Einführung in die Soziologie sozialer Ungleichheit (PS) · Lehrstuhl für Soziologie I Sasa...

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Lehrstuhl für Soziologie I Sasa Bosancic, M.A. 1 Einf Einf ü ü hrung in die hrung in die Soziologie sozialer Ungleichheit (PS) Soziologie sozialer Ungleichheit (PS) Programm der heutigen Sitzung (1) Begriffe und Definitionen von Ungleichheit (2) Historischer Kontext (3) Lebenslage und Bewusstsein (4) Ungleichheitsforschung und Gegenwartsdiagnose

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EinfEinfüührung in die hrung in die

Soziologie sozialer Ungleichheit (PS)Soziologie sozialer Ungleichheit (PS)

Programm der heutigen Sitzung

(1) Begriffe und Definitionen von Ungleichheit

(2) Historischer Kontext

(3) Lebenslage und Bewusstsein

(4) Ungleichheitsforschung und Gegenwartsdiagnose

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Definitionen (1)

• Soziale Ungleichheit ist jede Art verschiedener Möglichkeiten der Teilhabe an

Gesellschaft bzw. der Verfügung über gesellschaftlich relevante Ressourcen. (Lexikon der Soziologie, Krause 1994)

• „‘Soziale Ungleichheit’ liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in

sozialen Beziehungsgefügen von den ‘wertvollen Gütern’ einer Gesellschaft

regelmäßig mehr als andere erhalten.“(Hradil 1999)

1. Begriffe u. Definitionen

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Definitionen (2)

• „Soziale Ungleichheit liegt überall dort vor, wo die Möglichkeit des Zugangs zu

allgemein verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern und/oder sozialen

Positionen, die mit ungleichen Macht- und/oder Interaktionsmöglichkeiten

ausgestattet sind, dauerhafte Einschränkungen erfahren und dadurch die

Lebenschancen der betroffenen Individuen, Gruppen und Gesellschaften

beeinträchtigt bzw. begünstigt werden.“(Kreckel 1992)

1. Begriffe u. Definitionen

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Begriffe (1)

Dimensionen

• sind wissenschaftlich kategorisierte Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit

• Basisdimensionen: Wohlstand, Macht, Prestige, Bildung

• weitere Dimensionen: Arbeits-, Wohn-, Umwelt- und Freizeitbedingungen;

Gesundheit

vertikale und horizontale Ungleichheit

• vertikal: Strukturierung in ein gesellschaftliches „Oben“ und „Unten“

• horizontal: Unterschiedliche Lebenslagen trotz gleicher Position im vertikalen Gefüge

der Gesellschaft (z.B. Alter)

1. Begriffe u. Definitionen

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Begriffe (2)

Status

• bezeichnet die bessere oder schlechtere Stellung im vertikalen Beziehungsgefüge

einer Gesellschaft

� Statuskonsistenz (z.B. hohe Bildung, hohes Einkommen)

� Statusinkonsistenz (z.B. hohe Bildung, niedriges Einkommen)

Mobilität

� Bewegung von Status zu Status, ob Auf- oder Abstieg, wird

vertikale soziale Mobilität genannt.

1. Begriffe u. Definitionen

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Begriffe (3)

Gerechtigkeit

• Der soziologische Begriff der Ungleichheit kommt in einer

wissenschaftlich-neutralen Form zur Anwendung

• Er lässt offen, inwiefern es sich bei festgestellten Ungleichheiten um legitime oder

problematische Ungleichheiten handelt

� Ungleichheit ≠ Ungerechtigkeit

1. Begriffe u. Definitionen

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Fragestellungen des Seminars

1. Wie wird soziale Ungleichheit theoretisch erfasst?

• Welche Struktur hat die Gesellschaft?

• Was sind die Ungleichheitsdimensionen?

• Wie „durchlässig“ ist die Gesellschaft? D.h. inwiefern besteht vertikale soziale

Mobilität?

1. Begriffe u. Definitionen

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EinfEinfüührung in die hrung in die

Soziologie sozialer Ungleichheit (PS)Soziologie sozialer Ungleichheit (PS)

Programm der heutigen Sitzung

(1) Begriffe und Definitionen von Ungleichheit

(2) Historischer Kontext

(3) Lebenslage und Bewusstsein

(4) Ungleichheitsforschung und Gegenwartsdiagnose

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Historische Formen sozialer Ungleichheit

religiöse und natürliche Legitimierung

In vormodernen Gesellschaften wie

• im antiken Griechenland

• im indischen Kastenwesen

wurden Ungleichheit als notwendig und nützlich angesehen:

� In Über- und Unterordnungsverhältnissen verwirklicht sich die Natur des Menschen

� Soziale Ungleichheiten werden legitimiert, indem sie als gottgegebene

Herrschaftsverhältnisse angesehen werden

2. Historischer Kontext

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Entwicklung von Mittelalter zur Neuzeit

• Durch die Säkularisierung entstehen im Bereich der Naturwissenschaften

Ordnungsvorstellungen ohne Bezug zu Gott

• analog zu Naturgesetzen entsteht die Annahme, dass Gesellschaft eigenen (und

nicht göttlichen) Regeln folgt

• Französische Revolution (1789): göttliche Ordnung der Feudalgesellschaft wird

fundamental in Frage gestellt

� Naturrecht: alle Menschen haben von Natur aus die gleichen Rechte

Freie = Adel und Klerus

Unfreie = Bauern

Ab 13./14. differenziert sich in den Städten das Bürgertumheraus

Das dreigeiteilteHaus Gottes

2. Historischer Kontext

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„Welches ist der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen?“

