Zusammenfassung: Soziale Ungleichheit

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© www.lernjournalblog.wordpress.com 2013 1 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14 Soziale Ungleichheit Ein Überblick über ältere und neuere Ansätze Kapitel 1: Einleitung - Keine Fragen zu diesem Kapitel, aber eine schöne Übersicht, SB S. 8

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für das Modul 2D an der FernUni Hagen, WS 13/14

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    1 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Soziale Ungleichheit Ein berblick ber ltere und neuere Anstze

    Kapitel 1: Einleitung

    - Keine Fragen zu diesem Kapitel, aber eine schne bersicht, SB S. 8

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    2 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Nach Marx prgt das Sein das Bewusstsein, die konomische Lage wirkt sich urschlich auf die Lebensverhltnisse der einzelnen und die gesellschaftlichen Verhltnisse aus. Unter anderem bedingt wirtschaftliche Macht politische Macht. Deshalb reicht es auch aus, Klassen nach dem Kriterium des Besitzes oder Nichtbesitzes von Produktionsmitteln einzuteilen. (...) Die Prinzipien des Klassenbegriffs nach der Klassentheorie von Marx, die fr sptere Klassenmodelle einflussreich waren, sollen nun noch einmal zusammengefasst werden: Sein Klassenbegriff hat eine konomische Basis. Der Besitz oder Nichtbesitz von Produktionsmitteln ist entscheidend fr die Klassenzugehrigkeit und damit fr die soziale Lage in einem umfassenden Sinne sowie fr Machtverhltnisse in der Gesellschaft. Soziale Ungleichheit lsst sich so mittels des Klassenbegriffs erklren. Klassen stehen sich antagonistisch gegenber: Aufgrund gegenstzlicher Interessen besteht ein Klassenkonflikt, wobei sich das Hauptaugenmerk auf zwei relevante Klassen richtet, die sich im Klassenkampf dichotom gegenberstehen. Allgemein kommt der Betrachtung der Beziehungen zwischen den Klassen in der Klassentheorie damit groe Bedeutung zu. Unter bestimmten Bedingungen zeichnen sich die Mitglieder einer Klasse auch durch ein gemeinsames (Klassen-)Bewusstsein aus, das solidarisches Handeln ermglicht. Klassen sind damit keinesfalls nur sozialstatistische Kategorien, sondern Akteure im gesellschaftlichen Krftespiel (Kreckel 1990: 55).

    Kapitel 2: Die Entstehung der Klassen- und Schichtmodelle

    (1) Karl Marx hat mit seiner Klassentheorie (1848) einen der Grundsteine der soziologischen Analyse sozialer Ungleichheit gelegt.

    a.) Welche Klassen unterscheidet Marx und wodurch wird die Klassenlage bestimmt?

    Marx teilt in seiner Klassentheorie die Gesellschaft in zwei antagonistische Klassen ein (zwei Klassen also, die sich dichotom gegenberstehen): Die Bourgeoisie und das Proletariat.

    Die Klassenlage wird wesentlich durch den Besitz von Produktionsmitteln bestimmt. Die Bourgeoisie als die herrschende Klasse ist im Besitz der Produktionsmittel und herrscht ber die Nichtbesitzenden: die Arbeiter bzw. das Proletariat. Unterschied zwischen Besitz und Eigentum beachten! Fr Marx liegt die Ursache sozialer Ungleichheit im Privateigentum an Produktions-mitteln.

    Die besitzende Klasse (Bourgeoisie) verfgt ber den Mehrwert, den die Arbeiter erarbeiten. Durch diese Ausbeutung wird Kapital angehuft, was wiederum dazu fhrt, dass konomische Macht und daraus folgend auch gesellschaftliche Macht (Politik, Kultur, Recht und Religion = der berbau) ausgebaut wird. Das Proletariat aber verfgt ber keine Produktionsmittel und ist gezwungen seine Arbeitskraft als Ware zu verkaufen. Es erhlt einen geringen Lohn, wird sozial und politisch unterdrckt. Durch die fehlende Selbstbestimmung werden die Arbeiter zunehmend zu entfremdeten Individuen. Diese genannten Unterschiedlichkeiten mnden, laut Marx, unweigerlich in einem Klassenkampf, welcher aber auch einen Motor fr Entwicklung darstellt und diese vorantreibt. Aus dem Studienbrief, S. 10ff.

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    b.) Was versteht Marx unter Klasse fr sich und Klasse an sich?

    Eine Klasse an sich bilden Menschen, die sich einfach objektiv in derselben Klassenlage befinden.

    Eine Klasse fr sich bilden die Menschen, die zustzlich ein gemeinsames Klassenbewusstsein teilen und daraus folgend untereinander solidarisch handeln.

    (2) Max Weber differenziert in seinem Werk Wirtschaft und Gesellschaft (1922) zwischen sozialen Klassen und sozialen Stnden.

    a.) Was versteht Weber unter sozialer Klasse und sozialem Stand und welche Unterarten sozialer Klassen differenziert er?

    Zunchst unterteilt Weber die Klassen in Besitz-, Erwerbsklassen und sozialen Klassen. Weber siedelt diese (im Gegensatz zu sozialen Stnden!) in der Sphre der Wirtschaft an. Weber durchbricht die Dichotomie von Marx, in dem er in den "objektiven" beiden Klassenlagen, also in der Besitzklasse und der Erwerbsklasse, jeweils selbst antagonistische Lagen ausmacht, z.B. Besitzklasse: Besitzer von Bergwerken vs. Verschuldeter, ehemals Besitzender; Erwerbsklasse: Hndler und Unternehmer vs. einfacher Arbeiter. Soziale Klasse: Eine "subjektive" Klassenlage, in welcher der Wechsel zwischen den einzelnen sozialen Klassen persnlich und generationenbedingt leicht mglich und auch typischerweise stattfindet (soziale Mobilitt). Max Weber unterscheidet 4 soziale Klassen: die Arbeiterschaft

    das Kleinbrgertum

    die besitzlose Intelligenz und Fachgeschultheit

    die Klasse der Besitzenden und durch Bildung Privilegierten

    Soziale Stnde: laut Weber eher eine soziale Ordnung im engeren Sinne aus amorphen Gemeinschaften (d.h. die Mitglieder mssen sich untereinander nicht persnlich kennen), die sich in einer bestimmten Lebensfhrung (sptere Lebensstilanstze bauen darauf auf !) ausdrckt, und in der Begriffe wie Ehre und soziales Prestige bedeutsam sind. In einem sozialen Stand bevorzugt man den Umgang mit einem gleichgesinnten Personenkreis (Schlieung und Abgrenzung dadurch gegenber anderen Gruppen) und verfolgt ein spezifische Wertesystem. Verknpfungen zwischen Klasse und Stand sind insgesamt weder unmglich noch zwangslufig vorhanden. Offiziere, Beamte und Studenten knnen z.B. dem gleichen Stand angehren, ohne sich in der gleichen Klassenlage zu befinden. Beispiel: Studenten der Hippie-Bewegung in den 60er/70er Jahren (= sozialer Stand) entsprangen sowohl aus wohlhabenden, wie auch weniger priveligierten Familien (=soziale Klasse)

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    b.) Worin besteht der zentrale Unterschied des Klassenbegriffs von Weber gegenber dem von Marx?

    Differenzierte, mehrdimensionalere Einteilung der Gesellschaft in Klassen, Stnde und Parteien;

    nicht nur zwei dichotome wie bei Marx Die Betonung bei Weber liegt nicht allein auf konomischen Aspekten (Besitz oder Nicht-

    Besitz), sondern auch auf Leistungsaspekten und Lebensfhrung Durchbrechung der Dichotomie, sowohl in der Besitzklasse, als auch in der Erwerbsklasse, in

    dem er in den "objektiven" beiden Klassenlagen, also in der Besitzklasse und der Erwerbsklasse, jeweils selbst antagonistische Lagen ausmacht, z.B. Besitzklasse: Besitzer von Bergwerken vs. Verschuldeter, ehemals Besitzender; Erwerbsklasse: Hndler und Unternehmer vs. einfacher Arbeiter.

