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Postgeschichte SBZ 3/2013 126 Ein zeitgeschichtliches Dokument: Der Moskau-Brief mit einer UPU-Jubiläumsmarke 79C von Ulrich Fehlmann Belege mit einer nachgravierten Ausgabe der 25-Rp.-Marke der Jubiläumsausgabe von 1900 sind selten – 36 Briefe und 27 Karten sind gesichert. Nur 6 davon sind ins Ausland adres- siert, je einer nach Mulhouse, Bruxelles, Rom, Budapest, Mos- kau und Leipzig. Der Moskaubrief (Abb. 1), den ich hier mit neuen Forschungsergebnissen vorstelle, ist postgeschichtlich der wohl interessanteste. Er hat den längsten und weitesten Weg aller Briefe gemacht, er war 12 Tage über die Gültigkeit der Marke unterwegs, er wurde zweimal über die Grenzen ver- schiedener Kalenderzonen transportiert und er hat eine trau- rige Geschichte. Er wird damit zu einem der faszinierendsten Briefdokumente der Schweizerischen Philatelie im 20. Jahr- hundert. Abbildung 1. Der Moskaubrief mit der 79C. Das Weltpostjubiläum 1900 und dessen Sonderbrief- marken Vom 2. bis 5. Juli 1900 trafen sich in Bern die Delegierten des Weltpostvereins zur Feier des 25-jährigen Jubiläums seines Bestehens. Das Programm der Feier bestand in einer Arbeits- sitzung – die Planung des dann 1909 eingeweihten Weltpost- denkmals in Bern war deren wichtigstes Traktandum –, einer Reise nach Interlaken und Wengernalp sowie verschiedenen Banketten. Der Bundesrat hatte den Auftrag zur Gestaltung dieser Feier «sowie zur Herstellung illustrierter Postkarten und besonderer Frankomarken» erst in seiner Sitzung vom 12. April 1900 erteilt. Trotz der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit konnte Oberpostdirektor Lutz bereits am 25. Mai dem Bundesrat einen ersten Abzug der neuen Briefmarke vorlegen. Die Zeichnung stammte von E. Grasset* in Paris (Abb. 2). Der Abb. 2. Entwurf von Grasset der Jubiläums-Sondermarke, Aquarell (MfK) Abb. 3a. 1.Platte (oben): Linien- zähnung; 2. Platte (rechts): Kasten- zähnung.

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Postgeschichte

SBZ 3/2013126

Ein zeitgeschichtliches Dokument:

Der Moskau-Brief mit einer UPU-Jubiläumsmarke 79C

von Ulrich Fehlmann

Belege mit einer nachgravierten Ausgabe der 25-Rp.-Marke der Jubiläumsausgabe von 1900 sind selten – 36 Briefe und 27 Karten sind gesichert. Nur 6 davon sind ins Ausland adres-siert, je einer nach Mulhouse, Bruxelles, Rom, Budapest, Mos-kau und Leipzig. Der Moskaubrief (Abb. 1), den ich hier mit neuen Forschungsergebnissen vorstelle, ist postgeschichtlich der wohl interessanteste. Er hat den längsten und weitesten Weg aller Briefe gemacht, er war 12 Tage über die Gültigkeit der Marke unterwegs, er wurde zweimal über die Grenzen ver-schiedener Kalenderzonen transportiert und er hat eine trau-rige Geschichte. Er wird damit zu einem der faszinierendsten Briefdokumente der Schweizerischen Philatelie im 20. Jahr-hundert.

Abbildung 1. Der Moskaubrief mit der 79C.

