Erasmus Erfahrungsbericht University of Cambridge · PDF fileBibliothek, Wohnheimen, Mensa,...

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Name:* Universität: University of Cambridge Email:* Land: United Kingdom Zeitraum: WS+SS 2010/11 Programm: Erasmus via FB 15 Fächer: Biologie Datum: 13.07.2011 Erasmus Erfahrungsbericht University of Cambridge Die Universität Cambridge bildet einen wunderlichen kleinen Kosmos, in dem sich Leistungsdruck und elitäres Denken mit schrulligen Traditionen, breitem kulturellen Angebot und dem Geist einiger der größten Wissenschaftler unseres Kulturkreises vermischt haben. Ich persönlich hatte eine tolle Zeit in Cambridge, während der ich wohl mehr gearbeitet habe als je zuvor in meinem Studium, während der ich aber auf der anderen Seite auch in großem Maße persönliche und akademische Bestätigung erfahren durfte. Leben in Cambridge Cambridge ist völlig anders organisiert als die Universitäten in Deutschland. Es gibt 31 Colleges, die finanziell und rechtlich unabhängig und grundsätzlich wie eigenständige Internate organisiert sind. Jedes besitzt einen eigenen Campus mit

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Name:* Universität: University of

Cambridge

Email:* Land: United Kingdom

Zeitraum: WS+SS 2010/11

Programm: Erasmus via FB 15 Fächer: Biologie

Datum: 13.07.2011

Erasmus Erfahrungsbericht University of Cambridge

Die Universität Cambridge bildet einen wunderlichen kleinen Kosmos, in dem sich

Leistungsdruck und elitäres Denken mit schrulligen Traditionen, breitem kulturellen

Angebot und dem Geist einiger der größten Wissenschaftler unseres Kulturkreises

vermischt haben.

Ich persönlich hatte eine tolle Zeit in Cambridge, während der ich wohl mehr gearbeitet

habe als je zuvor in meinem Studium, während der ich aber auf der anderen Seite auch

in großem Maße persönliche und akademische Bestätigung erfahren durfte.

Leben in Cambridge

Cambridge ist völlig anders organisiert als die Universitäten in Deutschland.

Es gibt 31 Colleges, die finanziell und rechtlich unabhängig und grundsätzlich wie

eigenständige Internate organisiert sind. Jedes besitzt einen eigenen Campus mit

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Bibliothek, Wohnheimen, Mensa, Sport- und Musik-Einrichtungen. Manche sind über

800 Jahre alt, andere wurden erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegründet.

Die Colleges sind deshalb vor allem architektonisch unterschiedlich. Ihre

Unabhängigkeit hat aber auch dazu geführt, dass sich in den einzelnen Colleges eigene

Traditionen und Bräuche entwickeln konnten und deshalb heute jedes von ihnen einen

bestimmten Ruf genießt.

Dazu kommt dann die eigentliche Universität, die für Lehre und Forschung zuständig ist.

Es gibt wie bei uns Fakultäten in allen erdenklichen Fachbereichen und eine Vielzahl

angegliederter Institute und Forschungseinrichtungen. Studenten aller Colleges

besuchen die gleichen Vorlesungen, Seminare und Praktika und müssen am Ende des

Jahres die gleichen Examen absolvieren. Jede Woche organisieren die Colleges dann

aber zusätzlich so genannte Supervisions, in denen Tutoren (manchmal Doktoranden,

manchmal weltberühmte Professoren) mit den Studenten in kleinen Zweier- bis Vierer-

Gruppen den Vorlesungsstoff der letzten Woche nachbereiten. Für jede Supervision

(um die drei pro Woche) müssen Hausaufgaben, meist Aufsätze à 1500 Wörter,

angefertigt werden und es ist unvermeidlich, zusätzlich das Vorlesungsmaterial

vorzubereiten. ( Ja, das Studium in Cambridge ist wirklich viel Arbeit. Um einigermaßen

mitzuhalten, musste ich mich so um die 50 Stunden pro Woche mit der Uni

beschäftigen, samstags hatte ich zwei Vorlesungen).