    Im Unterschied zu Marx fhrt die Zugehrigkeit zu einer Klasse (bzw. zu einer sozialen Klasse) im Zuge sozialen Wandels nicht notwendig zu einem Klassenbewusstsein oder gemeinsamen Handeln die Entwicklung zu einer Klasse fr sich ist nur eine potentielle, nicht sehr wahrscheinliche Mglichkeit, whrend Marx die Entstehung eines gemeinsamen Klassenbewusstseins, und damit die Entstehung einer Klasse fr sich, fr prozesshaft hlt Klassenlagen sind bei Weber aber vielfltiger und uneindeutiger Bedingungen, die ein Klassenhandeln begnstigen sind: massenhaft hnliche Klassenlage, rumliche Nhe, gemeinsame, einleuchtende Ziele, gemeinsames Handeln gegen unmittelbaren Interessengegner

    Nicht der Klassencharakter stellt das entscheidende Merkmal des modernen Kapitalismus dar, sondern die wachsende Bedeutung der Zweckrationalitt mit brokratischen Organisationen als Rahmen

    Fr Marx stellt der Klassenkampf einen wichtigen gesellschaftlich-dynamischen Prozess dar; Weber mchte die Betonung mehr auf Prestige und stndische Lage legen und die Rolle der konomie nicht berschtzen

    Marx Weber

    dichotome Einteilung der Gesellschaft

    in die zwei Klassen Bourgeoisie und Proletariat

    differenzierter und mehrdimensional:

    Klassen, Stnde, Parteien

    -

    Durchbrechung der Dichotomie: auch in der Besitzklasse gibt es, genau wie in der Erwerbsklasse,

    Gewinner und Verlierer

    Modell beruht v.a. auf konomische Aspekten (Besitz und Nicht-Besitz)

    neben den konomischen Aspekten werden auch Leistungsaspekte und Lebensfhrung fr wichtig erachtet

    (Prestige und stndische Lage)

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    (3) Das Schichtmodell von Theodor Geiger (1955) stellt eine erhebliche Reformulierung des Klassenmodells von Marx dar.

    a.) Wodurch unterscheidet sich der Begriff der Schicht gegenber dem Begriff der Klasse bei Marx?

    Der Begriff Schicht fungiert bei Geiger als Oberbegriff, der die soziale Lage in einer Gesellschaft kennzeichnet und dabei nicht nur auf konomischen Kriterien beruht. Er beschreibt diese soziale Lage als: viele Personen (Familien), die ein erkennbares Merkmal gemeinsam haben und damit einen gewissen Status (mit diesem sind verbunden: Lebensstandard, Glcksvermgen, Privilegien, Rang, ffentliches Ansehen, Chancen und Risiken) Schichten differenzieren sich auf diese Weise, im Gegensatz zum Zwei-Klassen-Modell von Marx, recht unterschiedlich aus: Bei Marx gibt es "nur" zwei Klassen, die sich durch den konomischen Aspekt, von Besitz oder Nichtbesitz von Produktionsmitteln unterscheiden ( Bourgeoisie und Proletariat).

    b.) Was versteht Geiger unter dem Begriff des dominanten Schichtungsprinzips und zu welchem Zweck fhrt Geiger diesen Begriff ein?

    Zunchst lst laut Geiger das dominante Schichtungsprinzip historisch die Klassengesellschaft ab. Schichten knnen nach unterschiedlichen Merkmalen gebildet werden. In welcher Weise Schichtungen sinnvoll unterteilt werden knnen, unterscheidet sich nach der jeweiligen Betrachtungsperspektive (geschichtlich oder gesellschaftlich). Die hervorstechende bzw. am strksten betonte Schichtung einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ist das dominante Schichtungsprinzip. Andere mgliche Schichtungsprinzipien sind subsidir und damit untergeordnet. Geiger fhrt den Begriff dominantes Schichtungsprinzip ein, da verschiedene Schichtstrukturen gleichzeitig bestehen und sich gegenseitig durchkreuzen, berlagern und durchdringen, aber nicht alle Schichtmerkmale gleichermaen wichtig sind. Allerdings ist es in den Augen seiner Kritiker (und auch in seinen) schwierig, das jeweils dominierende Schichtungsmerkmal einer Gesellschaft zu erkennen. Geiger: Alles scheint heute im Gleiten zu sein, eine klar sich abzeichnende Struktur ist kaum zu finden, wohl aber lassen gewissen Tendenzen einer Schichtverlagerung sich aufzeigen.

    gemeinsame Klasse (Klasse an sich) fhrt prozesshaft zu

    Klassenbewusstsein / gemeinsamen Handeln (Klassen fr sich)

    die Entstehung einer Klasse fr sich ist nicht eindeutig und geschieht

    vielfltig

    Merkmal des Kapitalismus = Klassencharakter

    Merkmal des Kapitalismus = Zweckrationalitt!

    Klassenkampf als wichtiger gesellschaftlich-dynamischer Prozess -

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    6 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    c.) Erlutern Sie die Begriffe objektive und subjektive Schicht.

    Die objektive Schicht richtet sich nur nach ueren Merkmalen der sozialen Lage, ein Beispiel dafr ist das Einkommen. Die Bezeichnung subjektive Schicht basiert auf einer gemeinsamen Geisteshaltung oder Denkweise der Zugehrenden. Geiger favorisiert eine Erfassung von beiden und einen anschlieenden Vergleich, so dass sich gewisse Haltungen als typisch fr spezifische gesellschaftlichen Lagen erkennen lassen. Damit wre dann auch die spezifische Haltung einer Schicht lokalisiert. Noch einmal erklrt: Schicht ist bei Geiger die Verknpfung der sozialen Lage mit einer spezifischen Mentalitt. Bestimmte hnliche Lebensverhltnisse (bestimmt durch hnliche Ressourcen und hnliche Restriktionen = soziale Lage) bringen spezifische Denk- und Verhaltensmuster bei sozialen Akteuren/Gruppen hervor, die Geiger als (Schicht)Mentalitt bezeichnet, also als eine Art kollektive Disposition = subjektives Denk- und Verhaltensschemata innerhalb einer Gruppe, die ber die gemeinsame Schichtzugehrigkeit definiert wird. (4) Die funktionalistische Schichtungstheorie (entwickelt von T. Parsons in den USA in den 1940ern; die deutsche Rezeption konzentriert sich auf einen Aufsatz von Davis & Moore (1945), der 1967 in deutscher Sprache erschien) analysiert soziale Ungleichheit vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Nutzens einer asymmetrischen Sozialstruktur.

    a.) Welches sind die Determinanten beruflicher Positionen aus dieser Perspektive?

    Der Rang einer beruflichen Position wird ermittelt durch:

    1. die Bedeutung oder die Funktion der Position fr die Gesellschaft Welcher Status? 2. die erforderliche Begabung und/oder Ausbildung, die zur angemessenen Ausbung der Position notwendig ist steht in Bezug zur relativen Knappheit des Personals (Davis & Moore, 1945) Welche Leistung ist also notwendig? b.) Welche Funktion erfllt die Schichtung der Gesellschaft aus Sicht der funktionalistischen Schichtungstheorie?

    Durch die Allokation ( = die Zuordnung von beschrnkten Ressourcen zu potentiellen Verwendern) der Gesellschaftsmitglieder auf unterschiedliche Positionen, aufgrund des Leistungsprinzip und des Status, entsteht eine natrliche Rangordnung innerhalb der Gesellschaft. Diese soziale Schichtung trgt zum Funktionieren der Gesellschaft bei und ermglicht eine stabile soziale Ordnung. Die Schichtung jeder Gesellschaft stellt eine funktionale Notwendigkeit dar. (Davis & Moore, 1945)

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    7 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Kapitel 3: Klassen und Schichten in der Diskussion

    (1) Beschreiben Sie stichwortartig die Faktoren, die Helmut Schelsky (Auf der Suche nach Wirklichkeit, 1965) veranlassen, die Gesellschaftsstruktur Deutschlands der 60er Jahre als eine Nivellierte Mittelstandsgesellschaft zu bezeichnen.

