Einfach mal nach Prag - · PDF fileMiG-19, MiG-21 und den immer noch popu - lären...

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www.fliegermagazin.de #9.2014 55 54 www.fliegermagazin.de #9.2014 TOUCH & GO VODOCHODY Einfach mal nach Prag Fliegen ist in Tschechien umkompliziert, und auch die Hauptstadt ist mit dem Privat- flugzeug einfach zu erreichen – zum Beispiel mit einer Landung in LKVO TEXT & FOTOS Rolf Stünkel F ür ein paar Euro kommt man mit dem Billigflieger nach Prag, über den internationalen Flughafen Ruzyně (LKPR) im Nordwesten der Stadt. Auch per Auto oder Bahn ist man schnell da. Für Privatpiloten empfiehlt es sich, einen der umliegenden Plätze anzu- fliegen – am besten mit einem vorherigen Flug durchs spektakuläre Elbsandsteinge- birge. So ein passender General-Aviation- Platz ist Vodochody (LKVO), dessen Namen (Wochowochi? Dowodochi?) wir während unserer Visite nicht sicher auszusprechen lernten. Die solide 2500-Meter-Piste liegt nur ein paar Meilen nördlich der Metro- pole und ist ohne Scherereien anzufliegen – Schengen sei Dank: Seit einigen Jahren können Privatflieger, sofern sie den Kont- rollzonen der größeren Flughäfen fernblei- ben, ohne Flugplan und Zollformalitäten per Kleinflugzeug ins Land einreisen und dort landen – nur wenige Staaten Europas kriegen so etwas gebacken. LKVO besteht aus dem Werksflugplatz der traditionsreichen Aero-Werke und ei- nem winzigen Anhängsel außerhalb des Firmenzauns, das sich etwas hochtrabend »Vodochody Airport« nennt. Ein Rollweg führt von der Bahn 28 direkt zur Parkpositi- on auf dem Vorfeld, an dem ein paar flache Gebäude stehen. Ein Flughafenmitarbeiter kümmert sich aufmerksam ums Tanken und sonstige Wünsche seiner Kunden; es gibt auch Kaffee. Der Zaun zwischen der kleinen Airport- Exklave und dem Aero-Werk wird nicht sehr streng bewacht: Ein freundlicher Posten in seinem Häuschen winkt die Gastpiloten zum wartenden Taxi durch. Die Lande-, Abstell- und Handlinggebühren sind mo- derat, die Formalitäten minimal, dennoch hat LKVO eine IFR-Zulassung und mehrere veröffentlichte An- und Abflugverfahren für Schlechtwetter. Promis wie Pop-Sänger George Michael, Sting und viele andere schätzen den diskreten Airport an der Hin- tertür Prags, der nur 20 Taximinuten (zirka 30 Euro) vom Zentrum entfernt liegt. Vodochody ist zwar offiziell nur auf An- frage (24 Stunden vorher) offen; dafür ist das Handling umso besser, wie wir selbst feststellen konnten. Durch ein kleines Miss- verständnis hatte keiner von uns PPR ein- geholt, und unsere Cessnas waren in der Abendsonne auf einem friedlich schlum- mernden Platz gelandet. Am nächsten Tag – wir hatten uns inzwischen telefonisch entschuldigt – wurden wir sehr freundlich abgefertigt. Die beiden Flugzeuge waren in der Zwischenzeit sogar betankt worden! D ie ehrwürdigen Aero-Flugzeug- werke, Tafelsilber der tschechi- schen Rüstungsindustrie, können auf eine fast 100-jährige Tradition zurückblicken; seit 1953 wird in Vodochody produziert. Elf Jahre zuvor war der Flugplatz von den deutschen Besatzungstruppen angelegt worden und diente dem stellver- tretenden »Reichsprotektor Böhmen und Mähren«, Reinhard Heydrich, als eine Art REISE & ERLEBNIS Privatflugplatz. Heydrich lebte auf einem Landgut gleich um die Ecke; seine Frau und Kinder blieben nach seiner Ermordung im Juni 1942 noch bis zum Kriegsende dort. Ta- xifahrer zeigen den Ort gern Touristen. Das erste vollständig in Vodochody ge- baute Militärflugzeug, die MiG-15, flog am 28. April 1953. 20 Prozent der Weltproduk- tion dieses Pfeilflüglers wurden in den fol- genden Jahren hier hergestellt, gefolgt von MiG-19, MiG-21 und den immer noch popu- lären Trainern L-29 Delfin und L-39 Albat- ros, von denen heute etliche auch in priva- ten Hangars in aller Welt stehen. Mit dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts hörte auch für Aero in Vodochody der Ost- block-Markt auf zu existieren. Internatio- nale Partnerschaſten hielten das Werk über Wasser, 2008 bekam das Gelände die Be- triebsgenehmigung als Verkehrsflughafen. Fast jeder hat schon von Prags Filmin- dustrie gehört, als Kind tschechische Mär- chen- und Trickfilme geschaut oder den Troubadour Karel Gott das Loblied auf die »Goldene Stadt« trällern gehört. Nicht we- nige verbinden mit »Prager Frühling« oder dem »Fenstersturz« mehr als nur eine Jah- 1 | Noch viel Platz: Eine lange Asphaltbahn und große Parkflächen kennzeichnen den Flugplatz Vodochody im Nordwesten Prags 2 | Geschichtsträchtig: Teynkirche am Altstätter Ring mit Denkmal für den Reformator Jan Hus 3 | Alles fließt: Über der betriebsamen Moldau thronen der Hradschin mit der Prager Burg 4 | Wechselhaft: Das erzbischöfliche Palais wurde oft umgestaltet, zuletzt 1765 im Rokoko-Stil Der Flugplatz Vodochody Kennung LKVO Frequenz Vodochody Radar 127,475 MHz/Vodochody Tower 133,075 MHz Höhe 919 ft Lage N 50°12‘59‘‘ E 014°23‘42‘‘ (15 km NW Prag) Piste 2500 m Asphalt Ausrichtung 10/28 Treibstoff 100LL, Jet A1 Betriebszeiten Tag/Nacht, IFR/VFR, Hx/ H24: PPR Adresse Vodochody Airport, a.s., U Letiště 374, 250 70 Odolena Voda, Czech Republic Telefon +420 (255) 76 26 23 Mobil +420 731 13 51 87 Fax +420 (255) 76 32 16 E-Mail [email protected] Internet www.lkvo.cz Der Flugplatz liegt rechts der Moldau im Norden Prags, zwischen den Ortschaften Odolena und Vodochody und un- terhalb der Praha TMA. Die freundlichen Lotsen von Praha Radar (120.525) geben Auskunft, ob die Kontrollzone von Vodochody (GND – 3500 ft MSL) aktiv ist. In Abwesenheit des »richtigen« Towers macht dort ein Handling-Agent den Funk. Die Platzrunde verläuft im Norden; Ortschaften sol- len nicht unter 2000 ft MSL überflogen werden. Funkhilfe: 33°/8.8 NM from Praha VOR-DME »OKL« 112.60 MHz. Verschlafen: Beschaulich geht’s am Flugplatz Vodochody zu 1 3 4 2