Glücklicherweise hat man in Cambridge aber verstanden, dass es für dieses enorme

Maß an Arbeit auch einen entsprechenden Ausgleich geben muss, und so stehen jedem

Studenten eine Unmenge an Möglichkeiten der Freizeitgestaltung zur Verfügung. Es

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gibt hunderte von so genannten Societies, in denen sich Studenten innerhalb eines

Colleges, in weniger populären Aktivitäten auch universitätsweit, zusammenschließen

und dem gemeinsamen Vergnügen nachgehen. Diese Societies haben ehrbare Namen

wie den Debattierclub „Cambridge Union“ oder die „Blues“, die weltbekannte

Rudermannschaft, hervorgebracht. Der bei weitem größte Teil der Societies beschäftigt

sich allerdings mit der wohl populärsten studentischen Aktivität überhaupt und nennt

sich schlicht „Drinking Society“.

Das eigentlich Besondere in Cambridge sind die Extras und Traditionen, mit denen man

Tag für Tag konfrontiert wird. Die Essenssäle in den meisten Colleges ähneln

mittelalterlichen Festsälen, zum Abendessen und zu offiziellen Veranstaltungen müssen

Umhänge getragen werden und die teilweise Hunderte von Jahren alten Wohnheime

wirken wirklich eher wie die Unterkünfte von schrulligen Zauberern als die der

zukünftigen Londoner Wirtschaftselite.

Zudem sind Größen wie Isaac Newton, Charles Darwin und Stephen Hawkins vor euch

durch die steinernen Bogengänge gegangen (gerollt), und dass zumindest einer eurer

Professoren einen Nobelpreis hat, wird zu erwarten sein.

Die Bewerbung

Traditionsgemäß veranstaltet der/die Erasmus-Koordinator/in für Biologie einen

Informationsabend, bei dem die meisten Fragen zur Bewerbung beantwortet werden

sollten. Falls der mal nicht stattfindet oder ihr ihn aus irgendeinem Grund verpasst habt,

dann meldet euch doch einfach während der Sprechstunde der zuständigen Professorin.

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Die Deadline für die Bewerbung sowie alle nötigen Formulare sollten aber auf jeden Fall

auf der Erasmus-Homepage der Uni Frankfurt zu finden sein.

Gute Noten( im 1,.. oder guten 2,.. Bereich) sind neben den Standard-Formularen wohl

die Grundlage für eine erfolgreiche Bewerbung. Außerdem braucht ihr ein

überzeugendes Motivationsschreiben (das ich damals zum Anlass nahm, noch einmal

grundsätzlich über mein Studium zu reflektieren) sowie einen Nachweis über

ausreichende Englischkenntnisse ( TOEFL (>100), IELTS(>7,0), gute Abi-Note..).

Abschließend gibt es dann noch ein informelles Gespräch auf Englisch mit dem/der

Koordinator/in. Falls ihr auch das erfolgreich gemeistert und den Platz zugesprochen

bekommen habt, wird sich gegen Ende März das International Office in Cambridge bei

euch melden und noch einmal gesonderte Bewerbungsunterlagen einfordern. (Hier die

Details: http://www.admin.cam.ac.uk/offices/international/erasmus/incoming.html )

Die Vorbereitung

Ein Auslandsaufenthalt ist angesichts des vollgepackten Bachelorstudiengangs

Biowissenschaften nicht ganz einfach zu realisieren und es ist empfehlenswert, sich

schon sehr früh, z.B. mit Hilfe der Studienordnung, einen Überblick über die insgesamt

zu absolvierenden Module zu verschaffen. Einige davon, wie z.B. die Spezialisierungen

3 & 4 oder das freie Studium, gewähren einen gewissen Spielraum und können ggf. auf

Grund von im Ausland erbrachten Leistungen anerkannt werden. Für andere Module

gestaltet sich das erheblich schwieriger, weshalb, um möglichst in der Regelstudienzeit

fertig zu werden, alle noch ausstehenden Ökologie-Nach-Klausuren, Physikpraktikums-

Kolloquien und dergleichen weitere Affären vor dem Antritt eines Auslandsjahres

geregelt sein sollten ;) .