    (nivelliert: einebnen, gleichmachen, Unterschiede ausgleichen)

    Die Antwort zu Schelsky sieht fnf Punkte als Antwort vor:

    1. Umfangreiche Auf- und Abstiegsprozesse - sowohl bei Industriearbeitern und Verwaltungsangestellten (Aufstiege) als auch im Besitz- und Bildungsbrgertum (Abstiege), die einen Abbau der Klassengegenstze nach sich gezogen haben

    2. Vereinheitlichung der sozialen und kulturellen Verhaltensnormen

    3. Soziale Mobilitt ist keine Umschichtung sondern Entschichtung

    4. Das Bewusstsein der Menschen aber hlt an Prestigeschichtung/Rangfolge fest, um dieser Diffusion (=Durchmischung), also der gesellschaftlichen Um- und Entschichtung, Herr zu werden

    5. In der nivellierten Gesellschaft sind den Aufstiegsbedrfnissen definitionsgem enge Grenzen gesetzt, weil die "soziale Leiter" krzer ist. Da es nach Schelsky nur noch eine breite Mittelschicht gibt, kann es defintionsgem kein groe Mobilitt mehr nach oben oder unten geben.

    (2) Worauf geht nach Dahrendorf (1960er: Ausbau der Konflikt-Perspektive Dahrendorf ist ein Konflikttheoretiker - und Haus-Modell der Schichtung ) soziale Ungleichheit in einer Gesellschaft ursprnglich zurck?

    Zusammenhang von Norm Sanktion - Herrschaft

    Dahrendorf geht davon aus, dass die Ursache sozialer Ungleichheit nicht auf Privateigentum (Rousseau, Marx) zurckzufhren ist und nicht durch ihre Funktionalitt (Davis & Moore) erklrt werden kann. Vielmehr folgert er Ungleichheit aus dem (ungleichen) Dreigespann Norm-Sanktion-Herrschaft. Gesellschaft heit, dass es Normen gibt, die das Verhalten der Menschen regeln. Diese Regelung wird durch den Anreiz und Drohung von Sanktionen garantiert. Weil es Normen gibt und Sanktionen ntig sind, um ihre Einhaltung zu erzwingen, muss es Ungleichheit des Ranges unter den Menschen geben. Die Mglichkeit, Sanktionen zu verhngen, ist der abstrakte Kern aller Herrschaft. Herrschaft und Herrschaftsstrukturen gehen [somit] logisch... den Strukturen sozialer Schichtung voraus.

    Dazu zur Konkretisierung folgendes:

    In allen menschlichen Gesellschaften existieren Normen, die mit Sanktionen versehen sind. Die Ungleichheit ergibt sich aus der Notwendigkeit der Sanktionierung von normgemem und nicht-normgemem Verhalten, wobei die soziale Position der Menschen und die Bewertungsmastbe, bzw. wer diese festsetzt, eine wichtige Rolle spielen. Die Normen fr die gesellschaftliche Wertung werden von der Oberschicht auf einem hohen Niveau festgelegt, denen untere

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    8 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Schichten in der Regel nicht gerecht werden knnen, z.B. eine anspruchsvolle, hoch qualifizierte berufliche Ttigkeit, die eine umfangreiche Schulbildung voraussetzt. Die Fhigkeit, sich normenkonform bzw. den Bewertungsmastben gerecht zu verhalten und belohnt zu werden, hngt daher von der sozialen Position ab. Diese Normen bedeuten auch immer eine Diskriminierung derer, die sie nicht erfllen knnen (soziale Ungleichheit), d. h. Normen legen auch die Struktur sozialer Positionen fest, d.h. die Herrschaftsstruktur wird prinzipiell von der Schichtung abgebildet. Abstrakter Kern der Herrschaft ist die Fhigkeit und Mglichkeit Sanktionen zu verhngen. (--> Siehe auch Herrschaft bzw. Macht bei Max Weber) Nach einer Modifizierung der marxschen Zwei-Klassen-Theorie mit nur einem wichtigen Herrschaftsverband, gibt es nach Dahrendorfs Auffassung vielfltige Herrschaftsverbnde, die soziale Ungleichheit und soziale Konflikte hervorrufen, welche wiederum einen sozialen Wandel bewirken knnen. Bei diesen Konflikten handelt es sich um Verteidigung oder Vergrerung der Lebenschancen, welche sowohl aus Angeboten und Anrechten, als auch aus kulturellen Bindungen bestehen.

    Hier ein Zitat: " Nicht das Eigentum an Produktionsmitteln ist der allgemeine Grund der Konflikte, sondern die Herrschaft, die immer die an ihr teilhabende Minderheit mit der ausgeschlossenen Mehrheit konfrontiert. Nach Dahrendorf ist die Gesellschaft nicht durch Konsens zusammengehalten, sondern basiert auf Zwang. Insofern ist seine Konflikttheorie auch eine Theorie der ungleichen Verteilung von Macht und eines Antagonismus zwischen Gesellschaft und Individuum. Ungleichgewichtig sind aber auch die Weltanschauungen und die kulturellen Werte in einer Gesellschaft. Das Prinzip des Sozialen ist deshalb der Konflikt, nicht das zeitlos Gltige. (Dahrendorf empfand die Gesellschaft als rgerliche Tatsache) Dahrendorf hlt Konflikt fr den Motor einer notwendigen Entwicklung von Gesellschaft. Konflikt ist demnach unvermeidlich und ist nur durch Konfliktregelung beizukommen. Ralf Dahrendorf geht von sozialen Positionen aus, die in einer Gesellschaft existieren und zu jeder sozialen Position gehrt eine soziale Rolle; dieses Begriffspaar bezeichnet den Homo Sociologicus, den Menschen der Soziologie als Rollentrger."

    (aus: http://de.wikibooks.org/wiki/Soziologische_Klassiker/_Das_soziologische_Dorf/_Konflikttheorie)

    (3) Was versteht man unter Status und was bedeutet Statusinkonsistenz?

    "Status" bezeichnet eine Position in der Schichtungshierarchie. Diese Position kann eine Person, je nach Gesellschaft, aufgrund unterschiedlicher Merkmale haben, z.B. aufgrund von Bildung, Beruf oder Einkommen, aber auch auf Grund von Geburt in einem bestimmten Familienverbund oder hnlichem.

    Von Statusinkonsistenz spricht man, wenn mehrere entscheidende Merkmale, die zur Zuordnung zu einer Statusposition fhren sollten, bei einer Person "nicht zusammenpassen" und somit gleichzeitig unterschiedliche gesellschaftliche Positionen vertreten werden, z.B. wenn eine Person zwar eine hohe Bildung, aber nur ein niedriges Einkommen hat.

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    9 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    (4) Was wird unter dem Begriff des Prestiges in der Soziologie verstanden? Inwiefern hngt Prestige mit sozialer Schichtung zusammen?

    Zunchst einmal betonen Prestigemodelle, dass Schichtstrukturen durch das soziale Ansehen, durch die Wertschtzung von Positionen erkennbar seien. Insbesondere die Wertschtzung des Berufes, Bildung und Einkommen spielen dabei eine zentrale Rolle.

    "Prestige" bezeichnet die Wertschtzung, die eine Person oder eine Gruppe bzw. die Inhaber eines sozialen Status genieen- also das soziale Ansehen. Es handelt sich dabei um eine objektive Ressource, die allerdings das Ergebnis einer subjektiven Wertung darstellt.

    Modelle, die davon ausgehen, dass Prestige das zentrale Kriterium der gesellschaftlichen Schichtung darstellt, gehen davon aus, dass es in der Gesellschaft einen relativen Konsens gibt bezglich der Werte und der Einstufung in der Schichtungshierarchie, wie sich also bestimmte Personengruppen auf der "sozialen Leiter" zuordnen lassen- welchem Status diese Personengruppen je angehren und mit welchem Prestige dieser Status jeweils verknpft ist.

