Erfindergeist in zweiter Generation...Mister Spex, die mit 3-D-Angeboten via Webcam und großer...

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Erfindergeist in zweiter Generation Marc Fielmann entwickelt mit kleinem Team unter anderem Kontaktlinsen-App. Optikerkette kündigt bei Bilanzvorlage weitere Expansion an Hamburger Abendblatt 26. April 2013 MELANIE WASSINK HAMBURG :: Macht Geld glücklich? Bei Günther Fielmann ließ sich diese Frage am Donnerstag recht einfach be- antworten. Den Gewinn im vergange- nen Jahr auf 130 Millionen Euro gestei- gert, den Umsatz auf 1,1 Milliarden Euro angehoben, mehr als sieben Millionen Brillen verkauft, und das in einem schrumpfenden Markt. Fielmann ist Erfolge gewohnt, er präsentierte bei der Bilanzpressekonferenz die Zahlen des Unternehmens wie gewohnt recht un- gerührt. Die erhöhte Dividende, welche die Aktionäre und die Familie Fielmann als größten Mehrheitseigner wieder um einige Millionen reicher machen wird: alles Routine. Doch als später am Rande des Journalistentermins das Gespräch auf seinen Sohn Marc kommt, hellt sich das Gesicht des 73-Jährigen auf. „Es ist verblüffend, wie ähnlich wir uns sind“, sagt er lächelnd, „auch Marc macht sei- ne Aufgabe ganz penibel, ist oft bis nachts damit beschäftigt.“ Mit großer Freude arbeite der 23-Jährige abwech- selnd in der Verwaltung und den Nie- derlassungen, komme bei den Mitarbei- tern sehr gut an. Der Vater strahlt: „Das bereitet mir eine große Freude.“ Wie der Vater, so der Sohn, ist die Botschaft des Erfinders der Nulltarif- brille – und doch bringt Marc nun auch ganz eigene Gedanken in das Unterneh- men ein: Er leitet die Firmentochter Fielmann Ventures, die sich als Inkuba- tor für Ideen und Geschäftsmodelle versteht. Gemeinsam mit zehn Mitar- beitern sitzt Marc Fielmann mit dieser Abteilung in einem Großraumbüro in der Zentrale des Unternehmens in Barmbek. Hier wurde beispielsweise ei- ne Smartphone-App geboren, mit der die Kunden unkompliziert Kontaktlin- sen und Pflegemittel bestellen können. Außerdem ein auf Tablet-PC basieren- des Informationssystem, mit dem die Verkäufer in den Filialen die Informa- tionen über die Kunden und deren Be- stellungen pflegen können. „Bisher ha- ben wir das noch mit Zetteln gemacht“, sagt Fielmann. Das neue IT-System spare pro Kundengespräch bis zu sie- ben Minuten. „In der Zeit können wir 150.000 Brillen zusätzlich verkaufen“, freut sich der Ferrari-Fan über das Pro- jekt seines Sohnes. Größere Verkaufsflächen plant Fielmann auch in Hamburg Tatsächlich begrenzt der Mangel an Verkäufern und ausreichend großen Immobilien das weitere Wachstum der größten deutschen Optikerkette derzeit am deutlichsten. In etlichen Regionen könnte Fielmann wesentlich mehr Bril- len verkaufen, denn die Kunden neh- men lange Wartezeiten auf sich. „100 unserer Geschäfte sind zu klein für den Andrang“, sagte Fielmann. In vielen Ge- meinden ist der Unternehmer daher auf der Suche nach größeren Shops. In Hamburg gelte die für den Standort Eppendorf, der sehr gur laufe. Außer- dem sei in der Hansestadt eine Fliale in der HafenCity denkbar, sagte Fielmann. Für seine Espansionspläne im ge- samten Bundesgebiet sucht der Kon- zernchef derzeit vor allem nach Immo- bilien in Baden-Württemberg, Bayern und im Raum Berlin. Die 572 Filialen in Deutschland sollen mittelfristig – im Zeitraum von fünf Jahren – auf 700 auf- gestockt werden. 