Während es also unbedingt notwendig ist, sich aktiv um die Formalitäten in Frankfurt zu

kümmern, könnt ihr im Umgang mit der University of Cambridge deutlich entspannter

agieren. Man ist dort grundsätzlich sehr gut organisiert und es gehört zum didaktischen

Konzept der Universität, dass man sich als Student so wenig wie möglich von

administrativen Angelegenheiten ablenken lassen soll. In Cambridge wird wirklich fast

alles Formale für euch geklärt. Dass es dennoch bis Mitte August dauern kann, bevor

ihr eine endgültige Zusage vom International Office in Cambridge erwarten könnt, liegt

daran, dass Erasmus-Studenten erst zusammen mit den englischen Erstsemestern

offiziell zugelassen werden. Das IO leitet dafür eure Bewerbung an die Colleges weiter,

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die für diese endgültige Entscheidung verantwortlich sind (keine Sorge, eines wird euch

sicher annehmen, ohne dass ihr als Erasmus-Student darauf Einfluss nehmen könnt) .

Falls ihr trotzdem ein mulmiges Gefühl nicht unterdrücken könnt, wäre es aber auch

überhaupt kein Problem, einfach mal beim IO Cambridge den Stand der eigenen

Bewerbung zu erfragen. Meiner Erfahrung nach sind dort alle ausgesprochen freundlich

und hilfsbereit.

Euer College wird sich dann irgendwann im Spätsommer bei euch melden und euch

über die nächsten Schritte informieren. Eigeninitiative war in meinem Fall von da an

kaum noch gefragt. Ich habe ein Zimmer im College zugeteilt bekommen und meine

Kurswahl musste ich erst einige Tage vor dem Beginn der Vorlesungen in einem sehr

informellen Gespräch mit meinem Director of Studies mitteilen (der organisiert dann z.B.

die Supervisions).

Es schadet natürlich trotzdem nicht, sich schon im Voraus ein paar Gedanken darüber

zu machen, was ihr in Cambridge eigentlich studieren wollt. Anstatt eigener

Studiengänge in Biologie, Chemie oder Physik wird dort der fachübergreifende Natural

Science Tripos angeboten. Im ersten Jahr beinhaltet der eine relativ grundlegende

Einführung in die Naturwissenschaften, im zweiten Jahr wählt man dann drei

aufbauende Kurse in einer bestimmten Fachrichtung und im dritten Jahr wird sich dann

auf ein konkretes Gebiet spezialisiert.(Eine umfassende Liste der Kurse findet ihr hier:

http://www.cam.ac.uk/admissions/undergraduate/courses/natsci/index.html )

Ich hatte meinen Aufenthalt für den Anfang meines dritten Jahres geplant und auf Grund

des frühen Bewerbungszeitpunktes nur Kurse der ersten 3 Semester vorlegen können,

deswegen kamen für mich im Grunde nur Part 1b Kurse (Jahr 2 in Cambridge) in Frage.

Das hat zwar anfänglich etwas Wiederholung bedeutet, aber die war für den Einstieg in

die neue Sprache sehr hilfreich. Das Niveau hat dann auch schnell angezogen und im

Endeffekt haben 80% der Kurse neues Material abgedeckt.

Fazit

Ich würde mich jederzeit wieder für Cambridge als Erasmus-Austausch-Universität

entscheiden. Zwar kann Cambridge während der Wintermonate ein unangenehmer Ort

sein, aber das gemeinsame Wohnen im College und das gut organisierte Freizeit-

Angebot helfen bei der Integration. Es ist also auf der einen Seite wirklich einfach, nette

Leute kennenzulernen, und auf der anderen Seite muss man sich keine Sorgen um

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Bürokratie oder die Organisation seines Studiums machen. Was aber auch klar sein

muss, ist, dass in Cambridge, ob man will oder nicht, die Arbeit an erster Stelle steht.

Das soll nicht bedeuten, dass es an Partys fehlen würde, aber wer sich unter einem

Auslandsjahr eine Zeit entspannter Selbstfindung mit gelegentlichen Pub-Besuchen

vorstellt, der sollte Cambridge eher meiden.