    Aus dem Studienbrief, S. 40 ff: Prestige ist damit dem Status recht nahe, der die Stellung eines Positionsinhabers ausdrckt. Der Status z.B. einer Berufsposition wie der des Polizisten kann beispielsweise auf Prestige (also auf der Wertschtzung) beruhen, aber z.B. auch auf der Qualifikation oder dem Einkommen. Das Prestige ist das soziale Ansehen, das man nicht verwechseln darf mit einem Ansehen aufgrund persnlicher Merkmale. Das Prestige des Polizisten ist also unabhngig davon, ob ein einzelner, mir bekannter Polizist besonders fleiig, fhig usw. ist oder nicht. Ein weiteres begriffliches Problem ist die Einordnung von Prestige als objektives oder subjektives Ungleichheitsmerkmal. Einerseits kann man Prestige als objektive Ressource ansehen, die ebenso wie z.B. das Einkommen in der Gesellschaft ungleich verteilt ist. Andererseits ist Prestige immer das Ergebnis einer subjektiven Wertung, ist nicht nach einem festen Mastab zhlbar wie z.B. das monatliche Einkommen in Euro. Fr Wegener (1988) sind beide Aspekte des Begriffs Prestige untrennbar verknpft: Sein Spezifikum ist, dass es sowohl subjektive Meinungsbildung als auch Abbild einer sozialen Strukturkomponente ist.

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    10 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Kapitel 4: Modifizierte Klassen und Schichtmodelle

    Einleitung: Neuere Schicht- und Klassenmodelle reagieren in erster Linie auf komplexer werdende Strukturen sozialer Ungleichheit, welche sich ber die einfachen Modelle, wie das dichotome Klassenmodell von Marx, nicht mehr einfangen lassen. Andererseits betonen sie die Persistenz (= Dauerhaftigkeit eines Zustands, Bestndigkeit) traditioneller Ungleichheits-verhltnisse auch fr die Sozialstruktur der Gegenwart.

    (1) Rainer Geiler beruft sich bei der Konstruktion seines Schichtmodells (1996, 2002) in erster Linie auf Dahrendorf.

    a.) Wodurch zeichnet sich das Schichtmodell Geilers aus?

    Geiler nimmt in seiner Modifizierung sowohl Bezug zu Theodor Geiger (vgl. Kap. 2.3) als auch zu Ralf Dahrendorf (vgl. Kap. 3.2), dessen Haus-Modell er modernisieren mchte und weiter ausdifferenziert. Geiler betont die Rolle des Berufes bei der Schichteinteilung, welcher unweigerlich mit anderen Faktoren gekoppelt ist : Arbeitsteilung, Qualifikation, Einkommen, Prestige, Einfluss - aber auch Mentalitt, Ethnie und Lebenschancen. Von Theodor Geiger bernimmt er die mehrdimensionale Sichtweise des Schicht-Begriffs (auch als Oberbegriff seines Modells) , als auch dessen Offenheit fr neue Formen sozialer Ungleichheit, das Bewusstsein fr die Mglichkeit der berlappung von Schichten und dass sich in den Schichten spezifische Mentalitten, Subkulturen und Lebenschancen ausprgen knnen. Geiler betont die Herausbildung einer dynamischen und pluralen Schichtstruktur in der Gesellschaft und lehnt die Position ab, dass Klassen und Schichten im Modernisierungsprozess langsam in Auflsung begriffen sind. In 5 Thesen stellt er Kennzeichen einer modernen Klassen- und Schichtstruktur vor:

    Die vertikale Struktur ist eine Dimension im multidimensionalen Gefge

    Die Dominanz dieser vertikalen Struktur (so beeinflussen z.B. Beruf und Bildung in hohem

    Mae die Lebenschancen)

    Die Schichten haben keine eindeutigen Grenzen, aber bestimmte Berufs-Bildungs-Kombinationen sind oftmals (nicht notwendig) mit Lebenschancen, Ressourcen und Mentalitten verbunden

    Die moderne Schichtstruktur ist eher latent und einer Alltagsbeobachtung oft entzogen, in der "Tiefenstruktur" einer Gesellschaft lebt sie jedoch fort

    Eine Schichtzugehrigkeit beeinflusst bestimmte Handlungsweisen (Mentalitten) strker, andere weniger stark

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    11 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    b.) Welches sind die zentralen Unterschiede zwischen dem Modell von Geiler und dem von Dahrendorf?

    v.a. mehr Differenzierungen im Bereich des Arbeiter- und Mittelstandes bei Geiler ( vom "einfachen Wohnhaus" zur "Residenz")

    Decken und Wnde sind bei Geiler noch durchlssiger geworden, d.h. ein Wechsel zwischen den "Rumen" ist prinzipiell noch mehr mglich als in den 60er Jahren

    Die hhere Dienstleistungsgesellschaft hat an Bedeutung gewonnen; berhaupt der Dienstleistungssektor

    Tendenz zur "Mittelschichtengesellschaft"; die "Arbeiterschicht" nimmt nicht mehr den grten Raum ein

    Bercksichtigung auch von auslndischen Arbeitern ( Faktor: Ethnie) bei Geiler

    c.) Durch welche Modifikationen des Modells reagiert Geiler auf den sozialen Wandel, d.h. Formen der sozialen Entstrukturierung?

    Geiler bevorzugt eine multidimensionale Sichtweise, die offen fr neue Formen sozialer Ungleichheit ist, ebenso rumt er die Mglichkeit der berlappung von Schichten ein und betont, dass Schichten nicht durch klare Grenzen getrennt sind. Er macht eine hhere Dienstleistungs-schicht aus, welche er bewusst von Facharbeitern abgrenzt. Zudem reduziert er in seinem Modell die Machtelite, was einer Angleichung der nahen Schichten entspricht. Geiler spricht selbst von einer "latenten" Schichtstruktur mit differenzierten Mentalittsausprgungen bzw. horizontalen Ungleichheiten (z.B. Nationalitt, Region). Trotzdem drfe man bei aller Modernisierung die Bedeutung der vertikalen Dimension nicht vernachlssigen.

    (2) Erik O. Wright (1985) legt eine verbesserte und erweiterte Version des Marxschen Klassenmodells vor.

    a.) Welche Dimensionen sozialer Ungleichheit unterscheidet Wright?

    Wright unterscheidet in seinem Klassenmodell aus den 80er Jahren folgende Dimensionen sozialer Ungleichheit: Ausbeutung mittels der drei Ressourcen Produktionsmittelbesitz, Organisationsmacht und Qualifikation.

    b.) Welches sind die Besonderheiten der Mittelschichten in dem Modell von Wright?

    Wright teilt die Gesellschaft in Ausbeuter, weder Ausbeuter noch Ausgebeutete und Ausgebeutete. Ausbeuter verfgen ber die oben genannten Ressourcen, Ausgebeutete nicht. Dazwischen existieren Mittelklassen (bzw. Mittelschichten), die entweder eine geringe Menge dieser Ressourcen besitzen (in seinem lteren Modell aus den 70ern) oder von einer Dimension der Mittel viel und von einer anderen gar nichts (neue, differenziertere Mittelklasse im 80er-Modell ). Zentral

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    12 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    ist auch in diesem Klassenmodell die Asymmetrie zwischen Arbeit und Kapital, dabei haben die Mittelschichten nach Wright durchaus Einfluss auf den weiterhin schwelenden Klassenkonflikt.

    Kapitel 5: Lebensstile und Milieus

    (1) Welche soziologische Bedeutung kommt dem Begriff der Lebensfhrung bei Max Weber zu? In welchem Verhltnis steht die Lebensfhrung zum Konzept des sozialen Standes?

    Die Lebensfhrung geschieht innerhalb einer "sozialen Ordnung", die dem sozialen Stand in der Regel entspricht.

    (2) Wie lassen sich Lebensstile definieren? Und inwiefern unterscheiden sie sich von einfachen Vorlieben oder Konsumprferenzen?

    Aus dem Wrterbuch der Soziologie (Hillmann 1994): "Ausdrucksformen der alltglichen Daseins-gestaltung in ganzheitlich umfassender Weise" Hradil (1992): Der Lebensstilbegriff konzentriert sich auf die Prinzipien, Ziele und Routinen, nach denen die einzelnen ihr Leben relativ bestndig ausrichten.

