Einführung in die Sprachvermittlung 1. Kann man Sprache lehren? Ulrich Mehlem Uni Bielefeld SS...

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Einführung in die Sprachvermittlung 1. Kann man Sprache lehren? Ulrich Mehlem Uni Bielefeld SS 2007

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Einführung in die Sprachvermittlung

1. Kann man Sprache lehren?

Ulrich MehlemUni BielefeldSS 2007

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Organisatorisches• Teilnehmerliste: geht heute herum;

4 identische vollständige Listen; bitte nur auf einer Liste in der ersten Spalte unterschreibennicht in Liste: bitte (nur auf einer Liste) auf dem letzten Blatt eintragen und unterschreiben

• Tutorium: Mittwochs von 16-18 Uhr im Raum CO-281. jeweils 1 Std.; sechs Gruppen A-Fjeweils nur alle 3 Wochen (= 4 Termine im Semester)Tutorin: Sonja von Lindern

• Zuordnung der Gruppen alphabetisch: Wechsel möglich, am besten mit TauschAnfangsbuchstaben Gruppe

Aa – D: AE – Heg BH – L CM – P DR – S ET – Z F

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„Erfolgreiche Teilnahme“

• Lektüre jede Woche ca. 30 Seiten• Anwesenheit im Plenum und Tutorium:

Unterschriftenliste an drei Terminen• Fragenlisten à 5 Fragen (10 pro Semester)

- Antworten maximal 1 Seite- keine emails, Abgabe als Ausdruck oder in lesbarer Handschrift; Namen nicht vergessen!- Abgabe jeweils möglichst zur nächsten Stunde- Rückgabe und Korrektur im Kurs / Tutorium- Arbeitsgruppen möglich: dann alle Namen auf einem Blatt; Rückgabe an die erste im Alphabet

• Klausur: 7 Fragen aus dem ganzen Semester werden in die Zentralklausur eingespeist (Fragen sind im multiple choice format)

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Sitzungsplan (Auszug, vgl. internet!)

TerminMontag

Thema der Sitzung Lektüre zur Vb

TutoriumMittwoch

Block

1 2.4.07 Einführung: „Kann man Sprache lehren?“

4.4.07 A/B

2 16.4.07 Das Sprachsystem IWörter (Lexikon) und Regeln (Syntax) Produktivität des Sprachsystems

Pinker: Kap. 1

11.4.07 C/D

3 23.4.07 Die Module des Sprachsystems:Phonologie und Morphologie

Pinker: Kap. 2

18.4.07 E/F

4 30.4.07 Irreguläre FormenSprachgeschichte / Sprachwandel

Pinker: Kap. 3

25.4.07 A/B

5 7.5.07 Generative und Konnektionistische Modelle des Spracherwerbs

Pinker Kap. 4

2.5.07 C/D

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Rücksprache mit mir

• Sprechstunde: Montag, 10-11 Uhr in C6 201• email:

[email protected]@uni-osnabrueck.de

Internet: Skript des Kurses, Situngsplan, LiteraturlisteFragen zu den Sitzungen

www.uni-bielefeld.de/lili/personen/umehlem

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Gemeinsame Lektüre

Neuauflage:

Voltmedia GmbHPaderborn 2006 ISBN 3-938478-59-4

9,70 €

Kopiervorlage der Kapitel 1-2 ab heute 11h bei Frau PienC6 222

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- 10 Vorlesungen- erschienen 1976 in Frankfurt

Warum gerade dieses Buch als Einstieg?

Worum geht es in diesem Buch?

Untertitel

Titelbild

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Das Titelbild des Buches zeigt eine Art von Unterricht, bei dem ein kleines Männchen in der Gewalt eines Riesen ist; es sitzt eingezwängt vor einem ebenso riesigen Buch und wird mit dem Zeigestock Zeile für Zeile durch einen Text geführt.

Ist diese Kritik sprachlichen Lehrens heute noch aktuell?

Wie stellen wir uns sinnvolles sprachliches Lernen vor?

Wie erwarten wir, dass Lernen am effektivsten verläuft?

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Maas (1976): eine fremde Sprache…

Themen des Buches:- Aneignung und Produktion von Erfahrung- Materialistischer und bürgerlicher Sprach-begriff- Herkunft und Sozialisationsfunktion des formalen Sprachbegriffs- Sprachbegriff und Sprachpolitik in der Durchsetzung der bürgerlichen Gesellschaft- Die Wissenschaft von der Sprache- Sprachwissenschaft und Sprachunterricht

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• Frage evt. akademisch: Dass man Sprache lehren kann, versteht sich von selbst!