Das Weltpostjubiläum 1900 und dessen Sonderbrief-markenVom 2. bis 5. Juli 1900 trafen sich in Bern die Delegierten des Weltpostvereins zur Feier des 25-jährigen Jubiläums seines Bestehens. Das Programm der Feier bestand in einer Arbeits-sitzung – die Planung des dann 1909 eingeweihten Weltpost-denkmals in Bern war deren wichtigstes Traktandum –, einer Reise nach Interlaken und Wengernalp sowie verschiedenen Banketten. Der Bundesrat hatte den Auftrag zur Gestaltung dieser Feier «sowie zur Herstellung illustrierter Postkarten und besonderer Frankomarken» erst in seiner Sitzung vom 12. April 1900 erteilt. Trotz der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit konnte Oberpostdirektor Lutz bereits am 25. Mai dem Bundesrat einen ersten Abzug der neuen Briefmarke vorlegen. Die Zeichnung stammte von E. Grasset* in Paris (Abb. 2). Der

Abb. 2. Entwurf von Grasset der Jubiläums-Sondermarke, Aquarell (MfK)

Abb. 3a. 1.Platte (oben): Linien-zähnung; 2. Platte (rechts): Kasten-zähnung.

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Bundesrat beschloss, die Sondermarken in den Wertstufen von 5, 10 und 25 Rappen drucken zu lassen, ihre Frankaturgültig-keit sollte vom 2. Juli bis 31. Dezember 1900 dauern. Es wur-den von jeder Wertstufe drei Kupferplatten hergestellt. Jede Platte enthielt 4 Bogen à 50 Marken. Die Post verkaufte diese ersten Sondermarken der Schweiz in Halbbogen zu 25 Stück. Die 3 Auflagen unterscheiden sich für den Philatelisten deut-lich voneinander (Abb. 3 und 4): – Ausgabe A (1. Platte) in Linienzähnung, mit Markenzwi-

schenraum von 2,2 bis 2,4 mm. – Ausgabe B (2. Platte) in Kastenzähnung. Markenzwischen-

raum 2,6 bis 2,8 mm. – Ausgabe C (3. Platte) in Kastenzähnung, Plattenherstellung

nach Neugravierung des Originalstempels. Ein Sonder-druck von wenigen Bogen der 10-Rp.- und 25-Rp.-Marken erfolgte zu Geschenkzwecken auf spezielles, im Allgemei-nen dickeres Papier.

Exkurs über die 79CVon der neu gravierten Platte der UPU-Ausgabe wurden nur wenige Bogen der 25-Rappen-Marke gedruckt und im Laufe des Dezembers 1900 an die 7 Bundesräte, einige weitere hohe Beamte und wenige Privatpersonen verschenkt oder verkauft. Als erster konnte am 7. Dezember Ständeratspräsident Ro-bert 50 Stück kaufen, er ist für die früheste 79C-Abstempe-lung (Brief vom 11. Dezember 1900) verantwortlich. Am 24. Dezember 1900 gingen je 50 Stück an UPU-Direktor Ruffy, UPU-Vizedirektor Galle, den Bundesarchivar Kaiser, nach Weihnachten 1900 an die Bundesräte Brenner, Comtesse*

(Abb. 5), Deucher*, Hauser, Müller, Ruchet und Zemp, Bun-deskanzler Ringier, Oberpostdirektor Lutz und Vize-Post-direktor Stäger, je 25 Stück an Münzstätte-Direktor Adrian, Adjunkt Comte, Sekretär Boss und Wertzeichenkontrolleur Schwegler der OPD, ebenfalls an F. Florian* und E. Grasset*, zwei für die Markenherstellung Mitverantwortliche. Verkäu-fe sind gesichert oder zu vermuten an die bekannten Sammler Mirabaud und L. Blanchard.

Die meisten dieser Marken wurden wohl nicht zum Fran-kieren verbraucht und sind kaum von andern ungebrauch-ten Exemplaren unterscheidbar, die erst nach dem 1. Januar 1901, also nach Ablauf der Frankier-gültigkeit, in die Öffentlichkeit gelangten. Eine aufwendige Arbeit, die unter anderem von Axel Herms geleistet wird, hat die Plattierung der gebrauchten 79C ermöglicht. Es dürften sich in Sammlungen noch einige gestempelte Exemplare der 79C lose oder auf Brief befinden, möglicherweise vom Besitzer nicht als wertvolle Seltenheit er-kannt.

