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Die 23 Fälle wichtigsten Hemmer / Wüst / Fest / Tyroller Einordnungen Gliederungen Musterlösungen bereichsübergreifende Hinweise Zusammenfassungen einfach l verständlich l kurz 5. Auflage . . . . . Der Streit- und Meinungsstand im neuen Schuldrecht Sonderband

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Die 23 Fälle

wichtigsten

Hemmer / Wüst / Fest / Tyroller

Einordnungen

Gliederungen

Musterlösungen

bereichsübergreifende

Hinweise

Zusammenfassungen

einfach l verständlich l kurz

5. Auflage

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Der Streit- und Meinungsstand im neuen Schuldrecht

Sonderband

Inhaltsverzeichnis I

Inhaltsverzeichnis: Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten des Skripts

Fall 1: Unter welchen Voraussetzungen ist der mangelbedingte Nutzungs-

bzw. Betriebsausfallschaden ersatzfähig? ......................................................... 1

Fall 2: Welche Pflichtverletzung des Verkäufers ist Bezugspunkt für den Schadensersatz statt der Leistung? ................................................................. 10

Fall 3: Muss der Käufer die nach Ablauf der Nachfrist angebotene Leistung annehmen, wenn er noch nicht nach § 281 Abs. 4 BGB gestaltet hat (sog. Schwebezustand)? .................................................................................... 23

Fall 4: Teilleistung und Teilschlechtleistung im allgemeinen Leistungsstörungsrecht ..................................................................................... 32

Fall 5: Besteht analog § 122 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses, wenn der Schuldner die anfängliche Unmöglichkeit weder kannte noch kennen musste? ...................................... 38

Fall 6: § 284 BGB – viele Fragen ohne Antworten? .................................................... 44

Fall 7: Ist bei § 323 Abs. 1 BGB die Fristsetzung im Wege richtlinienkonformer Auslegung entbehrlich? ................................................. 57

Fall 8: Ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die Preisgefahr aufgrund besonderer Gefahrtragungsregelungen auf den Gläubiger übergegangen ist? .............................................................................................. 65

Fall 9: Welche Reichweite hat die Privilegierung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB? .................................................................................................................... 71

Fall 10: Wie ist der Beschaffenheitsbegriff des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB auszulegen? ........................................................................................................ 79

Fall 11: Sind sog. negative Beschaffenheitsvereinbarungen (Bastlerfahrzeug-Klausel) bei einem Verbrauchsgüterkauf zulässig? .......... 88

Fall 12: Ist § 434 Abs. 3 Alt. 1 BGB teleologisch zu reduzieren? ................................. 93

Fall 13: Kann der Verkäufer ein geleistetes höherwertiges aliud kondizieren? ...................................................................................................... 100

Fall 14: Ist die fehlende Eigentumsverschaffung ein Rechtsmangel i.S.d. §§ 435, 437 ff. BGB oder bleibt es beim Erfüllungsanspruch, § 433 Abs. 1 S. 2 BGB? ............................................................................................... 108

Fall 15: Welche Reichweite hat der Nacherfüllungsanspruch beim Verbrauchsgüterkauf? Erfüllungsort für den Nacherfüllungsanspruch. ................................................................................. 116

Inhaltsverzeichnis

II

Fall 16: Hat der Käufer ein Recht zur Selbstvornahme der Mängelbeseitigung? ......................................................................................... 133

Fall 17: Der Weiterfresserschaden nach der Schuldrechtsreform und die Verjährung der Mangelfolgeschäden .............................................................. 141

Fall 18: Schuldet der Verkäufer beim Stückkauf Nacherfüllung durch Lieferung einer anderen vergleichbaren Sache? ........................................... 153

Fall 19: Kann § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB analog angewandt werden, wenn die Kaufsache vor Gefahrübergang untergegangen ist? .................................... 163

Fall 20: Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung ...................................................... 169

Fall 21: Gibt es eine allgemeine Bonitätshaftung beim Rechtskauf? ....................... 179

Fall 22: Welche Reichweite hat die Vermutung des § 476 BGB? ............................... 185

Fall 23: Kann ein Unternehmer in der Lieferkette auch bei seinem Zulieferer von Einzelteilen Regress nehmen? ................................................................. 194

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 1

Fall 1: Unter welchen Voraussetzungen ist der mangelbedingte Nutzungs- bzw. Betriebs-ausfallschaden ersatzfähig?

