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Arnold Dodel Ernst Haeckel als Erzieher Nachdruck mit Anmerkungen herausgegeben von Karl Porges, Uwe Hoßfeld und omas Hoppe Gebr. Frank, Gera 2019

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Arnold Dodel

Ernst Haeckel als ErzieherNachdruck mit Anmerkungen

herausgegeben von Karl Porges, Uwe Hoßfeld und Thomas Hoppe

Gebr. Frank, Gera 2019

Herausgeber

Dr. Karl Porges & Prof. Dr. Uwe HoßfeldArbeitsgruppe BiologiedidaktikFriedrich-Schiller-Universität Jena Am Steiger 3, Bienenhaus07743 Jena

Dr. Thomas HoppeStadt GeraMuseum für Naturkunde GeraNicolaiberg 307545 Gera

1. Auflage 2019

Gedruckt mit Unterstützung der Stadt Gera, dem Museum für Naturkunde Gera (Nicolaiberg 3, 07545 Gera), der AG Biologiedidaktik der Friedrich-Schil-ler-Universität Jena (Am Steiger 3, Bienenhaus, 07743 Jena) und dem Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO, Landes-verband Thüringen)

Umschlaggestaltung: Dr. Harald FrankDruck: Gebr. Frank GmbH & Co. KG, Gera

ISBN 978-3-00-061230-5

Inhalt

Vorwort ....................................................................................................................... 4Anmerkungen zu Ernst Haeckel als Erzieher ......................................................... 71. Zukunft durch Bildung und Erziehung .............................................................. 82. … und Haeckel bildet (sich) .............................................................................. 123. Heinrich Schmidt errichtet ein Denkmal ........................................................ 144. Arnold Dodel: „durch Bildung zur Freiheit“ ................................................... 165. Das Wahre, Gute und Schöne – Ernst Haeckel als Erzieher .......................... 18Literatur ..................................................................................................................... 23

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Anmerkungen zu Ernst Haeckel als Erzieher

1. Zukunft durch Bildung und ErziehungMit der wissenschaftlichen Revolution im 18. Jahrhundert und dem wirtschaft-lichem Aufschwung infolge der beginnenden Industrialisierung entwickelte sich „das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Bildung und Erziehung als Be-dingung des Fortschritts“ (Gudjons 2006: 160; vgl. Seel und Hanke 2015). Diese Zeit war gleichsam die Geburtsstunde des modernen Lehrerberufes, der sich von den Lehrerpersönlichkeiten der Antike und den Lesungen des Klerus im Mittelalter unterschied. Beeinflusst von den Reformbestrebungen und didakti-schen Überlegungen des 17. Jahrhunderts, deren Lichtgestalt Johann Amos Co-menius (1592–1670) war, entwickelten die Philanthropen im 18. Jahrhundert ein „Konzept der Erziehung des nützlichen Bürgers“ (Kemnitz und Sandfuchs 2006: 28) sowie „eine empiristische Pädagogik, die an naturwissenschaftlichen Erkenntnismethoden orientiert[e] […] und bildungstheoretische Elemente“ aufwies (Borst 2016: 49). Ihre Überlegungen ließen sich jedoch nur vereinzelt realisieren, denn stets waren sie an das Wohlwollen der jeweiligen Landesherren gebunden. Da ihre autonomen Konzepte nicht den „Erwartungen ihres Umfel-des“ entsprachen, „besaßen sie für die Bildungspolitik auch nicht die Attraktivi-tät einer kostengünstig realisierbaren Schule“ (Tenorth 2010: 91). Umso beach-tenswerter ist das Lebenswerk von Christian Gotthelf Salzmann (1744–1811), der sein Studium in Jena absolvierte. Bereits während seiner Tätigkeit als Pastor in Erfurt „zeigte sich seine Neigung zur Pädagogik und zum zweckmäßigen Jugendunterrichte“ (Moser 1795: o. S.). Sein „pädagogisches Konzept basiert[e] auf dem Erziehungsverständnis des ausgehenden 18. Jahrhunderts, welches von liberalem Denken bestimmt war“ (Friedrich 2004: 23). Er gründete mit Un-terstützung von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg im Jahr 1784 ein Philanthropin in Schnepfenthal, das eine „Ausnahmeerscheinung unter den Reformschulen des Philanthropismus“ darstellt, da es als einziges Philanthropin seine „Fortdauer bis in unsere Zeit hinein zu gewährleisten wusste“ (Friedrich 2004: 24).

Mit der etappenweisen Einführung der Schulpflicht und dem damit verbun-denen Ausbau des öffentlichen Schulwesens zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden veränderte Rahmenbedingungen, die zu einer neuen Dynamik in der Unterrichtsentwicklung führten. Auch die Pädagogik der Vorschule brachte in dieser Zeit ein neues Konzept hervor: Friedrich Fröbel (1782–1852) eröff-nete im Jahr 1840 in Bad Blankenburg zusammen mit seinen Mitarbeitern den ersten Kindergarten. Damit entstand eine Einrichtung, die weltweit Beachtung fand. Doch während er seine Idee erst noch zu verwirklichen suchte, musste die Schule bereits ungleich größere organisatorische Herausforderungen meistern: einen Unterricht für möglichst viele Schülerinnen und Schüler zur gleichen

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Zeit mit den gleichen Lerninhalten realisieren. Dies führte zur Etablierung von Jahrgangsstufen und des Frontalunterrichts, was bis in die heutige Zeit hinein-reicht und noch immer den Schulalltag dominiert (Gudjons 2006: 160). Beein-flusst von Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) stand bei den methodischen Überlegungen anfangs die Elementarisierung des Unterrichts im Vordergrund, das heißt, „den Lehrstoff auf seine Elemente Zahl, Form und Wort zurückzu-führen und, von den Lernvoraussetzungen des Kindes ausgehend, anschaulich aufzubereiten“ (Kemnitz und Sandfuchs 2006: 29). Zwei Entwicklungsschübe, „die formelhaft mit den Begriffen Herbartianer und Reformpädagogik benannt werden können“, leisteten in weiterer Folge wesentliche Beiträge für die Heraus-bildung der im 21. Jahrhundert bekannten Unterrichtsmethoden (Wiechmann 2006b: 216). Während die Herbartianer sich in der Tradition von Johann Fried-rich Herbart (1776–1841) verstanden und primär national ausgerichtet waren, gilt der Begriff Reformpädagogik als Sammelbegriff für verschiedene internati-onale Strömungen und Konzepte (vgl. Skiera 2010; Barz 2018).