Die Marke unseres Briefes lag auf dem Bogenfeld 74, also auf dem Bogen 2. Sie wurde bisher aufgrund der guten Zentrie-rung den Marken zugeordnet, die Bundesrat Adolf Deucher* nach Weihnachten 1900 erhalten hatte. 2 Briefe stammen sicher von Deucher und 4 Einzelmarken wurden ebenfalls seinen Markenexemplaren zugewiesen.

Einzelheiten des Briefes (Übersetzung nach N. von Steiger)Adressseite (Abb. 1):

– Marke, 2-mal Stempel BERN BRF.+EXP. 27.XII.00-2– nach Russie (lateinisch) Rossia (kyrillisch)

– Moscou (lat.), Moskwa (kyr.) – Dschiste Prudy (Quartier: «sauberer Weiher») (kyr.)– Bolschoj Charitonwskiy Pereulok (Gasse) (kyr.)– Dom Komarowa (Haus von Komarow) (kyr.)– Doktor Fechner (kyr.)– Pour Mlle. C. Veuve (lat.)– Vermerkstempel «RETOUR/DÉCÉDÉ» und «nicht

rükbestellbar»(Signatur von der Weid

Rückseite (Abb. 6 und 7): – Ankunftstempel von Moskau (18.12.00) – Retourzettel mit Vermerk, dass Adressat gestorben, ver-

Abb. 4. 2.Platte 3. Platte, neu graviert.

Abb. 5. Bundesrat Robert Comtesse.

Abb. 3b. 3. Platte, nachgraviert.

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mutlich unterschrieben von der Moskauer Poststelle (am 23. Dezember 1900)

– Ankunftstempel in Bern: Bern BRF.-DISTR. 12.I.01-5.

Die Geschichte des Briefes: Versuch einer Rekonstruktion Unser Brief wurde am Mittag des 27. Dezember 1900 aufge-geben und mit dem Stempel Bern BRF+EXP. versehen. Der Absender ist unbekannt, es handelt sich um keinen der be-kannten Empfänger und Briefschreiber von 79C-Briefen. Der Adressschreiber muss eine Person gewesen sein, die die russische Sprache und Schrift gut beherrschte, er schrieb ein orthographisch korrektes Altrussisch mit fliessenden kyrilli-schen Buchstaben. Nach dem Schriftvergleich kann er kaum einer der 7 Bundesräte oder sonst bekannten Verwender der 79C gewesen sein – aber es gab im Umfeld eines Bundesrates bestimmt Schreiber, die der russischen Schrift mächtig waren. Die Frankatur von 25 Cts ist portogerecht und wurde mit einer noch während weiterer 4 Tage gültigen UPU-Gedenkmarke entrichtet. Diese Marke stammte mit grosser Wahrschein-lichkeit von einem Bogenteil, der einem hohen Magistraten gehörte. Zwischen Bundesrat Deucher* und der Adressatin kenne ich keinen Zusammenhang, es gibt aber einen solchen zwischen Bundesrat Comtesse* und C. Veuve. Diese stammte aus Cernier, einem Nachbardorf des Geburtsortes von Robert Comtesse. Cernier wählte den Neuenburger Staatsrat und spä-teren Bundesrat Comtesse 1887 sogar zum Ehrenbürger. Das Staatsarchiv von Neuchâtel besitzt als zusätzlichen Hinweis auf eine Beziehung zwischen Comtesse und Veuve ein Blatt, das die Ausstellung eines Passes zur Reise nach Russland im Jahr 1878 an Cécile Veuve, einer 39-jährigen Bürgerin von Cer-nier, bestätigte (Abb. 8); die Rechnung im Betrag von Fr. 5.10

Abb. 6. Rückseite, Retourzettel und Ankunftsstempel Bern.

