erfasst, verfolgt, vernichtet./registered, persecuted, annihilated || Rassenhygienische Politik

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Rassenhygienische Politik Racial Hygiene Policies

Schon vor 1933 war die Rassenhygiene in Deutschland zu einer Leitwissenschaft geworden, im Nationalsozialismus wurde sie zum politischen Programm. Die gesamte Sozial- und Gesundheitspolitik sollte sich nun am »Erbwert« des Menschen orientieren. Ehestands-darlehen, Kindergeld oder Ausbildungsbeihilfen dienten zur Förde-rung »erbgesunder Sippen«. »Erbkranke« hingegen wurden an Heirat und Familienbildung gehindert – nicht zuletzt durch Zwangsmaß-nahmen.

Die gesamte Bevölkerung sollte nach ihrem »Erbwert« erfasst werden. Mediziner wurden »rassenhygienisch geschult«. Den abschätzigen Blick auf die »Minderwertigen« teilten viele Ärzte und Verwaltungs-mitarbeiter damals ohnehin.

Even before 1933 racial hygiene had become an influential discipline in Germany. Under the Nazi government it became official policy. The individual’s “hereditary value” became a guiding criterion for all social and health policy. Marriage loans, child benefit payments and education allowances supported “families with healthy heredity”. Individuals with “hereditary defects” on the other hand were prevented from marrying and starting families, by force if necessary.

The entire population was to be registered by “hereditary value”. Physicians received training in racial hygiene. Many doctors and bureaucrats already shared the disparaging view of “inferior” individuals.

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Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN),Erfasst, verfolgt, vernichtet./registered, persecuted, annihilated., DOI 10.1007/978-3-642-54028-8_3,© Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) 2014

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Karten aus der Erbgesundheitskartei der Alsterdorfer Anstalten

Auf solchen Karteikarten verzeichneten Ärzte der Hamburger Alsterdorfer Anstalten über 3 000 Stammbäume ihrer Pfleglinge. Sie ver-merkten dabei alles, was sie für auffällig hielten. Die Daten dienten als Grundlage für Entscheidungen über Zwangssterilisationen. Der Stand der Verfahren und die durch-geführten Sterilisationen wurden ebenfalls vermerkt. Wie in fast allen protestantischen Anstalten identifizierte sich auch das Füh-rungspersonal in Alsterdorf vorbehaltlos mit der rassenhygienischen Politik.

Ein zentraler Baustein der Bestandsaufnahme war das »Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens« von 1934. Es führte staatliche Gesundheitsämter ein, die von Amtsärzten geleitet wurden. Hierhin liefer-ten Fürsorgerinnen, Hilfsschullehrer oder Krankenkassen Informationen, hier wurden Gutachten erstellt und Zwangssterilisationen beantragt.

Das Projekt, die gesamte Bevölkerung erb-biologisch zu durchleuchten, blieb unvollen-det. Weitgehend erfasst wurden aber die Insassen von Heil- und Pflegeanstalten und ihre Angehörigen.

File Cards from the Hereditary Health Register of the Alsterdorf Institutions

Doctors at the Alsterdorf mental hospital complex in Hamburg documented the family trees of over 3,000 of the people in their care on file cards like those shown here. They recorded everything they saw as abnormal. This data formed the basis for decisions on compulsory sterilisation. The status of pro-ceedings and the sterilisations performed were also noted. As in almost all Protestant insti-tutions, the management identified fully with the racial hygiene policies.

A cornerstone of the survey was the 1934 Uni-form Health System Act. This law instituted governmental public health offices, which were managed by medical officials. The health offices collected information from social workers, special education teachers and health insurers, and compiled assessments and requests for compulsory sterilisation.

The project to survey the biological heredity of the entire population was never completed. However, most of the patients in mental hospitals and their relatives were documented.