Herbart, der u. a. bei Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) in Jena studierte, begründete mit seinem Werk Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erzie-hung abgeleitet (1806) das Fach Allgemeine Pädagogik und leitete „den Beginn einer neuen Ära“ ein (Kretzschmar 1917: 151; vgl. Herbart 1806). Dass er sich bereits in Jena „mit den Fragen der Erziehung und Bildung beschäftigte, geht nicht nur aus mehreren sehr bestimmten Aeusserungen über Werth und Rei-henfolge der Bildungsmittel so wie aus einem Vortrage über die Pflicht des Staates, auf die Erziehung der Kinder Rücksicht zu nehmen, sondern auch aus dem Umstande hervor, dass er das Erziehungsgeschäft, welches er nach Been-digung seiner Studien 1797 antrat, mit so tiefem Ernste auffasste, wie er nur das Ergebniss vielfacher Selbstverständigung über den Gegenstand sein kann“ (Willmann 1880: XX). Primär setzte er sich mit Immanuel Kant (1724–1804), John Locke (1632–1704), Fichte und Pestalozzi auseinander und stellte sich die Frage: „Wie muss der Unterricht als Einwirkung auf den ‚Gedankenkreis‘ des Schülers beschaffen sein, damit aller Unterricht in den Dienst der Erziehung tritt und dadurch zu einem ‚erziehenden Unterricht‘ wird?“ (Jetter 1915: 38). Sein Verdienst „kann man […] in der Tatsache sehen wollen, dass er die ge-samte pädagogische Tätigkeit insbesondere dem Moralprinzip subsumiert[e]“ (Kretzschmar 1917: 152; vgl. auch Matthes und Heinze 2003: 108ff.). Aufgrund seiner Tätigkeit als Hauslehrer (1797–1799) konzipierte er ein Unterrichtsmo-dell für den Einzelunterricht. „An zahlreichen Stellen“ seiner Schriften wird der Einfluss der „Erfahrungen seines Erzieherlebens“ deutlich (Willmann 1880: 5). Herbart verlangte die „bewusste Ausführung psychologischer und logischer Grundgesetze im Unterrichtsverlauf, eine […] Unterrichtsform, die der Leh-rer so beherrschen sollte, dass er damit allen Regungen und Bewegungen im Schüler, allen bildenden Momenten im Stoff und eben damit auch dem Erzie-hungszweck Rechnung tragen konnte“ (Jetter 1915: 38f.). Den methodischen

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Gang – auch als Formalstufentheorie bekannt – strukturierte er in vier Schritte, „die nacheinander durchlaufen werden müssen – Klarheit, Assoziation, System und Methode“ (Wiechmann 2006a: 266). Letztlich ging es ihm darum, dass das „Lehren von einer Theorie getragen“ wird (Jetter 1915: 39). Während folg-lich die theoretische Grundlegung der Pädagogik als Wissenschaft auf Herbart sowie auch auf Friedrich Schleiermacher (1768–1834) zurückgeführt werden kann, prägten „Denker wie Wilhelm von Humboldt (1767–1835), Johann Gott-fried Herder (1744–1803) und Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) […] den Begriff ‚Bildung‘“ (Koerrenz et al. 2017).

Herbart hinterließ eine Vielzahl an Schülern, die sich im Verein für Wissen-schaftliche Pädagogik (1868 bis ca. 1927) organisierten und im dazugehörigen Jahrbuch des Vereins für Wissenschaftliche Pädagogik publizierten. Sie entwi-ckelten sein „Methodenmuster zum Modell des Klassenunterrichts weiter, wo-bei die soziale Situation der Schulklasse weitgehend unberücksichtigt blieb“ (Wiechmann 2006a: 266). Dass sich die Pädagogik als wissenschaftliche Diszip-lin an den Universitäten etablieren konnte, gilt als Hauptverdienst der Herbar-tianer, deren Wirken und pädagogische Schule (Herbartianismus) die Denk-richtung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte. Beachtenswert ist, dass zur Zeit Haeckels zwei der einflussreichsten Herbartianer in Jena lehrten: Karl Volkmar Stoy (1815–1885) und Wilhelm Rein (1847–1929). Beide erar-beiteten „international beachtete Systementwürfe“ zur Pädagogik, generierten pädagogische Fachbegriffe und leisteten damit wesentliche Beiträge zur Etablie-rung des Faches an den Universitäten (Coriand 2004: 66). Stoy, der ein direkter Schüler von Herbart war, übernahm in Jena die Leitung der Erziehungsanstalt und richtete 1844 ein pädagogisches Universitätsseminar mit Übungsschule für die Lehrerausbildung ein (Coriand 2000, 2015). Sein Sohn, Johann Heinrich Stoy (1846–1905), übernahm 1880 die Leitung der Erziehungsanstalt und er-baute als Nebengebäude das Bienenhaus, in dem heute die AG Biologiedidaktik der Friedrich-Schiller-Universität beheimatet ist. Rein, der nach Karl Volkmar Stoy die Leitung des pädagogischen Seminars übernahm, lehrte den angehen-den Lehrkräften in einer von der Durchsetzung der Schulpflicht geprägten Zeit hilfreiches Methodenwissen. Doch neben diesen Notwendigkeiten bezeugten seine Schüler, wie bspw. Hermann Lietz (1868–1919), auch das Reformdenken von Rein. Schließlich stellen „die Landerziehungsheime Lietzscher Prägung mit ihrer Betonung der Verflechtung von Schulleben und Unterrichtlichem ein Ergebnis der in seiner Übungsschule angelegten Reformpraxis“ dar (Koerrenz 2004: 83; vgl. auch Koerrenz 2011: 77ff.).

Mit Comenius, Salzmann, Pestalozzi, Fröbel, Stoy, Rein u. a. existierten vor dem Ende des 19. Jahrhunderts bereits verschiedene Reformkonzepte, die im Sinn einer „Kontinuität des Bemühens“ auch nachfolgende Reformbestrebun-gen beeinflussten (Matthes und Schütz 2018: 40). Beispielsweise übte Pestalozzi einen nachhaltigen Einfluss auf Herbart und seine Schüler aus (vgl. Matthes

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und Heinze 2003: 114). Der Pädagoge und Herbartianer Ernst von Sallwürk (1839–1926) schrieb dazu: „Es möchten auch die in einer wärmeren Zeit ge-schriebenen Werke Pestalozzi’s eher im Stande sein, das Interesse unserer Ge-genwart zu erregen, als die besten Vorschläge und Vorträge zeitgenössischer Pädagogen, die sich eben immer auf den Standpunkt einer Partei stellen müs-sen […] und der pädagogischen Idee an sich nicht mit reiner und ungetheilter Aufmerksamkeit folgen können“ (Sallwürk 1874: 2). Bis in die Gegenwart wir-ken zentrale Ideen Pestalozzis in (reform)pädagogischen Überlegungen nach und haben dabei kaum an Aktualität verloren (Kuhlemann 1998). Exemplarisch dafür stehen Diskussionen um Noten und Zeugnisse, die er in seinem Insti-tut in Yverdon entgegen dem damaligen Trend nicht einführte. Anstatt zu ver-gleichen, bemühte er sich darum, die Leistungen der Kinder an ihren eigenen Anlagen und Kräften zu messen (Kuhlemann und Brühlmeier 2002: 63). Sein ganzheitlicher, handlungsorientierter Ansatz Lernen mit Kopf, Herz und Hand ist heute ein bekannter Slogan. Mit seinen Bestrebungen verfolgte er das Ziel, den Menschen zu befähigen, sich selbst zu helfen: „Kurz, er lehrte sie als ein Mann, der etwas ist, wo man ihn hinstellt, und machen will, daß auch sie etwas seien, wo man sie hinstellt. Und das heißt freilich: er lehrte sie ganz anders, als Leute lehren, die nur mit dem Maul etwas sind und auf dem Papier etwas kön-nen“ (Pestalozzi 1993: 220).

