Freiwilliges Engagement und Ehrenamt: Das Fundament der Gesellschaft und des Sports.
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H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Ehrenamt und Bürgerschaftliches Engagement im Alter – �
Aktuelle Befunde und offene Fragen�
Harald Künemund Universität Vechta
Institut für Gerontologie
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Hintergrund
• Focus der Diskussion liegt seit mehr als 25 Jahren auf dem Ehrenamt bzw. dem bürgerschaftlichen Engagement, bei wechselnden Definitionen: – Bedeutung ehrenamtlichen Engagements – Strukturwandel ehrenamtlichen Engagements – Veränderung der Erhebungsinstrumente
• In den letzten Jahren verstärkte Orientierung an Potentialen des
Alters, Betonung der Produktivität des Alters
• Förderung des bürgerschaftlichen Engagements soll nicht zur einer
Stigmatisierung inaktiver führen, keine Ersatzfunktion im Rahmen
von Kürzungen im Sozialbereich übernehmen, sondern zu einer
Verbesserung der individuellen und kollektiven Lebensqualität
beitragen
• Gefördert werden sollten nicht nur das formalisierte Engagement, sondern z.B. auch Nachbarschaftshilfe (Hilfen von Älteren für Ältere)
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Hintergrund
• Engagement in „neuen“ Bereichen (Selbsthilfegruppen Älterer, Seniorenpolitik, -genossenschaften usw.) ist eher einer Ausnahme
• Ältere (insbesondere ältere Männer) engagieren sich primär im
altersunspezifischen Bereich
• Soziale und politische Ehrenämter sind geschlechtsspezifisch verteilt
• Das Engagementpotential ist beträchtlich und offenbar ansteigend
• Es besteht eine hohe Fluktuation sowie eine Tendenz zu sporadischem, episodenhaften und projektorientiertem Engagement
• Teilweise Verschärfung bestehender sozialer Ungleichheiten durch
die bestehenden Fördermaßnahmen
• Engagement setzt entsprechende Ressourcen voraus
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Hintergrund
• Stärkung des Engagements durch – Schaffung beteiligungsfreundlicher Institutionen (Bürgerbeteiligung) – Motivationsförderung (Anerkennungen, Zertifikate, Vergünstigungen,
Versicherung etc.) – Fortbildung (auch für Bildungsungewohnte) – Einbezug von Unternehmen und Betrieben – Lebenslanges Engagement – Ausreichende und insbesondere verlässliche soziale Sicherung
• Stärkung von Engagementformen und-themen – mit explizit Intra- und intergenerationellem Bezug (z.B.
Verbraucherschutz in der Pflege oder Jugendarbeit)
– in „Mischungen“ von famialer, professioneller und ehrenamtlicher Unterstützung (z.B. Hospizarbeit)
– Im Migrationskontext
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Ehrenamtliches Engagement (SOEP 1985 bis 2009, West)�
20%
18% Häufigkeit des
16% Engagements
14% Jede Woche
Jeden Monat 12% Seltener
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2%
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Erhebungsjahr
Quelle: SOEP 1985–2009, gewichtet
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H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Ehrenamtliches Engagement (SOEP 1985 bis 2009, Ost)�
20%
18% Häufigkeit des
16% Engagements
14% Jede Woche
Jeden Monat 12% Seltener
10%
8%
6%
4%
2%
0%
Erhebungsjahr
Quelle: SOEP 1985–2009, gewichtet
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Mindestens monatliche ehrenamtliche Tätigkeit 1985, 1995 und 2005
(logistische Regressionen, odds ratios außer bei den Konstanten) –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
1985 1995 2005 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Ostdeutschland (Ref.: Westdeutschland) – .65** .67**
Frauen (Ref.: Männer) .43** .53** .71**
Nationalität (Ref.: Deutsch) .29** .37** .42**
Altersgruppe (Ref.: 35-49 Jahre) 16-34 Jahre .64** .67** .75** 50-64 Jahre .72** 1.08 1.30** 65-79 Jahre .43** .87 1.28** über 79 Jahre .20** .27** .47**
Bildung (Ref.: geringer als Realschule) Realschule bzw. Fachhochschulreife 1.70** 1.44** 1.32** Abitur 1.47** 1.54** 1.55**
Erwerbsstatus (Ref.: nicht erwerbstätig) erwerbstätig 1.07 1.02 1.07 geringfügig erwerbstätig 1.77* 1.79** 1.82** arbeitslos .55* .61** .64**
Gesundheitliche Beeinträchtigung (Ref.: Nein) .89 .80* .66**
Konstante -.33 -.37 -.65 Pseudo r² (Nagelkerke) .11 .07 .05 N 11.090 13.768 21.105 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Quelle: SOEP 1985, 1995 und 2005, gewichtet (*: p<.05; **: p<.001); Künemund/Schupp (2008)
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Ehrenamtliche Tätigkeiten 1996 und 2008
100 %
90 % 2008
80 % Männer (West)
Männer (Ost) 70 % Frauen (West)
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Altersgruppen
Quelle: Alterssurveys 1996 und 2008, eigene Berechnungen, gewichtet
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Pflegetätigkeiten 1996 und 2008
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Männer (Ost) 70 % Frauen (West)
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Altersgruppen
Quelle: Alterssurveys 1996 und 2002, eigene Berechnungen, gewichtet
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Enkelkinderbetreuung 1996 und 2008
100 %
90 % 2008
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Männer (Ost) 70 % Frauen (West)
60 % Frauen (Ost)
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Männer (West) 30 % Männer (Ost)
20 % Frauen (West)
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Altersgruppen
Quelle: Alterssurveys 1996 und 2008, eigene Berechnungen, gewichtet
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Kumulation dieser drei Tätigkeiten 1996 und 2008�
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Altersgruppen
Männer (West)
Männer (Ost)
Frauen (West)
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Männer (West)
Männer (Ost)
Frauen (West)
Frauen (Ost)
2008
1996
Quelle: Alterssurveys 1996 und 2008, eigene Berechnungen, gewichtet
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Mögliche Forschungslücken
• Unabhängige Evaluation der Maßnahmen (Effizienz, Arbeitsmarktwirkungen, Nachhaltigkeit usw.) findet selten statt
• Repräsentative Erhebungen bislang nur bedingt informativ - zu enge Operationalisierungen (z.B. SOEP und Freiwilligensurvey) oder eher zu kleine Fallzahlen bzw. Ausschnitte (z.B. Alters-Survey bzw. Zeitverwendungsstudie)
• Auch fehlen verlässliche Studien zu den Ursachen und Konstellationen, die zur Aufnahme bestimmter Tätigkeiten führen sowie zu den Anforderungsprofilen einzelner Engagementformen sowie zur Verbreitung von Motiven, „process benefits“ usw. usf.
