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16.02.2015 1 Traumafolgestörungen Fachgespräch „Traumaambulanzen im neuen SER“ Berlin, 16.02.2015 Prof. J. M. Fegert, Ulm Offenlegung möglicher Interessenkonflikte In den letzten 5 Jahren hatte der Autor (Arbeitsgruppenleiter) – Forschungsförderung von EU, DFG, BMG, BMBF, BMFSFJ, BMAS, Ländersozialministerien, Landesstiftung BaWü, Päpstliche Universität Gregoriana, Caritas, CJD – Reisebeihilfen, Vortragshonorare, Veranstaltungs- und Ausbildungs-Sponsoring von DFG, AACAP, NIMH/NIH, EU, Goethe Institut, Pro Helvetia, Shire, Fachverbände und Universitäten sowie Ministerien – Keine industriegesponserten Vortragsreihen, kein „speakers bureau“ – Klinische Prüfungen und Beratertätigkeit für Servier, BMBF, Lundbeck – Mindestens jährliche Erklärung zu conflicts of interest gegenüber der DGKJP und AACAP wegen Komissionsmitgliedschaft – Kein Aktienbesitz , keine Beteiligungen an Pharmafirmen, Mehrheitseigner 3Li

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Traumafolgestörungen

Fachgespräch „Traumaambulanzen im neuen SER“

Berlin, 16.02.2015

Prof. J. M. Fegert, Ulm

Offenlegung möglicher Interessenkonflikte

In den letzten 5 Jahren hatte der Autor (Arbeitsgruppenleiter)

– Forschungsförderung von EU, DFG, BMG, BMBF, BMFSFJ,BMAS, Ländersozialministerien, Landesstiftung BaWü,Päpstliche Universität Gregoriana, Caritas, CJD

– Reisebeihilfen, Vortragshonorare, Veranstaltungs- undAusbildungs-Sponsoring von DFG, AACAP, NIMH/NIH, EU,Goethe Institut, Pro Helvetia, Shire, Fachverbände undUniversitäten sowie Ministerien

– Keine industriegesponserten Vortragsreihen, kein „speakersbureau“

– Klinische Prüfungen und Beratertätigkeit für Servier, BMBF,Lundbeck

– Mindestens jährliche Erklärung zu conflicts of interestgegenüber der DGKJP und AACAP wegenKomissionsmitgliedschaft

– Kein Aktienbesitz , keine Beteiligungen an Pharmafirmen,Mehrheitseigner 3Li

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Proportionale Verteilung der Geldgeber

Industrie1%

Stiftungen21%

Bundesmittel + DFG56%

EU15%

Länderministerien7%

DRITTMITTELEINNAHMEN KJPP ULM 2013 NACH GELDGEBER 

Gliederung

• Ausgangspunkt Begleitforschung UBSKM

• Was ist ein psychisches Trauma und wie entstehen psychische Traumafolgen?- Diagnosekriterien- Traumatypologie (Typ-I- und Typ-II-Traumata)- Zusammenhang zwischen potentiell traumatischenSituationen und Intensität von Symptomen

• Traumafolgestörungen

• Chronische Folgen/dauerhafte Beschädigung?- Neurobiologie von Trauma

• Traumafolgekosten

• Interventionen und Therapie- Frühintervention- Psychotherapie

• Fazit

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Ausgangspunkt Begleitforschung UBSKM

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Funktionsweise eines Critical Incident Reporting Systems

aus: Fegert, et al. 2010, S.138

Berichte über Ereignisse

vertraulich,geschützt

Anonymität und/odervertraulich,evtl. Immunität

geheim,vertraulich

Analysen durchExperten

Ergebnisse der Analyse,Veränderungsvorschläge

Umsetzung der Veränderungsvorschläge

öffentlich

öffentlicheStandards

Kampagne „Sprechen hilft“

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Wirkung von Kampagne und Abschlussbericht auf das Anruferaufkommen

Anzahl Anrufe pro Tag seit Beginn der TAL:

Kampagnenstart 21.09.2010

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

Präsentation des Abschlussberichts

24.05.2011

Abschlussbericht der UBSKM (24.05.2011)

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Das Team der wissenschaftlichen Begleitforschung