Archiv der Evangelischen Stiftung Alsterdorf

Erbbiologische Bestandsaufnahme in Gesundheitsämtern Genetic Survey in Public Health Offices

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Request by the Lübeck Health Office to the Lengerich Mental Hospital 1938

When an application for education allowance was filed for Irmgard Heiss’s son, the health office requested her psychiatric file. Only indi-viduals with “healthy heredity” were supposed to be subsidised. Many patient files contain requests like these, which show how relatives were also subjected to discrimination.

Anfrage des Lübecker Gesundheitsamtes an die Heilanstalt Lengerich 1938

Als für den Sohn der Patientin Irmgard Heiss eine Ausbildungsbeihilfe beantragt wurde, forderte das Gesundheitsamt ihre Patienten-akte an. Nur »Erbgesunde« sollten gefördert werden. In vielen Patientenakten finden sich solche Anfragen, die zeigen, wie Angehörige in die Diskriminierung einbezogen wurden.

Erbbiologische Bestandsaufnahme in Gesundheitsämtern Genetic Survey in Public Health Offices

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LAV NRW OWL L 107 D 1893

Zwangssterilisationen Compulsory Sterilisation

Als eines der ersten NS-Gesetze überhaupt wurde 1933 das »Gesetz zur Verhütung erb-kranken Nachwuchses« erlassen, das im Januar 1934 in Kraft trat. Es war Grundlage für die Zwangssterilisation von bis zu 400 000 Frauen und Männern. Bis zu 5 000 starben an den Folgen der Operation.

An der Umsetzung des Gesetzes beteiligten sich viele: Ärzte und Fürsorgeeinrichtungen zeigten Menschen an, die sie für »erbkrank« hielten; Amtsärzte und Leiter von Heil- und Pflegeanstalten stellten Anträge auf Unfruchtbarmachung; Ärzte und Amtsrichter urteilten in den Erbgesundheitsgerichten und Erbgesundheitsobergerichten; Gynäkolo-gen und Chirurgen führten die Operationen durch. Sie alle griffen in das Leben Hundert-tausender ein, indem sie ihnen die Chance auf Familiengründung nahmen – und damit eine zentrale Perspektive ihres Lebens zer-störten. Juristisch belangt wurden sie dafür nach 1945 nicht.

One of the very first Nazi laws was the Law for the Prevention of Offspring with Hereditary Diseases, passed in 1933 and put into effect in January 1934. The number of women and men who were involuntarily sterilised under this law may be as high as 400,000. Up to 5,000 died as a consequence of their operation.

Many people were involved in carrying out the law: doctors and social welfare institu-tions reported people they believed to have “hereditary defects”; public health officers and the directors of mental hospitals filed requests for sterilisation; doctors and magis-trates passed judgment in the Hereditary Health Courts and the Hereditary Health Appeals Court; gynaecologists and surgeons performed the operations. They all inter-fered in the lives of hundreds of thousands of people by taking away the chance to start a family, destroying a central promise of life. They were never prosecuted for their deeds.

Nachfolgende Doppelseite: »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« (GzVeN), 1934

Die meisten Menschen wurden aufgrund der damaligen Diagnosen »Schwachsinn« und Schizophrenie zwangs-sterilisiert. Über deren Erblichkeit wusste die zeit-genössische Forschung fast nichts und war sich der fehlenden empirischen Grundlage durchaus bewusst. Die allgemeine Überzeugung, dass Erbfaktoren bei der Entstehung von »Schwachsinn« und »Geisteskrank-heiten« die entscheidende Rolle spielten, blieb davon unberührt. Auch eine Reihe von Psychiatern, die sich später gegen die Patientenmorde wendeten, befürwor-teten Zwangssterilisationen.