    Durch die Bestndigkeit von Verhaltensformen unterscheidet sich ein Lebensstil von einfachen Vorlieben und Konsumprferenzen.

    Der Lebensstil bestimmt unser Verhalten. Stndige Grundsatzentscheidungen ber Verhaltensweisen sind nicht notwendig.

    Der Lebenstil kann Zugehrigkeiten zu sozialen Gruppen und Abgrenzung von anderen

    Gruppen demontstativ zum Ausdruck bringen.

    Aus dem Studienbrief, S. 77 Erste soziologische Zugnge (zur Thematik der Lebensstile, Anm. von mir) gibt es bereits bei den Klassikern der Soziologie, etwa bei Max Weber, Georg Simmel oder Thorstein Veblen. M. Weber benutzt den Begriff der Lebensfhrung (englisch dann als style of life bersetzt) als charakteristisches Merkmal eines Standes. Im Gegensatz zur konomisch geprgten Klasse basiert der Stand bei Weber auf dem sozialen Prestige, auf Ehre (vgl. Kap. 2.2). Ein Stand hat eine spezifische Lebensfhrung, z.B. typische Formen des Konsums, bestimmte Werte usw. So ist etwa das Prinzip, Zeit und Geld nicht mig zu vergeuden und sich keinem unbefangenen Kunst und Lebensgenuss hinzugeben, ein charakteristisches Lebensstil-Merkmal der asketisch-protestantischen Ethik (Weber, 1922). Die gemeinsame Lebensfhrung von Mitgliedern eines Standes ist damit gerade keine allein moderne Erscheinung, sondern hat zumindest feudalistische Ursprnge. Ein wichtiges Merkmal auch neuerer Lebensstilanstze ist bereits bei Weber enthalten: Durch die Lebensfhrung versichert man sich der Zugehrigkeit zu einer bestimmten Gruppe, deren Anspruch auf soziale Anerkennung man so auch nach auen demonstriert.

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    13 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Der Lebensstil beinhaltet ein Gefhl fr die persnliche Identitt

    (3) In welchem Verhltnis steht im Modell von W. Georg (1998) das Konzept der Lebensstile zu objektiven Lagemerkmalen wie Einkommen oder Bildung?

    Georg definiert Lebenstile als "relativ stabile, ganzheitliche und routinisierte Muster der Organisation von expressiv-sthetischen Wahlprozessen" (1998). Georg versteht Lebensstile als Ergnzung der Sozialstrukturanalyse durch Klassen- und Schichtenmodelle. Whrend er die Thematik ungleicher Ressourcen weiterhin der Klassen- und Schichtungsforschung zuordnet,

    beschftigt sich die Lebensstilanalyse mit den symbolischen Ausdrucksformen der sozialen Ungleichheit und ihren Auswirkungen (soziale Schlieung bzw. Sozialintegration).

    Aus dem Studienbrief, S. 81 Lebensstile sind in ihrer Bestimmung weniger einseitig auf objektive Merkmale (z.B. ein bestimmtes Einkommen) festgelegt, sondern setzen einen Schwerpunkt bei kulturellen und symbolischen Faktoren, auf das Verhalten einer Person, also etwa, was jemand in seiner Freizeit mit wem tut. Die Erweiterung besteht also in der im weiteren Sinne kulturellen Komponente und auch darin, dass man nicht unhinterfragt von bestimmten objektiven Merkmalen auf das Verhalten und die Einstellungen einer Person schliet, sondern fragt, wie jemand mit bestimmten Ressourcen und Restriktionen umgeht. Beispielsweise ist eine Zuordnung durch den Besitz von Statussymbolen nicht mehr so einfach mglich, sie zeigen viel weniger eindeutig als noch vor einigen Jahrzehnten die soziale Stellung einer Person an. Die gestiegenen Wahlfreiheiten finden also systematisch Bercksichtigung (allerdings in unterschiedlichem Ausma, wie die Debatte um Strukturierungs- vs. Entstrukturierungs-anstze zeigt). So beachten Lebensstilanstze die subjektive Seite strker. Gleichzeitig nehmen sie eine ganzheitlichere Sicht ein als es etwa der Fall in Anstzen war, die sich vorrangig auf Merkmale Berufsttiger konzentrierten. Dadurch beanspruchen Lebensstilkonzepte, ein lebensnahes Modell zu entwerfen, das die Makroebene der Struktur mit der Mikroebene der Handlungen verknpft. Wenn es darum geht, verschiedene Lebensstile zu einem Modell des Ungleichheitsgefges zusammen- zufassen, ist dieses dem Anspruch nach differenzierter als Klassen- und Schichtmodelle, weil es vielfltige Einflussfaktoren bercksichtigt, die dazu fhren, dass Lebensstile nicht nur vertikal strukturiert sind, sondern auch nebeneinander liegen knnen. Beispielsweise knnten Menschen mit der gleichen Qualifikation (einem vertikalen Merkmal), aber unterschiedlichem Alter (einem horizontalen Ungleichheitsmerkmal) unterschiedliche Lebensstile haben, die jedoch nicht mit unterschiedlich groen Lebenschancen verbunden sind. Zudem mssen sich Lebensstilgruppen nicht feindlich gegenberstehen, Relationen zwischen ihnen knnen jedoch zum Thema werden, indem man die distinktive (= abgrenzende, unterscheidende) Funktion der Lebensstile hervorhebt.

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    14 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Im Vordergrund der Bestimmung der Lebensstile stehen expressiv-sthetische Aspekte und somit die Betonung von Geschmack und Verhalten als Dimensionen fr einen Lebensstil. Hierzu gehren beispielsweise die Freizeitaktivitten, der Musikgeschmack, die Wohnungseinrichtung, Kleidung, Lesegewohnheiten, Mitgliedschaften, Kulturkonsum,..: Bei Georg macht also die wahrnehmbare, klassifizierbare und prestigetrchtige Stilisierungspraxis im Alltag einen Lebensstil aus, mit der die Menschen auch eine gewisse reprsentative Auenwirkung erzielen mchten.

    Die soziale Lage, die sowohl vertikale als auch horizontale Ungleichheitsmerkmale umfasst, sowie die mentale Ebene, also gemeinsame Wertorientierungen, Einstellungen und Lebensziele, sind in Georgs Modell Einflussfaktoren fr die Herausbildung von Lebensstilen.

    Empirische Untersuchung zu Lebensstilen haben aufgezeigt, dass der Lebensstil viel strker von sozialen Merkmalen wie Alter, Geschlecht und Bildungsniveau geprgt wird als von Einkommen oder beruflichem Status. Damit ist der Zusammenhang von sozialer Lage und mentaler Ebene einerseits und Lebensstilen andererseits nicht automatisch gegeben und sollte empirisch genauer untersucht werden.

    Ein Grundmuster des Lebensstils wird nach Georgs Verstndnis bei einem Menschen schon relativ frh angelegt.

    Auch sehr gut erlutert in Moodle WS 12/13: Georg definiert Lebenstile als "relativ stabile, ganzheitliche und routinisierte Muster der Organisation von expressiv-sthetischen Wahlprozessen" (1998). Sie stellen eine Ausdrucksform der ungleichen Verteilung von Ressourcen dar. Expressiv-sthetische Aspekte als Betonung von Geschmack und Verhalten bestimmen die Dimensionen des Lebensstils. Sie sind im Alltag wahrnehmbar, klassi-fizierbar, prestigetrchtig und erzielen eine gewisse reprsentative Auenwirkung. Die Dimensionen des Lebensstils sind bestimmt durch die soziale Lage und die mentale Ebene.

    Die soziale Lage umfasst vertikale Handlungsressourcen (z.B. Einkommen, Bildung, soz. Netzwerke) als auch horizontal differenzierte Lebensbedingungen wie Alter, Kohorten-zugehrigkeit oder Region.

    Die mentale Ebene schliet gemeinsame Wertorientierungen, Einstellungen und Lebensziele ein. Sie hat eine identittsstiftende bzw. distinktive Funktion.