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erlebte die vorherrschende Schule aber-mals durch reformpädagogische Strömungen neue Impulse. Diese Epoche der Reformpädagogik stellte sich als „Bewältigungsstrategie“ und „komplexer Zu-sammenhang von Reaktionen auf die Erfahrungen der industrialisierten Mo-derne“ dar (Koerrenz 2014: 13, vgl. auch 111ff.). Während „die Planbarkeit des Unterrichts auf der Handlungsebene und die damit verbundene Lenkung des Geschehens durch die Lehrkraft“ auf die Herbartianer zurückgeht (Wiechmann 2006b: 217), war mit den reformpädagogischen Überlegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts „eine weitgehende Änderung der Lehrerrolle verbunden“ (Kemnitz und Sandfuchs 2006: 31f.). Den verschiedenen Strömungen lagen – trotz aller Unterschiede im Detail – gemeinsame Motive zugrunde: Orientie-rung am Kind, Lernen als aktive natürliche Tätigkeit, Gestaltung einer Lebens-gemeinschaft und Erziehung des ganzen Menschen (Skiera 2010). Bekannte internationale Vertreter, die teilweise eigenständige Konzepte entwarfen, wa-ren bspw. Maria Montessori (1870–1952), Janusz Korczak (1878–1942), Anton Semjonowitsch Makarenko (1888–1939) und Célestin Freinet (1896–1966). In der Vielzahl organisierten sie sich ab 1921 im Weltbund für Erneuerung der Er-ziehung (WEE), der ältesten und bis heute aktiven reformpädagogischen Scien-tific Community.

Ein bedeutender Reformpädagoge und zugleich ab 1923 Universitätspro-fessor in Jena war Peter Petersen (1884–1952). Er hinterließ ein international geschätztes, in Teilen noch heute bestehendes Schulmodell, das „zum Kernbe-

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stand der Reformpädagogik“ zählt (Koerrenz 2012: 7). Petersen, der sich mit seinen Vorgängern Stoy und Rein auseinandersetzte (Coriand 2015), entwickel-te mit seinem Schulkonzept Jena-Plan „‘Jenaer‘ Maßstäbe für eine allgemeine Erziehungsreform“, „die als Ausgangspunkt und Grundlage von Maßstäben der internationalen Reformpädagogik gedeutet werden können“ (Koerrenz 2004: 85). Zu seinen Verdiensten gehört es, dass er ebenso wie Wilhelm Rein „die Universität Jena zu einem Ort gemacht [hat], der international als ein Reform-zentrum schulischer Praxis und Theorie wahrgenommen wurde“ (Coriand und Koerrenz 2004: 7; vgl. Koerrenz 2015). Er ist Teil jener „Personenkonstellation“, die sowohl zur Zeit der Weimarer Republik als auch in der Zeit des National-sozialismus „das Erscheinungsbild der Jenaer Erziehungswissenschaft“ prägten (Döpp 2003: 772). Kritische Auseinandersetzungen dazu – wie auch allgemein zu verschiedenen Aspekten reformpädagogischer Strömungen – sind umfang-reich dokumentiert und aufgearbeitet (Döpp 2003; Schwan 2003, 2011; Koch und Schwarzkopf 2003).

Nach dieser kurzen und exemplarischen Retrospektive auf Bildung und Erzie-hung zwischen dem ausgehenden 18. und dem beginnenden 20. Jahrhundert bleibt die Frage, was diese zwei zentralen Begriffe der Pädagogik für die Schule der Gegenwart und Zukunft aussagen? Aktuell liegt für Thüringer Lehrkräfte neben den administrativ-verpflichtenden Lehrplänen ein Thüringer Bildungs-plan bis 18 Jahre vor, der als „Orientierungsrahmen für die pädagogische Arbeit“ hilfreiche Impulse liefern kann und sich am humboldtschen Bildungsbegriff orientiert (Kracke et al. 2017: 1). Die Autorinnen und Autoren verstehen Bil-dung als individuell offenen und unabschließbaren Prozess, der mit der Geburt beginnt und im gesamten Leben bedeutsam bleibt (ebenda: 11). Dabei spielen zwischenmenschliche Beziehungen eine herausragende Rolle, da Bildungspro-zesse durch Erziehung initiiert werden können. Zwar besteht „zum ‚einhei-mischen Begriff ‘ der Erziehung in der erziehungswissenschaftlichen Fachwelt kaum Konsens“ (Coriand 2004: 65; vgl. Dörpinghaus und Uphoff 2011: 20f.; Kunert 2018) und „eine Definition von Bildung […] widerspricht dem Kern des Bildungsbegriffes“ (Dörpinghaus und Uphoff 2011: 56; vgl. Borst 2016: 122ff.), doch ist unstrittig, dass Bildung und Erziehung „in einem wechselseitigen Ver-hältnis zueinander [stehen]. Dabei nimmt Bildung den Prozess der aktiven Aneignung und damit eher das Individuum in den Blick, während Erziehung stärker auf die Perspektive der (äußeren, ergebnisorientierten) Gestaltung von Bildungsprozessen abhebt und insofern stärker die Perspektive der Erwachse-nen betont“ (Kracke et al. 2017: 1; vgl. Bernhard 2018: 135ff). Erziehung meint also zweierlei. Sie ist „nicht nur eine Beziehung zwischen zwei Menschen, son-dern die Einwirkung eines älteren Menschen auf einen jüngeren mit dem Ziel der (länger oder kürzer bewirkten) Verhaltensänderung. Erziehung […] soll der Selbstwerdung und dem Mündigwerden des Heranwachsenden dienen“ (Kiper 2001: 13).

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Es lässt sich konstatieren, dass – wie exemplarisch gezeigt – die Begriffe Bil-dung und Erziehung in der Vergangenheit und Gegenwart mit Thüringen und speziell der Universität Jena eng verbunden waren und sind. Dies meint so-wohl theoretische Überlegungen als auch vielfältige praktische Versuche, von denen Lehrkräfte heute noch partizipieren können. Die Konstellation Bildung und Biologie steht hier in einer besonderen Tradition zur Stoy’schen Übungs-schule. Denn das Bienenhaus, das seit 2008 die Arbeitsgruppe Biologiedidaktik beherbergt, ist die größte naturwissenschaftliche Fachdidaktik an der Fried-rich-Schiller-Universität Jena und bildet jährlich über 60 Lehramtsstudentin-nen und -studenten aus. Dabei liegt der Blick neben der didaktisch-methodi-schen Ausbildung auch auf wissenschaftshistorischen Forschungen des Faches Biologie, wodurch sich der Kreis zu Ernst Haeckel und seinem Wirken in Jena schließt.