Overleaf

“Law for the Prevention of Offspring with Hereditary Diseases” (GzVeN), 1934

Most compulsory sterilisations were performed based on diagnoses of “feeble-mindedness” or schizophrenia. Scientists of the time knew almost nothing about the possible hereditary nature of such conditions, and were quite conscious of the lack of empirical evidence. Nonetheless, genetic factors were widely thought to play a decisive role in the development of “feeble-mindedness” and “mental illness”. Even a number of psychiatrists who later opposed the outright murder of patients approved of compulsory sterilisation.

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Zwangssterilisationen Compulsory Sterilisation

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Reichsgesetzblatt, Landesarchiv Baden-Württemberg, StAL G 24 1933

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50 2 Die Frage nach dem Wert des Lebens Setting a Value on Life

Vorlage: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 151 / 52 Bü 418

Prüfungsbemerkungen des württembergischen Innenmi-nisteriums 10. Dezember 1936

Immer wieder wehrten sich Ver-urteilte verzweifelt gegen ihre Sterilisation. Sie wurden gewalt-sam von der Polizei zur Opera-tion gebracht. Für Verwaltungen und Krankenkassen warf dies die Frage auf, wer die Kosten für die Polizeimaßnahmen übernehmen sollte. Unterschieden wurde zwi-schen schuldhaftem Widerstand gegen eine staatliche Maßnahme und Widersetzlichkeit als Krank-heitserscheinung. Im letzteren Fall bezahlte die Krankenkasse.

Audit Report of the Ministry of the Interior of Württem-berg 10 December 1936

Many people sentenced to com-pulsory sterilisation desperately resisted it. They were forcibly taken to their procedure by the police. Government agencies and health insurers were faced with the question who would bear the cost of this use of force. They made a distinction between non-compliance due to illness and the intentional evasion of a state order, and health insurance covered only the former.

Zwangssterilisationen Compulsory Sterilisation

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»Vordem war sie zu jedem lustig und lebensfroh, und vom Tag ab, wo sie kein Kind mehr bekommt, ist es das Gegenteil.«Aus dem Brief des Ehemanns der zwangssterilisierten Anni Sch. vom 10. April 1939 an die Wittenauer Heilstätten

“Before, she was merry towards everyone and fond of life, and since the day she can’t have a child, it is the opposite.”From a letter written by the husband of the forcibly sterilised Anni Sch. to the Wittenau mental hospital, 10 April 1939

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Ernst Rüdin gehörte zu den zentralen Vertretern der NS-Erbgesundheitspolitik. Als langjähriger Direktor der Deutschen For-schungsanstalt für Psychiatrie verengte er ihr Programm auf die Erbbiologie. Er war maßgeblich an der Ausgestaltung des »Geset-zes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« beteiligt. Zwischen 1935 und 1945 stand er der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater vor. Mit Paul Nitsche, dem ärzt-lichen Leiter der »Eutha nasie«-Zentrale, pflegte er einen engen Austausch.

Ernst Rüdin was one of the central proponents of the Nazi hereditary health policies. In his many years as director of the German Institute for Psychiatric Research, he narrowed its pro-gramme towards hereditary biology. He was instrumental in designing the Law for the Pre-vention of Offspring with Hereditary Diseases. From 1935 to 1945 he presided over the Society of German Neurologists and Psychiatrists. He maintained a lively correspondence with Paul Nitsche, the medical director of the central “euthanasia” office. Ernst Rüdin (links) mit Paul Nitsche

in Dresden, 1935

Ernst Rüdin 1874–1952

»Von hervorragender Wichtigkeit […] wäre die Erforschung der Frage: welche Kinder können, als Kinder schon, kli-nisch und erbbiologisch so einwand-frei als minderwertig eliminations-würdig charakterisiert werden, daß sie mit voller Überzeugung […] den Eltern bzw. gesetzlichen Vertretern sowohl im eigenen Interesse als auch [im Interesse] des deutschen Volkes zur Euthanasie empfohlen werden können.«

“It would be outstandingly important […] to investigate the question which children can be characterised in child hood as inferior and suitable for elimination with such clinical and genetic certainty that euthanasia could be recommended to their parents or legal guardians with complete con-fidence […], both in their own interest and that of the German nation.”