Abb. 7. Rückseite, Ankunftsstempel Moskau.

Abb. 8. Passeport Cécile Veuve No. 251 1878 (Neuchâtel).

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wurde damals an Staatsrat Comtesse geschickt. Eine Passbe-stätigung wurde 1881 ausgestellt, erneut ging die Rechnung an Comtesse. Weitere Rechnungsstellungen an den Chef des neuenburgischen Departements des Innern kommen im Pass-Kontrollbuch sonst nie vor. Leider fehlen auf diesen Doku-menten die Angaben über Geburtsdatum, Beruf und genaues Signalement von Mlle. Veuve. Aufgrund dieser Indizien nehme ich an, dass die 79C auf dem Moskaubrief aus dem Bogen von Bundesrat Comtesse herausgetrennt wurde.

Der Brief kam nach julianischem Kalender am 18. Dezem-ber 1900 (nach unserem, dem gregorianischen Kalender am 31.12.00, 4 Tage nach der Briefaufgabe) in Moskau an und konnte im Haus des Herrn Komarow, wo Mademoiselle C. Veuve bei Doktor Fechner* wohnte, nicht zugestellt werden. Wie das Protokollbuch des Konsuls von Moskau (Abb. 9) mit Eintrag vom 7. Februar 1901 unter «acte de décès» angibt, starb Cécile Veuve, unverheiratete Bürgerin der Schweiz, 60-jährig am 22. Dezember 1900; «Mr. P. Bruschweiler*, Pfarrer der re-formierten Kirche von Moskau, bescheinigte die Richtigkeit der Übersetzung» [des Totenscheines?]. Da die Daten des pro-tokollierenden Konsuls nach dem julianischen Kalender ange-geben sind, ist Cécile Veuve nach dem gregorianischen Kalen-der am 4. Januar 1901 gestorben. Sie wurde in Moskau bestattet. Da sie offensichtlich keine finanziellen Reserven hatte, musste der Konsul am 17. Januar 1901 eine «Bittschrift an den Frie-densrichter um Auszahlung von 65 Rubel für die Beerdigungs-kosten» schicken. Am gleichen Tag notierte der Konsul, dass er Herrn F. Luchsinger* ermächtigte, bei der Erhebung [des Nachlasses?] zugegen zu sein. Über Cécile Veuve gibt es in den Akten des Schweizer Konsuls zwischen 1878 und 1903 nur noch einen einzigen Eintrag, nämlich den vom 17. September 1901: «Angefragt Friedensrichter (kyr.), ob man den Nachlass der verstorbenen C. Veuve in die Schweiz schicken kann.» Wir wissen nicht, ob dieser Nachlass tatsächlich zurückgeschickt wurde und vielleicht in ihren Heimatort Cernier gelangte. Nach den Akten des Konsuls stellte Cécile Veuve während der 22 erforschten Jahre in Moskau auch keinen Antrag für einen Pass oder ein Visum. Sie lebte in Moskau möglicherweise als Gouvernante oder Französischlehrerin. Dies waren typische

Personenregister:

Brüschweiler Paul. 1870–1947. Pfarrer der reformierten Kirche in Moskau 1894–1918, später in Lausanne und Mulhouse. Bat 1899 den Moskauer Generalgouverneur um Erlaubnis, in Moskau ein Asyl für Schweizer Gouvernanten einrichten zu können, das schliesslich in einem der Kirche gehörenden Haus gegründet wurde. Kam nach der Revolution von 1917 in die Schweiz zurück.

