur schwer in Einrichtungen der Eingliederungshilfe betreut werden können, ein adäquates Zuhause zu ermöglichen.
Ein 24h- Pflege und Betreuungskonzept zu etablieren, welches besonders familienfreundlich ist und somit auch Angehörige intensiv entlastet (z.B. durch Rooming-in, Angehörigen-Selbsthilfegruppe)
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Rehabilitativ-therapeutische Pflege in Zusammenarbeit mit Therapeuten aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie
Individuell gestaltete Bezugspflege Wohnen im Einzelzimmer Teilhabeorientiertes Arbeiten durch unterschiedliche
Gruppenaktivitäten (intern wie extern) in enger Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern
Sozialpädagogische Bereichsleitung, Ergotherapie im Haus, Alltagsbegleitung und Ehrenamt
Speziell geschultes Pflegepersonal („Pflegeexperten für Menschen im Wachkoma“)
Erhöhte Fachkraftquote und angemessener Personalschlüssel
Betreuung und Pflege von Menschen mit Beatmungsbedarf
Unzureichendes Wissen über Menschen mit neurologisch-erworbenen Beeinträchtigungen(Menschen im Wachkoma benötigen keine Sterbebegleitung sondern Lebensbegleitung!)
Obgleich der Bedarf an Plätzen stetig steigt, gibt es zu wenig qualifizierte Einrichtungen
Nach wie vor gibt es zu wenige (auf Langfristigkeit angelegte) ergänzende Betreuungsmodelle, Stichwort „Tagesförderstätten“
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Ausschließliche Finanzierung über SGB XI der Pflegeversicherung.
Angehörige werden schnell zum „Sozialhilfefall“durch hohe finanzielle Eigenbeteiligung
Krankenkassen beteiligen sich nur unzureichend an den Kosten
Eine gesetzliche Regelung der Finanzierung von Beratung, Teilhabeplanung und Fallmanagement als trägerübergreifende Schwerpunktaufgabe aller Leistungsträger fehlt!
Die verantwortlichen Mitarbeiter unseres Fachpflegebereichs arbeiten gemeinsam mit Unterstützung des Trägers an der Minimierung der genannten Risiken.
Beispiele:Intensive Öffentlichkeitsarbeit Mitgliedschaft bestehender Fachorganisationen (BAG Phase F Berlin)Gründung eines Fördervereins zur Stärkung der Interessen von Betroffenen und ihren FamilienGeschlossene Zusatzverträge mit den Krankenkassen zur Finanzierung besonderer Behandlungspflege auch im stationären Bereich.
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Da wir ehemaligen Bewohnern wieder den Weg zurück in ihr eigenes Zuhause ermöglichen konnten, wissen wir um die Potenziale und erreichbaren Ziele, welche bei maximaler Förderung (auch noch nach Jahren) erreicht werden können. Wir würden uns wünschen, unser bestehendes Angebot auch in Zukunft im Hinblick auf Teilhabe und Nachsorge ausbauen zu können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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- eine württembergische Spezialität -
Thomas WeilerStabstelle für Pflegesatzwesen, Projekt- und Strategieentwicklung
„Binnendifferenzierung“
Binnendifferenzierung
• Binnendifferenzierung ist eher eine württembergische Spezialität.
• Sie gelten als SGB XII-Einrichtungen, müssen aber einen SGB XI-Versorgungsvertrag haben, damit die Leistungen für stationäre Pflege gezahlt bzw. transferiert werden können. Damit unterliegen diese Einrichtungen oder Einrichtungsteile als vorgebliche Einrichtungen der Eingliederungshilfe den Bedingungen des SGB XI;
• die Konsequenzen:
• Ein Versorgungsvertrag setzt zwingend die ganzen SGB XI-Konsequenzen in Gang wie Umfang und Qualifikation des Personals, Dokumentationspflichten, MDKBerichte, Anwendung der Qualitätsprüfrichtlinie, Prüfergebnissen auf der Basis der Pflegetransparenzvereinbarungen ambulant und stationär u.a.
