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Weihnachten ist — natürlich — das Fest der Liebe! Aberwenn es um unsere Verwandtschaft und deren termin-gerechte Versorgung mit Weihnachtsseligkeit geht,kommt es doch sehr darauf an, wie da geliebt wird.Baum oder kein Baum? heißt die Frage zum Beispiel.Oder: Was schenken wir Tante? Was macht man(n)mit seiner Geliebten? Und wer nimmt überhauptOma? Am Schluß kommt sogar der Weihnachtsmannselbst noch in Nöte, weil die Himmlische Kommis-sion ihn beschuldigt, den Konsumterror auf unver-antwortliche Weise gesteigert zu haben ...

Hans Scheibner wurde am 27. August 1936 in Ham-burg geboren, ist gelernter Verlagskaufmann, Jour-nalist, Texter und Liedermacher. Er lebt in Hamburg.Bekannt wurde er u. a. durch seine satirische Fern-sehsendung >Scheibnerweise<.

Hans Scheibner

Der Weihnachtsmann in Nöten

Satiren

Deutscher Taschenbuch Verlag

Von Hans Scheibnersind im Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen:

Wer zuletzt lacht, macht das Licht aus ( 2047 8 )Ich werde nie erwachsen, nie! ( 208 34)

OriginalausgabeOktober 1986

1 S., erweiterte Auflage Oktober z000

21. Auflage November aoo6Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,

Münchenwww.dtv.de

O 1986 Hans ScheibnerUmschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagbild: Walter WachsmuthGesamtherstellung: Druckerei C. H. Beck, NördlingenGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in GermanyISBN -13: 978-3-423-25036-8

ISBN-i0: 3-423-25036-4

Inhalt

Schlicht und einfach ................... 7

Grünkoli l ........................... i oEigentlich ........................... 13

Überall Stiefel ........................ 1 S

...

....................Heldenhaft gesund 18

Friedenslieberiedensliebe ......................... 22

Erfindungen scheibnerweise ............. 23St. Nikolaus' Ansprache an die Kinder ...... 28

...

... aber nicht mehr vor dem Fest .......... 31

erbeslalom .........................Werbeslalom 33Raumschiff Erde ...................... 38Karl-Heinz T. und die singende Säge ....... 41Freue dich! .......................... 44Mathematik der Feindschaft ............. 47Idealer Wuchs ......4949Vom bösen Treiben des Kaninchens

Archimedes ........................ 52

Was kommt dann? ..................... 53Onkel Jo ............................ S 6Der Kompromiß ...................... S 8Was schenkt man Oma Reimer zu

Weihnachten ? ...................... 61

Oma Reimer kauft einen Weihnachtsbaum ... 64

.

Oma Reimer unterm Weihnachtsbaum ...... 66Wer nimmt Oma ..................... 68

Ein ganz gewöhnlicher Abend............ 71

Der Weihnachtsmann i n Nöten ........... 74Zug der Tiere ......................... 103Omas Überraschung ................... io6

Der »Weihnachtsbaum« ................. logDer Weihnachtsmann auf der Reeperbahn .. . 1 12

......iHeiligabend zur »Windigen Ecke« . 1 1 SUnd ich habe heute ein Bäumchen gepflanzt .. 13 5

Das Spielzeug ........................ 1 37Weihnachtsgrüße ...................... 1 43

....Familienglück...............

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.....................Es geht unaufhaltsam voran 1 49

olfgang ..................Silvester bei Wolfgang 152

Neujahrsbedenken .................... I S S

Schlicht und einfach

Haben Sie auch dieses völlig neue Weihnachtsge-fühl? Ich meine: diese Vernunft, die überall durch-kommt. Daß die Leute diesen sinnlosen Weih-nachtsrummel nicht mehr mitmachen. Schämensich für den ganzen Luxus und die vielen Geschen-ke und besinnen sich wieder auf das Schlichte, Ein-fache.

Ging ja schon los bei der Weihnachtsbeleuch-tung. In früheren Jahren dieser teure Lichterglanz:Tausende von Glühbirnen versprühten ihre Ener-gie völlig unsinnig in die Gegend. Aber diesmal:ganz sparsame Beleuchtung, ganz schlicht und ein-fach. Und siehe da, der Einzelhandel meldet: Um-satzmäßig alles okay. Hat sich also diese fehlendeFestbeleuchtung kein Stück geschäftsschädigendausgewirkt. Im Gegenteil, haben ja die Geschäfteauch noch die Stromkosten gespart.

