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  • Erinnerungssttte an die Zwangsarbeit auf dem Gelnde des Volkswagenwerks

  • Erinnerungssttte an die Zwangsarbeit auf dem Gelnde des Volkswagenwerks

    Zwangsarbeit im Dritten Reich. Eine EinleitungHans Mommsen 3

    Raum 1 Projekt Volkswagen

    11

    31Raum 3 KZ-Hftlinge

    81Raum 4 Untertageverlagerung und

    Dezentralisierung des Volkswagenwerks 113Raum 5 Erinnerung

    143Raum 6 Auseinandersetzung mit der Geschichte

    des Volkswagenwerks im Nationalsozialismus 157Anhang:

    Flur Luftschutz und Bombardierung desVolkswagenwerks die Erinnerungssttte

    am historischen Ort

    Foto- und Dokumentennachweis

    Impressum

    Farbabbildungen

    171

    177178180

    Raum 2 Die Ausweitung der Rstungsproduktion und dieSystematisierung der Zwangs arbeit

  • Zwangsarbeit im Dritten Reich.Eine Einleitung.Hans Mommsen

    Die Heranziehung von Millionen von auslndischen Arbeits -krften zur Verrichtung von Zwangsarbeit war eines der herausragenden Kennzeichen der nationalsozialistischenKriegs wirtschaft. Die Volkswagenwerk GmbH machte davonkeine Ausnahme, ja sie nahm in einem berproportionalenMae an der Verwendung unfreier Arbeitskrfte teil. Daswar in erster Linie darin begrndet, da das Werk bis zumBeginn des Zweiten Weltkrieges keine Stammbelegschafthatte bilden knnen. Umfassende Werbeaktionen in denweniger entwickelten Randzonen des Reiches, so am Nie-derrhein und in der Lausitz, desgleichen die Anwerbung vonniederlndischen Arbeitskrften, waren nur begrenzt erfolg-reich gewesen.

    Daher war die Errichtung von Werk und Stadt nur aufGrund der Anwerbung italienischer Arbeitskrfte mglich,die zunchst auf der Grundlage eines Abkommens der Deut-schen Arbeitsfront (DAF) mit Dopo Lavoro, spter auf derBasis von zwischenstaatlichen Vertrgen zustande kam.Doch wurden die meisten Italiener nach dem Eintritt Italiensin den Zweiten Weltkrieg im Frhsommer 1940 wieder abge-zogen. Seitdem war das Werk von einem chronischenArbeitskrftemangel betroffen, den es durch die Beschfti-gung auslndischer Zwangsarbeiter zu berwinden suchte.

    Auf dem Hhepunkt der Beschftigung in den Jahren1943 und 1944 machten dienstverpflichtete auslndischeArbeitskrfte und Zwangsarbeiter mehr als zwei Drittel der

    Belegschaft, im Bereich der Betriebsarbeit bis zu 80 Prozentaus. Damit stand das Volkswagenwerk an der Spitze der Aus-lnderbeschftigung, die bei den Rstungsbetrieben durch-schnittlich 30 Prozent betrug. Unter dem Druck der Verhlt-nisse wurde es zum Vorreiter dieser Entwicklung undbemhte sich frhzeitig, Mittel und Wege zu finden, um dieBeschftigung von Zwangsarbeitern organisatorisch zuerleichtern.

    Nicht die Verwendung von unfreien Arbeitskrften,sondern das Ausma und die Systematisierung der Zwangs -arbeit waren neuartig und trugen dem Dritten Reich dasOdium ein, auch in dieser Hinsicht ein Ausbeuterstaat zusein. Die Beschftigung von Kriegsgefangenen hatte esbereits im Ersten Weltkrieg gegeben. Ebenso war die Anwer-bung von Arbeitskrften aus den Benelux-Staaten eine regel-mige Erscheinung der Zeit zwischen den Kriegen. Dieersten Stufen der Auslnderbeschftigung im Dritten Reichknpften daran an. Die Beschftigung von polni schen undfranzsischen Kriegsgefangenen vollzog sich im allgemeinenim Rahmen der Genfer Konvention. Insbesondere franzsi-sche Arbeits krfte waren allgemein begehrt.