• Grundlage für diese Konstruktion ist eine Vereinbarung zwischen dem Träger der Sozialhilfe, den Pflegekassen und der Einrichtung. Dieses Konstrukt erfolgt in der Regel über den Köpfen der Betroffenen und deren Individualansprüche und wurde kürzlich als Rechtsakrobatik bezeichnet.
Bereich | Thema oder Titel der Präsentation | ReferentIn 2
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Ist die Idee des Modells an Sie herangetragen worden? Oder ist die Idee von Ihnen ausgegangen?• Der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern hat bundesweit als erster Kommunaler Landesverband das Modell der
�Binnendifferenzierung� eingeführt. Er hat die Träger der großen Behinderteneinrichtungen �mit sanftem Druck� aufgefordert, eine klare Trennung zwischen den Leistungsbereichen Pflege und Behindertenhilfe vorzunehmen, um die Leistungen der Pflegeversicherung auszuschöpfen. Dies bedeutet für die entsprechenden Einrichtungen, daß sie Pflegeabteilungen schaffen müssen, die den Anforderungen für Vergütungsvereinbarungen mit der Pflegeversicherung entsprechen.
• Die überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Pflegekassen haben in den Jahren 1997 bzw. 1998 mit vorwiegend großen Trägern der Eingliederungshilfe das sogenannte Konstrukt der binnendifferenzierten Einrichtungsteile innerhalb der Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe geschaffen. Diese binnendifferenzierten Einrichtungsteile erfüllten die Voraussetzungen des SGB XI (selbstständig wirtschaftende Einrichtung unter Führung einer verantwortlichen Pflegefachkraft), erhielten von den Pflegekassen einen Versorgungsvertrag und die dort untergebrachten Menschen konnten die vollen Leistungsbeträge des SGB XI in stationären Einrichtungen in Anspruch nehmen.
• Die Pflegekassen anerkannten insoweit in diesen binnendifferenzierten Einrichtungsteilen, dass bei dort untergebrachten behinderten Menschen vorrangig Pflegebedürftigkeit bestand. Die Binnendifferenzierung wird als Instrument für die Versorgung von behinderten Menschen mit überwiegender Pflegebedürftigkeit bei zusätzlichem Bedarf an Eingliederungshilfe gesehen.
• Diese Struktur wird zwischenzeitlich von den Pflegekassen zunehmend hinterfragt. Es werden Zweifel an der überwiegenden Pflegebedürftigkeit der dort untergebrachten behinderten Menschen geltend gemacht.
• Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass diese Plätze spürbar ausgebaut werden können. Ziel muss es sein, zumindest das bisher Erreichte zu erhalten.
Bereich | Thema oder Titel der Präsentation | ReferentIn 3
Wo haben Sie Chancen und Risiken in Ihrem Modell gesehen? Welche Chancen und Risiken sehen Sie heute?
•Aufpassen: Anforderungen der Person/Pflege dürfen nicht mit den Anforderungen an ein Pflegeheim gleichgesetzt werden.
Besondere Anforderungen im Rahmen der Binnendifferenzierung:
•PDL ; Freistellung ja/nein; Einrichtungsgröße; Stellvertretung-Anforderung;
•Heimleitung
•Versorgungsvertrag; Strukturerhebungsbogen
•Versorgungsvertrag muss in der Regel für jede selbstständig wirtschaftende Einheit abgeschlossen werden
•Versorgungsvertrag kann nicht für zwei weiter auseinanderliegende Einrichtungen abgeschlossen werden (keine Synergien z.B. auf Leitungsebene; PDL muss in jeder Einrichtung (mit Versorgungsvertrag) vorhanden sein
•Pflegestandards/Expertenstandards (kein ausschließliches Merkmal eines Pflegeheimes)
•24h Pflegefachkraft
•Definition Pflegefachkraft nach SGB XI – Hep ist keine Pflegefachkraft
•Grundausstattung Pflegeheim - Pflegehilfsmittel
•Heimaufsicht – in SGB XII Einrichtungen Ermessensspielräume
•Heimaufsicht/MDK - 2 Prüfinstanzen; unterschiedliche Prüfkriterien;
•Reinigung ? (erhöhter Bedarf/Anforderung) = ist nicht unbedingt ein Merkmal eines Pflegeheimes, sondern richtet sich nachdem Bedarf
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Wo haben Sie Chancen und Risiken in Ihrem Modell gesehen? Welche Chancen und Risiken sehen Sie heute?
