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Sehr poetisch seien Bukowskis Gedichte ja nicht, be-mängeln seine Kritiker, man müsse sie wohl eher als»abgebissene Prosastücke« bezeichnen, in denen es umFrauen, Alkohol, Pferderennen und ähnliches geht. Einsentimentaler Bursche sei dieser Bukowski, sagen sie,und man dürfe seine Anti-Lyrik nicht unterschätzen.Denn in gefühllosen, nüchternen Zeiten könne es nichtschaden, starke, direkte Gefühle in der Lyrik zu finden.In Bukowskis Gedichten werden Geschichten erzählt:böse, traurige, selbstironische, witzige, immer genaubeobachtete Geschichten, die ihre Kraft und Wirkungaus ihrer Unmittelbarkeit und Unverblümtheit bezie-hen.

Charles Bukowski, am 16. August 192o in Andernachgeboren, seit dem zweiten Lebensjahr Einwohner vonLos Angeles, begann nach wechselnden Jobs als Tank-wart, Schlachthof- und Hafenarbeiter (und natürlich alsPostmann) zu schreiben. Er starb am 9. März 1994 inSan Pedro/LA.

Charles Bukowski

Nicht mit sechzig, Honey

Gedichtevom südlichen Ende

der Couch

Deutsch vonCarl Weissner

Deutscher Taschenbuch Verlag

Für John Fante

Ungekürzte AusgabeAugust 2000

2. Auflage Juni 2004

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,München

www.dtv.de

© 1981 Charles Bukowski

Titel der amerikanischen Originalausgaben:>Dangling in the Tournefortia<

(Teil 1 erschien 1984 auf deutsch unter dem Titel:

>Gedichte vom südlichen Ende der Couch<;Teile erschien 1986 unter dem Titel: >Nicht mit sechzig, Honey<)

© 1984 und 1986 der deutschsprachigen Ausgaben:

Carl Hanser Verlag, München • WienUmschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagbild: Great American Nude #82>(1966) von Tom Wesselmann(© VG Bild-Kunst, Bonn 2004)

Gesamtherstellung: Digital Druck AG, FrensdorfGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany • ISBN 3-423-12392-3

Gedichte vom südlichen Ende der Couch

Die Frau im roten Kleid 1 i

Der Gestank 13Das Lispeln 14Seide 16Das Jucken des Fingers am Abzug 18Die Einsamkeit nach Feierabend 21

Krank feiern 23Die Unsterblichen 24Unabhängigkeitstag 26Eins für Sherwood Anderson 31Man boxt sich so durch 32Ich wollte nicht 35Weiter war nichts 39Das Abhaken des großen Knalls 43Der Indianer 46Stil 49Liebe und Schneid soZwei Trinker 52Schlechte Presse 57Yeah, Mann? 59Ein Liebling der Frauen 65Deine Anica 67Rock 7oAbendakademie 71Platonisch 73Hallo, Barbara 76Genie 8oÜberangebot 83Nur nicht mit dem Strom schwimmen 85Zeit ist zum Verplempern da 87Wir müssen miteinander reden 90Das schnelle Leben 94Ein Mensch, der mit sich reden läßt 98

Ein Kaffee umsonst 102

Das Lachen 104Old Butch i o6Vielleicht erleben wir es noch i o8Hübscher Bengel 109Die neue Frau 116Wir kannten ihn beide 121

Killer 125Ich kann's nicht lassen 128Bitte anschnallen 13oKultur 132Der Niedergang der Gattung 137Ja 140Bettlägerig 143Zwischen den Wänden meines Wahnsinns 145Schon wieder totgesagt 147Was soll's, ich geh ja doch wieder hin 148Ein bißchen Sonne 15o

Nicht mit sechzig, Honey

Wieder ein Tag 155Ein Kanister Benzin 157Eine schwarzweiße Kakerlake 163Man kann nie wissen wer einem über den

Weg läuft 165Das Wetter: Heiter und trocken 168Auf dem Strich 170Angriff und Rückzug 173Merkwürdig 175

Keine Chance in Pomona 176Eine Dichterlesung 177Geständnis 181Schneewittchen und die sieben Zwerge 183Vierzehn Dollar und zweiunddreißig Cents 187Gehässig 189Klette 191Ein wehleidiger Mensch 197Angst und Irrsinn 199Zwei trockene Abende 202

Nichts als eine schlechte Affäre 205Der amerikanische Autor 207

Sibelius und andere 209Die Frau aus Deutschland 210

Redondo Beach 211

Es ist wie in Las Vegas: Auch eine Schreib-maschine schluckt mehr als sie ausspuckt 213