Sachverhalt:

K kauft bei V ein Fernsehgerät, um dies bei den Spielen der deutschen National-mannschaft in seiner Gastronomie aufzustellen. Er erhofft sich dabei für diese Zeit einen Gewinnanstieg. Zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel bekommt er das Gerät geliefert, schließt dieses an und stellt die Sender ein. Als seine Kneipe am Tage des Eröffnungsspiels aufgrund der Werbung gut gefüllt ist, zeigt das erworbene Fernsehgerät nur einen schwarzen Bildschirm. Verärgert darüber verlassen die Gäste das Lokal des K, um sich das Spiel andernorts anzusehen. Als K den Mangel des Gerätes bei V anzeigt und Schadensersatz für den entgangenen Gewinn ver-langt, entgegnet dieser, er sei nicht zum Schadensersatz verpflichtet.

Hat K einen Anspruch gegen V auf Ersatz des entgangenen Gewinns?

(P): Anspruchsgrundlage für Betriebsausfallschaden

1. Ansicht: §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB.

Dagegen: Der Schaden wäre durch hypothetische Nacherfüllung nicht entfallen, besondere Umstände sind nach der Gesetzessystematik (vgl. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) andere.

2. Ansicht: §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.

Dafür: Schlechtleistung ist nichts anderes als Verzögerung einer mangel-freien Leistung; keine Umgehung der spezifischen Voraussetzungen des § 286 BGB.

Dagegen: § 437 BGB nennt § 286 BGB nicht.

3. Ansicht: §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB (überzeugende h.M.)

Dafür: Schlechtleistung kann für Sachleistungsgläubiger gefährlicher sein als Nichtleistung.

Dagegen: Gefahr der Umgehung des § 286 BGB.

I. Einleitung

Die Abgrenzung der einzelnen Scha-denskategorien im neuen Schuldrecht ist ein „Dauerbrenner“ und bereitet auch teilweise dem erfahrenen Prakti-ker Probleme.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts hat sich nicht nur die Begrifflichkeit des Nichterfüllungsscha-dens in Schadensersatz statt der Leis-tung gewandelt.

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 2

Vielmehr zeigt die Aufteilung in § 280 Abs. 1 bis 3 BGB, dass zu differenzie-ren ist zwischen dem Begleitschaden bzw. Schaden neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) mit dem Verzöge-rungsschaden (§ 280 Abs. 2 BGB) als Sonderfall und dem Schaden statt der Leistung (§ 280 Abs. 3 BGB).

Diese Unterscheidung ist nicht immer leicht zu treffen. In der Literatur werden dazu unterschiedliche Ansichten vertre-ten.

Dies, soll anhand des sog. mangelbe-dingten Nutzungs- bzw. Betriebsaus-fallschadens gezeigt und dann eine beispielhafte Einordnung vorgenom-men werden.

II. Begriff des mangelbedingten Nutzungsausfallschadens

Ein mangelbedingter Nutzungsausfall-schaden ist die Einbuße, die ein Käufer dadurch erleidet, dass er die Sache aufgrund eines Mangels zeitweise überhaupt nicht oder nicht wie geplant in seinem Betrieb einsetzen kann.

In den Fallkonstellationen des mangel-bedingten Nutzungsausfallschadens geht es um den Ersatz von Gewinnen aus der geplanten Verwendung der Kaufsache, die wegen des Mangels nicht erzielt werden konnten.