• Die Diakonie Stetten würde nach heutigem Ermessen keinen weiteren Versorgungsvertrag für BinnendifferenzierteBereiche ohne weitergehenden Grund abschließen
• Die Diakonie Stetten hat bis heute immer noch einen vorläufigen Versorgungsvertrag (seit 1998)
• Dem Druck der Kassen können wir nun nichts mehr entgegensetzen – nun müssen wir einen Versorgungsvertrag mit allen Konsequenzen abschließen; die Kassen drohen mit Vertragsrechtlichen schritten
• Die Chancen liegen eindeutig beim Leistungsträger
• Personen (Menschen mit Behinderungen) werden von Seiten des Leistungsträgers nach eigenem Ermessen inbinnendifferenzierte Bereiche „verlegt“; das Wunsch- und Wahlrecht wurde in der Vergangenheit in Einzelfällen „ignoriert“.
• Entgelte werden von Seiten der Diakonie Stetten nur dem Leistungsträger der Eingliederungshilfe in Rechnung gestellt
• Pflegesätze werden nur mit dem Leistungsträger der Eingliederungshilfe verhandelt
In der Rahmenvereinbarung von 1997 steht
„… dass die bisherigen Betreuungs-, Versorgungs-, Pflege- und Förderleistungen auch für pflegebedürftige Menschen mit Behinderungen im binnendifferenzierten Heimteil nicht eingeschränkt … werden“.
„… die Verantwortung für ein sachgerechtes „Gesamtentgelt“ verbleibt beim „Kostenträger der Eingliederungshilfe“ aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung
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Wie ist Ihr Modell organisiert? Was hat es bewirkt? Sehen Sie es als übertragbar an?
• Die Diakonie Stetten hat zwei Binnendifferenzierte Bereiche
- Gartenstraße (108 Plätze) am Komplexstandort Kernen/Stetten
- Elisabethenberg (100 Plätze) am regionalen Standort Lorch
• In beiden Bereichen sind PDL als AnsprechpartnerInnen (derzeit nicht als Leitung); die Heimleitung wird über einen größeren Bereich abgedeckt
• Bei einer Dezentralisierung des Elisabethenberges nach Aalen und Schw. Gmünd müssenmöglicherweise zwei Versorgungsverträge abgeschlossen werden (Verlust von Synergien)
• In allen binnendifferenzierten Bereichen der Diakonie Stetten arbeiten vornehmlich Fachkräfte im Sinne der Eingliederungshilfe
• Unser Konzept hat sich nicht an der Binnendifferenzierung (SGB XI) ausgerichtet – wir sind weiterhin eine Einrichtung der Eingliederungshilfe
• Wir werden in einzelnen Landkreisen dazu gedrängt die Binnendifferenzierung auszubauen (Entlastun g der kommunalen Haushalte), obwohl dies (wahrscheinlich) nicht das Interesse der Pflegekassen sein wird
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Menschen mit Behinderung – zwischen Teilhabe und Pflege
Diskussionsstand in den Fachverbänden
Antje Welke
Justiziarin und Leiterin der Abteilung „Konzepte und Recht“
Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.
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1. Die Fachverbände
2. Wo stehen wir in Bezug auf BTG undPflegereform/ Zeitplan und Beteiligung
3. Diskussionsstand zur Schnittstellezwischen Eingliederungshilfe und Pflege
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Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung • Bundesverband der Evangelischen Behindertenhilfe
(BEB)• Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP)• Bundesvereinigung Lebenshilfe• Bundesverband körper- und mehrfachbehinderter
Menschen (BVKM)• Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen e.V.
(Anthropoi)
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2. Wo stehen wir in Bezug auf BTGund Pflegereform
• Kooperieren seit 1978• Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung
repräsentieren ca. 90 % der Dienste und Einrichtungen fürMenschen mit geistiger, seelischer, körperlicher odermehrfacher Behinderung in Deutschland.