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Page 1: Einfach mal nach Prag - · PDF fileMiG-19, MiG-21 und den immer noch popu - lären Trainern L-29 Delfin und L-39 Albat- ... Frequenz Vodochody Radar 127,475 MHz/Vodochody Tower 133,075

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TOUCH & GO VODOCHODY

Einfach mal nach PragFliegen ist in Tschechien umkompliziert, und auch die Hauptstadt ist mit dem Privat-flugzeug einfach zu erreichen – zum Beispiel mit einer Landung in LKVO

TEXT & FOTOS Rolf Stünkel

Für ein paar Euro kommt man mit dem Billigflieger nach Prag, über den internationalen Flughafen Ruzyně (LKPR) im Nordwesten der Stadt. Auch per Auto oder Bahn ist

man schnell da. Für Privatpiloten empfiehlt es sich, einen der umliegenden Plätze anzu-fliegen – am besten mit einem vorherigen Flug durchs spektakuläre Elbsandsteinge-birge.

So ein passender General-Aviation-Platz ist Vodochody (LKVO), dessen Namen (Wochowochi? Dowodochi?) wir während

unserer Visite nicht sicher auszusprechen lernten. Die solide 2500-Meter-Piste liegt nur ein paar Meilen nördlich der Metro-pole und ist ohne Scherereien anzufliegen – Schengen sei Dank: Seit einigen Jahren können Privatflieger, sofern sie den Kont-rollzonen der größeren Flughäfen fernblei-ben, ohne Flugplan und Zollformalitäten per Kleinflugzeug ins Land einreisen und dort landen – nur wenige Staaten Europas kriegen so etwas gebacken.

LKVO besteht aus dem Werksflugplatz der traditionsreichen Aero-Werke und ei-nem winzigen Anhängsel außerhalb des Firmenzauns, das sich etwas hochtrabend »Vodochody Airport« nennt. Ein Rollweg

führt von der Bahn 28 direkt zur Parkpositi-on auf dem Vorfeld, an dem ein paar flache Gebäude stehen. Ein Flughafenmitarbeiter kümmert sich aufmerksam ums Tanken und sonstige Wünsche seiner Kunden; es gibt auch Kaffee.