Beruhen kann der Schaden einerseits auf der Rückabwicklung eines bereits durchgeführten Geschäfts (z.B. nach Verarbeitung des mangelhaften Materi-als und der Veräußerung an den End-kunden), andererseits auf einem von vornherein unterbrochenen Geschäfts-fluss beim Käufer, etwa weil die von diesem hergestellten Produkte infolge des Mangels der in seinem Betrieb ein-gesetzten Kaufsache ihrerseits fehler-haft und deswegen unverkäuflich sind,

oder weil der Mangel seinen Betrieb zum Erliegen bringt.1

III. Falllösung und Argumentations-vorschlag zur Abgrenzung der Schadenskategorien

Fraglich ist, welcher Schadensart der mangelbedingte Nutzungsausfallscha-den zuzuordnen ist.

Da je nach Schadensart eine andere Anspruchsgrundlage mit anderen Vo-raussetzungen einschlägig ist, kommt dieser Einordnung im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit entscheidende Bedeu-tung zu.

1. Abgrenzung von Schadensersatz statt der Leistung und Schadens-ersatz neben der Leistung

Im Allgemeinen Schuldrecht existieren mehrere Anspruchsgrundlagen für den Schadensersatz statt der Leistung. Sie gelten mit Ausnahme des § 282 BGB über § 437 Nr. 3 BGB auch im Kaufrecht.

Bei einem behebbaren Mangel ist § 280 Abs. 1, 3 i.V.m. § 281 Abs. 1 BGB richtige Anspruchsgrundlage.

Beim unbehebbaren Mangel ist zwi-schen der nachträglichen und der an-fänglichen Unbehebbarkeit zu unter-scheiden: Während § 280 Abs. 1, 3 i.V.m. § 283 S. 1 BGB die Fälle der nachträglichen Unbehebbarkeit er-fasst, ist § 311a Abs. 2 BGB eine eige-ne Anspruchsgrundlage für die anfäng-liche Unbehebbarkeit.

1 Vgl. zu einem anderen Beispielsfall Gri-

goleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727, 739; Dies., JuS 2004, 745, 746.

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 3

Charakteristische Voraussetzung für den Schadensersatz statt der Leistung ist der erfolglose Fristablauf nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB zur Vornahme der Nacherfüllung.

Anmerkung: Die Fälle des unbehebba-ren Mangels sind insofern nicht charak-teristisch, als sie Sonderfälle des § 281 Abs. 2 BGB sind. Denn bei Unmöglich-keit der Nacherfüllung ist eine diesbe-zügliche Fristsetzung von vornherein sinnlos.

Durch die Nachfristsetzung soll der Schuldner Gelegenheit erhalten, seine Primärleistung doch noch ordnungs-gemäß zu erbringen. Der Gesetzgeber statuierte hier den Vorrang der Nacher-füllung. Dabei war es gerade seine Ab-sicht, den Übergang zum Schadenser-satz zu erschweren.

a) Aufgrund dieses Charakteristikums der Nachfristsetzung ist der Schadens-ersatz statt der Leistung vom Scha-densersatz neben der Leistung nach herrschender Ansicht mittels einer Kon-trollfrage abzugrenzen.

Anmerkung: Das Begriffspaar Mangel- und Mangelfolgeschaden, das nicht (al-lein) für die Abgrenzung des Scha-densersatzes statt und neben der Leis-tung herangezogen werden, ist ein ganz gewichtiges Indiz für die Zuord-nung zum Schadensersatz statt bzw. neben der Leistung.

Es ist zu fragen, ob eine hypothetische ordnungsgemäße Nacherfüllung im letzten Moment der angemessenen Frist den Schadensposten entfallen lassen würde. Ist diese Frage zu beja-hen, handelt es sich um einen Schaden

statt der Leistung, anderenfalls um ei-nen Begleitschaden.2

Anmerkung: Die gleiche Frage stellt sich auch in den Fällen eines unbeheb-baren Mangels. Hierbei ist zusätzlich noch hypothetisch anzunehmen, dass eine Nacherfüllung möglich wäre.

Der mangelbedingte Nutzungsausfall-schaden ist im Moment des Gewinn-ausbleibens entstanden. Durch eine ordnungsgemäße Nacherfüllung kön-nen nur zukünftige Gewinnaussichten realisiert werden. Der bereits in der Vergangenheit entgangene Gewinn lässt sich nicht rückwirkend erzielen, er ist grundsätzlich unwiederbringlich ver-loren.