2. … und Haeckel bildet (sich)Als früher, leidenschaftlicher Parteigänger Darwins trug Haeckel mit rich-tungsweisenden Arbeiten, insbesondere zur Morphologie, Systematik und Ent-wicklungsgeschichte niederer Tiere und populärwissenschaftlichen Schriften entscheidend zur Verbreitung der Darwin’schen Entwicklungsvorstellungen bei (Hoßfeld 2010; Abb. 1). Einen bedeutenden Beitrag zu ihrer Fundierung leistete er mit seiner programmatischen Generellen Morphologie der Organis-men (1866). Es war ebenso ein besonderes Anliegen Haeckels, die Anthropog-enie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen (1874) in die phylogenetischen Überlegungen einzubeziehen und auf der Basis seiner naturwissenschaftlichen Überzeugungen eine monistische Weltanschauung zu entwickeln, die ihn in unzählige öffentliche Auseinandersetzungen verwickelte.

Der streitbare Zoologe errichtete in Jena eine berühmte Schule der evolutio-nären Morphologie und Embryologie, die mehrere Generationen junger Zoo-logen nachhaltig beeinflusste. Zum Beweis dessen, dass die Darwin’sche Lehre auch hinsichtlich der Embryologie nicht nur hypothetischen bzw. spekulativen Charakter hatte, fand die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Phylogene-se und Ontogenese schon früh besondere Beachtung (vgl. Haider 1953; Gould 1977; Olsson und Hoßfeld 2007). Es ist das Verdienst Haeckels, die verglei-chende Anatomie und Entwicklungsgeschichte zu stichhaltigen „Zeugnissen“ für die Richtigkeit der Deszendenztheorie gemacht zu haben. Im dreifachen Parallelismus der phyletischen (paläontologischen), biontischen (individuel-len) und systematischen Entwicklung sah er eine der wichtigsten und merk-würdigsten allgemeinen Erscheinungen der organischen Natur (Haeckel 1866: 371ff.). Die Erklärung dieser „dreifachen genealogischen Parallele“ bezeichnete er als das „Grundgesetz der organischen Entwickelung oder kurz das ‚biogene-tische Grundgesetz‘“ (ebd.; Levit et al. 2015; Hoßfeld et al. 2016: 192). Über das wechselseitige Kausalverhältnis liest man in seinem zweibändigen Hauptwerk

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Generelle Morphologie der Organismen an anderer Stelle: „Die Ontogenesis ist die kurze und schnelle Recapitulation der Phylogenesis, bedingt durch die physiologischen Functionen der Vererbung (Fortpflanzung) und Anpassung (Ernährung). […] Das organische Individuum […] wiederholt während des raschen und kurzen Laufes seiner individuellen Entwickelung die wichtigsten von denjenigen Formveränderungen, welche seine Voreltern während des lang-samen und langen Laufes ihrer paläontologischen Entwickelung nach den Ge-setzen der Vererbung und Anpassung durchlaufen haben“ (Haeckel 1866: 300).

Die umfassendste Anwendung des Biogenetischen Grundgesetzes nahm Hae-ckel dann aber in seiner Gastraea-Theorie vor. Bei der Gastraea handelt es sich um die hypothetische Urform aller vielzelligen Tiere (Metazoa). Sie lasse sich laut Haeckel nicht paläontologisch, sondern nur in der Embryonalentwicklung vieler Tiere, und zwar im Gastrula-Stadium, nachweisen: „Aus dieser Iden-tität der Gastrula bei Repräsentanten der verschiedensten Thierstämme, von den Spongien bis zu den Vertebraten, schliesse ich nach dem biogenetischen Grundgesetze auf eine gemeinsame Descendenz der animalen Phylen von ei-ner einzigen unbekannten Stammform, welche im Wesentlichen der Gastrula gleichgebildet war: Gastraea“ (Haeckel 1872: 467). Haeckel hoffte, mit dieser Theorie den monophyletischen Ursprung aller vielzelligen Tiere nachweisen zu können. Falls die beiden primären Keimblätter tatsächlich bei allen Metazoen homolog sind, wie Haeckel postulierte, dann hätte er den frühesten und wich-tigsten embryologischen Vorgang, die Entstehung der Keimblätter, evolutionis-tisch erklärt (Haeckel 1874, 1875). Mit dem Biogenetischen Grundgesetz schuf Haeckel ein Konstrukt, das noch heute in der wissenschaftlichen Literatur zu

Abbildung 1: Ernst Haeckel in seinem Arbeitszimmer (1914); Bildarchiv Uwe Hoßfeld.

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finden ist (vgl. Gould 1977; Sander 2002, 2004; Olsson und Hoßfeld 2007; Hoß-feld et al. 2011).

3. Heinrich Schmidt errichtet ein DenkmalNeben Arnold Dodel – dem Autor der vorliegenden Abhandlung – war es ins-besondere Haeckels „Eckermann“ Heinrich Schmidt, der in einzelnen seiner Schriften auf den Bezug „Haeckel als Lehrer/Erzieher“ verwies, teilweise fern der damaligen Themen wie Verbot des Biologieunterrichtes in Preußen an hö-heren Schulen (ab 1882), der Konflikt um Hermann Müller in Lippstadt etc. (Hoßfeld 2005). Er soll im Folgenden stellvertretend für die Schüler von Hae-ckel sprechen und gleichzeitig die Wirkung von Haeckel auf seine Schüler skiz-zieren.

Heinrich Schmidt wurde am 15. Dezember 1874 in Heubach (Thüringen) als Sohn eines Glasmachers geboren. Von 1890 bis 1894 besuchte er das Lehrerse-minar in Hildburghausen und wechselte nach einer vorübergehenden Tätig-keit als Volksschullehrer im Jahre 1897 zur wissenschaftlichen Weiterbildung nach Jena. Beeinflusst durch Haeckels Natürliche Schöpfungsgeschichte (1868) suchte er nun in Jena zu diesem Kontakt, gab schließlich seine Oberlehrerstelle (1898/99) bei Wilhelm Rein auf, um ab 1899 Naturwissenschaften zu studieren. Während seines Studiums wurde er durch Haeckel mit Stipendien finanziell un-terstützt, was ihm u. a. Studienaufenthalte an der norwegischen Biologischen Station Bergen (1902) und in Villefranche (1904) ermöglichte. Ab 1900 war Schmidt Haeckels Privatassistent. Da Schmidt das Abitur fehlte, schickte ihn Haeckel 1904 zur akademischen Graduierung zu seinem ehemaligen Schüler Arnold Lang nach Zürich. Hier wurde er noch im selben Jahr mit der Disser-tation Zur Anatomie und Physiologie der Geckopfote zum Dr. phil. promoviert. Zurück in Jena trat Schmidt an verschiedenen Stellen für den haeckelschen Mo-nismus und dessen Entwicklungslehre ein. Im Jahre 1912 wurde er Archivar im „Phyletischen Archiv“, im Jahre 1916 Leiter des Haeckel-Archivs. Als erster Direktor, der Museum und Institut bzw. Archiv zugleich repräsentierte, nahm Heinrich Schmidt 1920 seine Arbeit auf und führte diese Tätigkeit bis zu seinem Tod am 2. Mai 1935 aus (Hoßfeld 2005).