Kein bißchen weise 215Jungfrauen 218

Da hilft nur noch beten und hoffen 220

Die Vampire 224Qualitätswein b. A. 227Sammeln zum Rückzug 229Warum finden sie alles so toll 233Sogar die Katzen 236Guavenbaum 241Das hat man davon, wenn man auf seine Kosten

kommen will 243Ein Gast 246Krieg 249Tisch für zwei 251Anmerkungen zu einer Gewinnsträhne 256Zu glatt 258Laß es rauschen 26oMachen Sie sich Notizen? 262Botschaft 265

Sie ruinieren einem den Tag 266Ordnung 268Mein großer Ausreißversuch 270Moderne Literatur I 273Filmproduzenten 277Langsame Nacht 28oDas Geheimnis meiner Ausdauer 282Zu spät 284Die Dichter und der Vorarbeiter 286Für die Kleine 290Evolution 291Der Mann am Klavier 292Nachtschicht 295

Gedichtevom südlichen Ende

der Couch

Die Frau im roten Kleid

Die Leute gingen auf Trümmergrundstücke, zogenGrünzeug aus der Erde und kochten sich eine Suppedaraus, und die Männer drehten sich eine Bull Durhamoder rauchten Wings (i o Cents die Packung) und dieHunde waren dürr und die Katzen waren dürr undlernten wieder Mäuse und Ratten fangen und dieHunde schnappten sich die Katzen und killten sie(einige von ihnen), und Taschenratten wühlten sichdurch die Erde und die Leute killten sie indem sieGartenschläuche an die Auspuffrohre ihrer Autosanschlossen und die Schläuche in die Rattenlöchersteckten, und wenn die Ratten herauskamen wichendie Katzen und die Hunde und die Menschen vorihnen zurück, sie liefen im Kreis und bleckten ihrelangen dünnen Zähne, dann blieben sie stehen undzitterten, die Katzen gingen auf sie los, und hinter denKatzen kamen die Hunde. Die Leute hielten sichHühner in ihren Hinterhöfen und die Hähne warenschwach und die Hühner mager und die Leute aßen sieauf wenn sie nicht schnell genug Eier legten, und derschönste Tag war, als John Dillinger aus demGefängnis ausbrach, und der traurigste Tag als die Frauim roten Kleid ihn verpfiff und er abgeknallt wurde alser aus diesem Kino kam.

Pretty Boy Floyd, Baby Face Nelson, Machine GunKelly, Ma Barker, Alvin Karpis — wir verehrten sie alle.Und in China gab es einen Krieg nach dem anderen,keiner dauerte lange, aber die Zeitungen hatten ihredicke schwarze Schlagzeile: KRIEG IN CHINA!

Die dreißiger Jahre waren eine Zeit, in der dieMenschen nicht viel hatten und es nichts gab, hinterdem man sich verstecken konnte, und dieses Bull-

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Durham-Emblem an der Schnur, die aus derHemdtasche hing — das zeigte, daß man was los hatte,daß man sich eine Zigarette mit einer Hand drehenkonnte — man hatte jede Menge Zeit zum Üben, undwenn einen jemand schief ansah oder etwas sagte waseinem nicht paßte, knallte man ihm sofort eine aufsMaul. Es war eine prächtige Zeit, in der man sich keinGelaber anhören mußte. Vor allem, nachdem wir unsHerbert Hoover vom Hals geschafft hatten.

Der Gestank

Als ich elf oder zwölf war, trampte ich im Sommerimmer die 20 Meilen zum Strand und sah mir dasMeer und den Sand an, beides war damals noch vielsauberer, und jeden Tag kam eine dicke Frau vorbeiund zerrte ihren Hund an der Leine durchs Wasser.Der Hund war groß und naß und geprügelt undeingeschüchtert, und die dicke Frau stank nachWhisky. Der Wind trieb ihre Fahne zu mir her,ich glaube, es ärgerte sogar die Möwen,und ich haßte diese Frau und ihren Whiskygeruchund was sie ihrem Hund antat,ich hätte sie umgebracht, wenn ich gekonnt hätte,sie war so entsetzlich dick,ganze Fettwülste quollen ihr aus dem Badeanzug,und dazu der Whiskygestankund der verängstigte Hund.Ich verstand nicht, was mit ihr war, oderwarum sie es tat, warum sie unbedingtWhisky haben mußte. In meinem Leben gab es nichtswas so häßlich war wie sie.

Jetzt bin ich selbst seit 4o Jahren betrunkenund höre die Stimmen all derer, die ich gekannt habe,und sie sagen, wie aus einem Mund:»Du bist einfach nicht mehr auszuhalten, wenn du ge-

trunkenhast, du bist einer der übelsten Säufer, die mir jebegegnet sind, du bist widerlich ... «

Na schön. Ich bitte sie nicht, bei mir zu bleiben,und sie tun es auch nicht.