Anmerkung: Zwar sind Konstellationen denkbar, in denen der entgangene Ge-winn nachgeholt werden kann. Zur Un-tauglichkeit dieses Kriteriums s.u.

Die Fristsetzung wäre demnach sinn-los. Somit liegt kein Schaden statt der Leistung vor, § 281 BGB findet keine Anwendung.

Hinsichtlich des mangelbedingten Be-triebsausfallschadens besteht zwar mittlerweile weitgehend Einigkeit, dass es sich bei dem bereits eingetretenen Nutzungsausfallschaden um einen Schaden neben der Leistung handelt, da dieser durch eine hypothetische ordnungsgemäße Nacherfüllung nicht entfallen würde.

2 Vgl. Hirsch, JURA 2003, 289, 290; a. A. MüKo,

§ 281 Rn. 85, wonach die Nacherfüllung bis zum Schadensersatzverlangen (§ 281 Abs. 4 BGB) oder zum Rücktritt ordnungsgemäß ist.

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 4

Exkurs: Der Nutzungsausfallschaden, der nach einem gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB erklärten Rücktritt entsteht, ist hingegen als Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB zu ersetzen Mit der Erklärung des Rücktritts ist der Leistungsanspruch des Käufers erlo-schen. Daher sind alle Schäden für die Zeit nach Erklärung des Rücktritts schon sprachlich zwingend Schäden statt der Leistung. Da es nach wirksam erklärtem Rücktritt keine Leistungs-pflicht mehr gibt, kann es auch keinen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung geben.3

b) Folglich handelt es sich bei dem Er-satz des mangelbedingten Nutzungs-ausfallschadens um einen Schadens-ersatz neben der Leistung.

Anmerkung: Früher wurde zur Ab-grenzung häufig das Begriffspaar Erfül-lungs- und Integritätsinteresse ver-wandt. Dies ist jedoch zur Differenzie-rung zwischen den Absätzen des § 280 BGB nicht mehr geeignet. Das Erfüllungsinteresse umfasst das Interesse des Gläubigers am Erhalt der ordnungsgemäßen Leistung. Er ist so zu stellen, als hätte der Schuldner ord-nungsgemäß geleistet. Das Gegen-stück dazu ist das sog. Integritätsinte-resse. Dies umfasst das Interesse des Gläubigers an der Erhaltung desjenigen Zustandes, der ohne die geschuldete Leistung bestehen würde. Hätte der Schuldner ordnungsgemäß geleistet, wäre der Leistungserfolg auch ohne Verzögerung beim Gläubi-ger eingetreten.

3 BGH, Life&LAW 2010, Heft 8, 503 ff. =

NJW 2010, 2426 ff. = jurisbyhemmer.

Der Verzugsschaden müsste – wenn dieses Kriterium entscheidend wäre – als Schadensersatz statt der Leistung eingeordnet werden. Dem steht aller-dings die Unterscheidung in § 280 BGB mit Abs. 2 und Abs. 3 BGB entgegen. Überdies ist Verzug – anders als bei § 326 Abs. 1 BGB a. F. – gerade keine Voraussetzung mehr für den Scha-densersatz statt der Leistung. Da der Verzögerungsschaden auch bei ord-nungsgemäßer Nacherfüllung nicht mehr entfällt, ist er anhand der Kontroll-frage vielmehr als ein Schaden neben der Leistung einzuordnen.

2. Abgrenzung von Begleitschaden gem. § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB und Verzögerungs-schaden gem. § 280 Abs. 2 BGB

Fraglich und in der Literatur höchst um-stritten ist, ob die Ersatzfähigkeit des mangelbedingten Nutzungsausfall-schadens den zusätzlichen Vorausset-zungen des § 286 BGB unterliegt, weil er einen Verzögerungsschaden im Sin-ne des § 280 Abs. 2 BGB darstellt.