Seit 1899 hatte Schmidt als Schüler, Assistent und Freund unmittelbaren und engen Kontakt zu seinem Lehrer gehabt: „[…] hatte ich das Glück, zwanzig Jahre lang […] mit diesem großen und gütigen Menschen in engster Verbin-dung zu stehen und die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens und Wirkens noch mitzuerleben“ (Schmidt 1926: 5). Nicht nur mit der Herausgabe zahlrei-cher Briefwechsel und anderer Werke aus dem Ernst-Haeckel-Archiv erinner-te Schmidt nach dem Tode Haeckels an dessen Lebensleistungen. Auch durch die Betätigung als dessen Biograph machte er breite Teile der Öffentlichkeit auf dessen Leben und Werk aufmerksam. Die Festschrift im Auftrag des Monisten-bundes, die zu Haeckels achtzigstem Geburtstag herausgegeben wurde, und die

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zwei von Schmidt verfassten Haeckelbiographien zeugen von der großen Be-wunderung und grenzenlosen Verehrung für seinen Lehrer und Förderer, mit dem er über zwei Jahrzehnte eng verbunden war (Schmidt 1914, 1926, 1934).

In die Ära Schmidt fiel auch der 100. Geburtstag Haeckels im Jahre 1934. Er würdigte Haeckel aus diesem Anlass mit der Biographie Denkmal eines großen Lebens (1934). Auf 118 Seiten in 12 Kapiteln, mit teilweise eigenwillig gewählten Kurzüberschriften (Der Enkel, Der Sohn, Der Lehrer, Die Ernte etc.), versuchte Schmidt, „ein Denkmal zu errichten, das, wie ich [Schmidt] hoffe, Wesen, Werk und Wirken Ernst Haeckels erkennen, seine Größe ahnen lässt“ (Schmidt 1934: V). Das Teilkapitel Der Lehrer (S. 53–63) ist dabei für die hier verfolgte Themen-stellung zentral, wobei kaum didaktisch-methodische Erläuterungen aufschei-nen, mehr die Erfahrungen Haeckels als Student und späterer Hochschullehrer im Fokus der Betrachtung stehen und wiedergegeben werden: „Eine gewisse Scheu vor dem öffentlichen Auftreten hat indessen Haeckel nie ganz verloren; auch in seiner akademischen Lehrtätigkeit hatte er sehr oft das bedrückende Gefühl, daß sein Lehrtalent sehr ungenügend sei, und daß er beim besten Wil-len die Studenten nicht befriedigend anleiten könne“ (Schmidt 1934: 54).

Auf den letzten Seiten dieses Kapitels kommen dann einige Schüler von Hae-ckel zu Wort. Wobei Schmidt damit eher eine Art Heldenehrung bezweckt, als eine bildungstheoretische Analyse: „[…] so lernten wir von ihm die wahren Ar-beits- und Forschungsmethoden: er lehrte uns richtig beobachten und urteilen […] konnte er streng genug sein, wenn er Pfuscharbeit entdeckte […] Haeckel spricht fließend […] Er spricht immer frei […] Reichen zur Darlegung kompli-zierter Verhältnisse Worte nicht mehr aus, so werden mit farbigen Kreiden flüch-tige Zeichnungen an der Tafel entworfen […] Es ist geradezu erstaunlich, welche Meisterschaft Haeckel beim Entwerfen seiner Tafelzeichnungen entfaltet […] Ich habe ihn niemals polemisch werden sehen […] Gelegentlich betonte er scharf seinen persönlichen, wissenschaftlichen Standpunkt“ (Schmidt 1934: 58ff.).

Mit Schmidt haben wir eine der zentralen Persönlichkeiten aus dem wis-senschaftspopulären Umfeld Haeckels, die sowohl für die Wissenschafts- und Philosophie- als auch Universitätsgeschichte des ersten Drittels des 20. Jahr-hunderts bedeutsam erscheint. Anhand seines akademischen und publizisti-schen Wirkens lässt sich die Wissenschaftspopularisierung des Darwinismus und des Haeckelianismus zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Epochen (Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus) eindrucksvoll nachzeichnen. Hat-ten zunächst die Archivsicherung und populäre Aufbereitung des Nachlasses von Haeckel im Vordergrund der Schmidt’schen Arbeit gestanden, erregten später auch zunehmend weltanschauliche und politische Fragestellungen sein Interesse. Seine evolutionsbiologischen und monistischen Anschauungen (mo-nistische Ethik) sollten letztlich aber genauso scheitern wie sein Versuch, die Institution (Ernst-Haeckel-Haus) und die Person Haeckels nationalsozialistisch umzugestalten/umzudeuten.

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4. Arnold Dodel: „durch Bildung zur Freiheit“Neben Schmidt hat auch Arnold Dodel für Ernst Haeckel ein bisher wenig be-achtetes literarisches Denkmal gesetzt. Doch wer ist der Autor, der begeistert über Ernst Haeckel als Erzieher schreibt und was motivierte ihn dazu? Deutlich wird, dass, trotz aller Unterschiede in den Biografien, sowohl Dodel als auch Haeckel vehement für die Entwicklungslehre gestritten haben (Haeckel 1863, 1868; Dodel 1908b). Beide leisteten wesentliche Beiträge zur Wissenschaftspo-pularisierung, beeinflussten und polarisierten ihr akademisches Umfeld und haben insbesondere durch die Studentenschaft Zuspruch erfahren (vgl. Beyl 1984; Daum 2002; Reinfried 2008). Dabei agierten sie nicht isoliert, sondern standen in Kontakt zueinander. In der Vorbereitung der Gründung des Monis-tenbundes war Dodel für Haeckel ein „besonders wichtig[er]“ Erstunterzeich-ner (Nöthlich 2009: 278).

Arnold Dodel wurde am 16. Oktober 1843 in der Gemeinde Affeltrangen (Thurgau) in der Schweiz geboren. Bis zu seinem 16. Lebensjahr lebte er in den ärmlichen Verhältnissen einer tiefreligiösen kleinbäuerlichen Familie. Über das bäuerliche Leben und seine Jugendzeit referierte und schrieb er später: „Sech-zehn Jahre stampfte ich auf dem kleinen Bauerngut meiner Eltern herum. Ich kenne die brennende Sonne über dem knisternden Aehrenfeld und brütenden Torftümpel, kenne den harten Winter eurer frosterstarrten Wälder, ich kenne eure Lendenmüdigkeit nach arbeitsschwerem Sommertag, kenne eure Noth, die euch treibt, abgerahmte Milch zu trinken, auf daß aus dem Rahm Butter geschlagen werde um des schnöden Geldes willen für den Schuldenzins! Meine Leibesverwandten waren Kleinbauern; etliche sanken ins besitzlose Proletariat unter, andere halten sich mit blutiger Noth knapp, knapp über Wasser“ (Dodel 1908a: 31).