Und überhaupt, die dingsda, die Motivation istdieses Jahr — also irgendwie gesünder. Früher hatz. B. unser entfernter Cousin, Speditions-Unterneh-mer Manfred Baumann, immer gesagt: »Erika kriegt'n Tigerpelz, weil in unseren Kreisen, da kannst duecht nicht mehr in Kamelhaar rumlaufen.« — Aberdiesmal zu Weihnachten denkt er plötzlich auchganz schlicht und einfach: »Ich schenk' Erika

den Brillant-Anhänger, aus Vernunftsgründen.Weil — man muß sein Geld schließlich in Wertge-genständen anlegen. Du weißt ja gar nicht, wasmorgen kommt. Und auch in puncto Kleidung,hab ich gesagt, wird jetzt praktisch geschenkt. Siekriegt nicht mehr irgend so'n teuren Modefummel,den sie nach sechs Wochen schon an die Alsterdor-fer Anstalten gibt, sondern ein gutes, vernünftigesLederkostüm — Antilope — wo sie was von hat!Was auf Dauer gedacht ist! Kostet zwar dreitau-send Mark, aber die sind nicht weg. Wir machendieses sinnlose Geldausgeben nicht mehr mit!«

Ja, überall diese Vernunft und einfache Schlicht-heit. Annelie und Holger, meine alternativenFreunde, schenken sich überhaupt nichts. Holgersagt: »Dieser materialistische Austausch von Indu-strieprodukten tötet nur das natürliche Gefühl fürhumane Kommunikation!« Er und Annelie sitzenHeiligabend bei einem Glas Tee unterm Stroh-stern — selbstgeflochten — und lesen. Er wird ihrdieses ungeheuer angesagte Öko-Werk >Der andereWeg ...< (39,80, broschiert) übergeben — also nichtschenken. Denn das Buch ist für sie mehr so 'neArt Fachliteratur, die sie einfach lesen muß. Unddazu hören sie wahrscheinlich die Lieder von diesem ungeheuer schlichten Liedermacher mit die-

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sem einfachen Sound und dem sensiblen Gewissen.Annelie Übergibt die LP Holger — auch mehr alsgeistiges Rüstzeug, nicht als Geschenk.

Vernunft also an der ganzen Weihnachtsfront,besonders zu merken an den Weihnachts-Glück-wunschkarten. Die Heizkörper-Firma Broder-mann & Co. hat dieses Jahr an alle ihre Kundeneinen schlichten, einfach bedruckten Büttenkartongeschickt, wo vorne nur ein grüner Stern drauf istund drinnen in schlichten, grauen Lettern derText: »Liebe Kunden, wir halten nichts von derunpersönlichen Glückwunschkarten-Flut mit demstereotypen >Fröhliche Weihnachten<. Darummöchten wir Ihnen ganz persönlich und mensch-lich ein frohes Fest wünschen und ein erfolgreichesJahr 1987«. — Und diese schlichte Karte hat sie anzweitausend Kunden geschickt.

Das Einfache, das Echte hat diesmal die Ober-hand, die Vernunft, das Persönliche.

Und damit, liebe Leser: Fröhliche Weih...Nein, so nicht. Ich möchte Ihnen vielmehr diesmalso richtig von Herzen, und nicht etwa allen Lesernzusammen, sondern jedem einzelnen ganz einzeln— ich will sagen: nur Ihnen, die Sie diese Zeilenjetzt lesen, ja, Sie sind gemeint, möchte ich äh —wie bitte? — ja richtig ein frohes Fest wünschen.Ganz schlicht. Und einfach.

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Grünkohl

Shakespeare hat ja einen Haufen Dramen geschrie-ben. Dann ist er gestorben. Aber die Welt hat seineDramen. So ähnlich ist es mit Schiller. Rembrandthat ein paar ganz hübsche Bilder gemalt. Nun ist erschon länger tot. Aber das ist eigentlich gar nichtschlimm: Die Welt hat ja seine Bilder. Meine Mut-ter dagegen — die hat in dieser Welt eine großeLücke hinterlassen; denn seit sie nicht mehr lebt,kann kein Mensch auf der Welt mehr richtig Grün-kohl kochen.