Der Verzögerungsschaden ist ein Son-derfall des Begleitschadens, dessen Ersatzfähigkeit an zusätzliche Voraus-setzungen geknüpft ist, insbesondere an das Erfordernis einer Mahnung.

a) Gesetzesbegründung

Die Gesetzesbegründung4 ordnet den mangelbedingten Nutzungsausfall-schaden als Schadensersatz neben der Leistung ein, der unter den Vorausset-zungen des § 280 Abs. 1 BGB ersatz-fähig ist.

4 BT-Drs. 14/6040, S. 25.

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 5

Anmerkung: Allerdings handelt es sich dabei „nur“ um die Gesetzesbegrün-dung. Anzuwenden hat der Richter aber das Gesetz selbst. Steht dieses der Einordnung aus der Gesetzesbe-gründung entgegen, ist er hieran (und nicht an die Gesetzesbegründung) ge-bunden. Demnach sind die Voraussetzungen der beiden Schadensarten näher zu un-tersuchen.

b) Strengere Haftung des Schlecht-leistenden als des Nichtleisten-den

Einige Autoren finden es unbillig, den Schlechtleistenden grundsätzlich stren-ger für Folgeschäden haften zu lassen als den Nichtleistenden.5

Dies wäre aber der Fall, würde man den mangelbedingten Nutzungsausfall-schaden allein unter den Vorausset-zungen des § 280 Abs. 1 BGB ersetzen müssen. Denn während der Nichtleis-tende für Folgeschäden erst unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB haftet, trifft den mangelhaft Leistenden diese Ersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 BGB sofort.

Da der mangelhaft Leistende eine „we-niger schwerwiegende“ Pflichtverlet-zung begehe, müssten die zusätzlichen Voraussetzungen des § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB auf diesen erst recht angewandt werden.

Diese a maiore ad minus Anwendung ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn dem Gesetz nicht ein anderes zu entneh-men ist bzw. es eine Rechtfertigung für diese Schlechterstellung enthält.

5 Z.B. AnwKomm, 2005, § 280 Rn. 60 ff.; Flieg-

ner, JR 2002, 314, 322; Brox/Walker, Besonde-res SchuldR, Rn. 106; Jauernig, § 437 Rn. 17.

Die Schlechterstellung ist nach CANA-

RIS6 dadurch gerechtfertigt, dass die

Schlechtleistung für den Gläubiger er-heblich gefährlicher sein könne als die bloße Säumnis. Denn durch die Schlechtleistung dringe der Verkäufer in die Gütersphäre des Käufers ein, während die bloße Verzögerung als solche ein weitaus geringeres Scha-denspotential in sich berge.

c) Verweisungskatalog des § 437 Nr. 3 BGB

Ein erstes Indiz dafür, dass der man-gelbedingte Nutzungsausfallschaden nicht den zusätzlichen Voraussetzun-gen des § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB unterliegt, lässt sich § 437 Nr. 3 BGB entnehmen.

Diese Norm verweist zwar auf §§ 281, 283 BGB, nicht aber auf § 286 BGB. Somit liegt nach dem gesetzgeberi-schen Willen in einer Schlechtleistung keine Verzögerung der ordnungsge-mäßen Leistung.

Anmerkung zum Aufbau: Sie können selbstverständlich § 280 Abs. 1, 2 i.V.m. § 286 BGB als eigene An-spruchsgrundlage prüfen. Dieses Vor-gehen kostet in einer Klausur aber un-nötig Zeit, so dass zu empfehlen ist, die Abgrenzung der Schadenskategorien innerhalb des Anspruchs aus § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB vorzu-nehmen.

Dem wird entgegnet, dass es sich bei § 286 BGB um keine Anspruchsgrund-lage handle, sondern die Vorschrift über die Verweisung des § 280 Abs. 2 BGB einbezogen werde.7

6 Canaris, ZIP 2003, 321 ff. 7 So z.B. AnwKomm, 2005, § 280 Rn. 61 ff.

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 6

Richtig ist, dass § 286 BGB keine eige-ne Anspruchsgrundlage ist, sondern nur die Verzugsvoraussetzungen nor-miert. Jedoch trifft Gleiches auf die §§ 281, 283 BGB zu, die dann konse-quenterweise auch nicht in § 437 Nr. 3 BGB genannt sein dürften.