Seine Schulbildung erlangte Dodel durch den Besuch der Primar- und Se-kundarschule. Er absolvierte anschließend das Lehrerseminar in Kreuzlingen (1860–1863) und nahm nach erfolgreichem Abschluss eine Tätigkeit als Leh-rer in Hauptwil an. Später konstatiert er: „Die Volksschule ist allein von den Naturwissenschaften fast gar nicht beeinflußt worden; sie ist – äußerer Glanz und Flitter abgerechnet – im Kernwesen vom Zeitalter der Naturwissenschaft unberührt geblieben“ (Dodel 1908b: 47). In Konsequenz der festgestellten Mängel im Schulwesen studierte Dodel mit finanzieller Unterstützung seiner Familie und seiner Freunde ab 1865 Naturwissenschaften in Zürich und Mün-chen und „erfüllte damit nicht nur seinen eigenen Wunsch, sondern kam einem Vermächtnis seines früh verstorbenen Vaters nach“ (Lesanovsky 2000: 77). Den einmal eingeschlagenen Weg verfolgte Dodel konsequent. Er lernte während seiner Münchener Studienzeit bei dem Botaniker Carl Wilhelm von Nägeli (1817–1891), wurde im Jahr 1869 an der Universität Freiburg im Breisgau zum Doktor der Philosophie promoviert und erhielt ein Jahr später als Privatdozent die Lehrbefähigung für Botanik an der Universität Zürich. Hier vertrat er die

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durch Nägeli gepflegte mikroskopisch-anatomische Richtung, lehrte „ab 1871 die Evolutionslehre seinen Studierenden“ und vermittelte diese „darüber hin-aus – mit der gleichen kompromisslosen Geisteshaltung wie Haeckel – einem breiteren Publikum“ (Reinfried 2008: 239). Ebenso wie Haeckel traf er dabei auf Ablehnung und Zuspruch. Er selbst berichtete rückblickend: „Damals, als ich anfing, an der hiesigen Hochschule und am Eidgenössischen Polytechnikum zu lehren […] da war es ein kühnes Unterfangen, den Abstammungsgedanken frei und ohne jede vorsichtige Verklausulirung auf den Katheder zu bringen“ (Dodel 1908b: V). Obwohl es ihm gelang, „seine eigene Begeisterung […] auf eine wachsende Zahl von Studierenden zu übertragen“, musste er „bereits im September 1873 […] konstatieren, dass seine tendenziöse Vortragsweise zu ei-ner Spaltung unter seinen Zuhörern in Befürworter und Gegner geführt hatte“ (Reinfried 2008: 243). In dieser Zeit intensiver Auseinandersetzungen inhaltli-cher sowie persönlicher Art zwischen Unterstützern und Gegnern heiratete er im Jahr 1875 Carolina Port. Ende der 1870er Jahre beruhigte sich der akademi-sche Streit und Dodel wurde in Zürich 1880 zum außerordentlichen und 1883 zum ordentlichen Professor für Botanik ernannt. Als Präsident des Deutschen Freidenkerbundes (1899–1901) und Gründungsmitglied des Deutschen Monis-tenbundes agierte er international. Der Scheidung seiner ersten Ehe folgte im Jahr 1891 eine zweite Eheschließung mit Luise Henriette. Bis zu seiner Emeri-tierung im Jahr 1903 arbeitete Dodel in Zürich, wo er am 11. April 1908 verstarb (vgl. Anonymus 1908).

Im Lexikon der Geschichte der Naturwissenschaften heißt es zu Dodels Lebens-werk: „Die von ihm gemeinsam mit Carolina Dodel-Port herausgegebenen ge-druckten Wandtafeln zählen zu den ersten ihrer Art auf botanischem Gebiet. Mehr als durch seine botanischen Arbeiten, von denen noch seine Monogra-phie von Ulothrix zu nennen ist, wurde D. durch polemische Schriften bekannt, in denen er sich für die Ideen Ch. Darwins und dessen Vorkämpfer E. Haeckel einsetzte. Ebenso energisch trat er für die monistische Weltanschauung ein. Da-neben widmete er sich auch sozialpolitischen Fragen wie zum Beispiel der Stel-lung der Frau im gesellschaftlichen Leben“ (Mayerhöfer 1970: 847). Die Hin-weise zu seinen polemischen Schriften sind dabei von besonderem Interesse, da sie zum Teil aus den Erfahrungen seiner Biografie resultierten. So kritisierte er die ungleiche Behandlung zwischen Mann und Frau, begrüßte die Zulassungen von Frauen an Hochschulen und konstatierte, dass es „keine körperliche Be-rufstätigkeit gibt, die nicht vom Weibe wie vom Manne betrieben worden wäre“ (Dodel 1908c: 210). Ferner „bemühte er sich um die Verbesserung des Volks-schulwesens und der Volksschullehrerausbildung und blieb im Pestalozzischen Ethos stets der Volkserziehung verbunden“ (Lesanovsky 2000: 79). Er forderte in seiner Schrift Moses oder Darwin? Eine Schulfrage: „1. Aller konfessionelle Religions-Unterricht hat um des religiösen Friedens willen aus der staatlichen Volksschule wegzubleiben. […] 2. Alle Volksschullehrer sollen eine gründliche

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naturwissenschaftliche Bildung erhalten, welche sie befähigt, in der Schule ei-nen tüchtigen, auf Anschauung und Experimenten, d. h. auf Erfahrung (nicht bloß auf Theorie) begründeten Unterricht in der Naturlehre zu erteilen. […]3. An Stelle des staatlichen konfessionellen Religionsunterrichts hat ein auf natur-wissenschaftlicher Basis fußender Unterricht in Ethik und Moral zu treten. […]4. Aller Unterricht in der staatlichen Volksschule soll im Einklang stehen mit den tatsächlich erforschten Gesetzen der Natur“ (Dodel 1908b: 62-65, Abbildung 2).Dodel, der mit seinen Schriften die moderne Evolutionslehre zu popularisieren suchte, korrespondierte u.  a. mit Darwin und Haeckel. Er verstand Darwins Leistung als „Entmystifizierung der Abstammung“ und plädierte ebenso wie Haeckel für die Aufnahme in den Unterricht (Lesanovsky 2003: 38). An seiner Streitschrift Moses oder Darwin? Eine Schulfrage wird deutlich, „welche weltan-schaulich-moralische und bildungspolitische Bedeutung diese Problematik […] im Kaiserreich hatte“ (ebd.). Dabei spielte diese Schrift im Säkularisierungs-prozess und „in der weltanschaulichen Profilierung der Sozialdemokratie […] eine herausragende Rolle“ (Lesanovsky 2000: 70). Als Sozialist und Freidenker unterstützte er „die Propagierung eines naturwissenschaftlich-materialistischen Weltbildes und […] die Entwicklung der Arbeiterbewegung, hatte gute Kon-takte zur Sozialdemokratie […] und vertrat teilweise marxistische Positionen“ (ebd.: 78f.).