    Die Rekrutierung von polnischen Arbeiterinnen undArbeitern vollzog sich nach dem Polenfeldzug zunchst auffreiwilliger Basis, obwohl die diskriminierenden Vorschriftendes Regimes, die rassistischen Vorbehalten entsprangen undvolkspolitischen Gefahren vorbeugen sollten, frh zu isolierter Unterbringung, zu dem Verbot, ffentliche Ein rich -tungen zu bentzen, zur besonderen Kennzeichnung durchdas Polen-Abzeichen und zu einem insbesondere sexuelleBeziehungen einschlieenden Kontaktverbot zu Deutschenfhrte.

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  • Eine qualitative Vernderung der Auslnder be schf -tigung trat im Herbst 1941, im Zusammenhang mit denersten Rckschlgen der Wehrmacht gegen die Sowjetunionund dann der Niederlage vor Moskau Ende des Jahres ein.Die Reprsentanten des Vierjahresplanes liefen seit demSommer gegen das Verbot Hitlers Sturm, sowjetische Kriegs-gefangene im Reichsgebiet zu beschftigen, das von Hein-rich Himmler und Martin Bormann aus ideologischen Grn-den nachdrcklich bejaht wurde, die an dem von Goebbelsverbreiteten Klischee vom russischen Untermen schen fest-zuhalten suchten.

    Demgegenber wies Paul Pleiger, der Chef der Her-mann Gring Werke und Leiter der Reichsvereinigung Kohlein ber einstimmung mit der Mehrheit der Gro -industriellen darauf hin, da sich die russischen Kriegs -gefangenen bereits im Ersten Weltkrieg als zuverlssigeArbeitskrfte bewhrt htten und da sich unter ihnen zahl-reiche Facharbeiter befnden, die sowohl fr den Stein -kohlenbergbau wie die stahl- und eisenverarbeitende Indu-strie Verwendung finden knnten, wo sie dringend bentigtwurden. Erst im Oktober 1941 fiel die definitive Entschei-dung, sowjetische Kriegsgefangene im Altreich nicht nur inder Landwirtschaft, wo sie bereits herangezogen wordenwaren, sondern auch in der Industrie einzusetzen.

    Als Kompensation fr die rassistischen Vorbehalte derNSDAP wurde fr die Unterbringung, Verpflegung, Behand -lung und die Beschftigung der sowjetischen Kriegs -gefangenen im Betrieb ein Bndel diskriminierender unddemtigender Maregelungen verordnet, durch welche diesowjetischen Kriegsgefangenen auf die unterste Stufe derBeschftigten gerckt wurden und sie von jedem Kontaktmit ihren deutschen Arbeitskollegen isoliert werden sollten.

    Angesichts dieser Sachlage verstrkte sich der schon imHerbst einsetzende Druck der Industrie auf die Reichs -fhrung, Arbeitskrfte aus dem besetzten sowjetischenGebiet, die dann als Ostarbeiter bezeichnet wurden, nachDeutschland zu bringen und damit den empfindlichen Man-gel an Arbeitskrften in der Rstungsindustrie zu be heben.Daraus entwickelte sich ein umfassendes Deportations -programm, das seit Mrz 1942 von dem zum General bevoll -mchtigten fr den Arbeitseinsatz berufenen Gauleiter FritzSauckel vorangetrieben wurde. Mehr als 2,5 MillionenArbeits krfte aus den besetzten Teilen der Sowjetunion wurden ins Reichsgebiet gebracht. Nachdem sich dasZwangs arbeits system eingespielt hatte, wurden die einzel-nen Arbeitsamtbezirke im Altreich von jeweils fest gelegtenDurchgangslagern aus mit Zwangsarbeitern versorgt. ImFalle des Volkswagenwerks handelte es sich um das Trans-ferlager Lublin, in das die zur Deportation ins Reichs gebietvorgesehenen Personen vorbergehend ein geliefert wur-den. An der Menschenjagd nahmen die zivilen Behrden, dieSS und Polizei, aber auch die Wehrmacht unterschiedslos teil.