• Im Vordergrund: „wie“ lehren?• Weitergehende Fragen - „was“ / „warum“

lehren? – führen zur Ausgangsfrage zurück.• Ein erster Anhaltspunkt:

„Was muss man jeweils unter Sprache verstehen, dass man diese Frage mit „ja“ oder „nein“ beantworten kann. Diese Frage ist in der Fülle von mehr oder weniger gelehrten Diskussionsbeiträgen nie zureichend geklärt worden. Warum eigentlich nicht? Auch die Antwort auf diese Frage gehört zur Klärung.“ (Maas 1976, S.9)

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Bei Maas (1976) Bezug auf zahlreiche Wissenschaften:• Aufgrund der Frage nach der Entstehung und

gesellschaftlichen Funktion von Sprache: Sozialwissenschaften, insbes. Soziologie, aber auch Politikwissenschaft und Ökonomie

• Aufgrund der weitreichenden historischen Bezüge: Geschichtswissenschaft, insbesondere auch: Wissenschaftsgeschichte

• Aufgrund der Bezüge zur individuellen Aneignung von Sprache: Psychologie

• Aufgrund der Bezüge zu Gesellschaften ohne Schrift: Ethnologie

• Sprachwissenschaft und Didaktik im engeren Sinne erst relativ spät – zu spät!

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• Engeres Gesichtsfeld in dieser Veranstaltung notwendig: kein „studium generale“

• Aber gerade für den Anfang ist der Blick auf übergeordnete Zusammenhänge (die interdisziplinäre Perspektive) wichtig

• Vor allem die Ausgangsfrage „Kann man Sprache lehren?“ soll nicht zu schnell durch Detailprobleme verstellt werden

• Dazu zwei unterschiedliche Stimmen, zwischen denen 2000 Jahre liegen:

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Zwei kritische Stimmen

• Patanjali, 200 v. Chr.Mahabhasya:„Jemand, der Wörter benutzen will, geht nicht zum Grammatiker und sagt: „Mach mir ein paar Wörter, ich möchte sie benutzen.“ Ohne erst zum Grammatiker zu gehen, begreift er den Gegenstand und benutzt die Wörter.“

• Jakob Grimm, 1919 Vorrede zur „deutschen Grammatik“: „Auch kann man die Sprache nicht lehren, sondern nur an ihr lernen.“

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Gegensätze• Eine Sache (selbst)

begreifen • An der Sprache lernen:

Medium • Unmittelbare Erfahrung • Selbstgesteuerter Prozess• Selbstbestimmtes Handeln • Spracherwerb als

Hineinwachsen im Sozialisationsprozess

• sich (von jemandem) Wörter geben lassen

• die Sprache lehren: Objekt• Grammatik• fremd gesteuerter Prozess• vom Handeln anderer

(Grammatiker) abhängig.• institutionelle Vermittlung

(herrschaftsförmig)

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…eine andere Art der Kritik

• Die „Angst vor dem Riesen“ als falsche pädagogische Maxime

• Laissez-faire als entgegen gesetzte Bedrohung des Bildungswesens

• Vorenthaltene / verpasste Lernchancen durch zu große Zurückhaltung des Lehrenden (Verfestigung sozialer Ungleichheit - PISA)

• Fehlende Strukturierung von Lernprozessen aufgrund falsch verstandener Selbststeuerung

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Schule und ChancengleichheitWas brauchen Kinder zur gleichberechtigten Teilhabe an

der Gesellschaft?• offenbar mehr als das, was sie in ihrem natürlichen

Spracherwerb lernen• Schule lehrt etwas anderes als die Sprache, die bereits

auf „natürlichem“ Wege gelernt werden kann• Was kann eine Bildungsinstitution „lehren“?

- eine andere Sprache (z.B. Latein)- eine Schriftsprache - ein anderes Verhältnis zur Sprache (Grammatik, Reflexion über Sprache) - eine andere Form von Sprache (Standardsprache)

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Erster und „zweiter“ Spracherwerb

• Schriftspracherwerb als „zweiter Spracherwerb“ (Wygotski) geht weit über technische Fragen („Kulturtechniken“) hinaus

• Der schulische / institutionell vermittelte Spracherwerb setzt den natürlichen Erwerb voraus und baut auf ihm auf.