Prof. Dr. Jörg Fegert

Thekla Schneider

Dr. Nina Spröber

Alexander Seitz

Dr. Lilith König

Miriam Rassenhofer

„Schwere“ der Missbrauchsfälle im Vergleich

39,0 % 49,7 %

90,3 %

hell = kurzfristiger/ “leichter“ Missbrauch

dunkel = fortgesetzter “schwerer“ Missbrauch

39,0 % 49,7 %

90,3 %

61,0 %52,3 %

50,3 %39,0 % 49,7 %

88,7 %

47,7 % 11,3 %

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Angaben zum Missbrauchsgeschehen*

Art des Missbrauchs (Angaben von N=4.298 Personen)

- 96% mit Körperkontakt

Zeitpunkt des Missbrauchsgeschehens (Angaben von N=4.608 Personen)

–90% (N=4.133) Missbrauch in der Vergangenheit

Häufigkeit des Missbrauchsgeschehens (Angaben von N=3.159 Personen)

–89% mehrfacher und wiederkehrender Missbrauch

Geschlecht der Täter/innen (Angaben von N=3.730 Personen)

–88% (N=3.272) männliche Täter

–6% (N=229) weibliche Täterinnen

–6% (N=229) mehrere Täter/innen verschiedenen Geschlechts

_______________________________________________________________________________

* nach Angaben von Betroffenen und Kontaktpersonen in Telefongesprächen und Briefen/E-Mails

Kontext des Missbrauchsgeschehens (N = 3.712)*

1087

2102

311212

390

1640

205124

666

413

99 84

0

500

1000

1500

2000

2500

Institution Familie Umfeld Fremdtäter/innen

gesamt

Frauen

Männer

_____________________________________________

* nach Angaben von Betroffenen und Kontaktpersonen inTelefongesprächen und Briefen/E-Mails

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Schwere Langzeitfolgen werden berichtet

„Ich bin wie eine Marionette der Angst.“

„Ich quäle mich durchs Leben.“

"Sie können ein verlorenes Leben nicht bezahlen - Eine Entschädigungszahlung ist eine Geste zur Anerkennung des Leides."

Auswirkungen des Missbrauchs

Betroffene berichten unter anderem von bei ihnen gestellten Diagnosen psychischer Erkrankungen als Auswirkung von Missbrauch (N=2.208 Angaben):

– Posttraumatische Belastungsstörung (19,2%, N=425)

– Angst-/Panikstörung (19,2%, N=425)

– Persönlichkeitsstörungen (16,3%, N=361)

– Depression (14,3%, N=315)

– Depression mit Suizidalität (7,1%, N=156)

– Essstörung (13,4%, N=296)

– Alkoholabhängigkeit (2,3%, N=51)

– Medikamenten-/Drogenabusus (0,8%, N=18)

– Sonstiges (7,3%, N=161)

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Auswirkungen des Missbrauchs

Betroffene berichten unter anderem von folgenden Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Lebensgestaltung (N=3.938 Angaben):

– Körperliche Folgen (43,1%, N=837)

– Beziehungs-/ Partnerschaftsprobleme (41,6%, N=808)

– Leistungsbeeinträchtigung (30,0%, N=582)

– Flashbacks, Intrusionen, Alpträume (29,9%, N=568)

– Probleme mit Körperlichkeit und Sexualität (17,3%, N=337)

– Selbstwertproblematik (17,1%, 332)

– Minderung der Lebensqualität (13,2%, N=256)

– Orientierungs-/Hilflosigkeit (7,4%, N=144)

– Externalisierendes Verhalten (4,1%, N=79)

„Ich quäle mich durchs Leben.“

Ergebnisse des UBSKM-Datensatzes 2010-2011

Von Betroffenen berichtete Folgen des Missbrauchs: Psychosoziale Schwierigkeiten

269

626

873843

204

334356

97

568

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

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Hinderliche Aspekte bei der Verarbeitung des Erlebten

negative Reaktionen auf Hilfegesuche:

Demütigungen, Drohungen, Schuldzuweisungen, Stigmatisierung, Strafe

gesellschaftlicher Umgang mit dem Thema und (gesetzliche) Rahmenbedingungen

keine bzw. keine hilfreiche Unterstützung durch andere

spezifische belastende Gefühle der Betroffenen

zusätzliche belastende Umstände

weiterhin Kontakt zum Täter/zur Täterin

religiöse Vorstellungen/kirchliche Vorgaben

„Ich wurde so schlecht behandelt, dabei bin doch nicht ich der Täter.“

„Warum schauen die Leute alle weg?“

„Ich renne seit Jahrzehnten gegen Mauern. Als Betroffenem werden einem nur Steine in den Weg gelegt."