Der Zaun zwischen der kleinen Airport-Exklave und dem Aero-Werk wird nicht sehr streng bewacht: Ein freundlicher Posten in seinem Häuschen winkt die Gastpiloten zum wartenden Taxi durch. Die Lande-, Abstell- und Handlinggebühren sind mo-derat, die Formalitäten minimal, dennoch hat LKVO eine IFR-Zulassung und mehrere veröffentlichte An- und Abflugverfahren für Schlechtwetter. Promis wie Pop-Sänger

George Michael, Sting und viele andere schätzen den diskreten Airport an der Hin-tertür Prags, der nur 20 Taximinuten (zirka 30 Euro) vom Zentrum entfernt liegt.

Vodochody ist zwar offiziell nur auf An-frage (24 Stunden vorher) offen; dafür ist das Handling umso besser, wie wir selbst feststellen konnten. Durch ein kleines Miss-verständnis hatte keiner von uns PPR ein-geholt, und unsere Cessnas waren in der Abendsonne auf einem friedlich schlum-mernden Platz gelandet. Am nächsten Tag – wir hatten uns inzwischen telefonisch entschuldigt – wurden wir sehr freundlich abgefertigt. Die beiden Flugzeuge waren in der Zwischenzeit sogar betankt worden!

Die ehrwürdigen Aero-Flugzeug-werke, Tafelsilber der tschechi-schen Rüstungsindustrie, können auf eine fast 100-jährige Tradition

zurückblicken; seit 1953 wird in Vodochody produziert. Elf Jahre zuvor war der Flugplatz von den deutschen Besatzungstruppen angelegt worden und diente dem stellver-tretenden »Reichsprotektor Böhmen und Mähren«, Reinhard Heydrich, als eine Art

REISE & ERLEBNIS

Privatflugplatz. Heydrich lebte auf einem Landgut gleich um die Ecke; seine Frau und Kinder blieben nach seiner Ermordung im Juni 1942 noch bis zum Kriegsende dort. Ta-xifahrer zeigen den Ort gern Touristen.

Das erste vollständig in Vodochody ge-baute Militärflugzeug, die MiG-15, flog am 28. April 1953. 20 Prozent der Weltproduk-tion dieses Pfeilflüglers wurden in den fol-genden Jahren hier hergestellt, gefolgt von MiG-19, MiG-21 und den immer noch popu-lären Trainern L-29 Delfin und L-39 Albat-ros, von denen heute etliche auch in priva-ten Hangars in aller Welt stehen. Mit dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts hörte auch für Aero in Vodochody der Ost-block-Markt auf zu existieren. Internatio-nale Partnerschaften hielten das Werk über Wasser, 2008 bekam das Gelände die Be-triebsgenehmigung als Verkehrsflughafen.

Fast jeder hat schon von Prags Filmin-dustrie gehört, als Kind tschechische Mär-chen- und Trickfilme geschaut oder den Troubadour Karel Gott das Loblied auf die »Goldene Stadt« trällern gehört. Nicht we-nige verbinden mit »Prager Frühling« oder dem »Fenstersturz« mehr als nur eine Jah-

1 | Noch viel Platz: Eine lange Asphaltbahn und große Parkflächen kennzeichnen den Flugplatz Vodochody im Nordwesten Prags

2 | Geschichtsträchtig: Teynkirche am Altstätter Ring mit Denkmal für den Reformator Jan Hus

3 | Alles fließt: Über der betriebsamen Moldau thronen der Hradschin mit der Prager Burg

4 | Wechselhaft: Das erzbischöfliche Palais wurde oft umgestaltet, zuletzt 1765 im Rokoko-Stil

Der Flugplatz

VodochodyKennung LKVOFrequenz Vodochody Radar 127,475

MHz/Vodochody Tower 133,075 MHz

Höhe 919 ftLage N 50°12‘59‘‘ E 014°23‘42‘‘

(15 km NW Prag)Piste 2500 m AsphaltAusrichtung 10/28Treibstoff 100LL, Jet A1Betriebszeiten Tag/Nacht, IFR/VFR, Hx/

H24: PPR

Adresse Vodochody Airport, a.s., U Letiště 374, 250 70 Odolena Voda,Czech Republic

Telefon +420 (255) 76 26 23Mobil +420 731 13 51 87Fax +420 (255) 76 32 16E-Mail [email protected] www.lkvo.cz

Der Flugplatz liegt rechts der Moldau im Norden Prags,

zwischen den Ortschaften Odolena und Vodochody und un-

terhalb der Praha TMA. Die freundlichen Lotsen von Praha

Radar (120.525) geben Auskunft, ob die Kontrollzone von

Vodochody (GND – 3500 ft MSL) aktiv ist. In Abwesenheit

des »richtigen« Towers macht dort ein Handling-Agent den

Funk. Die Platzrunde verläuft im Norden; Ortschaften sol-

len nicht unter 2000 ft MSL überflogen werden. Funkhilfe:

33°/8.8 NM from Praha VOR-DME »OKL« 112.60 MHz.