    Zusammenhnge zwischen der sozialen Lage, mentaler Ebene und Lebensstil mssen empirisch berprft werden. Georg sieht in seinen eigenen berprfungen insbesondere Alter, Familienstand, Bildungsniveau und Geschlecht (soziale Lage) sowie Werteorientierung (mentale Ebene) als bestimmend fr den Lebensstil an. Somit nehmen in Georgs Analysen (1996) Einkommen und Berufsstatus nicht mehr die zentrale Rolle ein, die sie in Schichtungsmodellen haben.

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    15 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    (4) Gerhard Schulze unterscheidet drei alltagssthetische Schemata.

    a) Benennen und beschreiben Sie die einzelnen Schemata

    Hochkulturschema, als schngeistig auch mit Hang zur Selbstironie beschrieben Genuss: Kontemplation (= laut Duden: konzentriert-beschauliches Nachdenken

    und geistiges Sichversenken in etwas) Distinktion: anti-barbarisches Verhalten Lebensphilosophie: Perfektion (Form geht vor den Inhalt)

    Laute Heiterkeitsausbrche sind verpnt (Zurcknahme des Krpers), biertrinkende Bild-Zeitungsleser und Viel-Fernseher gehren zum kulturelles Feinbild, die Hinwendung zu klassischer Musik und Belletristik ist typisch, deren Form (Perfektion) vor dem Inhalt begeistert- das Ich misst sich an Ansprchen.

    Das Trivialschema ist auf den 3 Bedeutungsebenen gekennzeichnet durch

    Genuss: Gemtlichkeit Distinktion: anti-exzentrisches Verhalten Lebensphilosophie: Harmonie

    Erlebnisse sollen nicht anstrengen, man ist eher auf der Suche nach Gewohnten, nach Ordnung.

    Im historisch jungen Spannungsschema ist man zumeist

    auf der Suche nach Action (Genuss) anti-konventionell und (Distinktion) narzisstisch orientiert (Lebensphilosophie)

    Aus dem Studienbrief, S. 97: Das erlebnisorientierte Handeln formt sich nun nach Schulze im persnlichen Stil zu einem stabilen, situationsbergreifenden Muster. Der persnliche Stil ist ein deutliches Zeichen bei der Konstitution sozialer Milieus, was zeigt, dass Lebensstil- und Milieukonzepte eng miteinander verbunden sein knnen, in diesem Fall sogar innerhalb eines Ansatzes. Nach Schulzes Terminologie lassen sich Stiltypen durch alltagssthetische Schemata zum Ausdruck bringen. Diese sind zum einen durch bestimmte Zeichen charakterisiert (wie gehabt: z.B. Kleidung, Mbel, besuchte Veranstaltungen, bevorzugte Fernsehsendungen), zum anderen durch bestimmte Bedeutungsebenen, die Schulze durch Genuss, Distinktion (= bewusste Abgrenzung zu etwas/jmd. ) und Lebensphilosophie nher bestimmt. Es gibt nach Schulze drei hauptschliche alltagssthetische Schemata, und zwar das Hochkultur-, das Trivial- und das Spannungsschema.

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    16 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Immer wieder muss Neues her, der Krper wird herausgefordert und expressiv eingesetzt, das Leben gestaltet sich nach dem Konzept der Selbstverwirklichung bzw. der subjektiv erfolgreichen Unterhaltung

    b) Erlutern Sie, auf welche Weise Schulze diese Schemata einsetzt, um soziale Milieus zu bestimmen

    aus dem Studienbrief, S. 98ff.: Es gibt nun keine einseitige Zuordnung zu nur einem Schema, die Affinitt zu einem Schema allein macht noch kein Milieu aus, sondern die Position eines Individuums bestimmt sich durch Nhe bzw. Distanz zu allen Schemata. Fnf typische Kombinationen (eine gleichzeitige Nhe von Trivial- und Spannungsschema ist eher untypisch) bilden schlielich die sozialen Milieus.

    Selbstverwirklichungsmilieu Unterhaltungsmilieu Niveaumilieu Integrationsmilieu Harmoniemilieu

    Die spezifischen Nhe-Distanz-Kombinationen zu den alltagssthetischen Schemata beschreiben also die Milieus.

    c) In welchem Zusammenhang stehen die von Schulze diagnostizierten Milieus mit objektiven sozialstrukturellen Variablen?

    Zunchst hlt der Milieu-Ansatz Schulzes an sozialstrukturellen Merkmalen fest, jedoch sind die Zusammenhnge zwischen den Strukturen und den Verhaltensformen von Menschen komplexer geworden.

    Hier wird die Zugehrigkeit zu einem Milieu durch die Dimensionen Alter und Bildung (= objektive sozialstrukturelle Variablen) festgelegt.

    Diese objektiven soziokulturellen Variablen Alter und Bildung, unterteilt Schulze so:

    (1) Alter: unter 40/ber 40 Jahre

    (2) Bildung:

    fr die Milieus "Selbstverwirklichung" und "Unterhaltung" zweigeteilt (hoch/niedrig) fr die Milieus "Niveau", "Integration", "Harmonie" dreigeteilt (hoch, mittel, niedrig)

    Schulze: Eindeutig berlagert eine moderne, fast ausschlielich erlebnisorientierte Altersschichtung die traditionelle Bildungs- und Berufsschichtung, deren soziale Interpretation als hierarchische Ungleichheit dadurch immer mehr verdrngt wird Der Vertikalisierungseffekt der Bildung wird durch den Horizontalisierungseffekt des Lebensalters konterkariert.

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    17 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Daraus folgt die Zuteilung der Milieus zu den soziokulturellen Variablen:

    Unterhaltungsmilieu: jnger, niedrige Bildung Selbstverwirklichungsmilieu: jnger, hhere Bildung Harmoniemilieu: lter, niedrige Bildung Integrationsmilieu: lter, mittlere Bildung Niveaumilieu: lter, hhere Bildung

    Schulze spricht von "gespaltener Vertikalitt": eine durch das Bildungsniveau hierarchische Struktur wird gebrochen durch die Altersdimension.

    Kapitel 6: Der soziale Raum bei Pierre Bourdieu

    (1) Bourdieu erweitert den Kapitalbegriff von Marx, indem er neben das konomische Kapital die Konzepte des sozialen und kulturellen Kapitals setzt.

    a.) Wodurch zeichnen sich bei Bourdieu die einzelnen Kapitalsorten aus?

    Bourdieu erweitert den zu seiner Zeit herrschenden Kapitalbegriff und bercksichtigt neben dem rein konomischen, auch ein soziales und kulturelles Kapital. In seinem "Modell des sozialen Raumes" stellt die erste Ebene den Raum objektiver sozialer Positionen von Individuen dar. Je nachdem ber welche Kapitalmittel sie verfgen (knnen), wird die Position der Individuen im sozialen Raum bestimmt. Die einzelnen Kapitalarten sind nicht direkt in andere Kapitalarten verwandelbar, aber sie stehen in einem engen Zusammenhang zueinander. Das konomische Kapital meint Eigentum, Vermgen etc. "es ist relativ direkt in Geld konvertierbar" (S. 110). Das soziale Kapital ist erheblich von der familiren Herkunft abhngig und meint persnliche Netzwerke, in die jemand eingebunden ist (auch beruflich, freundschaftlich). In Zusammenhang mit den anderen Kapitalsorten kann das soziale Kapital Vor- oder Nachteile bringen. Es bedarf zudem einer dauerhaften Beziehungsarbeit. Das kulturelle Kapital meint kulturelle Gter und Eigenschaften und wird noch einmal in drei verschiedene Formen aufgeteilt. Nach auen werden diese 3 Kapitalsorten (objektiv soziale Positionen) durch das symbolische Kapital gestellt, was einer anderen, subjektiven Ebene entspricht und das Prestige und Renommee eines Individuums im sozialen Raum meint. Es erhht sozusagen die Verwertbarkeit der anderen Kapitalsorten.

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    18 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    b.) Welche Varianten des Kulturkapitals unterscheidet Bourdieu und was ist jeweils darunter zu verstehen?