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Erich Braemer 1891 – nach 1970

Geboren als Sohn eines Landjägermeisters in Flatow, Westpreußen, machte Erich Braemer Karriere im öffentlichen Gesundheitswesen. Ab 1935 leitete er als Amtsarzt das Gesund-heitsamt in Berlin-Prenzlauer Berg. Schon zuvor war er in der »Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege« aktiv, nun erstellte er auch erbbiologische Gutachten und Anträge auf Zwangssterilisationen. Braemer war außerdem Beisitzer am Erbgesundheitsober-gericht. 1940 stieg er als Medizinaldirektor ins Berliner Hauptgesundheitsamt auf.

Er blieb dort auch nach Kriegsende und er-warb sich – so eine von vielen Würdigungen – »die größten Verdienste« am Aufbau des Ost-berliner Gesundheitswesens, nicht zuletzt durch seine Erfahrung als »alter Verwaltungs-mediziner«. Details seiner amtsärztlichen Tätigkeit fehlen in späteren Lebensläufen, ebenso seine Personalakte aus der NS-Zeit. Ohnehin gab es nach 1945 für das Personal der Berliner Medizinalverwaltung in der Regel weder juristische noch berufliche Konsequenzen.

Erich Braemer, 1956

Born the son of a state gamekeeper in Flatow, West Prussia, Erich Braemer rose through the ranks of the public health system. In 1935 he took charge of the local public health office in Prenzlauer Berg, Berlin. He had worked in the Advisory Office for Hereditary and Racial Health before, and now he issued heredity assessments and requests for compulsory sterilisation. In addition, Braemer acted as assessor in the Hereditary Health Appeals Court. In 1940 he advanced to medical director of Berlin’s central public health office.

After the end of the war Braemer stayed on and played an important part in building the East Berlin health care system, not least through his experience as “an old hand at medical administration”. Details of his work as medical officer are missing from his later resumes, as is his personnel file from the Nazi period. In any case, the staff of Berlin’s medical administration generally suffered neither legal nor professional consequences after 1945.

Foto links: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-DahlemFoto rechts: Landesarchiv Berlin, C Rep.118 Nr.1641

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Herkunft Wilhelm Werner wurde am 18. Sep-tember 1898 in Schniegling bei Nürnberg geboren. Er war das älteste Kind Friederike Katharina Herolds und des Maschinisten und Tünchers Martin Gustav Werner, die zwei Jahre später noch eine Tochter bekamen. Die Familie lebte in großer finanzieller Not. 1902 zog die Mutter mit den Kindern ins Armen-haus, 1906 ließen sich die Eltern scheiden.

»Taubstumm« Spätestens 1908 kam Wilhelm Werner in die katholische Anstalt St. Josefs-haus für »Schwachsinnige« im fränkischen Gemünden, vermutlich weil er gehörlos war. Er lernte dort lesen, schreiben, rechnen – und zeichnen. Als 21-Jähriger wurde er 1919 mit der Diagnose »Idiotie« in die Heil- und Pflege-anstalt Werneck verlegt, wo er bis 1940 lebte. Zwischen 1934 und 1938 wurde er zwangs-sterilisiert.

Tod Mit dem ersten Sammeltransport kam Wilhelm Werner am 6. Oktober 1940 aus Werneck in die Mordanstalt Pirna-Sonnen-stein und wurde dort umgebracht.

Wilhelm Werner 1898–1940

Background Wilhelm Werner was born on 18 September 1898, in Schniegling near Nurem-berg. He was the oldest child of Friederike Katharina Herold and the machine operator and whitewasher Martin Gustav Werner. Two years later his parents also had a daughter. The family lived in great financial distress. The mother moved to the poorhouse with the children in 1902, and the parents were divorced in 1906.