Comtesse Robert. 1847 in Valangin NE als Lehrerssohn geboren, ge-storben 1922 in La Tour-de-Peilz. Jurist und Politiker, ab 1874 Un-tersuchungsrichter, als Mitglied der freisinnigen Partei 1876 in den Staatsrat des Kantons Neuchâtel gewählt, zunächst Vorsteher des Polizeidepartements, dann ab 1877 Departement des Innern und ab 1884 des Landwirtschaftsdepartements. Nationalrat ab 1883, der oft soziale Anliegen unterstützte. 1899 in den Bundesrat gewählt. Vor-steher folgender Departemente: 1900 Finanz und Zoll, 1901 Justiz und Polizei, 1902 Post und Eisenbahn, ab 1903 wieder Finanz und Zoll. Bundespräsident und Vorsteher des Politischen Departements 1904 und 1911. Wichtigste Anliegen waren ihm die Ausgeglichen-heit der Bundesfinanzen und die Gründung der Nationalbank. Nach seinem Rücktritt übernahm Comtesse 1912 die Leitung der interna-tionalen Ämter für gewerblichen Rechtsschutz und geistiges Eigen-tum. Seit 1874 verheiratet mit Elisa Olga Matthey-Doret, hatte zwei Söhne. Ehrenbürger von Cernier NE und Neuchâtel.

Deucher Adolf, Dr.med. Bürger von Steckborn TG, lebte von 1831–1912, war Arzt und Politiker, amtierte als Bundesrat von 1883 bis zu seinem Tod und stand während seiner Amtszeit 5 verschiedenen Departementen vor, am längsten von 1887–1912 als Vorsteher des Departementes für Handel, Industrie und Landschaft; traditionsge-mäss war er während seinen 5 Präsidialjahren auch Aussenminister, unter anderem 1897 und 1903.

Fechner Wilhelm, Dr.med. (1866-1932). Meine Suche ergab nur ei-nen Dr. Fechner, der als Hausherr von C. Veuve in Frage kommt: der Deutsche Wilhelm F. lebte und starb kinderlos in Moskau, seine Frau Elfriede starb erst 1952 in der Sowjetunion. Er war Chirurge, arbei-tete im Sokol‘niki-Hospital und war auch als Fabrikarzt tätig. Es ist anzunehmen, dass er sozial handelte und Sozialismus-freundlich dachte – immerhin lebte er nach der Revolution weiter in der So-wjetunion und muss die russische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Er wird in einer Datenbank über Ausländer im vorrevolutio-nären Russland erwähnt, nicht aber im umfangreichen Band «Aus-ländische Mediziner im Moskauer Russland» von S. Dumschat.

Florian Frédéric. Pseudonym für Frédéric Rognon. Stecher der Jubi-läumsgedenkmarke von 1900.

Grasset Eugène Samuel (1845 in Lausanne bis 1917 in Sceaux bei Paris) war ein schweizerisch-französischer Bildhauer, Maler und Illus-trator der Belle Époque und Wegbereiter des Jugendstils. Zwischen 1861 und 1863 studierte Grasset Architektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, unter Professor Gottfried Semper. 1871 siedelte Grasset nach Paris über. Grasset entwarf nicht nur Illustrationen, sondern auch Möbel und Plakate, Bleiglasfenster, Tapetenmuster, Schmuck, Kalender, Briefmarken und vieles anderes mehr. Grasset stellte im Frühling 1900 den Entwurf für die UPU-Ge-denkmarken her; dieser Entwurf (Abb. 2) befindet sich in der Samm-lung von Walter Frauenlob, der sie nach seinem Tod dem Museum für Kommunikation in Bern vermachte.

Luchsinger Ferdinand Laurenz (1842 in Glarus-1922 in Interlaken), war Direktor der Wollmanufaktur Ivan Butikow. Amtierte als Vize-konsul in Moskau, und war Präsident des Schweizerischen Hilfsver-eins in Moskau.

Abb. 9. Protokollbuch des Schweizer Konsulats in Moskau 1899–1903 (Bundesarchiv).