Verschlafen: Beschaulich geht’s am Flugplatz Vodochody zu

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reszeit oder einen Betriebsunfall. Spä-testens seit der Wende ist Prag auch im Westen ein Top-Touristenziel gewor-den, und das liegt vor allem an seiner unzerstörten, fast märchenhaften Ar-chitektur, die – ganz auf dem Niveau Wiens oder Budapests – den Besucher in den Bann zieht. Auf einem Kurzbesuch sollte man ei-ne Stadtrundfahrt machen, die ohne langes Suchen direkt zu den schönsten Punkten führt. Der Trip kann inklusive Bustour und Fußmarsch schon mal dreieinhalb Stunden dauern, ist aber jede Krone wert.

Die meisten Routen beginnen am Wen-zelsplatz, der jedem Touristen geläufig und gut zu erreichen ist. Von dort geht es weiter in die Altstadt zu Karlsbrücke, Kaisergarten und Volksgarten, Sternwarte oder Petřín-Aussichtsturm. Wir übernachten im »Bel-vedere« und sehen zu Fuß und per Tourbus in kurzer Zeit eine Menge von Prag. Pünkt-lich zum Wachwechsel erreichen wir die Prager Burg, ein echtes Highlight.

Ganz in der Nähe, im schönen Palais Lobkowitz aus dem frühen 18. Jahrhundert, ist die deutsche Botschaft. Das schmucke Gebäude rückte vor 25 Jahren in den Blick-punkt der Weltöffentlichkeit, denn 4500 DDR-Bürger hatten hier für mehrere Wo-chen Zuflucht gefunden. Am 30. Septem-ber konnte der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher verkünden, dass alle »Besetzer« in die Bundesrepublik aus-reisen durften.

Prag bietet so viele weitere Sehenswür-digkeiten vom Weißen Berg mit Renais-

Hamburg

Düsseldorf

München

Berlin

Wien

Prag

Vodochody

TSCHECHIEN

POLEN

Frankfurt 

D E U T S C H L A N D

ÖSTERREICHSCHWEIZ

N

S

OW

0 250 km

Junges Glück: Vor ehrwürdiger Kulisse machen sich Hochzeitsfotos gleich nochmal so gut

Uralt: Der Veitsdom ist die größte Kathedrale Tschechiens; erste Arbeiten begannen um 1060

Erhebend: Flüge über der Stadt sind tabu, aber wer mag, kann im Ballon aufsteigen

REISE & ERLEBNIS

sance-Jagdschloss Stern über Museen, Burg, Benediktinerkloster bis hin zum Zoo, dass einem schwindlig werden kann. Architek-tur-, Kunst- und Musikfans kommen hier auf ihre Kosten, und schon Mozart wählte Prag als Uraufführungsort für zwei Opern.

Der Beiname »Goldene Stadt« verweist möglicherweise auf die gold schimmern-den Sandsteintürme; andere Quellen be-richten, Kaiser Karl IV. habe einst die Türme der Prager Burg vergolden lassen und dann verzückt den Namen gefunden. Apropos: Prag gilt auch als »Stadt der hundert Tür-me«, das Stadtbild ist voll davon.

Etwa 1,2 Millionen Einwohner leben in der Metropole (davon rund 40 000 in der historischen Innenstadt), das entspricht mehr als einem Zehntel

der tschechischen Bevölkerung. Die meis-ten Prager arbeiten in der Nahrungsmittel-, Elektrogeräte - oder optischen Industrie, in der Filmindustrie und im Tourismus.

Wer in Vodochody landen möchte, sollte sich am besten etwas beeilen: Im kommen-den Jahr ist der Ausbau des verschlafenen Werksflughafens zu einem modernen Air-port ohne Nachtflugbeschränkung geplant. Dann könnte es für Privatflieger etwas teu-rer werden. Andererseits werden Flughäfen, wie wir alle wissen, selten pünktlich fertig – also auf nach LKVO! KA

RTE:

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