• Gemeinsame Stellungnahmen und Positionen (z.B. im Mai2013 Eckpunkte zum Bundesteilhabegesetz)
• Gemeinsame Fachtagung (z.B. Ambient Assisted Living -Technische Unterstützung in der Behindertenhilfe zurVerbesserung von Teilhabe und Selbstbestimmung, 20 - 21.Oktober 2014 in Berlin)
• Ständige Gremien (KFV, AKB, AKG)• www.diefachverbaende.de
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Koalitionsvertrag • „Mit einem Bundesteilhabegesetz wollen wir die Kommunen bei der
Eingliederung von Menschen mit Behinderung stärker als bisherfinanziell unterstützen“ (Seite 10).
• „Wir werden ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderung(Bundesteilhabegesetz) erarbeiten. … Dabei werden wir die dieNeuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe zugunsten derMenschen mit Behinderung so regeln, dass keine neueAusgabendynamik entsteht“. (Seite 95)
• „Wir werden deswegen unter Einbeziehung der Bund-Länder-Finanz-beziehungen ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mitBehinderungen erarbeiten. Dabei werden wir die Einführung einesBundesteilhabegeldes prüfen.“
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• „Wir wollen die Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderungnur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in derGemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“herausführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernenTeilhaberecht weiterentwickeln.
• Die Leistungen sollen sich am persönlichen Bedarf orientieren undentsprechend eines bundeseinheitlichen Verfahrens personenbezogenermittelt werden. Leistungen sollen nicht länger institutionenzentriert,sondern personenzentriert bereitgestellt werden. Wir werden dasWunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen im Sinne derUN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigen.
• Menschen mit Behinderung und ihre Verbände werden von Anfang anund kontinuierlich am Gesetzgebungsprozess beteiligt.“
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Finanzplanung des Bundes • Der Bund hat in seiner mittelfristigen Finanzplanung
beschlossen 2015 – 2016 je 1 Mrd. € den Kommunen zurEntlastung bei der EGH zur Verfügung zu stellen.
• Davon ½ zur Entlastung bei den Kosten der Unterkunft unddie andere ½ über Umsatzsteuerpunkte.
• 2017 stehen 3 Mrd. zur Verfügung• Die gesamten 5 Mrd. € stehen nach der mittelfristigen
Finanzplanung des Bundes erst im Jahr 2018 zurVerfügung.
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Zeitplan und Beteiligung • Seit Anfang 2014 informelle Gespräche durch das BMAS• Bund-Länder-Kommunen-AG tagt weiter• Bund-Experten-AG hat bislang 2x getagt und weitere 2 Sitzungen
geplant• Gestern nahm die „Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz“ des BMAS
ihre Arbeit auf. Sie soll sich bis April 2015 8x treffen. Beteiligt werdenBehindertenverbände, Leistungsträger und Leistungserbringer,Sozialversicherungen, die Länder und die Sozialpartner.
Ergebnis: Bericht • Im Juli 2015 soll der Referentenentwurf vorliegen, anschließend
Anhörungen• Im Januar 2016 Kabinettsbeschluss• Im Juli 2016 soll das BTG im Gesetzblatt stehen.
