Endlich Entspannt Essen Cosmopolitan 2010 09

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BODY LOVE

VERGESSEN SIEALLEFORSCHUNGS-ERGEBNISSEUND VERBOTE, UND

HÖREN SIE LIEBER AUF IHREN BAUCH: WIR VERRATEN, WIE SIE ZU

IHRENNATÜRLICHEN ESS-INSTlNKTEN ZURÜCKFINDEN.VonEvaMeschede

arf ich Sie zum Essen einladen? Es gibt

etwas ganz besonders Sündiges - ein

frisches, krosses Brötchen, bestrichen mit

eiskalter Butter. Herzlichen Glückwunsch,

wenn Sie trotzdem zugreifen! Denn die

meisten von uns überlegen schon bei

diesem schlichten Klassiker: Ist das gutfür mich? Sollte ich nicht etwas Gesünderes essen? Die

Frühstückssemmel führt gleich auf zwei aktuelle Kriegs-

schauplätze der Ernährungswissenschaft. Zum einen tobt

der Kampf ums richtige Fett. Der ehemals "guten Butter"

wird nachgesagt, sie mache dick und krank, enthalte

nur nutzlose, gesättigte Fettsäuren. Zum anderen geht bei

Backwaren aller Art der Fight um die derzeit verpönten

Kohlehydrate los. Die wandelt der Körper ja bekannter-maßen in Zucker um - und der macht auch wieder dick.

Was darf man eigentlich noch mit gutem Gewissen

essen? Die Liste der Ratschläge und Verbote ist lang, ge-nau wie die der Mythen und Irrtümer. Erinnern Sie sich

an die Geschichte mit den Eiern? Die Wissenschaft warn-

te, dass Hühnereier den Fettspiegel im Blut erhöhenund so Herz und Gefäße belasten. Millionen strichen

daraufhin ihr Frühstücksei. Alles Unsinn, haben Studien

längst ergeben. Das Ei-Cholesterin nimmt der Mensch

offenbar gar nicht auf. Außerdem enthalten Eier reichlich

Nährstoffe und wenig Fett. Oder hängen Sie dem Mythos

Olivenöl nach, kalt gepresst? Das, so erklärten uns die

Forscher, enthalte nämlich die lebenswichtigen essenzi-ellen Fettsäuren. Wenn schon Fett, dann nur gesundes,so das Credo.Doch leider steht jetzt auch Olivenölaufder Abschussliste. Rapsölhabe die bessere Kompositionessenzieller Fettsäuren, sagen neuere Studien. Und wasdie Butter angeht, so schlecht sei die auch nicht, schließ-lich enthalte sie Mineralstoffeund fettlöslicheVitamine.

WELCHEM RAT KANN

MAN NOCH TRAUEN?

Was sollman noch glauben?Malbewahrt RotweinvorHerzinfarkt, dann ruft er Brustkrebs hervor. Malschützen

Paprika vor Krankheiten, dann sind sie stark schadstoff-belastet. Malsollman möglichst vielWasser trinken,

dann wiedernicht zu viel. "Esgibt zu jedem LebensmittelKatastrophenmeldungen", kritisiert Ernährungswissen-schaftler Christoph Klottervon der Hochschule FuldadiekollektiveHysterie. "InWirklichkeithatten wir noch nieso eine hohe Qualität der Lebensmittelwieheute." Im

Dschungel der stehenden und fallenden Gebote ist Essen

zu einem großen Problem geworden: 85Prozent der Be-völkerung glauben, sich nicht wirklichgesund zu ernäh-ren, ergab eine Studie vonNestle. Die Befragten machtensich Sorgen, sie würden zu wenig Obst und Gemüse

essen, Heißhunger auf Ungesundes verspüren, zuwenig

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trinken, zu viel Süßes oder Fettes konsumieren. Die

traurige Erkenntnis: Wirwerden das schlechteGewissenbeim Essen einfach nicht mehr los. "Das Bauchgefühlfür eine gesunde Mischung ist verloren gegangen", sagtMargaretaBüning-Fesel,die geschäftsführende Verbrau-cherschützerin desunabhängigen Aid Infodienstes für

Ernährung. Die Leutewüssten so vielüber Ernährungwie nie, aber das sei eher verwirrend, und sie hätten

keine Ahnung, wie sie es im Alltagumsetzen sollen. Deramerikanische AutorMichael Pollan schreibt in seinem

Bestseller "Lebensmittel- EineVerteidigung gegen dieindustrielle Nahrung und den Diätenwahn", wir seienalle Orthorektiker, also "Menschen, die den ungesundenZwang haben, gesund zu essen".Vorallem Frauen schleppensich voneinem vermeint-

lich glücksbringenden Diättrend zum nächsten. Dennschlank zu sein, bedeutet heute nicht nur Attraktivität,

