Einführung in das Zivilrecht - zwr.wiwi.uni-kl.de · Regeln für alle Schuldverhältnisse im...

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Lehrstuhl für Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Geistiges Eigentum Prof. Dr. Michael Hassemer Das BGB und wie man damit umgeht (Methodik), insbesondere Gesetzesauslegung „Werkzeugkasten“ Einführung in das Zivilrecht

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Lehrstuhl für Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Geistiges Eigentum

Prof. Dr. Michael Hassemer

Das BGB und wie man damit umgeht

(Methodik),

insbesondere Gesetzesauslegung

„Werkzeugkasten“

Einführung in das Zivilrecht

BGB

Zivilrecht 3 | Sommer 2018 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 2

Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

1. Vorschriften „vor der Klammer“

Rechtssubjekte, Rechtsobjekte, Willenserklärungen (§§ 116 ff.) und Verträge (§§ 145 ff.) im BGB-AT

2. Regeln für alle Schuldverhältnisse im Schuldrecht-AT(insbesondere Pflichtverletzungen)

3. Die einzelnen Vertragstypen im Schuldrecht-BT, z. B.:

Kaufvertrag, §§ 433 ff.,

Werkvertrag, §§ 631 ff.

Dienstvertrag, Arbeitsvertrag, §§ 611 ff.

Gesellschaftsvertrag, §§ 705 ff.

Bürgschaftsvertrag, §§ 765 ff. BGB

etc.

Allgemeine und Besondere Teile

BGB

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

BGB

materielles Recht

Rechtsverhältnisse, Ansprüche

Zivilprozessordnung (ZPO)

Verfahrensrecht, Prozessrecht

insbesondere Beweisrecht

Nicht Gegenstand der Vorlesung

(zwei Ausnahmen)

Materielles Recht und Prozessrecht

BGB

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

Paragraphen, Absätze, Sätze

Am besten zitiert als „§ 280 I 2 BGB“

Zitieren

§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis,

so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden

Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die

Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der

Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286

verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur

unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder

des § 283 verlangen.

BGB

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

1. Grundsätzlich „liberales“ BGB: „Freiheit statt Sozialismus“

(1900)

„Bedürfnisse des geschäftetreibenden Bürgertums“:

Freiheit und Eigentum („Recht für Egoisten“)

eher Gleichheit als Gerechtigkeit, vgl. letzte Folie

Nur „Tropfen sozialistischen Öls“: § 138 II BGB, § 2303 BGB

2. Ab ca. 1950er Jahre zunehmende Schutzfunktion in

bestimmten Bereichen („soziale Marktwirtschaft“), z. B.:

zwingendes Arbeitsrecht

zwingendes Mietrecht bei Wohnraum (§§ 535 ff. BGB)

zwingendes Verbraucherschutzrecht (z. B. § 312 ff. BGB)

Privatautonomie (Freiheit) oder Schutz?

BGB

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

1. Abstraktheit

Keine Kasuistik, keine Beispiele (keine „Listen“)

Stattdessen Allgemeine und Besondere Teile (s. o.)

und Generalklauseln

§ 138 I BGB

§§ 242, 157 BGB

2. Verweise

z. B. § 437 BGB

3. Legaldefinitionen

z. B. § 121 BGB

Gesetzgeberische Methoden

BGB

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

Ansprüche ergeben sich aus Anspruchsgrundlagen.

Die drei häufigsten Anspruchsgrundlagen in dieser Vorlesung sind:

§ 433 I, II BGB: Ansprüche aus dem Kaufvertrag

§ 280 I BGB: Schadensersatz bei Pflichtverletzungen

§ 823 I BGB: bekannt

Ansprüche und Anspruchsgrundlagen

„Ohne Anspruchsgrundlage keine zivilrechtliche Prüfung.“

Ansprüche

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

1.Wer? (Anspruchssteller)

2.Von wem? (Anspruchsgegner)

3.Was? (Anspruchsziel)

4.Woraus? (Anspruchsgrundlage)

Vier Grundfragen

Mit diesen vier Fragen beginnt jede zivilrechtliche Prüfung.

Ansprüche

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

1. Entstehen eines Anspruchs?

Je nach Art des Anspruchs: Meist durch Vertragsschluss – aber auch durch Delikt (Erinnerung: Stift in der ersten Vorlesung)

2. Erlöschen eines Anspruchs?

oft einfach durch Erfüllung, § 362 BGB

für uns später wichtig: Unmöglichkeit, § 275 I BGB

3. Einreden gegen einen Anspruch?

z. B. Verjährung, § 214 BGB.