    Das Kulturkapital unterteilt er in inkorporiertes, objektiviertes und institutionalisiertes Kulturkapital.

    inkorporiertes Kapital (Wissen, Erziehung, Bildung) zeichnet sich dadurch aus, dass man es nicht kurzfristig kaufen oder verschenken kann, da der Erwerb Zeit kostet. Wie eine Person sich das Kapital zu Beginn angeeignet hat, ist prgend fr ihr gesamtes Leben.

    objektiviertes Kulturkapital (Besitz von Kulturgtern) muss strategisch eingesetzt oder angeeignet werden, um das Kapital zu erhhen.

    institutionalisiertes Kapital (z.B. schulische Titel) sichert dem Besitzer einen rechtlich garantierten und relativ dauerhaften Wert, welcher in konomisches Kapital bertragen werden kann. Die bertragbarkeit kann sich mit der Zeit ndern.

    (2) Was meint Bourdieu wenn er das Modell eines sozialen Raums entwirft? Durch welche zwei Dimensionen ist er gekennzeichnet?

    Das ganze Modell ist der "Soziale Raum" (Abb. 6.2 weiter unten, aus dem Studienbrief, S. 116)

    Die erste Ebene bildet der "Raum der sozialen Positionen" (= objektive Komponente des Modells Strukturebene). Hier verortet Bourdieu aufgrund seiner empirischen Unter-suchungen Individuen und Gruppen (z.B. Berufsgruppen) nach ihrer Kapitalausstattung entlang der Dimensionen Kapitalvolumen, Kapitalstruktur und soziale Laufbahn (Abb. 6.1). Hieraus konstruiert er theoretische Klassen. Eine Klasse ist also eine Art Cluster von Individuen mit hnlicher Position in diesem Raum der sozialen Positionen.

    Die zweite Ebene bildet der "Raum der Lebensstile" (= subjektive Komponente im Modell Praxisebene). Der Raum der Lebensstile ist die reprsentierte soziale Welt. Hier offenbaren sich Wertvorstellungen, sthetische Vorlieben und Geschmcker, Prferenzen in Konsum und Lebensfhrung.

    Verknpft sind die beiden Ebenen bzw. Dimensionen durch den "Habitus". Er bildet das Dispositionssystem und gleichzeitig ein System der Grenzen fr die Akteure im sozialen Raum. Verknpfung kann hier heien: Er generiert klassifizierbare Praxisformen auf der einen Seite und erlaubt auf der anderen Seite die Einordnung und Bewertung solcher Formen.

    (3) Was versteht Bourdieu unter dem Begriff des Habitus und in welcher Weise verbindet der Habitus soziale Positionen und Lebensstile?

    Der Habitus meint eine sich daraus ergebende Grundhaltung gegenber der Welt, die sich durch kollektive Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata ausdrckt: z.B. Geschmack, Selbstsicherheit... Die soziale Position eines Menschen in der gesellschaftlichen Struktur (Zugehrigkeit bzw. Aufwachsen in herrschender Klasse, Mittelklasse oder Volksklasse) beeinflusst in starkem Mae

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    19 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    (jedoch ohne vollkommene Determination) seinen Habitus, der sich in seinem Lebensstil anhand bestimmter Praxisformen uert (Geschmack, Sprache, Auftreten = uerungsformen des Habitus).

    der Habitus also als allgemeine Grundhaltung, gegenber der Welt = kollektive Wahrnehmungen, Denk-, und Handlungsschemata der Habitus als ein Raum der Lebensstile und ein System von Grenzen

    der Habitus als die Haltung des Individuums in der sozialen Welt seiner Dispositionen, Gewohnheiten, Lebensweisen, Einstellungen, Wertvorstellungen entsteht zwangslufig aber unbewusst

    Der Habitus ist durch seine Stellung in der sozialen Struktur geprgt (u.a. Familie) Klassenhabitus: Die Angehrigen der jeweiligen sozialen Klasse teilen Vorlieben, Lebensstile u. Geschmcker. Die Klassenzugehrigkeit drckt sich am strksten in den unterschiedlichen Lebensstilen aus, insbesondere im Geschmack. Der Zusammenhang zwischen Klasse und Geschmack zeigt sich im Habitus.

    Der Habitus erzeugt also in der Praxis Formen, Werke, Meinungen, die klassifiziert werden knnen und sich damit zur Unterscheidung (Distinktion) und Bewertung eignen.

    Der Habitus ermglicht es somit auch auf die soziale Position eines Menschen zu schlieen und verknpft somit die Ebenen soziale Position und Lebensstil miteinander.

    Die Funktion des Habitus ist die eines Gruppenzugehrigkeitsmerkmals einerseits und eines Abgrenzungsmechanismus andererseits. Der Habitus ist also ein Mittel zur Distinktion. So wohnt dem Habitus ein Erzeugungsprinzip, ein Klassifikationsprinzip und ein generatives Prinzip inne. nach Abels 2009: konomisches, soziales und kulturelles Kapital definieren den Status, wo jemand im sozialen Raum positioniert ist- die soziale Position. Im tglichen Handeln wird das im sozialen Raum angemessene Prinzip des Denkens und Handelns immer wieder verstrkt.

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    20 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Das Individuum verinnerlicht die angemessenen Prinzipien des sozialen Raumes als "seine Kultur" und entwickelt daraus eine typische "Disposition zur Welt"- den Habitus (Bourdieu, 1967,1983). Damit ist der Habitus sowohl "Vermittlungsglied" zwischen Position und spezifischen Praktiken (Lebensstil, Geschmack) als auch dessen generatives Prinzip (indem er Lebensstil und Geschmack entsprechend der Angemessenheit im sozialen Raum auch wiederum erzeugt). Dabei wirkt der Habitus hinter dem Verhalten- das Subjekt kann ihn intuitiv anwenden, aber wei nicht um ihn. Dazu ergnzend aus Moodle im WS 12/13: Pierre Bourdieu bleibt mit seiner Habitus-Theorie herkmmlichen materialistischen Erklrungsmuster noch relativ nahe. Seine Erklrung beruht auf einer Herausarbeitung klassenspezifischer Kulturformen. Er begrndet deren Entstehen mit der Habitustheorie jedoch soziokulturell berzeugender und flexibler als Klassentheorien. [] Bourdieu geht aus von der ungleichen Verteilung dreier Ressourcen unter der Bevlkerung: dem konomischen Kapital, dem Bildungskapital und dem sozialen Kapital []l. Je nach dem Ausma ihres Kapitalbesitzes gliedern sich die Gesellschaftsmitglieder in eine vertikale Klassenordnung und gehren der Arbeiterklasse, dem Kleinbrgertum oder der Bourgeoisie an. Je nach Zusammensetzung bzw. Zukunftsaussichten ihres Kapitalbesitzes werden sie bestimmten horizontal nebeneinander anzuordnenden Klassenfraktionen zu gerechtet: Dem Besitzbrgertum, dem Bildungsbrgertum, sowie dem alten, dem neuem oder dem exekutiven Kleinbrgertum. Das Aufwachsen innerhalb der jeweiligen Lebensbedingungen bestimmter Klassen lsst, Bourdieu zufolge, automatisch und weitgehend unbewusst klassenspezifische Habitusformen entstehen. Dies sind latente Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster der Menschen, die einerseits ihre Mglichkeiten alltglichen Verhaltens begrenzen, anderseits in diesem Rahmen eine Flle von Handlungsformen hervorbringen. []

    Die Konsequenz dieser Habitusformen, das Alltagsverhalten der von ihm definierten Klassenfraktionen, erforschte Bourdieu mit Hilfe von Lebensstilmerkmalen. Zu diesen gehrten die jeweils bevorzugten Wohnungseinrichtungen und Speisen, die beliebtesten Snger und Musikwerke, die jeweils geschtzten Maler, die Hufigkeit von Besuchen im Museum und die Kenntnis von Komponisten. Hierbei stellt Bourdieu eine hohe bereinstimmung von Klassen(fraktions)zugehrigkeit, Habitusformen und Verhaltensweisen fest (Hradil 2001, S. 90/91).