Hilfreiche Aspekte bei der Verarbeitung des Erlebten

Professionelle Hilfe

Unterstützung durch die Familie

Unterstützung durch das engere soziale Umfeld

(öffentliche) Anerkennung des erlebten Unrechts

darüber sprechen

Glaube und Religion

Selbstschutz: Abgrenzung und Verdrängung

Berufliche, sportliche und kreative Tätigkeiten

„Für mich waren Menschen hilfreich, die sich einmischen.“

„Das erste Mal nach soviel Jahren sprechen zu können, hat mir gut getan.“

"Die öffentliche Diskussion um den Missbrauch ist hilfreich und sollte aufrechterhalten werden."

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OEG

• Das Vorgehen wird von den Betroffenen als sehr bürokratisch, kompliziert und meist langwierig geschildert

• Die Notwendigkeit, immer wieder den Anspruch auf Entschädigungszahlungen überprüfen zu lassen und sich jedes Mal neu zu den eigenen traumatischen Erlebnissen äußern zu müssen, wird als massive Belastung und Retraumatisierungwahrgenommen

• Kausalität

• Sehr oft wird gefordert, dass Gutachter und Richter im Umgang mit Opfern sensibler sein müssten und eine besondere Schulung benötigen

• Kritisiert wird auch, dass Zahlungen an die Verpflichtung zu bestimmten Therapien geknüpft seien

Zitate von Betroffenen

Mit dem Antragsverfahren, den bürokratischen Auflagen, Widersprüchen usw. erleben Opfer manchmal eine Odyssee, die ihre Kräfte übersteigt.“

„Die Hürden für Zahlungen nach OEG sind zu hoch, die Verfahren dauern zu lang, eine Reform ist dringend nötig.“

"Wenn man ein OEG-Verfahren anstrebt, wird man so behandelt, als wenn man die Unwahrheit sagt. Ich werde als Lügnerin dargestellt."

„Das OEG muss anders greifen: Es darf nicht so lange dauern; nicht darauf aufbauen, dass Taten bewiesen werden müssen; Amtsärzte und Personen, die die Glaubwürdigkeitsbegutachtungen durchführen, müssen einfühlsamer und sensibler sein.“

„Anspruchsgewährung sollte auch ohne strafrechtliche Verfolgung erfolgen und das Verfahren muss einfacher gemacht werden.“

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Zentrale Fragen:

Was ist ein psychisches Trauma?

Warum reagieren Menschen so unterschiedlich auf kriminologisch vergleichbare Missbrauchstaten?

Bewertungskatalog, Anhaltspunkte möglich?

Welche Bedeutung hat frühzeitige Intervention?

Tragen soziale Versorgungsansprüche zur Chronifizierung bei?

Grundsätzliche Entschädigung für erlittenes Leid oder Nachteilsausgleich bei Teilhabebeeinträchtigung?

Anhaltspunkte für die Bestimmung des GDB

Kausalität vs. Plausibilität

Braucht es für Missbrauchsbetroffene ein spezifisches Vorgehen? Gibt es Empirie die das unterstützen würde?

Was ist ein psychisches Trauma?Wie entstehen psychische Traumafolgen?

Traumatisches LebensereignisExtreme physiologische

Erregung

FluchtFreeze

Traumasymptome

Angriff

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LeDoux, Scientific American, 1994

Reaktionen auf traumatischen Stress

• Übererregungs-Kontinuum

Fight oder Flight• Alarmszustand Wachsamkeit• Angst/Schrecken• Adrenalin System wird aktiviert

– Erregung• Serotonerge System verändert

sich – Impulsivität, Affektivität, Aggressivität

Physiologisch• Blutdruck (Pulsrate ) • Atmung • Muskeltonus • Schmerzwahrnehmung

• Dissoziatives-Kontinuum

Freeze – ohnmächtige / passive Reaktion

• Gefühlslosigkeit / Nachgiebigkeit• Dissoziation• Opioid System wird Aktiviert

Euphorie, Betäubung • Veränderung der Sinnes-,,Körper-

wahrnehmung (Ort, Zeit, etc.)