„Der erste, welcher ein Stück Landes umzäunte, sich in den Sinn kommen ließ zu

sagen: diese ist mein, und einfältige Leute antraf, die es ihm glaubten, der war der

wahre Stifter der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viel Laster, wie viel Krieg, wie viel

Mord, Elend und Gräuel hätte einer nicht verhüten können, der die Pfähle

ausgerissen, den Graben verschüttet und den Mitmenschen zugerufen hätte: ‘Glaubt

diesem Betrüger nicht; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte euch

allen, der Boden aber niemandem gehört’.“

(Aufsatz von J.J. Rousseau, 1754)

2. Historischer Kontext

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Fragestellungen des Seminars

1. Wie wird soziale Ungleichheit theoretisch erfasst? (Struktur/Dimensionen/Mobilität)

2. Wie werden soziale Ungleichheiten legitimiert?

2. Historischer Kontext

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EinfEinfüührung in die hrung in die

Soziologie sozialer Ungleichheit (PS)Soziologie sozialer Ungleichheit (PS)

Programm der heutigen Sitzung

(1) Begriffe und Definitionen von Ungleichheit

(2) Historischer Kontext

(3) Lebenslage und Bewusstsein

(4) Ungleichheitsforschung und Gegenwartsdiagnose

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Begriff und Wirklichkeit

• theoriegeleitete vs. empiriegeleitete Ansätze:

� Sind wissenschaftlich-theoretisch konstruierte Gruppen auch reale Gruppen?

grundsätzliches Problem der Ungleichheitsforschung:

� Differenz zwischen wissenschaftlicher Beschreibung und

alltäglicher Wahrnehmung bzw. Erfahrung

3. Lebenslage und Bewusstsein

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Selbsteinschätzung der Lebenslage

27%57%Obere

Einkommen

59%32%Mittlere

Einkommen

40%42%Untere

Einkommen

OOMMMUMU

Quelle: eigene Darstellung nach Barlösius 2004

U = Untere Einkommensgruppe

UM = Untere Einkommensgruppe der Mitte

MM = Mittlere Einkommensgruppe der Mitte

OM = Obere Einkommensgruppe der Mitte

O = Obere Einkommensgruppe

3. Lebenslage und Bewusstsein

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Fragestellungen des Seminars

1. Wie wird soziale Ungleichheit theoretisch erfasst? (Struktur/Dimensionen/Mobilität)

2. Wie werden soziale Ungleichheiten legitimiert?

3. Besteht ein Zusammenhang zw. Lebenslage und Bewusstsein?

3. Lebenslage und Bewusstsein

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EinfEinfüührung in die hrung in die

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(1) Begriffe und Definitionen von Ungleichheit

(2) Historischer Kontext

(3) Lebenslage und Bewusstsein

(4) Ungleichheitsforschung und Gegenwartsdiagnose

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4. Gegenwartsdiagnose

Das „Zwiebel-Modell“ nach BolteDas „Zwiebel“-Modell nach Bolte

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Das „Haus-Modell“ im Anschluss an Dahrendorf (80er Jahre)

4. Gegenwartsdiagnose

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Die Sinus-Milieus („Kartoffel-Grafik“)

Quelle: sinus-sociovision.de

4. Gegenwartsdiagnose

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Zentrale gesellschaftliche Entwicklungstendenzen

50er bis 70er Jahre: Das „Goldene Zeitalter“

• Allgemeine Zunahme des Wohlstands („Wirtschaftswunder“)

• Wohlfahrtsstaatliche Absicherung

• Bildungsreform

� Individualisierungsschub wird freigesetzt

• Die Individuen werden aus dem Herkunftsmilieu herausgelöst

• Bedeutungsverlust von Klassen und Schichten

• Problem der Erfassung pluraler Lebensformen

4. Gegenwartsdiagnose

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Umbrüche in der Arbeitswelt (~ ab den 80ern)

• Bedeutungsverlust der un- und angelernten Industriearbeit im Zuge der

Globalisierung

• Einsparungspotential im Dienstleistungssektor

• Erosion des Normalarbeitsverhältnisses

• Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse

• Arbeitskraftunternehmer und Selbstökonomisierung:

Organisation des Selbst nach den Erfordernissen des (Arbeits)Marktes

4. Gegenwartsdiagnose

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Folgeprobleme (1)

• Armut trotz Arbeit (working poor)

• Verfestigung von Langzeit- und Dauerarbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Abbau

wohlfahrtsstaatlicher Absicherung

• Die Mittelschicht erodiert, Einkommensunterschiede nehmen zu

• Erosion des Nationalstaats im Zuge der Globalisierung

� Politische Steuerungsfähig geschwächt (Standortfrage)

4. Gegenwartsdiagnose

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Folgeprobleme (2)

• Bildungsungleichheit: Soziale Herkunft entscheidet über Bildungsweg

• Reproduktion und Verfestigung ungleicher Lebenslagen

• Räumliche Segregation in den Städten

• Zunahme ethnisch-kultureller Konflikte

� Rückkehr der Klassengesellschaft?

� Entstehung einer „neuen Unterschicht“?

4. Gegenwartsdiagnose

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Fragestellungen des Seminars

1. Wie wird soziale Ungleichheit theoretisch erfasst? (Struktur/Dimensionen/Mobilität)

2. Wie werden soziale Ungleichheiten legitimiert?

3. Besteht ein Zusammenhang zw. Lebenslage und Bewusstsein?

4. In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

4. Gegenwartsdiagnose

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