5. Das Wahre, Gute und Schöne – Ernst Haeckel als ErzieherDie nachfolgende Schrift enthält – dem Thema entsprechend – häufig die Be-griffe Erzieher, Erziehung, erzieherisch, Pädagoge etc. Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Zitate, thematisch gegliedert, vorgestellt, die Haeckel – aus der Sicht Dodels – als Erzieher kennzeichnen. Diese Vorgehensweise verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll es selektives Lesen entscheidender Textstellen er-möglichen – die jeweilige Seitenzahl zur Originalpublikation steht in eckigen Klammern (vgl. Dodel 1906). Zum anderen will es aber auch anregen, den historischen Text in seiner Gesamtheit im Selbststudium zu erschließen. Da-durch bietet sich ein Blick auf das Rollenbild und Selbstverständnis zu Erzie-hungsfragen, zentrale Eigenschaften als Pädagoge, die Wirkung auf die Jugend, bestehende Kontakte zu Zeitgenossen (bspw. den Bauernphilosophen Konrad Deubler) sowie die Bedeutung der monistischen Weltanschauung in seiner Ganzheit und historischen Lesart. Der dabei von Dodel skizzierte pädagogische Charakter Haeckels – liebenswert und menschlich, wahr und treu und dankbar, humorvoll, mutig, fachlich kompetent und innovativ mit Begeisterung für das Fach und einer ausgeprägten Fehlerkultur – kann für die eigene pädagogische Arbeit vergleichend herangezogen, aber wahlweise auch als Vorbild verstanden werden. Zumal er auf Eigenschaften hinweist, die heute als Kernelemente päda-gogischer Arbeit gelten und jüngst mit Blick auf Hattie als guter Erziehungsstil anerkannt sind.

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Auf den ersten Seiten skizziert Arnold Dodel zunächst seine Motivation für dieses Buch. Im Versuch einer Charakterisierung Haeckels fragt er, welche Ei-genschaften ihn als Erzieher auszeichnen. Dabei zieht er zu Beginn eine klare Trennlinie zwischen der Menschheits-Erziehung und der Kinder-Erziehung. Haeckel selbst spiegelt das zeittypische Rollenbild und bringt es formelhaft zum Ausdruck: „♀ > ♂“, d. h. die Frau ist bei der Erziehung der Kinder „grösser als der Mann“ [S. 5]. Anders soll es sich, so argumentiert Dodel, bei den Fragen der Menschheits-Erziehung, „beim Schaffen ins Weite, ins Ganze des Menschen-geschlechtes“ verhalten, denn da „müsste jene Formel doch wohl umgekehrt werden“ [ebd.]. Doch Haeckel selbst reflektiert sich nicht nur als erziehender Vater, sondern auch als Pädagoge sehr kritisch. In der Korrespondenz mit Do-del sieht er sein Lehrtalent als „sehr ungenügend“ an und bittet ihn, von dieser Schrift – „aus Mangel an Material“ – abzusehen [S. 6]. Dodel aber interpretiert diese Äußerungen als Zurückhaltung und sieht in Haeckel eher einen schüch-ternen Charakter. Ein Grund mehr für ihn, der Frage nach den pädagogischen Eigenschaften Haeckels nachzugehen.

Auf Haeckels Biographie und seine wissenschaftlichen Leistungen blickend, kommt er im weiteren Verlauf der Abhandlung zu dem Schluss: „Wer solchen Fleiss bei der Arbeit seines Lebens praktiziert, der wird schon als Vorbild erzie-herisch wirken auf Alle, die seinen Namen nennen hören“ [S. 7]. Diese Vorbild-wirkung, die er Haeckel zuschreibt, betont Dodel mehrfach. So heißt es bspw. an anderer Stelle: „Mehr noch als durch Wort und Lehre wirkt der Erzieher als vorbildliches Exempel“ [S. 12f.]. Auch kennzeichnet er Haeckel als Mensch und Wissenschaftler mit den Eigenschaften Gewissenhaftigkeit, Treue und Dankbarkeit, die ihn zum Vorbild machen: „Niemals hat er sich die Verdienste Anderer angeeignet oder diese Verdienste Anderer mit Wissen verschwiegen, um sich selbst dadurch in hellerem Lichte leuchten zu lassen […]! Er bleibt allzeit wahr und treu und dankbar seinem unsterblichen Meister Darwin und allen verdienten Vorläufern Darwins […] treu und wahr und dankbar auch dem Gegner gegenüber, wie der Fall Haeckel-Virchow zeigt“ [S. 20].

Ferner betont Dodel Haeckels Einstellung, wissenschaftliche Erkenntnisse den Studenten zugänglich zu machen. Im Speziellen hebt er seinen Mut als „eine der hervorragendsten Eigenschaften“ [S. 18] hervor, neben der Darwin’schen Entwicklungslehre, die Gastraea-Theorie und das Biogenetische Grundgesetz zu lehren: „Der ist wohl ein akademischer Erzieher ‚von Gottes Gnaden‘, der solches wagt und keck und tapfer durchführt, wenn er seiner Sache sicher ist“ [S. 34]. Für Dodel ist Haeckel daher eine „Kampfnatur ersten Ranges“ [S. 18] bzw. der „blauäugige Kämpfer von Jena“ [S. 24], der im Gegensatz zu den meis-ten seiner Zeitgenossen für die Verbreitung der Wahrheit, d. h. der Entwick-lungslehre, einsteht. Letztlich ist es genau jener Mut, den Dodel für pädagogisch hält: „Ein Mann, ein vorbildlicher Lehrer und Erzieher ist doch immer nur der, welcher den Mut hat, offen zu seiner innersten Überzeugung zu stehen“ [S. 63].

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Ferner betont er, dass es Haeckel gelingt, andere zu befähigen, sich ein eigenes Bild von der Welt zu machen: „Zu beobachten und selbst zu denken, das lehrt der rechte Erzieher auf dem Lehrstuhl seine Schüler!“ [S. 34].

Die Ursache für Haeckels pädagogischen Erfolg sieht Dodel in einem Men-schenbild, das annähernd ein humanistisches ist. Er schreibt dazu treffend: „Der gute Erzieher ist vor allem ein guter Mensch“ [S. 12f.]. An anderer Stelle betont er: „Haeckel blieb immer Mensch, blieb immer dankbar und liebenswür-dig!“ [S. 22]. Dabei ist diese humane Art für ihn zentral, wenn es um die Au-ßenwirkung auf seine Mitmenschen geht: „Ein wahrhaft guter Erzieher ist auch liebenswürdig – liebenswert im wörtlichsten Sinne, weil das Rein-Menschliche der stärkste Faktor ist, der von einem Menschen auf alle Andern einwirkt und mit unwiderstehlicher Macht bei der Mehrzahl der Andern adaequate Reflexe auslöst“ [S. 24]. Dass Haeckel auch Humor hat – eine weitere zutiefst mensch-liche Eigenschaft –, erzählt Dodel beispielhaft und narrativ. Er sieht einen la-chenden Haeckel und betont: „Wer hellauf lacht zur rechten Zeit, der ist wie die Morgensonne, die der Stunde ihres Aufgehens nicht vergessen hat. So sei der Erzieher nicht minder denn das lachende Kind“ [S. 29].

Auch im Befolgen des „Grundsatzes, dass all unser Wissen nur Stückwerk und daher stetsfort verbesserungs- und vermehrungsfähig ist“ [S. 45], zeichnet sich Haeckel als Erzieher aus. Im Umgang mit Fehlern, in seiner Fehlerkultur, so schreibt Do-del, ist Haeckel Vorbild, ist „Muster seinen Schülern und seinen Kolle-gen“ [ebd.]. Als Beleg für Haeckels Fehlerkultur führt Dodel die vie-len Auflagen der Werke Natürliche Schöpfungsgeschichte, Anthropogenie und Welträthsel sowie die Verteidi-gung der Entwicklungslehre, die mit Dogmen bricht, an: „Haeckel ist also keineswegs Dogmatiker, sondern der Reformator aller Reformatoren: er verlangt das Recht der Korrektur ohne Einschränkung. […] So spricht kein petrifizierender Dogmatiker, sondern so spricht und lehrt der entwicklungsfähige Verkündiger und Verfechter der Wissenschaft aller Wissenschaften, nämlich der Entwicklungslehre! Hier bei diesem

Abbildung 2: Arnold Dodel; Aus Leben und Wissenschaft (1908).