Physiologisch• Pulsrate Blutdruck • Atmung • Muskeltonus • Schmerzwahrnehmung

Bei einer Traumatisierung laufen parallel zwei unterschiedliche physiologische Prozesse ab

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Akute psychische Reaktionen auf traumatischen Stress

• Akute Belastungsreaktion („Psychischer Schock“)

– außergewöhnliche psychische oder physische Belastung

– Beginn innerhalb von Minuten, meist innerhalb von Stunden/2-3 Tagen

abklingend, nicht länger als 4 Wochen

– initial „Betäubung“: Bewusstseinseinengung, reduzierte Aufmerksamkeit,

Unfähigkeit zur Reizverarbeitung, Desorientiertheit

– dann soz. Rückzug (z.T. Regungslosigkeit) oder Unruhe/Agitiertheit (bis hin zu

Flucht, Umherirren)

– meist vegetative Paniksymptome (Herzrasen, Schwitzen, Erröten)

– z.T. Erinnerungslücken

• Akute Belastungssymptome sind eine normale Reaktion!

Resilienz und Traumafolgestörungen

Psychotrauma

akuteBelastungsreaktion

Anpassungs-störungen

PosttraumatischeBelastungsstörung

Komplexe Störungen

Resilienz

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A. Die Betroffenen sind einem kurz oder lang dauernden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das nahezu bei jedem tief greifende Verzweiflung auslösen würde.

B. Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen (Flashbacks), lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen.

C. Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang

stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht vor dem belastenden Erlebnis.

Diagnosekriterien PTSD (ICD-10)

DSM-5

Traumaerleben (auch indirekt):

– Wiedererleben

– Vermeidung von Traumastimuli

– Negative Veränderung der Kognitionen/ Stimmung

– Veränderungen von Arousal und Reaktivität

– Mit/ohne Dissoziation (specifier)

– DD: akute Stress-reaktion: 3 Tage bis 1 Monat

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PTBS in D

Repräsentative Stichprobe: n=2426 (14-93 Jahre, mittleres Alter: 49,6, SD: 17,9)

Min. ein traumatisches Ereignis: 28% der Frauen und 21% der Männer

Ein-Monatprävalenz Vollbild der PTBS: 2,3% (w: 2,5%, m: 2,1%)

Maercker et al., 2008

Komorbiditäten

Psychische Erkrankungen

– Affektive Symptomatik

– Angststörungen

– Somatisierungsstörungen

– BPS

– Abhängigkeitserkrankungen

– Psychosen

– Dissoziative Identitätsstörungen

Somatische Störungen

– kardiovaskuläre, pulmonale und rheumatische Erkrankungen

Gesteigerte Mortalität

Frommberger et al., 2014

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Unterschiedliche Traumafolgen

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Art der Tat bzw. des Traumas und der Symptomatik?

Sind Menschen verschieden?

Resilienz?

Spontanheilung?

Bedeutung des Alters zum Zeitpunkt der Belastung?

Kombinierte Belastungen?

Sequentielle Belastungen und Kausalität

Plausibilität als mögliches Kriterium?

Traumatypologie nach L. Terr (1991)

Typ – I - Trauma

• Einzelnes, unerwartetes, traumatisches Erlebnis von kurzer Dauer.

• z.B. Verkehrsunfälle, Opfer/Zeuge von Gewalttaten, Naturkatastrophen.

• Öffentlich, besprechbar

Symptome: • Meist klare sehr lebendige

WiedererinnerungenVollbild der PTSD

• Hauptemotion = Angst

• Eher gute Behandlungsprognose

Typ – II - Trauma

• Serie miteinander verknüpfter Ereignisse oder lang andauernde, sich wiederholende traumatische Erlebnisse.

• Körperliche sexuelle Misshandlungen in der Kindheit, überdauernde zwischen-menschliche Gewalterfahrungen.

• Nicht öffentlich

Symptome:

• Nur diffuse Wiedererinnerungen, starke Dissoziationstendenz, Bindungsstörungen Hohe Komorbidität, komplexe PTSD

• Sekundäremotionen (z.B. Scham, Ekel)

• Schwerer zu behandeln

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Bedeutung von Freeze/ Dissoziation

• Das Phänomen der Dissoziation kann man schon bei jüngeren traumatisierten Kindern beobachten (Summit 1983).