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Berufe einer in Russland lebenden Romande. Sie muss wohl in der letzten Lebenszeit unterstützt worden sein, vor allem von Menschen, die der reformierten Kirche Moskaus angehörten (Pfr. Brüschweiler, Dr. Fechner) oder einen Hilfsverein leiteten (Vizekonsul Luchsinger). Möglicherweise hatte der sozial den-kende Bundesrat Comtesse vom schlechten Zustand der ihm seit Jahrzehnten bekannten Cécile Veuve gehört und ihr einen Brief nach Moskau schicken lassen, frankiert mit einer Brief-marke, deren Besonderheit ihm mit Bestimmtheit bewusst war.

Auf die Rückseite des Briefes wurde ein Retourzettel auf-geklebt mit dem Vermerk, die Adressatin sei gestorben, ver-mutlich von der Moskauer Poststelle am 23. Dezember 1900 geschrieben (5.1.1901 nach unserer Zeitrechnung). Die Vor-derseite erhielt einen Vermerkstempel «RETOUR/DÉCÉDÉ» und die russische Post schickte das Schreiben zurück in die Schweiz, wo es am 12.I.01-5 in Bern BRF.-DISTR. einen An-kunftsstempel erhielt, 7 Tage nach Anbringen des Retourzet-tels. Der Brief wurde vermutlich durch die Kreispostdirek-ti-on III in Bern geöffnet, und da der Absender auch jetzt nicht eruierbar war, mit dem Stempel «nicht rükbestellbar» (eigent-lich «nicht rückstellbar») versehen. Dieser Stempel mit falscher Orthographie findet sich auf anderen in Bern beurteilten Do-kumenten.

Man hätte gemäss Postvorschriften den Brief nach einer be-stimmten Aufbewahrungsfrist vernichten müssen. Wir dürfen spekulieren, dass eine Person den Wert der Frankatur erkannte, das Dokument vor der Verbrennung rettete und an sich nahm. Wo es die Jahre bis zu seinem nächsten aktenkundigen Auftau-chen lag, wissen wir nicht.

NachgeschichteGeprüft wurde der Brief am 12. Januar 1996 durch Alain von der Weid (im Auftrag von Peter Halm) und am 23. Dezember 1998 durch Hanspeter Renggli. 2000 wurde er durch Hobby-philatelie und im Jahr 2004 durch Köhler an einer Auktion an-geboten.

Literatur: – Dumschat Sabine: Ausländische Mediziner im Moskauer

Russland, F. Steiner Verlag, 2006– Fischer Elmar: Dr.med. Adolf Deucher, Bundesrat 1831–

1912, Chronos 1996– Herms A., Böniger K.: UPU 1900: Ein postgültiger Sonder-

druck: 78Cc und 79C sowie allerlei Wissenswertes zum The-ma UPU-Jubiläum

– Schneider Harry: Schweizer Theologen im Zarenreich 1700–1917, Verlag Hans Rohr Zürich, 1994

– Schweizerisches Bundesarchiv CH-BAR#E2200.157- 04#1967/42#44* (Schweizerisches Consulat Moscau Proto-koll, Band V)

– Virtuelle Fachbibliothek (Internet). Institut für Ost- und Südosteuropaforschung, Erik-Amburger Datenbank: Da-tensätze 90775 und 94128

Bildnachweis:– Abbildung 2: Urheberin Museum für Kommunikation Bern:

Entwurf von Grasset UPU 1900, aus Sammlung Frauenlob– Abbildung 5: Internet– Abbildung 8: Office des archives de l’État de Neuchâtel– Abbildung 9: Schweizerisches Bundesarchiv CH-BAR#

E2200.157-04#1967/42#44*– Abbildungen 1, 3, 4, 6, 7: gescannt durch den Verfasser

Dank:Ich danke allen Personen, die mir bei der Realisierung dieser Arbeit geholfen haben, insbesondere Frau Olivia Strasser (Mu-seum für Kommunikation, Bern), Frau Rodeschini (Archives de l’Etat de Neuchâtel), den Herren Pierre Guinand, Axel Herms, Niklaus von Steiger, Reinhard Stutz, Alain von der Weid und den Damen und Herren des Schweizerischen Bun-desarchivs. n