    Ebenso wie bei der Beschftigung von sowjetischenKriegsgefangenen im Reichsgebiet wurde auch fr die Ostarbeiter eine Vielzahl diskriminierender Vorschriftenerlassen, die ber die restriktiven Bestimmungen der Polen -erlasse noch hinausgingen. Sie entsprangen dem Motiv,durch eine handfeste Schlechterstellung der Ost arbeitergegen ber den brigen Belegschaftsteilen die rassistischenVorbehalte der Partei und SS zu befriedigen und jed wede Fraternisierung mit der deutschen Bevlkerung zu unterbin-den.

    Der faktische Ausschlu aus der deutschen Gesellschaftwar das eine, eine sprbar niedrigere Entlohnung im Ver-gleich zu deutschen Arbeitskrften auch auf Grund der soge-nannten Polenausgleichsabgabe, die spter in verschrfterForm auf die Gruppe der Ostarbeiter ausgedehnt wurde,war das andere Kennzeichen der Beschftigung von polni-schen Zivilarbeitern. Rasch wurde das Kriterium der forma-len Freiwilligkeit des Arbeitseinsatzes im Reich gegenstands-los, erfolgte die Anwerbung mit gewaltsamen Mitteln, die inregelrechte Men schenjagden im General gouvernement aus-arteten.

    Damit vollzog sich eine innere Differenzierung in demMillionenheer auslndischer Zwangsarbeiter. Die aus denBeneluxlndern, zugleich Dnemark und Spanien, spterauch aus Frankreich, dort formell im Austausch gegen fran -zsische Kriegsgefangene, dienstverpflichteten Arbeits krftearbeiteten zu den gleichen Lhnen und Sozialleistungen wiedeutsche Belegschaftsmitglieder. Die erzwungene Gemein -schafts unter bringung bedeutete jedoch eine erhebliche Ein -schrnkung der persnlichen Freiheit. Zugleich wurdenUrlaubs genehmigungen immer sprlicher erteilt, schlielichganz unterbunden. Als insbesondere die Niederlnder diesmit der Flucht in ihre Heimat beantworteten, reagierte dieGestapo mit verschrften Repressalien gegenber denen, diegeblieben waren, und bte eine Art Sippenhaft aus. GegenEnde des Krieges war daher die Lage der dienstverpflichtetenArbeitskrfte aus den Benelux-Lndern, aus Dnemark, ausdem Protektorat Bhmen und Mhren und aus Sdost -europa nur graduell von derjenigen der Zwangsarbeiter ausOsteuropa unterschieden.

    Die vllig unzureichende Verpflegung bewirkte, datrotz ihrer Arbeits willigkeit die Arbeitsleistung der Kriegs -gefangenen, fr deren Betreuung die Wehrmacht zustndigwar, betrchtlich unter denen der deutschen Arbeitskrftelag. Dazu traten bei den mindesten Versten gegen dieBetriebs- und Lagerordnung hrteste Strafmanahmen, diehufig mit dem Tode der dem Hunger anheim gegebenenGefangenen endeten.

    Die Volkswagenwerk GmbH fungierte als Vorreiterinund entfaltete betrchtliche Energie, um die industrielleBeschftigung sowjetischer Kriegsgefangener trotz dererwhnten politisch motivierten Auflagen zu realisieren undzgerte nicht, eigene Abgesandte in die Stammlager zuschicken, um dort Facharbeiter zu rekrutieren. Indessenscheiterten diese Initiativen auf der ganzen Linie, da die imReichsgebiet befindlichen Stammlager von der verhngnis-vollen Fleckfieberepidemie erfat wurden, die in den Lagernhinter der Front wtete. Daher waren Ende 1941 fast keinesowjetischen Kriegsgefangenen mehr verfgbar. Die mei-sten waren in den Lagern in der besetzten Sowjetunionumgekommen, da keinerlei Vorsorge getroffen war, um ihrb