• Dissoziatives Erleben ist der wichtigste Prädiktor dafür, ob eine PTSD oder komplexe PTSD entsteht (Shalev et al. 1996, 2002, Brewitt et al. 2000).

• Dissoziationsneigung geht mit Selbstverletzung und Suizidversuchen einher (Zlotnik et al. 1996, van der Kolk et al. 1996).

• Sequentielle Traumatisierung: 10% nach der ersten Traumatisierung bereits chronische Dissoziationsneigung - 50% bei wiederholten Traumata (Overkamp 2002, Macfie et al. 2001).

Dissoziative Prozesse

Gedächtnis /Erinnerung

Implizit/prozedural Explizit/deklerativ

EmotionenUnbewusstHandlungsroutinenPriming EffekteEinzelne BilderDissoziation Kein Körpergefühl

KognitionenBewusstSemantischEpisodischAutobiographischKörpergefühl

Thalamus, Amygdala, Sensorischer Cortex

Präfrontaler Cortex, Hippocampus, Temporallappen

DI

SSOZ

IAT

ION

Fiedler (2002)

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Risikofaktoren der PTBS nach Trauma Typ I bei Kindern und JugendlichenÜbersicht bei Tuulikki Kultalahti und Rosner 2008

Prätraumatische Merkmale:

Alter (wiedersprüchlich)

Geschlecht (Mädchen höheres Risiko), Ethnizität

am wichtigsten: vorausgehende psychische Belastung und Auffälligkeit, Zurechtkommen in der Schule vor dem Ereignis, frühere Traumatisierung

kein Einfluß: SÖS und Familienstruktur

protektiv: Intelligenz

Peritraumatische Merkmale:

Lebensgefahr, Verlust von Angehörigen oder Kameraden

Verletzung

emotionale Reaktion und Belastung

Stressorschwere bei Eltern

Posttraumatische Merkmale

Bewältigungsstrategien (kognitive und verhaltensbezogene Strategien) Landolt 2004

insbesondere Schuldkognitionen

Komorbidität

Elternbezogene Merkmale

Rolle der Eltern um so bedeutender. je jünger das Kind (Yule 1992)

Soziale Unterstützung in der Schule (Broberg et al. 2005)

Weitere posttraumatische belastende Lebensereignisse

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Welche traumatischen Situationen führen in der Regel zu intensiven Symptomen

1. Dauern sehr lange

2. Wiederholen sich häufig

3. Rituellen Charakter

4. Schwere körperliche Verletzungen

5. Zwischenmenschliche Gewalt

6. Sind schwer nachzuvollziehen

7. Täter ist eine Bezugsperson

8. Täter wird vom Opfer gemocht

9. Opfer fühlt sich mitschuldig

10. Persönlichkeit ist noch nicht gefestigt

11. Beinhalten sadistische Folter

12. Beinhalten sexuelle Gewalt

13. Mehrere Täter

14. Starke Dissoziationen

15. Kein unmittelbarer Beistand nach der Tat – Bindung!

16. Niemand hat darüber mit dem Opfer gesprochen/ nicht geglaubt

Ferguson et al. (1996a und b)Neuseeländische Geburtskohorte

• 17,3 % Mädchen 3,4% Jungen bis 16. LJ missbraucht

• mit Penetration 5,6 % vs. 1,4 %

• OR 3,6 (5,4) für Depression

• OR 2,7 (6,6) für Alkoholabhängigkeit und anderer Substanzabusus

• OR 5 Suizidversuche

• OR 3 Angsterkrankungen

• OR 12 Verhaltensauffälligkeiten allgemein

zeitgleiche DSM IV Diag.

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Relativer Effekt von Typen der Misshandlung

Teicher 2006 AmJPsychiatry

Traumafolgestörungen

Kindheits-Traumata

Normale Entwicklung(Resilienz)

akute Belastungs-

störung

PTBS Bindungsstörungen

Depression

Suizidalität+ Risikoverhalten

Substanzmissbrauch

Körperl. Erkrankungen (Adipositas, Herz-Kreislauf,…)

Transgenerationale Weitergabe (Opfer => Täter)

Fergusson et al. 1996, J Am Acad Child Adolesc Psychiatry.35:1365-74Felitti et al. 1998, Am J Prev Med. 14:245-258 Houck et al. 2010, J Ped. Psychol, 35:473-483 Irish, Kobayashi & Delahanty 2010, J Ped Psychol 35:450-461Oswald, Heil, & Goldbeck, J Ped Psychol. 2010, 35:462-72Pears & Capaldi 2001, Child Abuse and Neglect 25:1439-61u.v.m.