Diese sind ebenfalls keine eigenen An-spruchsgrundlagen, sondern nennen zusätzliche Voraussetzungen, unter denen bestimmte Schäden als Scha-densersatz statt der Leistung ersatzfä-hig sind.

Somit spricht der Verweisungskatalog des § 437 Nr. 3 BGB dafür, den auf ei-ner Schlechtleistung im ersten Erfül-lungsversuch beruhenden Betriebsaus-fallschaden allein den Voraussetzun-gen des § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB zu unterstellen.

d) Zeitliche Komponente

Für eine Behandlung nach den zusätz-lichen Voraussetzungen des § 286 BGB wird angeführt, dass die ord-nungsgemäße Leistung nur zeitlich verzögert sei und sich daher die Einbu-ßen nachholen ließen. Diese Nachho-lung sei nur auf die Zeit nach der Be-hebung des Mangels verschoben. Demnach drohe bei einer Nichtanwen-dung der spezifischen Voraussetzun-gen des § 286 BGB eine Umgehung derselben.8

Dem steht jedoch entgegen, dass eine Nachholung nicht immer möglich ist. Zu denken ist an Fälle, in denen der erwar-tete Gewinn mit besonderen äußeren Bedingungen verbunden ist, beispiels-weise an eine auf bestimmte Laufzeit eingetragene Nutzungslizenz oder ein besonderes Ereignis, wie z.B. die Fuß-

8 Vgl. Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727,

739 ff.

ball-WM für die Gastronomie. Gewinn-einbußen in diesen Fällen sind nach Zeitablauf gerade nicht mehr nachhol-bar.

Eine Differenzierung der Schadenska-tegorie danach, ob die Einbuße nach-geholt werden kann, würde das Prob-lem der Abgrenzung nur auf die Frage der Nachholbarkeit verlagern, aber nicht beheben.

e) Wortlaut des § 286 Abs. 1 BGB: „Nichtleistung“

Weiterhin spricht der Wortlaut des § 286 Abs. 1 BGB von Nichtleistung, während in den Konstellationen eines mangelbedingten Nutzungsausfall-schadens eine Schlechtleistung vor-liegt.

Gleiches kann aus der in § 433 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmten Erfüllungstheorie abgeleitet werden. Danach handelt es sich bei Schlechtleistung und Nichtleis-tung qualitativ um unterschiedliche Leistungsstörungen, die eine unter-schiedliche Behandlung erfordern.9

Anmerkung: Selbstverständlich ist ein Verzug der Leistung als auch der Nacherfüllung denkbar. Doch bedarf es dazu einer Nichtleistung anstelle einer Schlechtleistung.

f) Nacherfüllungsanspruch

Im Falle der Nichtleistung steht dem Käufer weiterhin der ursprüngliche Er-füllungsanspruch aus § 433 Abs. 1 BGB zu. Im Falle der Schlechtleistung wird dieser ab Lieferung durch den Nacherfüllungsanspruch fortgesetzt.

9 Ebenso Canaris, ZIP 2003, 321, 322; Medicus,

JuS 2003, 521, 528.

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 7

Dabei handelt es sich nicht um einen Sekundäranspruch, sondern eine Modi-fikation des Primäranspruchs.

Daher: Von einem Ausbleiben der Leis-tung i.S.d. Verzugs kann erst gespro-chen werden, wenn der Verkäufer mit der Nacherfüllung in Verzug gerät.10

g) Erwerb des Anspruchs auf Kauf-preiszahlung

Der Verkäufer kann sich vor der Auslie-ferung von der Erfüllungstauglichkeit des Gegenstandes vergewissern. Er gibt mit der Auslieferung zu erkennen, dass er sich mit diesem Gegenstand an den §§ 434 ff. BGB messen lassen will. Andernfalls könnte er die Leistung, oh-ne Haftungsfolgen befürchten zu müs-sen, in den Grenzen des § 286 BGB zurückhalten.