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Ziele und Inhalte des BTG Ziele: 1.Lage von MmB verbessern 2.Kommunen entlasten 3.Keine neue Ausgabendynamik
Inhalte „EGH neu“ (Grundlagenpapier von 2012 + Ergänzung von 2013), voraussichtlich im neuen Teil 3 des SGB IX; darunter: Personenzen-trierung; Trennung der Fachleistung von den HLU; Konzentration der EGH auf ihren Kernbereich; Kriterien für Bedarfsermittlung, stärkere Einbeziehung der Leistungsberechtigten; Einführung eines federführenden Leistungsträgers zur Verbesserung der Zusammenarbeit; Entwicklung alternativer Formen zur Teilhabe am Arbeitsleben; Lohnkostenzuschuss; andere Anbieter; Personenkreis bestimmen
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• SGB IX verbessern (trägerübergreifendes Fallmanagement,Sozialräumliche Verantwortung von Ländern und Kommunenstärken, Aufgabenzuweisung Servicestellen verbessern;Behinderungsbegriff)
• Bundesteilhabegeld? Ergänzender Nachteilsausgleich? Budgets• Raus aus der Fürsorge?• § 43 a = 1,3 Mrd. • Inkl. Schule an die Länder = 1 Mrd.• Große Lösung
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Pflegereform 2. Stufe: Einführung des neuen PBB/NBA
• Die Vorarbeiten für die Einführung des neuenPflegebedürftigkeitsbegriff sind abgeschlossen
• Expertenbeirat hat im Juni 2013 seinen Bericht vorgelegt.• Gesetzgebung für 2015 geplant• Soll 2016 in Kraft treten
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2. Diskussionsstand zur Schnittstelle zwischenEingliederungshilfe und Pflege Ausgangssituation: Grundzüge-Papier der Fachverbände zum BundesleistungsG vom Mai 2013: • Leistungen der Eingliederungshilfe und der Pflegeversicherung sind
nicht gleichartig, sondern verfolgen unterschiedliche Ziele und Zwecke(vgl. §13 III SGB XI)
• EGH und Pflege dürfen daher nicht in ein Vorrang-Nachrang-Verhältnisgesetzt werden.
• erster Schritt zur Verzahnung: Pflegekassen müssen als Rehabilitations-träger nach § 6 Abs. 1 SGB IX anerkannt werden. Damit werden siestärker in die Regelungen des SGB IX zur Kooperation und Koordinationeinbezogen.
• Leistungen der SPV müssen vollumfänglich budgetfähig werden
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• §43a SGB XI (pflegebedürftige Menschen mit Behinderung, die in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe leben, haben keinen Anspruch auf reguläre Leistungen der SPV, sondern maximal 256 €/ Monat Ausgleichszahlung durch SPV)
• §wird 43 a SGB XI sowie§55 Abs. 2 SGB XII verlieren durch die Aufhebung der Leistungsformen (ambulant, teilstationär und stationär) im BTG ihre Anknüpfung.
• §43 a SGB XI widerspricht Artikel 19 UN-BRK, da die Wahl des Wohnortes mit einer pauschalen Deckelung der Leistungen und damit einer Schlechterstellung einhergeht.
• §43 a SGB XI verwehrt die mit eigenen Beitragszahlungen erworbenen Ansprüche aus der Pflegeversicherung.
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Folge: Die Regelung des §43a SGB XI muss so modifiziert werden, dass der Ort, wo Menschen mit Behinderung leben, unabhängig von ihrem Unterstützungssystem als Häuslichkeit anerkannt wird und entsprechend die Leistungen der häuslichen Pflege in Anspruch genommen werden können.
Praktischen Auswirkungen einer Aufhebung von § 43a SGB XI? - Wer erbringt dann die Pflegeleistungen in den Einrichtungen der
EGH/Anforderungen des Leistungserbringungsrechts der SPV? - Wie kann die Ganzheitlichkeit der Leistungen der EGH erhalten bleiben? - Droht nicht, dass dann vermehrt in Einrichtungen überwiegend Pflege
erbracht wird und sodann eine Umwidmung angeregt / erzwungen wird? - Bleibt das Nebeneinander nach §13 III SGB XI bestehen?
Zurzeit werden verschiedene Varianten diskutiert, mit dem Ziel den oben gestellten Fragen möglichst umfassend Rechnung zu tragen.
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Kontakt: Antje Welke
Leipziger Platz 15
10117 Berlin
E-Mail: [email protected]
Tel: 030 - 206411 - 106
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Eindrücke von der Veranstaltung:
Dagmar Kossack Alfred Marmann
André VöllersDr. Monika SeifertDr. Bernd Kettern
Prof. Dr. Wolfgang Schütte
Vor Beginn Plenum
Plenum
70
Christian Hassa Friedhelm Kunz
Thomas Rüdesheim Marie-Luise Thomas
Dr. Bernd Kettern
Arbeitsgruppe
Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe
Arbeitsgruppe
71
Anne Veit-Zenz Matthias Mandos
Antje Welke
Karl-Ludwig Hundemer
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