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sondern verheißt ein langes Lebenohne Krankheit.Diese Idee haben uns erwachsenen Frauen nicht nur

die am Computer bearbeiteten Bildervon Magermodelseingepflanzt, sondern auch dieWissenschaft. Seit Jahr-zehnten stehen wir zum Beispielunter der Fuchtel desBM!.Ab einem BodyMass Index von mehr als 25lautete

die Diagnose lange Zeit Übergewicht,und es drohtenangeblich allemöglichen Krankheiten,mindestens aberDiabetes und Herzinfarkt. Abnehmen, riefen Ärzte und

Ernährungsberater. Nun hat sich herausgestellt, dassder BMIgar nicht geeignet ist, ein langes Lebenzuprognostizieren. Immer mehr Studien kommen zum

Ergebnis, dass Dünne sogar früher sterben als Füllige.Dochdie Wissenschaft hat schon ein neues Maß parat.Jetztdroht man uns beimehr als 80 Zentimeter Bauch-

umfang Krankheitund frühen Tod an, weil das Bauchfettbesonders schlimm sein soll.Wir müssten also den

Gürtel noch enger schnallen als in der BMI-Ära,sogarKleidergröße40 kann schon ungesund sein."Werhat eigentlich ein Interesse daran, mit solchen

Normen Menschen zu pathologisieren, alsokrank zumachen?", fragt polemisch Professor Klotterund zähltauf, wer alles daran verdient: "Ärzte, Pharmaindustrie,

Nahrungsmittelindustrie." Und dieWissenschaft,die uns glauben macht, der Zweckdes Essensbestehe ausschließlich darin, mit verschiedensten

Nährstoffen die körperliche Gesundheit zu fördern.Weilwir aber die Nährstoffe nicht sehen können

und um deren Wirkung nicht wissen, sind wir

empfänglich für ständig neue Heilsbotschaften ausForschungsergebnissen. Allerdings gilt: "Diemeisten Er-gebnisse von Studien sind zwar für Forscher interessant,

lassen sich aber nicht zu Ratschlägenverallgemeinern",sagt Ernährungswissenschaftlerin Büning-Fesel.

ESSEN IST KEINE MEDIZIN.JSONDERN GENUSS & KU[IURVergessen Sie also alle Tipps und Maßstäbe, wenn Sie

wieder lernen wollen, entspannt zu essen. Vor allemVerbote wirken fatal. "Wenn Sie ständig denken ,Keine

Schokolade!', dann bleibt im Kopf die Schokolade", sagt

Professorin Petra Warschburger, die als Beratungspsycho-

login adipöse Kinder betreut. "Es gibt kein Nahrungs-

mittel, das per se schlecht ist und verboten werden muss",

versichert sie. Dass Obst und Gemüse gesund sind,

weiß jedes Kindergartenkind. Entsprechend lautet auch

die wichtigste Message: Essen Sie möglichst viel davon,

ob gekocht oder roh. Ansonsten lassen sich die Tipps

unserer Experten auf drei weitere Regeln reduzieren:

1. Futtern Sie nicht zu viel, aber möglichst viel Ver-

schiedenes. So gleichen Sie auch die gelegentliche Brat-wurst oder Sahnetorte aus.

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2.Jeweniger die lebensmittel verarbeitet sind, destobesser. Fertiggerichte sind zwar praktisch, enthalten aberallemöglichen Erfindungen der Industrie.3.Kochen Sie so oft es geht selbst, dadurch bekommenSie eine ganz andere Beziehung zur Nahrung. Fällt es

Ihnen schwer, das Ganze in den stressigen Alltagzuintegrieren, planen Sieam Anfang allesmit Termin-kalender und machen Sie sich lust auf Ihr Essen.

Sollten Sie tatsächlich abnehmen wollen,müssen Sie

sich in erster Liniemehr bewegen. Eventuellauchweniger essen. Ob Ihnen das Einschränken leichter beiFleisch, Fett oder Kohlehydraten gelingt, finden Sie ambesten für sich selbst heraus. Wenn Sie zum BeispielKohlehydratereduzieren und schließlich nur noch vonPasta träumen, dann fällt es Ihnen eventuell leichter, auf

Fettes zu verzichten. "Beijedem ist es ein anderer Punkt,

an dem man ansetzen muss", sagt PsychologinWarsch.burger. Dochbedenken Sie: StändigesNachdenkenüber das Essen und die Figurmacht nicht schlank, imGegenteil, es unterdrückt das natürliche Hungergefühlund lässt falscheGelüstewachsen. "VieleFrauen quälensichmit Ernährung, obwohlsie es gar nicht müssten",sagt Foodtrainerin SusanneWendel.Also,nichts wiehermit dem Butterbrötchen! [8

DIE PARTY IM MUNDSmart genießen: Redakteurin ISCHTALEHMANNtestete die Methode "Achtsam essen"

zu "sCHOKOKUCHEN"fällt Franzosenzuerst das Wort "Fest" ein. U5-Ameri-kaner hingegen denken meist: .schlech-tes Gewissen". Und vielen deutschen

Frauen geht es ähnlich. Ineiner aktuellen Umfrage sagennur 60 Prozent, dass sie gern essen. Und ich? Steckeirgendwo zwischen Genießen und Grübeln. Ich lese be-geistert Foodblogs und probiere neue Rezepte aus, kenneaber auch Gedanken wie "Nach 14 Uhr noch Obst? Ohno, der Fruchtzucker!" oder ..Heute Abend steht ,DinnerCancelling' auf der Speisekarte!". Und Butter hatte ichbestimmt seit zehn Jahren nicht mehr auf dem Brot...