• Er wiederholt ihn nicht mit anderen Mitteln, die meist schlechter sind als die des natürlichen Erwerbs.

• Ein Verzicht auf einen solchen Unterricht verfestigt soziale Ungleichheit, da Kinder mit entsprechendem Bildungshintergrund solches oft auch in der Familie lernen.

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KerntheseDer Sinn dieser Veranstaltung spitzt sich auf

folgende These zu:• Gute Sprachvermittlung setzt die Kenntnis

erfolgreicher Sprachaneignungsprozesse voraus• Sie muss wissen, aufgrund welcher

Mechanismen ein Lernprozess funktioniert, wenn er funktioniert,

• Sie muss sich diese Mechanismen und Bedingungen für ihre eigenen Zwecke zu Nutze machen.

Dazu folgendes Modell der für die Sprachvermittlung relevanten Instanzen:

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Instanzen des Lernens von Sprache

Sprachsystem sprachliches Lernen

sprachliches Wissen

Sprachver-

mittlung

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1. Das Sprachsystem

• Das Sprachsystem ist das, was der Lerner einer Sprache als Tatsache in seiner Umwelt vorfindet.

• Es ist keine ungeordnete Sammlung von Einzelgebilden, sondern ein strukturiertes System. Eine wesentliche Eigenschaft des Sprachsystems ist, dass mit einer endlichen Menge von Elementen unendlich viele sprachliche Ausdrücke gebildet werden können.

• Diese Eigenschaft nennt man die sprachliche Produktivität.

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2. Das sprachliche Lernen• Das sprachliche Lernen hat zwei Bedingungen:

das Sprachsystem und die Voraussetzungen, die der Lerner mitbringt.

• Eine Besonderheit dieser Voraussetzungen liegt darin, dass der Lerner normalerweise aus begrenzten und häufig fehlerhaften sprachlichen Äußerungen aus seiner Umwelt die Eigenschaften des Sprachsystems rekonstruieren kann.

• Eine wichtiges Mittel dabei ist, dass der Lerner Hypothesen über das Sprachsystem aufstellt und diese bei Bedarf korrigiert.

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3. Das Sprachwissen

• Das sprachliche Wissen ist das Ergebnis eines sprachlichen Lernprozesses. Es ist die kognitive Repräsentation des Systems einer Sprache.

• Neues Wissen entsteht, indem ein Sprachlerner mithilfe seines bereits vorhandenen Wissens sprachlichen Input aus seiner Umwelt verarbeitet.

• Dabei werden die Strukturen des Sprachsystems „in seinem Kopf“ rekonstruiert.

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4. Die Sprachvermittlung

• Tritt nur unter bestimmten gesellschaftlichen Voraussetzungen zu den anderen Instanzen hinzu

• Ziel ist die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, die über den natürlichen Spracherwerb hinaus als erforderlich angesehen werden

• Besondere Form „der Aneignung gesellschaft-lich akkumulierter Erfahrung“ (Maas 1976, 36)

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-Erschienen 2000

Kapitel:

1 Die unendliche Bibliothek2 Die Anatomie der Sprache3 Stille Post4 Im Zweikampf5 Wörter auf der Goldwaage6 Von Mäusen und Männern* entfällt!7 Die Schrecken der deutschen Sprache8 Kinder sagen die töllsten Sachen

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Warum dieses Buch?

• englische Beispiele in einer germanistischen Veranstaltung? – Ein notwendiger Verfremdungseffekt!

• Wie das Deutsche ins Spiel kommt: eigenes Nachdenken / Transfer / Recherche

• Lektürehilfen für Menschen, die mit englischen Beispielen auf Kriegsfuß stehen /(vgl. internet!)

Über Pinker hinaus / Weitere Themen:• Das Schriftsystem• Einstiege in die „Vermittlung“: Weingarten /

Videos / Lehrmaterial

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Vorteile von Steven Pinkers Buch

1. Das Buch schlägt durch den Wald neuerer Forschungen eine Schneise, die Ihnen als Einsteigern ein zügiges Fortkommen ermöglicht, ohne dass sie sich sofort im Dickicht verheddern.*

2. Das Buch liest sich leicht; aber obwohl es populärwissenschaftlich ist, stellt es die Sachverhalte korrekt dar.

3. Pinker hat Humor – und Spaß sollte Wissenschaft schon auch machen!

*Zusatzfragen für Sprachfreaks: Welche Metaphern werden in diesem Satz verwendet? Wie können diese wieder in eine sachliche Sprache übersetzt werden?