• Die Definition von „Gemeinwohl“ ist noch zu präzisieren (?)
• Die Diagnose einer Zunahme des Engagements ist unsicher, ebenso jene des Potentials (Definitionen, Fluktuation, soziale Erwünschtheit)
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Mögliche Forschungslücken
• Das Zusammenspiel von Markt, Staat und Familie bzw. informellen Netzwerken ist m.E. noch nicht hinreichend untersucht, z.B. auch im Hinblick auf Mentalitäten und Lebensstile (z.B. „verschämte“ Armut, „Vollkaskomentalität“) oder hinsichtlich der Wirkungen auf soziale Ungleichheit
• Auch über Zusammenhänge mit anderen Formen potentiell gemeinwohlorientierten Handels ist teilweise noch relativ wenig bekannt – Spenden, Stiftungen, Erbschaften jenseits der Familienbande, Tauschringe und Spargruppen usw. waren zwar Thema, aber die vorliegenden Befunde sind noch kaum in ihrem Zusammenhang und ihrer sozialen Einbettung untersucht (also etwa auch unter Einbezug familialen oder nachbarschaftlichem Engagements)
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Empfehlungen
• Qualität der offenen Angaben im Freiwilligensurvey erhöhen
• Daten editieren wenigstens für „Parallelauswertungen“ mit engerer Definition
• Inhaltsanalytisch auswerten und Systematiseren - > Skalenentwicklung
• Entwicklung eines Messintruments (Skala) zur reliablen Erfassung individueller Unterschiede in der Engagementbereitschaft
• Erklärung der so ermittelten Bereitschaft durch individuelle Persönlichkeitsmerkmale, Bildungshintergrund, Erfahrungen mit Engagement und weitere individuellen (z.B. Gesundheit, soziale Netzwerke) und Umweltvariablen (z.B. Wohnumfeld)
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Empfehlungen
• Quantitative Analysen bzw. theoretische Modellen unter Berücksichti-gung sozialer und ökonomischer Ressourcen, biographische Erfahrun-gen oder persönlichkeits- und entwicklungspsychologische Aspekte:
Sozialstruktureller Kontext
Dispositionen
Biografischer Kontext
Akzeptanz Kompetenz Kontrolle
Bereitschaft
H. Künemund: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement
Zitierte und ausgewählte weiterführende Literatur
Kohli, Martin, Karsten Hank & Harald Künemund (2009): The social connectedness of older Europeans: Patterns,
dynamics and contexts. Journal of European Social Policy, 19, 327–340.
Künemund, Harald (2006): Methodenkritische Anmerkungen zur Empirie ehrenamtlichen Engagements. In:
Schroeter, Klaus R. & Peter Zängl (Hrsg.): Altern und Bürgerschaftliches Engagement: Aspekte der �
Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung in der Lebensphase Alter. Wiesbaden: VS-Verlag für
Sozialwissenschaften, 111-134.
Künemund, Harald (2007): Vom "Ehrenamt" zum "bürgerschaftlichen Engagement" - individuelle,
organisationelle und gesellschaftliche Perspektiven. In: Menke, Barbara & Theo W. Länge (Hrsg.): Aus freien �
Stücken! Motivation und Qualifikation von älteren Erwachsenen für das bürgerschaftliche Engagement. �
Recklinghausen: Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation (FIAB) an der Ruhr-Universität Bochum, 127-141.
Künemund, Harald & Jürgen Schupp (2008): Konjunkturen des Ehrenamts – Diskurse und Empirie. In: Marcel
Erlinghagen & Karsten Hank (Hrsg.): Produktives Altern und informelle Arbeit in modernen Gesellschaften. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 145-163.
Künemund, Harald (2009): Erwerbsarbeit, Familie und Engagement in Deutschland. In: Jürgen Kocka, Martin Kohli & Wolfgang Streeck (Hrsg.): Altern: Familie, Zivilgesellschaft, Politik. Halle: Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina e.V. (Nova Acta Leopoldina Band 106 Nr. 370), 19-39.
Künemund, Harald (2012): Ehrenamt und soziale Netze: Auslaufmodell oder tragende Säule der Gesellschaft?
Erscheint in: Klaus F. Zimmermann & Holger Hinte: Zeitenwende am Arbeitsmarkt - Wie der demographische
Wandel die Erwerbsgesellschaft verändert. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.