Je früher der Verkäufer (ordnungsge-mäß) leistet, desto eher erwirbt er den Anspruch auf den Kaufpreis. Ihm wird also daran gelegen sein, seiner Pflicht mit dem ersten Erfüllungsversuch nachzukommen. Dies ist der Antrieb, die Leistung nicht länger als nötig zu verzögern.

Die Konsequenz daraus ist aber auch, dass bei Schlechtleistung ein strenge-res Haftungsregime anzuwenden ist als bei bloßer Nichtleistung.11

h) Mahnungserfordernis

Überdies setzt der Verzug grundsätz-lich eine Mahnung voraus.

10 BGH, Life & Law 2009, 649 ff. m.w.N.;

OLG Hamm, Life & Law 2007, 1 ff.; LG Krefeld, DAR 2008, 90 f.

11 Vgl. Reischl, JuS 2003, 250, 253.

Die Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubi-gers, die geschuldete Leistung zu er-bringen.

Sie ist keine Willenserklärung, sondern eine geschäftsähnliche Handlung, da ihre Rechtsfolgen nicht kraft Parteiwil-lens, sondern kraft Gesetzes eintre-ten.12

Bekommt der Gläubiger keine Leistung, wird er den Schuldner zur Leistung auf-fordern. Wird ihm hingegen ein Gegen-stand geliefert, dessen Mangelhaftigkeit sich erst später zeigt, wird er ohne Kenntnis des Mangels nicht unmittelbar nach Lieferung, sondern allenfalls nach Kenntnis der Mangelhaftigkeit zur ord-nungsgemäßen Leistung auffordern. Diese Aufforderung enthält als minus die Mahnung.

Anmerkung zur Relevanz des Prob-lems: Beachten Sie, dass die Frage nach der Ersatzfähigkeit des Nut-zungsausfallschadens für das Ergebnis nur dann entscheidend ist, wenn noch keine Mahnung erfolgt ist. Da die Set-zung der Nachfrist zum Zweck der Nacherfüllung als minus eine Mahnung enthält, sind sämtliche Konstellationen problemlos, in denen der Nutzungsaus-fallschaden nach der Aufforderung zur Nacherfüllung eintritt.

Im Gegensatz dazu ist die Nichtleistung für den Gläubiger stets „sichtbar“, so dass andere Voraussetzungen als bei der Schlechtleistung gerechtfertigt sind.

Unterlässt der Gläubiger auch nach „Sichtbarwerden“ des Mangels die Ab-sendung einer Mahnung, so liegt ein Fall des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB vor.13

12 Vgl. Palandt, § 286 Rn. 16. 13 Vgl. S. Lorenz, NJW 2002, 2497, 2501 Fn. 36,

32.

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 8

Somit passt das für die Nichtleistung und den Verzug charakteristische Mah-nungserfordernis nur bei einer Nicht-, nicht hingegen bei einer Schlechtleis-tung.14

Anmerkung: Dies erkennen auch GRI-

GOLEIT/RIEHM.15 Sie wollen diese Un-stimmigkeit jedoch dadurch beseitigen, dass die Mahnung in den Fällen des mangelbedingten Nutzungsausfall-schadens stets nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich sein soll. Neben den angeführten Argumenten gegen eine Anwendung des § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB steht dieser Lösung zusätzlich entgegen, dass § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB eine Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen vo-raussetzt. Diese Interessenabwägung kann nicht durch eine Einordnung der Schadenskategorien nach Rechtsfol-gen überlagert werden.

i) Unterschiedliche Ursachen

Ferner wird für eine Anwendung der zusätzlichen Voraussetzungen des § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB vorge-bracht, dass der mangelbedingte Nut-zungsausfallschaden sowohl auf einer Nichtleistung als auch einer Schlecht-leistung beruhen kann.

Dies verpflichte den Rechtsanwender dazu, die identischen Schadensposten in beiden Konstellationen den Verzugs-voraussetzungen zu unterstellen.16

Dagegen spricht aber, dass es sich bei Nicht- und Schlechtleistung um zwei qualitativ unterschiedliche Leistungs-störungen handelt (s. o.).