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Reformator ist die Lehre selbst zum praktischen Leben geworden. Besser, als in dieser Art kann kein Erzieher wirken!“ [ebd.].

Ferner erkennt Dodel in dem künstlerischen Schaffen Haeckels pädagogisches Wirken. Zum einen wird die Auseinandersetzung mit der Umwelt durch Aqua-rellmalerei für den Künstler selbst „zu einem höheren Bildungsmittel“ [S. 55]. Zum anderen sieht er in den entstanden Bildern, die in den Werken Kunstfor-men der Natur und Wanderbilder: Die Naturwunder der Tropenwelt vorliegen, Lehrmittel für den Unterricht: „Diese beiden Publikationen werden in den Lehrmittelbestand der guten Schulen aller Kulturnationen eindringen und sie werden ein Segen und ein Ansporn zu neuem Schaffen sein für ungezählte Tau-sende unserer Kinder und Enkel“ [S. 57].

In all diesem Schaffen und in seiner Lehrtätigkeit in über 90 Semestern sieht Dodel eine erstaunliche Wirkung auf die Jugend: „Bald war Haeckel Kraft sei-nes eminenten Wissens und all seiner Talente und Charakter-Eigenschaften der Liebling der akademischen Jugend naturwissenschaftlicher und philosophi-scher Richtung“ [S. 33]. Dodel argumentiert, dass Haeckel zugleich Analytiker und Synthetiker ist, was „jeder akademische Lehrer, ja, selbst jeder Lehrer auch des jüngsten lernenden Schulvolkes sein“ sollte, und dadurch zu Einsichten kommt (Gastraea-Theorie, Biogenetisches Grundgesetz), die seine Studenten begeistern [S. 34]. Dodel versucht sich auch in einer Charakterisierung seiner Zeit. Er betont, dass „in der Geschichte der Wissenschaft vom Lebendigen die fünf, sechs letztverflossenen Jahrzehnte die fröhlichste und gedeihlichste Peri-ode darstellen“ [S. 37] und insbesondere die Jugend nach neuen Idealen strebt: „Man muss das selbst miterlebt haben in jener Zeit, da die Lehre von der Ab-stammung […] zum ersten Male […] vor akademischem Jungvolk vorgetragen wurde, um zu verstehen, welche Bewegung und welche Erregung damals ent-stand. Es handelte sich dabei ja im Grunde auch um eine Frage höchster Bedeu-tung […] für die Erziehungslehre schlechtweg. Es handelte sich um Ideale […] alter Erziehungsweisheiten aus fast zweitausendjähriger Menschheitsgeschich-te, alter Welt- und Lebensanschauungen, deren Richtigkeit jetzt nicht nur in Zweifel gezogen, sondern direkt, […] verneint und […] bekämpft werden muss-ten“ [S. 38f.]. Gleichzeitig hebt er aber auch kritisch und bedauernd hervor, dass sich viele Wissenschaftler meist noch mit ihren bahnbrechenden Erkenntnissen zurückhalten. Dass dies bei Haeckel nicht so ist, bewundert Dodel und resü-miert, dass in der Ideenwelt mit der Entwicklungslehre und durch den Einsatz Haeckels „eine Basis für eine neue Ethik“ gelegt wird [S. 40].

Als Fazit formuliert Dodel, dass Haeckel als Erzieher das Wahre, das Gute und das Schöne verkörpert. Diese Dreieinigkeit vertrat Haeckel selbst auch im letz-ten Satz des Nachwortes der Welträthsel: „In diesem Sinne mag auch diese neue Ausgabe der Welträthsel – als ein ehrliches und offenes ‚Glaubensbekenntniß

der reinen Vernunft‘ – dazu dienen, in weiten Kreisen die veredelnde Bildung des Volkes zu heben und den Kultus unserer idealen Gottheit zu fördern, der

Abbildung 2: Arnold Dodel; Aus Leben und Wissenschaft (1908).

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Dreieinigkeit des Wahren, Guten und Schönen!“ (Haeckel 1903: 168, Hervorhe-bungen im Orig.). In einer ähnlichen Tonation ist auch die parallel erschienene Schrift Der Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft. Glaubensbe-kenntniss eines Naturforschers verfasst. Mit dem Abdruck dieses Vortrages, ge-halten am 9. Oktober 1892 in Altenburg vor der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes, wollte Haeckel in zwei Richtungen zielen: a) derjenigen Wel-tanschauung Ausdruck verleihen, „welche uns durch die neueren Fortschritte der einheitlichen Naturerkenntnis mit logischer Notwendigkeit aufgedrungen wird“; diese ist zudem im Innersten eines jeden unbefangenen Naturforschers beheimatet und b) dadurch ein Band zwischen Religion und Wissenschaft knüpfen und damit zur Ausgleichung des Gegensatzes beitragen (Haeckel 1892: 8). Neben einer umfassenden Darstellung des Verhältnisses von Psychologie und Monismus kommt Haeckel am Ende seines Vortrages wiederum auf das Gebiet der Religion und „des damit verknüpften ‘Glaubens an Gott’“ zu spre-chen (ebd.: 27). Er bat die Festversammlung ferner darum, ein Glaubensbe-kenntnis (monistische Confession) ablegen zu dürfen: „Unsere ‘monistische Gottesidee’, welche allein mit der geläuterten Naturerkenntnis der Gegenwart sich verträgt, erkennt ‘Gottes Geist in allen Dingen’. Sie kann nimmermehr in Gott ein ‘persönliches Wesen’ sehen, d. h. mit anderen Worten, ein Individuum von beschränkter räumlicher Ausdehnung oder gar von menschlicher Gestalt“ (ebd.: 33). Mit dem Homotheismus sprechend, d. h. Gott werden menschliche Eigenschaften zugeschrieben, könne man auch eine Vorstellung von Gott als „gasförmigen Wirbelthier“ entwickeln (ebd.). In diesem Sinne gab Haeckel auch für das nahende 20. Jahrhundert als Botschaft den Zuhörern mit auf den Weg: „Das Wahre, das Gute und das Schöne, das sind die drei hehren Gotthei-ten, vor denen wir anbetend unser Knie beugen […] Diesem ‘dreieinigen Got-tes-Ideale’, dieser naturwahren Trinität des Monismus wird das herannahende zwanzigste Jahrhundert seine Altäre bauen!“ (ebd.: 35–36, Hervorhebungen im Orig.). Er schließt sein Glaubensbekenntnis mit den Worten: „Das walte Gott, der Geist des Guten, des Schönen und der Wahrheit!“ (ebd.). Daneben steht sein „Impavidi progrediamur“ (Lasst uns gemeinsam vorwärtsschreiten) als weiteres zentrales Lebensmotiv.

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