“Deaf Mute” In 1908 or before, Wilhelm Werner was admitted to a Catholic institution, St. Joseph’s Home for the Feeble-Minded in Gemünden, Franconia, probably because he was deaf. There he learned to read, write, do maths – and draw. In 1919, at the age of 21, he was moved to the Werneck mental hospital with a diagnosis of “imbecility” and lived there until 1940. He was forcibly sterilised between 1934 and 1938.

Death On 6 October 1940, the first group transport from Werneck took Wilhelm Werner to the Pirna-Sonnenstein killing centre, where he was murdered.

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»Siegeszug der Sterelation«

In 44 Zeichnungen setzte sich Wilhelm Werner mit seiner Zwangssterilisation auseinander. Das Heft mit diesen Zeichnungen – einziges Zeugnis von Wilhelm Werners Aufenthalt in der Anstalt Werneck – verblieb dort bei einem Verwaltungsangestellten. Dieser übergab es vor wenigen Jahren der Sammlung Prinzhorn, die künstlerische Werke von Anstaltspatienten dokumentiert.

Die Zeichnungen gehören zu den seltenen künstlerischen Arbeiten, in denen Zwangs-sterilisierte zum Ausdruck brachten, was dieser fundamentale Angriff auf Körper und Persönlichkeit für sie bedeutete.

Wilhelm Werners Zeichnungen haben ein festes Figurenarsenal: Ordensschwestern mit Hauben, Männer in dunklen Anzügen, kugelige Clowns und nackte Männer. Die Patienten, meist als Clowns dargestellt, stellen sich den Untersu-chungen mit ernstem Blick. Die Flaggen und Armbänder verorten das Geschehen im NS-Staat.

Namentlich bezeichnet wird nur »Doktor Wein-zierl«: Dr. med.Hans Weinzierl war von 1920 bis 1945 Chefarzt der Chirurgie in Schweinfurt.

“The Triumph of Sterelation”

Wilhelm Werner dealt with his forced sterilisation in 44 drawings. The notebook with these drawings – the only document of Wilhelm Werner’s residence at the institution in Werneck – remained in the care of a clerk. A few years ago he passed it on to the Prinz-horn Collection, which documents the artistic work of patients in mental hospitals.

The drawings are among the rare art works in which victims of forced sterilisation expressed what this fundamental assault on their body and personality meant to them.

Wilhelm Werner’s drawings have a fixed cast of characters: nuns in habits, men in dark suits, spherical clowns and naked men. The patients, often depicted as clowns, submit to examinations with solemn expressions. Flags and armbands situate the scenes in the Nazi period.

Only “Doktor Weinzierl” is identified by name: Dr. med. Hans Weinzierl was Chief of Surgery in Schweinfurt from 1920 to 1945.

Wilhelm WernerInv.Nr.8083 (2008) fol.1, 2, 4, 8, 9, 25Universitätsklinikum Heidelberg, Sammlung Prinzhorn

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»Siegeszug der Sterelation« “The Triumph of Sterelation”

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Wilhelm WernerInv. Nr. 8083 (2008) fol. 10, 11, 20, 26, 30Inv. Nr. 8083 / 1, 4, 6, 7, 8, 9, 11 (2010)Universitätsklinikum Heidelberg, Sammlung Prinzhorn

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“I explain to you that I am not feeble-minded, only poor; not burdened with any hereditary disease, only oppressed and bullied […]. Wouldn’t it be better if a poor people’s child were drowned straight away?”Theresia S. in her “hereditary health” proceedings

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»Ich lege Ihnen also klar, dass ich nicht schwachsinnig, sondern bloß arm bin, nicht erblich belastet mit keiner Krankheit, sondern bloß gedrückt und schikaniert […]. Wäre es nicht besser, wenn armer Leute Kind sofort ertränkt würde?«Theresia S. im Rahmen ihres »Erbgesundheits«-Verfahrens