Ja, ich weiß, verehrte Leserin, verehrter Leser —Sie meinen, Sie könnten auch Grünkohl kochen.Aber bedenken Sie: Ich kann auch Bilder malen.Nur — mit Rembrandt ist das kein Vergleich .. .

Der Grünkohl meiner Mutter ... Ich möchtedas mal so ausdrücken: Als ich damals vor derFrage stand, vier Jahre nach Amerika zu gehen, hatmeine Mutter alles mögliche versucht, mir das aus-zureden. Das bestärkte mich nur immer noch mehrin meiner Absicht. Dann hat sie gefragt: »Und werkocht dir zu Weihnachten den Grünkohl?« Da binich hiergeblieben.

Dabei war meine Mutter gern bereit, jedem, deres wünschte, das Rezept zu überlassen. Es liegtnicht am Rezept! Es muß irgendwas anderes sein.

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Meine Frau und ich versuchen seit zehn Jahren,den Grünkohl nach dem Rezept meiner Mutter zukochen. Und jedesmal behauptet meine Frau: Jetztschmeckt er genauso wie bei dir zu Hause. Aber —ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen: Kopie bleibtKopie!

Es gab in unserer Familie oft gewisse Differen-zen. Weltanschaulicher Art und so. Zwischen Va-ter und Sohn fanden richtige Glaubenskriege statt,wo die Bücher durch die Gegend flogen. MeineSchwester sorgte für Liebestragödien griechischenAusmaßes. Manche Familienangelegenheiten ko-steten ganze Eimer voll Geschirr. Aber wenn esdann soweit war, daß der erste Frost den Grün-kohl ereilt hatte (Frost muß er gehabt haben, undzwar im Beet, nicht im Kühlschrank, pfui Teufel!),wenn meine Mutter die Parole ausgab: Sonnabendgibt's Grünkohl — dann waren Politik und LiebeNebensache. Eine heilige Handlung kann mandoch nicht mit solchen lächerlichen Problemenentweihen.

Nun werden Sie fragen: Wie schmeckte er denn,dieser sagenhafte Grünkohl? Darauf kann ich Ih-nen nur antworten: Es ist sinnlos, das zu beschrei-ben. Der Grünkohl meiner Mutter ... ach, ich zit-

tere vor Erregung, wenn ich daran denke, wie esimmer war, wenn sie sagte: »Sobald der erste Frostda war, mach' ich auch dieses Jahr wieder Grün-kohl !«

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Und dann werde ich traurig. Ach niemand, nie-mand auf dieser Welt kann heutzutage noch Grün-kohl kochen.

Übrigens — so was Lächerliches: Da hat mirdoch tatsächlich neulich dieser Herr Mühlmann,unser Nachbar — sonst eigentlich ein netterMensch —, hat mir dieser Herr Mühlmann docheinreden wollen, es gäbe keine Frau auf der Welt,die den Grünkohl so kocht wie seine Mutter. Wasmanche Leute sich so einbilden!

Eigentlich

Eigentlich — sprach der Ehemann —weiß ich, daß ich michnicht in jedes Bett mehr legen kann.(Eigentlich)

Eigentlich — sprach der General —hasse ich den Krieg.Blut ist schlecht ersetzbares Material.(Eigentlich)

Eigentlich — sprach der Kommunist —da befürchte ich,daß der Mensch so ideal nicht ist.(Eigentlich)

Eigentlich — sprach der Aktionär —gut verstehe ichauch die Hafenarbeiter.(Eigentlich)

Eigentlich — spricht selbst der Despot —Macht macht unglücklich.Nirgends ist man mächtig vor dem Tod.(Eigentlich)

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Eigentlich sind wir alle nurgut und großmütig.Und vor allem sind wir von Natur:

Eigentlich .. .