671 Geschäfte betrieb Fielmann Ende März europaweit, aller- dings mit starkem Schwerpunkt auf dem deutschsprachigem Raum. Die Zah- len dieser bestehenden Läden erreich- ten im ersten Quartal zwar nur Vorjah- resniveau, lagen damit aber im Rahmen der Erwartungen von Analysten. Auch bei dem Blick über das beste- hende Filialnetz hinaus – bei einer mög- lichen Internationalisierung – kommen Impulse von Marc Fielmann. Immerhin hat der Filius neben Stationen im Inter- nat Salem und an der London School of Economics auf Auslandsaufenthalten bereits Einblicke in Optikerketten in den USA und Lateinamerika gewonnen. Mit diesen Erfahrungen in diversen Auslandsmärkten arbeite er auch für die Fielmann-Gruppe an Marktein- trittsstudien, deutete der Vorstands- chef an, ohne dabei auf Details einzu- gehen. Ein weiteres Experimentierfeld liegt im Internet: Online-Anbieter wie Mister Spex, die mit 3-D-Angeboten via Webcam und großer Auswahl werben, wachsen mit zweistelligen Zuwachs- raten, auch wenn der Umsatzanteil beim E-Commerce noch im unteren einstelligen Prozentbereich dümpelt. Den Verkauf von Brillen via Internet sieht Fielmann nach wie vor kritisch. „Die Anpassung bleibt mit den heu- tigen technischen Möglichkeiten aber immer ein Zufallsprodukt“, sagt Fiel- mann, der als gelernter Augenoptiker seit jeher viel Wert auf die handwerk- liche Seite seines Geschäfts legt. Für sein Unternehmen lehnt er einen Bril- len-Shop im weltweiten Netz aus die- sem Anspruch heraus nach wie vor ab. Deutlich mehr am Herzen liegen Fielmann dagegen die Hörgeräteabtei- lungen in seinen Filialen. Bisher entfal- len vom Konzernumsatz rund 87 Pro- zent auf das Brillengeschäft (inklusive Sonnenbrillen), elf Prozent auf Kon- taktlinsen und der Rest auf Hörgeräte. Nun sollen mehr Mitarbeiter neben ih- rer Qualifikation als Augenoptiker auch zu Hörgeräteakustikern ausgebildte werden. Das Kalkül: Bei Anbieter von Hörgeräten bremst die Schwellenangst viele Kunden aus. Bei Fielmann dage- gen bedeutet die Beratung für ein Hör- gerät meist nur den Gang in eine andere Abteilung, und der Ansprechpartner bleibt derselbe. Zusammen mit der de- mografischen Entwicklung kann diese Strategie bei Fielmann ein großes Po- tenzial entfalten. Bisher betreibt die Gruppe 86 Hörgeräteabteilungen. Mit- telfristig soll diese Zahl auf 200 steigen. Zwar profitiert Fielmann von der wachsenden Zahl älterer Menschen, bei Hörgeräten wie bei teuren Gleit- sichtbrillen. Allerdings macht dem Un- ternehmer der Engpass bei geeigneten Fachkräften zu schaffen. Bisher bildet seine Akademie im Plöner Schloss 6000 Augenoptiker im Jahr aus. „Wir sind dennoch immer auf der Suche“, sagte Fielmann, „nach guten Leuten“, fügt er hinzu. Und denkt dabei womöglich wie- der an seinen Sohn. 100 unserer Geschäfte sind zu klein für den Kundenandrang. Günther Fielmann Günther Fielmann und sein Sohn Marc bei einem der seltenen gemeinsamen öffentlichen Auftritte bei der Hauptversammlung der Optikerkette im Juli 20102 Foto: Andreas Laible Fielmann leidet im ersten Quartal unter dem Wetter Im ersten Quartal setzte das Unternehmen wie im Vorjahr wieder 1,7 Millionen Brillen ab, während die übrige Branche einen Rück- gang von fünf Prozent bei den Stückzahlen verzeichnet habe, teilte die Filialkette am Don- nerstag in Hamburg mit. Allerdings sei der Jah- resauftakt auch durch schlechtes Wetter und weniger Verkaufstage erschwert worden. Der Konzernumsatz stieg auf 278 Millionen Euro, nach 271,5 Millionen Euro. Der Quartals- gewinn lag erneut bei 33,7 Millionen Euro. Fielmann zeigte sich zu- versichtlich, seine Marktposition ausbauen zu können. Im Jahr 2012 hat der Konzern 7,1 Millionen Brillen abgestzt, im Vorjahr waren es noch 6,7 Millionen. Der Um- satz erreichte 1,11 Milli- arden Euro, nach 1,05 Milliarden Euro im Jahr 2011. Der Gewinn stieg auf rund 130 Millionen Euro nach gut 125 Milli- onen Euro im Jahr zu- vor. (mw)