    Stefan Hradil et al. bezeichnen diese Sichtweise als berzogen. Sie sagt aus, dass zwar kulturell orientierte Verhaltensweisen der Menschen mit ihrer Klassenzugehrigkeit und insbesondere mit dem Bildungsgrad deutlich bereinstimmen. Dies trifft aber fr die groe Menge der sonstigen Verhaltensweisen weit weniger zu. Bourdieus klassenspezifische Lebensstilbefunde und kategorien sind also nur einem bestimmten Sektor des Verhaltens angemessen (so Hradil et al, 2001, S. 91). Und weiter: Hierin macht sich bemerkbar, dass Bourdieus theoretische und empirische Studien im Wesentlichen aus dem Frankreich der 60er Jahre stammt. Wohlstandsmehrung, Bildungsexpansion, Wertewandel, Individualisierung etc. hielten sich damals noch in Grenzen (ebenda).

    aus Hradil, Stefan (2001). Soziale Ungleichheit in Deutschland (8 Ausg., Bd. 546). Leske und Budrich.

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    21 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    Kapitel 8: Individualisierung Entstrukturierung soz. Ungleichheit

    (1) Was versteht Beck unter Individualisierung? Benennen Sie die zentralen Kennzeichen des Individualisierungsprozesses.

    Jenseits von Klasse und Stand

    Individualisierung ist ein Prozess, der in modernen, westlichen Gesellschaften seit den 1960er Jahren festzustellen ist, bei dem die Individuen... ... aus traditionellen Bindungen (z.B. Klasse, Stand, traditionelles Familienkonzept) freigesetzt werden, was neue Wahlfreiheiten und mehr Mobilitt mit sich bringt: ich kann mir heute meinen Beruf frei whlen und im Prinzip hat heute jeder die gleichen Ausbildungschancen und Bildungschancen allgemein ... "entzaubert" werden - die Freiheit aus der Loslsung aus tradiotionellen Bindungen bringt jedoch auch Unsicherheiten und Risiken mit sich: z.B. Paarbeziehungen werden lockerer, unsteter und damit Liebe & Familie an sich/Frauen knnen heute Karriere machen, mit guter Ausbildung glnzen, gleichzeitig wird ihnen aber bewusst, dass Kinder und Karriere schwer mit dem neuen Lebensgefhl zu vereinbaren sind ... reintegriert werden in die Gesellschaft durch neue Formen der Gesellschaft und in Form von Institutionen z.B. Arbeitsmarkt, rechtl. und sozialstaatliche Regelungen: z.B. ich kann meine Kinder nicht der Schulpflicht entziehen, auch wenn ich mit dem Schulsystem nicht zufrieden bin/ als Alleinerziehende Mutter erhalte ich Untersttzung in Form von Unterhaltszahlungen und Gelder vom Jobcenter und Jugendamt/ als Student bekomme ich fr einen bestimmten Zeitraum Bafg-Untersttzung

    (2) Welches sind die Ursachen des Individualisierungsprozesses nach Beck?

    Auf drei Faktoren fhrt Beck den Individualisierungsprozess besonders zurck:

    1. Das Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg. Damit einhergehend stiegen Einkommen und Lebenserwartung, zudem wurde die Arbeitzeit geringer. Dieser Fahrstuhleffekt ( fr die meisten nach oben) bewirkte zwar objektiv keine Angleichung von Arm und Reich, dennoch vernderte sich die subjektive Sicht der Menschen, da das Lebensniveau grundstzlich gestiegen war. Damit verloren Klassen und potentielle Konflikte an Bedeutung. Aber auch die damit einhergehende Mobilitt ist ein weiterer Einflussfaktor der zum Bedeutungsverlust von Klassen fhrte.

    2. Die wohlfahrtsstaatliche Absicherungen rumen mehr Entscheidungsspielrume ein (z.B. Unterhaltsregelungen, Arbeitslosengeld, Bafg).

    3. Ein weiterer Grund ist die Bildungsexpansion der 60er J., die insbesondere durch Frauen genutzt wurde. Durch mehr Ausbildung erweitert sich die Entscheidugnsfreiheit und wandelt Werte.

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    22 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    (3) Welche Kritik bt Beck an soziologischen Anstzen, welche die Sozialstruktur mit Hilfe von Klassen- und Schichtmodellen beschreiben?

    Fr Beck existieren keine gesellschaftlichen Grogruppen mehr, die fr Klassenmodelle eine Voraussetzung darstellen. Auch Schichten kann er nicht mehr ausmachen, da sich durch die Individualisierung die Sozialstruktur sozusagen verflssigt hat. Klassenidentitten wurden ausgednnt, Lebenslagen und Lebensstile wurden individualisiert und diversifiziert. konomisch hnliche Lebenslagen sind kein geeignetes Mittel mehr Zusammengehrigkeit ber Schichtungen zu beschreiben.

    Klassen- und Schichtanstze vergleichen und jeweils die Vorteile und Kritikpunkte herausarbeiten:

    Klassenmodelle Schichtmodelle

    Vor

    teile

    explikative, theoretische Ausrichtung legen den Fokus strker auf die konomische

    Dimension bzw. materielle Ungleichheit keine Vernachlssigung der Konfliktperspektive (zw.

    Herrschafts- und Unterdrckungsverhltnissen, betonen die Relationen zwischen den Klassen)

    lngerfristige Verlufe, prozesshafter - der Klassenkonflikt als Motor gesell. Entwicklung und sozialen Wandel

    deskriptiv lebensnher, da

    ausdifferenzierter soziokonomisch orientiert

    durch Merkmale: Beruf, Bildung, Einkommen

    weisen auf Mobilittschancen hin

    Kri

    tikp

    un

    kte

    es geht weniger um die genaue Beschreibung von Lebensbedingungen, mehr modellhafte Analyse

    zu undifferenziert, weil sie mit dem Hauptkriterium des Eigentums als Produktionsmittel zu wenig Merkmale bercksichtigen

    vernachlssigen Mobilittsprozesse

    vernachlssigen eher die bestehenden markanten, sozialen Gegenstze

    zu statisch, also nicht so prozessorientiert

    mehr auf Harmonie und Integration aus

    Schichtanstze sehen in den Mobilittschancen weniger einen Ansatz sozialer Ungleichheit, sondern eher als notwendig fr die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung (funktionalistischer Schichtungsansatz)

    Gemeinsamkeiten: beide Anstze unterteilen die Gesellschaft vertikal ( Rangfolge, z.B. mehr oder weniger Einkommen, hhere oder niedrigere Bildung) in ungleichheitsrelevante Gruppen (meist anhand von konomisch ausgerichteten Dimensionen) und die Zugehrigkeit zu einer Klasse oder Schicht fhrt in der Regel zu typischen Handlungsorientierungen

    beide Anstze vernachlssigen die Mikroebene (z.B. das Geschlecht, Ethnie) und sind auf konomische Sichtweisen beschrnkt

    durch die soziale Differenzierung in Dtld. (= erhhter Lebensstandard fr die Mehrheit der Bevlkerung, Absicherung durch den Wohlfahrtsstaat, Bildungsexpansion) scheinen die klassischen Klassen- und Schichtmodelle wenig angemessen: die wenigsten Menschen identifizieren sich heute noch mit sozialen Grogruppen (z.B. Arbeiterklasse) = vernderte

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    23 Studienbrief 03608 verfasst von Nicole Burzan, WS 2013/14

    subjektive Zuordnung --> auch die Vielfalt an Familien- und Haushaltsformen weist auf die Differenzierungsprozesse hin (=Pluralisierung; Individualisierungsschub bei Beck)

    durch die Erweiterung von Ungleichheitsdimensionen (Lebensverhltnisse treten als Dimensionen neben Ressourcen!) geraten auch horizontale Ungleichheiten in den Blick: z.B. Nationalitt, Geschlecht, Region, Kohorte

    Statusinkonsistenzen werden der Regelfall, knnen aber von traditionellen Modellen kaum in ihr Konzept integriert werden