Überall Stiefel

Komm ich doch heut morgen durch den Stadtpark— und denke: nanu? Da sitzt auf einer Bank imMorgengrauen ein alter Mann und hat so 'nen ver-blichenen roten Mantel an. Ein langer weißer Bartwallt ihm darüber — und neben ihm, halb im Ge-büsch, steht ein Pferd. Vorsichtig schleich ich michvon hinten ran und höre, wie der Alte vor sichhinbrummt:

»Stiefel. Nix wie Stiefel. Große, kleine, ausge-latschte, kaputte, ungeputzte, geputzte — ich seh'überall nur Stiefel! Und diese Gerüche. Was fürGurken die mir zum Teil vor die Tür gestellt ha-ben. Das ganze Jahr tragen sie keine Langschäfter.Aber wenn ich komme, dann holen sie die ältestenTreter vom Boden.«

Das Pferd — ein Schimmel — schnaubte verächt-lich und kaute auf einem Zweig. Der Alte nahmeinen Schluck aus der Taschenflasche. Dannbrummte er wieder:

»Möchte überhaupt mal wissen: was soll dieseSitte? Mit den Stiefeln vor der Tür! Wenn man dieHerren von der himmlischen Geschäftsführungdarüber befragt, kriegt man bloß zur Antwort:Tradition! Hat mir doch neulich dieser Sankt Mi-chael weismachen wollen: >Der Stiefel vor der Tür,

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Nikolaus, ist eine Art Friedenssymbol. Eine Gestedes Vertrauens. Der Mensch ist mit nur einem Stie-fel sozusagen hilflos. Er kann vor seinen Feindennicht mehr fliehen. Indem er den Stiefel vor dieTür stellt, bringt er zum Ausdruck: Ich gebe meinMißtrauen auf, ich vertraue auf die Liebe.<«

Der Schimmel hob den Kopf und wieherte belu-stigt.

»Ja, da mußt du wiehern, was?« lachte der Alte.»Dabei hat das einen ganz einfachen Grund. Siestellen nur einen Stiefel vor die Tür, weil mit einemStiefel allein keiner was anfangen kann. Ein kom-plettes Paar könnte ja geklaut werden. So sieht esaus — und überhaupt ...«

Er nahm wieder einen Schluck aus der Flasche.Es war Rum drin. »... der Stiefel ist doch keinSymbol des Friedens. Was machen die Menschenmit ihren Stiefeln? Sie treten! Und das nicht nurzur Weihnachtszeit! Guck dir doch die Welt malan! Im Stechschritt marsch! Und links, zwei,drei ... ! Das fällt mir ein, wenn ich Stiefel sehe! —Hast du gesehen —« (er sprach zu seinem Pferd) —»der alte Grätzig, der pensionierte Feldwebel, hatdoch tatsächlich wieder seine Kommiß-Stiefel vordie Tür gestellt. Na, dem hab ich's gezeigt. Heft-zwecken hab ich ihm reingetan ...«

Das Pferd scharrte mit den Hufen und schütteltesich, so daß die kleinen Glöckchen an seinemZaumzeug läuteten.

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»Das dürfen die im Himmel natürlich nicht wis-sen, daß ich hier unten jedesmal die Wut kriege amNikolaustag. Früher, da hatte ich nur Apfel, Nüsseund Mandelkern im Sack. Die konnte man bequemin jedem Schuh unterbringen. Vielleicht noch ei-nen Tannenzapfen dazu und fertig. Aber heute?Mit Kassettenrekordern schicken sie mich los, mitWaschmaschinen und Fahrrädern, sogar mit Ra-senmähern. Nun versuch du mal, so was in einenStiefel reinzukriegen!

Ein Kreuz ist das. Und darum sag ich: Man soll-te die Sitte ändern. Wenn schon symbolisch — dannsollen die Leute in Zukunft lieber ihren Hut vordie Tür legen: als Symbol für Bettelei und Habgier.Oder noch besser gleich einen mittelgroßen Con-tainer!«

Es war nur noch ein Schluck in seiner Flasche.Als er den getrunken hatte, mußte er plötzlich lä-cheln und murmelte:

»Wenn meine Else vom Fischmarkt nicht wäre,würde ich ja an der Menschheit verzweifeln. Aberdie vergißt mich nie. Jedes Jahr ist in ihrem Stiefelschon was drin, wenn ich hinkomm' : mein Rum!So was kriegt man ja nicht bei uns da oben! Ichglaub', das ist der einzige Grund, warum ich über-haupt noch jedes Jahr wiederkomm'.«

Er schwankte etwas, als er seinen Schimmel amZügel faßte und sich langsam in Richtung City ent-fernte .. .