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Erfindergeist in zweiter GenerationMarc Fielmann entwickelt mit kleinem Team unter anderem Kontaktlinsen-App. Optikerkette kündigt bei Bilanzvorlage weitere Expansion an

Hamburger Abendblatt 26. April 2013

MELANIE WASSINK

HAMBURG :: Macht Geld glücklich?Bei Günther Fielmann ließ sich dieseFrage am Donnerstag recht einfach be-antworten. Den Gewinn im vergange-nen Jahr auf 130 Millionen Euro gestei-gert, den Umsatz auf 1,1 Milliarden Euroangehoben, mehr als sieben MillionenBrillen verkauft, und das in einemschrumpfenden Markt. Fielmann istErfolge gewohnt, er präsentierte bei derBilanzpressekonferenz die Zahlen desUnternehmens wie gewohnt recht un-gerührt. Die erhöhte Dividende, welchedie Aktionäre und die Familie Fielmannals größten Mehrheitseigner wieder umeinige Millionen reicher machen wird:alles Routine. Doch als später am Randedes Journalistentermins das Gesprächauf seinen Sohn Marc kommt, hellt sichdas Gesicht des 73-Jährigen auf. „Es istverblüffend, wie ähnlich wir uns sind“,sagt er lächelnd, „auch Marc macht sei-ne Aufgabe ganz penibel, ist oft bisnachts damit beschäftigt.“ Mit großerFreude arbeite der 23-Jährige abwech-selnd in der Verwaltung und den Nie-derlassungen, komme bei den Mitarbei-tern sehr gut an. Der Vater strahlt: „Dasbereitet mir eine große Freude.“

Wie der Vater, so der Sohn, ist dieBotschaft des Erfinders der Nulltarif-brille – und doch bringt Marc nun auchganz eigene Gedanken in das Unterneh-men ein: Er leitet die FirmentochterFielmann Ventures, die sich als Inkuba-tor für Ideen und Geschäftsmodelleversteht. Gemeinsam mit zehn Mitar-beitern sitzt Marc Fielmann mit dieserAbteilung in einem Großraumbüro inder Zentrale des Unternehmens inBarmbek. Hier wurde beispielsweise ei-ne Smartphone-App geboren, mit derdie Kunden unkompliziert Kontaktlin-sen und Pflegemittel bestellen können.Außerdem ein auf Tablet-PC basieren-des Informationssystem, mit dem dieVerkäufer in den Filialen die Informa-tionen über die Kunden und deren Be-stellungen pflegen können. „Bisher ha-ben wir das noch mit Zetteln gemacht“,sagt Fielmann. Das neue IT-Systemspare pro Kundengespräch bis zu sie-ben Minuten. „In der Zeit können wir150.000 Brillen zusätzlich verkaufen“,freut sich der Ferrari-Fan über das Pro-jekt seines Sohnes.

Größere Verkaufsflächen plantFielmann auch in Hamburg

Tatsächlich begrenzt der Mangel anVerkäufern und ausreichend großenImmobilien das weitere Wachstum dergrößten deutschen Optikerkette derzeitam deutlichsten. In etlichen Regionenkönnte Fielmann wesentlich mehr Bril-len verkaufen, denn die Kunden neh-men lange Wartezeiten auf sich. „100unserer Geschäfte sind zu klein für denAndrang“, sagte Fielmann. In vielen Ge-meinden ist der Unternehmer daher aufder Suche nach größeren Shops. In

Hamburg gelte die für den StandortEppendorf, der sehr gur laufe. Außer-dem sei in der Hansestadt eine Fliale inder HafenCity denkbar, sagte Fielmann.

Für seine Espansionspläne im ge-samten Bundesgebiet sucht der Kon-zernchef derzeit vor allem nach Immo-bilien in Baden-Württemberg, Bayernund im Raum Berlin. Die 572 Filialen inDeutschland sollen mittelfristig – imZeitraum von fünf Jahren – auf 700 auf-gestockt werden. 671 Geschäfte betriebFielmann Ende März europaweit, aller-dings mit starkem Schwerpunkt aufdem deutschsprachigem Raum. Die Zah-len dieser bestehenden Läden erreich-ten im ersten Quartal zwar nur Vorjah-

resniveau, lagen damit aber im Rahmender Erwartungen von Analysten.