Einreden sind Leistungsverweigerungsrechte. Der Anspruch besteht noch; seine Erfüllung kann der Schuldner jedoch verweigern.

(In dieser Vorlesung werden nur die Einreden aus § 275 II, III und § 439 III BGB behandelt.)

Anspruchsprüfung, „Entwicklung“ von Ansprüchen

Anspruchsprüfung

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

Der leichteste Fall der Welt

Karl bestellt beim Autohändler Fischer einen Pkw der Marke „Bonz“ zum Preis von 30.000 €. Die Lieferfrist beträgt nach ihrer Vereinbarung einen Monat.

Das Fahrzeug soll bei Übergabe bezahlt werden. Fischer liefert das Fahrzeug jedoch nicht.

Als der Wagen nach drei Monaten immer noch nicht bei Karl ist, fragt dieser nach seinen Ansprüchen gegen Fischer.

Anspruchsprüfung

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

Auslegung im Zivilrecht – an zwei Stellen:

1. Von Gesetzen (hierzu jetzt)

2. Von Willenserklärungen/Verträgen (später in der Vorlesung)

In jedem Fall: „Das tägliche Brot“

(wie schon gesagt: Sprache!)

Gesetzesauslegung

Auslegung

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

Bienenstich

Imker Ingo hat einen Bienenstock mit ca. 2.000 Bienen, deren Honig er am Samstag auf dem Markt am Stiftsplatz verkauft.

Eines Nachts kommt der hungrige Problembär Bruno aus dem Pfälzer Wald, überwindet den Zaun des Ingo und beschädigt den Bienenstock schwer.

Die Bienen entweichen, bekommen schlechte Laune, begeben sich zum Bauernhof des Nachbarn Norbert und fallen dort den Zuchthengst Horst an, der schließlich an zahlreichen Bienenstichen verendet.

Hat Norbert gegen Ingo einen Anspruch aus § 833 BGB?

Auslegung

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

S. 1: prinzipielle Gefährdungshaftung des Tierhalters: verschuldensunabhängig

S. 2: „Nutztiereprivileg“: Verschuldenshaftung

Tierhalterhaftung

§ 833: Haftung des Tierhalters

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die

Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist

derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus

entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn

der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der

Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt

ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im

Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei

Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Auslegung

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

1. Wortlautauslegung („grammatikalische Auslegung“)

Wortlaut als Grund und Grenze möglicher Auslegungen

2. Teleologische Auslegung („Sinn und Zweck“)

„Raucherzimmer“

Verbraucherschutzrecht

Minderjährigenrecht

3. Systematische Auslegung (oft eher schwierig)

z. B. Regel-Ausnahme-Verhältnisse

4. Historische Auslegung („Wille des Gesetzgebers“)

Tiere und Häuser um das Jahr 1900

Gesetzesauslegung

Auslegung

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

Frauen und Männer

Der verheiratete ehemalige Fußballer Stefan Eifelberg (49) wird in der Zeitung „Goldenes Bild“ mit einer relativ blonden Dame namens Veronika (17½) abgelichtet. Stefans Frau Frieda sieht das Bild und lässt sich scheiden.

Stefan macht gegen Gustav Gold, den Herausgeber der Zeitung „Goldenes Bild“, Schadensersatzansprüche aus § 823 I BGB „wegen Verletzung seiner Ehe“ geltend.

Mit Recht?

Auslegung

BGB

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Ansprüche

Anspruchsprüfung

Auslegung

Wortlautauslegung: Die E-Zigarette

Das Nichtraucherschutzgesetz ist nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW nicht auf E-Zigaretten anwendbar. Ausdrücklich erwähnt werden die E-Zigaretten im Gesetz nicht, und eine Gleichsetzung mit Tabakprodukten komme nicht in Betracht, so das Gericht. Der klagende Gastwirt aus Köln muss damit den Gebrauch von E-Zigaretten in seinem Lokal nicht unterbinden. Die Stadt Köln hatte ihm zuvor Ordnungsmaßnahmen angedroht und sich dabei auf das Nichtraucherschutzgesetz gestützt. Das Gesetz sei jedoch nur auf Tabakwaren anwendbar, bei denen ein Verbrennungsvorgang stattfinde, erklärten nun die OVG-Richter: Das Gesetz verbiete nur „das Rauchen“ in bestimmten Einrichtungen. Nach dem allgemeinen und fachlichen Sprachgebrauch könne damit nur das „Einatmen von Rauch“, der bei der Verbrennung von Tabak entsteht, gemeint sein. Ein solcher Verbrennungsvorgang finde bei der E-Zigarette aber nicht statt.

Auslegung