14 Ebenso Canaris, ZIP 2003, 321, 322. 15 Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727, 743 ff. 16 So Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727,

739 ff.

j) Rückblick auf die Rechtslage vor dem 01.01.2002

Ein Indiz dafür, wie der BGH das neue Kaufrecht wohl anwenden wird, kann der Rechtsprechung zum alten Werk-vertragsrecht entnommen werden. Denn dieses kannte (anders als das Kaufrecht) bereits vor der Reform das Nacherfüllungserfordernis (vgl. § 633 BGB a. F., wo die „Nachbesserung“ normiert war).

In den Fällen eines mangelbedingten Nutzungsausfallschadens hat der BGH diesen nicht den Verzugsregeln unter-stellt, sondern die nunmehr in § 280 Abs. 1 BGB normierte und zuvor ge-wohnheitsrechtlich anerkannte positive Vertragsverletzung (pVV) angewandt (vgl. BGHZ 72, 31, 33 f.; 92, 308, 310; zuletzt BGH, NJW 2002, 816, 817).

Nach dem oben Gesagten ist davon auszugehen, dass es bei dieser Recht-sprechung bleibt.

IV. Fazit

Folglich sprechen die besseren Argu-mente dafür, die Ersatzfähigkeit des mangelbedingten Nutzungsausfall-schaden in den Fällen der Schlechtleis-tung nicht den zusätzlichen Vorausset-zungen des § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB zu unterstellen.

Vielmehr ist dieser (wie vor der Moder-nisierung des Schuldrechts im Werk-vertragsrecht) allein unter den Voraus-setzungen des § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen.

Der Meinungsstand im neuen Schuldrecht 9

Diese zunächst in der Literatur vertre-tene Ansicht ist zunächst vom OLG Hamm und vom OLG Frankfurt (OLG Hamm und OLG Frankfurt, Life&Law 2007, Heft 1, 1 ff.) so vertre-ten und anschließende vom BGH (BGH, Life&Law 2009, 649 ff.) über-nommen worden. Die schuldhafte Lie-ferung einer mangelhaften Sache be-gründet danach eine Ersaqtzpflicht des Verkäufers nach §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB ohne die weiteren Voraus-setzungen des § 286 BGB.

Erst wenn der Verkäufer mit der Nach-erfüllung in Verzug gerät seien die §§ 280 I, II, 286 BGB heranzuziehen.

Zusammenfassung zum mangel- bedingten Betriebsausfallschaden:

(1) Der mangelbedingte Betriebsaus-fallschaden ist vor erklärtem Rücktritt als Schaden neben der Leistung (= Be-gleitschaden). Schäden infolge der mangelhaften Lieferung nach §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB zu ersetzen.

Zeigt der Käufer dem Verkäufer den Mangel nicht rechtzeitig an, so ist sein Anspruch auf Schadensersatz ggf. gem. § 254 II S. 1 BGB zu kürzen.

(2) Mangelbedingte Betriebsausfall-schäden nach erklärtem Rücktritt sind als Schaden statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB zu ersetzen.

(3) Mangelbedingte Betriebsausfall-schäden infolge verzögerter Nacherfül-lung unterliegen dagegen den Voraus-setzungen der §§ 280 I, II, 286 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB.

V. Zur Vertiefung

BGH, Life&Law 2009, 649 ff.

BGH, Life&Law 2010, 503 ff.

OLG Hamm und OLG Frankfurt, Life&Law 2007, 1 ff.

MANKOWSKI, Die Anspruchsgrundlage für den Ersatz von „Mangelfolgeschäden“ (Integritätsschäden), JuS 2006, 481 ff.

GRIGOLEIT/RIEHM, AcP 203 (2003), 727 ff.

GRIGOLEIT/RIEHM, JuS 2004, 745 ff.

Zum Verhältnis Rücktritt und Schadensersatz vgl. BGH, Life&Law 2008, Heft 4