Auch bei dem Blick über das beste-hende Filialnetz hinaus – bei einer mög-lichen Internationalisierung – kommenImpulse von Marc Fielmann. Immerhinhat der Filius neben Stationen im Inter-nat Salem und an der London School ofEconomics auf Auslandsaufenthaltenbereits Einblicke in Optikerketten inden USA und Lateinamerika gewonnen.Mit diesen Erfahrungen in diversenAuslandsmärkten arbeite er auch fürdie Fielmann-Gruppe an Marktein-trittsstudien, deutete der Vorstands-chef an, ohne dabei auf Details einzu-gehen. Ein weiteres Experimentierfeld

liegt im Internet: Online-Anbieter wieMister Spex, die mit 3-D-Angeboten viaWebcam und großer Auswahl werben,wachsen mit zweistelligen Zuwachs-raten, auch wenn der Umsatzanteilbeim E-Commerce noch im untereneinstelligen Prozentbereich dümpelt.

Den Verkauf von Brillen via Internetsieht Fielmann nach wie vor kritisch.

„Die Anpassung bleibt mit den heu-tigen technischen Möglichkeiten aberimmer ein Zufallsprodukt“, sagt Fiel-mann, der als gelernter Augenoptikerseit jeher viel Wert auf die handwerk-liche Seite seines Geschäfts legt. Fürsein Unternehmen lehnt er einen Bril-

len-Shop im weltweiten Netz aus die-sem Anspruch heraus nach wie vor ab.

Deutlich mehr am Herzen liegenFielmann dagegen die Hörgeräteabtei-lungen in seinen Filialen. Bisher entfal-len vom Konzernumsatz rund 87 Pro-zent auf das Brillengeschäft (inklusiveSonnenbrillen), elf Prozent auf Kon-taktlinsen und der Rest auf Hörgeräte.Nun sollen mehr Mitarbeiter neben ih-rer Qualifikation als Augenoptiker auchzu Hörgeräteakustikern ausgebildtewerden. Das Kalkül: Bei Anbieter vonHörgeräten bremst die Schwellenangstviele Kunden aus. Bei Fielmann dage-gen bedeutet die Beratung für ein Hör-gerät meist nur den Gang in eine andereAbteilung, und der Ansprechpartnerbleibt derselbe. Zusammen mit der de-mografischen Entwicklung kann dieseStrategie bei Fielmann ein großes Po-tenzial entfalten. Bisher betreibt dieGruppe 86 Hörgeräteabteilungen. Mit-telfristig soll diese Zahl auf 200 steigen.

Zwar profitiert Fielmann von derwachsenden Zahl älterer Menschen, beiHörgeräten wie bei teuren Gleit-sichtbrillen. Allerdings macht dem Un-ternehmer der Engpass bei geeignetenFachkräften zu schaffen. Bisher bildetseine Akademie im Plöner Schloss 6000Augenoptiker im Jahr aus. „Wir sinddennoch immer auf der Suche“, sagteFielmann, „nach guten Leuten“, fügt erhinzu. Und denkt dabei womöglich wie-der an seinen Sohn.

100 unserer Geschäftesind zu klein für den

Kundenandrang.Günther Fielmann

Günther Fielmann und sein Sohn Marc bei einem der seltenen gemeinsamen öffentlichen Auftritte bei der Hauptversammlung der Optikerkette imJuli 20102 Foto: Andreas Laible

Fielmann leidet im ersten Quartal unter dem Wetter

Im ersten Quartal setztedas Unternehmen wieim Vorjahr wieder 1,7 Millionen Brillen ab,während die übrigeBranche einen Rück-gang von fünf Prozentbei den Stückzahlenverzeichnet habe, teilte die Filialkette am Don-nerstag in Hamburg mit.Allerdings sei der Jah-resauftakt auch durch

schlechtes Wetter und weniger Verkaufstageerschwert worden. Der Konzernumsatz stiegauf 278 Millionen Euro,nach 271,5 MillionenEuro. Der Quartals-gewinn lag erneut bei33,7 Millionen Euro.Fielmann zeigte sich zu-versichtlich, seineMarktposition ausbauenzu können.

Im Jahr 2012 hat derKonzern 7,1 MillionenBrillen abgestzt, imVorjahr waren es noch6,7 Millionen. Der Um-satz erreichte 1,11 Milli-arden Euro, nach 1,05Milliarden Euro im Jahr2011. Der Gewinn stiegauf rund 130 MillionenEuro nach gut 125 Milli-onen Euro im Jahr zu-vor. (mw)