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Heldenhaft gesund

Wenn Gerd in diesen feuchten Herbsttagen wiederleichte Schmerzen im Hals spürt und so ein Krib-beln in allen Gelenken, gibt es für ihn zwei Mög-lichkeiten.

Entweder er sagt zu Inge: »Inge, ich werdekrank, ich krieg' meine Grippe.«

Dann muß er natürlich alle weiteren Konsequen-zen in Kauf nehmen: Inge bedauert ihn. Das istschön. Das mag er. Aber dann muß er gurgeln,inhalieren, im Haus bleiben, zum Arzt gehen, sichkrank schreiben lassen.

Also gibt es noch das Oder.Gerd beherrscht sich. Sagt nicht, daß er Hals-

schmerzen hat, ignoriert das Kribbeln in allen Glie-dern, hustet nicht mehr als unbedingt nötig. Undwenn Inge ihn fragend ansieht, sagt er leichtsinnig:

»So'n kleiner Schnupfen, weißt du, nicht der Re-de wert. «

Dann muß er natürlich ebenfalls alle Konsequen-zen in Kauf nehmen: Inge bedauert ihn nicht. Gerdmuß den Mülleimer runterbringen wie immer. Viel-leicht sogar noch das Laub im Garten zusammen-harken. Er muß zur Arbeit gehen. Er darf nichtstöhnen.

Zum Arzt gehen — nee. Das haßt Gerd wie die

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Pest. Aber kein bißchen bedauert werden. Das istauch nicht das Wahre.

Doch wie erregt man das Mitleid seiner Frau,ohne daß man gleich zum Arzt gehen muß?

Antwort: Man verleugnet die Krankheit. Aberso, daß die Frau den heldenhaften Kampf be-merkt.

Beim Frühstück faßt sich Gerd kurz an den Halsund schluckt zweimal mit schmerzverzerrter Mie-ne.

»Ist was, Liebling?« fragt Inge. »Hast du Hals-schmerzen?«

»Nein, nein, nur so 'n leichtes Kratzen.«Später wischt er sich — »heimlich« —, also so,

daß Inge es sehen kann, Schweißperlen von derStirn.

»Hast du Fieber?«»Ach was, vielleicht 'n kleinen Schnupfen, kaum

der Rede wert.«Dann muß er vielleicht noch irgendwann im

Flur sich mal plötzlich an den Kopf fassen oder einbißchen taumeln. Aber so, daß Inge glauben muß,er fühle sich unbeobachtet.

»Gerd, du bist krank. Du hast 'ne Grippe. Gibes zu.«

»Nein, Liebling, ich sag' dir doch, so 'n kleinerSchnupfen. «

»Es ist unverantwortlich von dir, wenn du sozur Arbeit gehst.«

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»Aber Liebling, ich kann doch nicht wegen je-der Kleinigkeit fehlen.«

»Du spielst wieder den Helden. Du gehörst insBett. Aber du willst mal wieder nicht krank sein.«

Wunderbar! Jetzt hat er sie genau da, wo er siehinhaben wollte: Sie weiß, daß er krank ist. Sie hältihn für einen Märtyrer, der seinen elenden Zustandmannhaft verleugnet. Sie bewundert ihn in gewis-ser Weise. Sie macht sich Sorgen. Sie hat Mitleid.Aber er braucht nicht zum Arzt. Denn er gibt es janicht zu.

Allerdings, nun beginnt Inges Psychologie. Siemuß nun ihr mitleidiges, mütterlich-sorgenvollesHerz überwinden. Muß hart sein, weil sie seinSpiel durchschaut.

»Also gut«, sagt sie. »Wenn du nicht krank bist,bring den Mülleimer runter, und heute abendmüßtest du wirklich mal das Laub im Garten zu-sammenharken.«

»Aber ich hab' doch ...«»Wenn du nicht zum Arzt gehst, bist du auch

nicht krank. Also verschon mich mit deinem Ge-stöhne. Ich bemitleide dich nicht.«

Ja, wenn sie das fertigbringt, steht das Grippe-Psychodrama unentschieden.

Dann kann es sogar passieren, daß Gerd dochnoch zum Arzt geht:

»Meine Frau schickt mich, Herr Doktor. Ichsoll angeblich sehr krank sein.«

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