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Das Lispeln

Ich hatte sie drei Stunden in der Wocheund in der Mitte des Semestersgab sie bekannt, wieviele Storiesjeder abgeliefert hatte —»Gilbert: 2 .. .

Ginsing: 5 .. .McNulty: 4 .. .Frijoles: keine . .Lansford: 2 .. .

Bukowski: 38 ... «

Der ganze Kurs lachteund sie lispelte:Bukowski schreibe nicht nurviel, sondern auch durchweggekonnt.

Sie ließ viel von ihrengoldenen Beinen sehen, damals1940, und ihr Lispelnwar irgendwie sexy.Sexy wie eine Hornisse,wie eine Klapperschlange,dieses Lispeln.

Und nach dem Kurslispelte sieich solle als Freiwilligerin den Krieg,ich würde einen gutenMatrosen abgeben,und sie erzählte mir, daß sie

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meine Stories jedesmalmit nach Hause nahm undihrem Mann vorlas, und wiesie darüber lachten, und ichsagte »Okay, Mrs. Anderson«und dann ging ich raus auf denCampus, wo fast jeder Kerl einMädchen hatte.

Ich bin kein Matrose geworden,Mrs. Anderson, ich bin nichtverrückt nach dem Ozeanund für den Krieg konnte ichmich damals auch nichtbegeistern, obwohl dasziemlich populärwar.

Aber hier habe ich wiederwas für Sie geschrieben.Das Lispeln und diesegoldenen Beine — daraufschreibe ich immer nochLiebesgedichte.

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Seide

Seidene Kniescheibenblaue Strapserosa Strapsewährend der ganzenJahre der Depression,besser als dieN.R.A.:-,die A.*,seidenbestrumpfte Beinefür Cagney und Gable undall die Jungs in der Nachbarschaft.

Jetzt sind Strumpfhosen in Modeund man bekommt auf den Straßenkeine fremden Frauen mehr zusehen, die sich an ihrenschlanken Beinen die Strümpfehochziehen, so daß sich die Seideüber den Kniescheiben spannt,und dann noch ein Hauch vonweißem Schenkel undrosa Petticoat .. .Aber es wird wohl für die Frauenam besten sein, daß sie es jetztbequem haben.Ich würde auch nicht gerne rumlaufenund mir ständig die Strümpfehochziehen müssen. Doch manche von uns,

N.R.A. (National Recovery Administration), W.P.A. (WorksProjects Administration): staatliche Maßnahmen zur Arbeitsbe-schaffung und Wirtschaftsbelebung.

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die sich erinnern, denken immer nochwehmütig an jene Zeit und träumenvon den Beinen der dreißiger Jahre.

Beine, die jetzt nicht mehr schön sind,vielleicht schon tot, nur nochKnochen, aber wir erinnern uns an siewie sie damals waren.Diese Beine, für die sich die Seidenwürmeranstrengen mußten,Beine, die für unsere Väter waren,unsere Onkel,Beine für Cagney und Gable undall die Jungs in der Nachbarschaft.

Das Jucken des Fingers am Abzug

Ich glaube, ich würde gerne maleinem dieser großen grauenrunzeligen Elefantendicht vor dem Hinterbeineine Kugel verpassenoder mich aufs Dach setzenund dem Goodyear-Zeppelinmit einem Schuß die Hülledurchlöchern.

Als Junge blieb mir vielesverwehrt, was ich gernegetan hätte. Zum Beispielder Frau von nebenanein einziges Mal unter denRock zu sehen, ohnedaß sie es weiß.

Ich sah ihr immer wiederan den Beinen hochbis zum Schlüpfer,und der war jedesmalpink.

Ich würde gern einenAlligator mit einemBlattschuß erledigen,knapp unterm Auge,und sehen wie erdas Wasser schlammbraunaufwühlt.

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Ich würde gern in einenKirchturm ballern,obwohl ich weder gläubignoch ungläubig bin.

Ich würde gern auf einem hohenFelsvorsprung stehen und demPazifik acht oder zehn Kugelnreinjagen.

Hätte ich doch nur das Gefühlhaben können, daß ich dieserFrau von nebenan unter denRock sehe, ohne daß siees weiß.

Ich erinnere mich noch an ihrenNamen: Mabel.Sie unterhielt sich immermit mir, und ihr Gesichtwar voll von sexy Fältchenund Trauer, ihre Augenwinzige Kleckse von blauem Wasser,tödlich und leer,aber ihre Beine waren magischund aufreizend,zum Verrücktwerden: zwei Säulen,ein Portal mit der Inschrift»Du sollst nicht ... «Nylonbeine auf hohen schwarzenStöckelschuhen,und ihr Buchhalter-Ehemannbekam esalles.

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Sie wußte, was ichwollte. Ihrflüchtiges Lächelnverriet es mir.

Mabel, duHure.