EINENORMALE,GESUNDEEinstellung zur Nahrungzu haben - das wäre wunderbar. Deswegen habe ich mirdas Buch .Achtsam essen" (Arbor)der amerikanischenÄrztinund Zen-LehrerinJan Chozen Bays besorgt. IhreThese leuchtet ein: Essen ist befriedigender, wenn wires bewusst tun, wenn wir bei der .Partyim Mund", wiesie es nennt, wirklichmitfeiern. Verbotene Lebensmittelgibt es nicht. Mitder Methode der Achtsamkeit soll mandas eigene Essverhalten wahrnehmen und ..dieschlichte

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Freude an Lebensmitteln und den entspannenden Ge-nuss beim Essen" wieder lernen. In ihrem Kloster in Ore-

gon bietet Bays Kurse dazu an. In Deutschland will derArbor-Verlag (www.arbor-verlag.de) im Winter ein E-Mail-Ess-Coaching mit Ärztin Friederike Boissevain beginnen.

VOR DEM ACHTSAMEN ESSEN, lese ich, kommt dasachtsame Hungerhaben. "Gute Selbstbeobachtung -ohne Urteil" sei wichtig, erklärt Ärztin Boissevain. JanChozen Bays macht sieben Quellen für Appetitsignaleaus, die man abfragen sollte: Augen, Nase, Mund, Ma-gen, Zellen, Geist und Herz. Also, welcher Teil von mir isthungrig? Die Augen, die Cookies in der Teeküche erspäht

haben? Die Nase, die Kaffeeduft riecht? Der Mund, dergern etwas beißen oder lutschen würde? Der grummeln-de Magen? Die Zellen, die Hühnerbrühe fordern, weilmich eine Grippe plagt? Der Kopf, der feststellt, dassLunchtime ist? Oder steckt das Herz dahinter, ein emotio-nales Bedürfnis? Gerade für Frauen, so hat Friederike

Boissevain beobachtet, ist "Herzenshunger" oft Essens-

antrieb. Aber: "Herzenshunger ist der Logik nicht zugäng-lich, deswegen ist Essen die verkehrte Art, ihn zu stillen."

ZUGEGEBEN, manches klingt etwas esoterisch, etwa derRat, man solle für sich sorgen, wie es liebende Eltern tun.Viele der Gedanken von Bays kann ich aber gut nachvoll-ziehen. Ich beginne also, mich genauer zu beobachtenund Gewohnheiten zu hinterfragen. In Übungen schätzeich die Stärke meiner sieben Hungerarten auf einer Skalavon eins bis zehn ein. Schwierig! Ich beschäftige michminutenlang mit einer einzelnen Rosine, erforsche ihrAussehen, ihren Geruch, ihre Konsistenz, bevor ich siekaue - so saftig ist mir eine vertrocknete Weintraube

noch nie vorgekommen. Und ich stecke nicht mehr Punkt13 Uhr etwas in die Mikrowelle, sondern strecke mich

auf einer Parkbank aus, weil ich merke, dass ich wenigerhungrig als müdebin.BevorichspätermeinenWrapamSchreibtisch esse, schiebe ich die Zeitschrift beiseite,in der ich gern blättern würde. Einfach "nur" essen. Und

siehe da: Mir reicht eine kleiner~ Portion.

BIN ICH JETZTmöglicherweise zu viel mit dem Thema

Essen beschäftigt? Eigentlich nicht - und vor allem istmeine Einstellung weniger destruktiv, weil ich negative,kritische Gedanken bemerke und relativieren kann. "Manbekommt dadurch langsam einen anderen Blick", sagtÄrztin Boisseva-in.Außerdem weiß ich nach einer Weile,

in welchen Situationen ich gern mal schwach werde.Seit mir klar ist, dass TV-Werbung mich oft zum Futternverführt, überkommt mich das Bedürfnis seltener.

WAS BLEIBT nach zwei Wochen "Achtsam essen"? Vor

allem die wichtigste Lektion hat sich mir gut eingeprägt:Jedes Mal kurz überlegen und innehalten, bevor manetwas auf den Teller legt oder in den Mund schiebt. Wei-tere Strategien, die ich auf jeden Fall beibehalten werde:1. Hinsetzen, nicht im Stehen oder Gehen in sich hinein-

schIingen. 2. Immer schön langsam essen. Hilfreich: dasBesteck zwischendurch ablegen. 3. Lieber kleinere Tellerbenutzen, dann wirken die Portionen größer. 4. Die Wahr-

heit liegt in der Mitte - zwischen Burger und Brokkoli.

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