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Entwicklungsneurobiologisches Modell der Traumatisierung (De Bellis 2001, Developm Psychopathol 13:539-64)

Mehrfache Misshandlungen

Die Misshandlungssituationen treten selten völlig isoliert auf, es werden kaum reine Unterformen der Misshandlung in Populationen gefunden (z.B. Barnett, et al., 1993).

Unterschiedliche Formen von Misshandlung treten gleichzeitig oder auch zeitlich gestaffelt auf (Finkelhor, Ormrod, Turner, & Holt, 2009)

Nicht selten sind sie mit anderen Entwicklungsrisiken kombiniert (Ziegenhain & Fegert 2007)

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Kausalität: Missbrauch häufig kombiniert mit anderen Risikofaktoren für die Entwicklung

Systematische entwicklungsbezogene Belastungsanamnese

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Belastung nach ACE - Kindheitstraumata

• Sensitivierung der hormonellen und neuronalen Stressreaktion

• Orientierung auf Bedrohungsreize

• Verkümmerung der Regulation von Emotionen

• Unsicher/Vermeidende Bindung

• Dosiseffekt: Erhöhte Wahrscheinlichkeit für verschiedene psychische Störungen und Delinquenz

• Genetik und Epigenetik

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Aber….

Heterogene Gruppe (z.B. Herbert et al., 2006):

– N = 123, Alter: 7 – 13 Jahre

– 4 Cluster:

Anxiety constellation group,

severe distress group,

victims of less severe sexual abuse,

resilient children

Coping Strategien!

Heterogene Gruppe (z.B. Herbert et al., 2006):

– N = 123, Alter: 7 – 13 Jahre

– 4 Cluster:

Anxiety constellation group,

severe distress group,

victims of less severe sexual abuse,

resilient children

weniger Vermeidungsstrategien

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BipolareStörungen imKindesalter

Trauma-Entwicklungsheterotopie

OppositionellesVerhalten

ADHSEmotionaleStörungen

Störungen der Persönlichkeits

-entwicklung

SelbstverletzungSuizidalität

Geburt Vorschulalter Schulalter Pubertät Adoleszenz

Affektive Störungen

Regulationsstörungen

Störung des Sozialverhaltens

Dissoziative und SomatoformeStörungen

Traumafolgestörungen + biologische Faktoren

Schmid, Fegert, Petermann 2010Schmid, Petermann, Fegert 2013

Bindungsstörungen

Substanz missbrauch

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Modell zu den Folgen sexuellen Missbrauchs(Trickett, Noll & Putman, 2011)

Art desMissbrauchs:

Täter, Dauer, Häufigkeit, Gewalt/ Drohungen, Beginn

PsychologischerDistress

PhysiologischerDistress

UnterstützungFamilie/ Peers

Pubertäts-entwicklung

Kompetenzen:

KognitivSozial

SelbstwertKontrolle

Psycho-pathologie:

DepressionÄngste

DissoziationHypersexualität

Trauma Moderator/Mediator

FolgenReaktion

Modell der chronischen Posttraumatischen Belastungsstörung

Kognitive Verarbeitung während des Traumas

Charakteristika des TraumasAusgangslage des Individuums

Dysfunktionales Verhalten / kognitive Strategien

Gegenwärtige BedrohungIntrusionenErregung

Starke Emotionen

Auslöser

Charakteristika des

Traumagedächtnis

Interpretation des Traumasund seiner

Konsequenzen

Ehlers & Clark, 1999

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Achtung bei der Gleichsetzung Missbrauch: dauerhafte Beschädigung

Neurobiologie als Fatum?

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Neurobiologische Erklärungsansätze oder biologistische Neuromythologie?

Kritik an neurobiologischer Traumaforschung

• Häufig nur Messung von Aktivierungsunterschieden

• Häufig bei Erwachsenen

• Häufig nach Singletrauma

• Eigentlicher Gegenstand der Dysregulation: Netzwerkkonnektivität

• Statistische Unterschiede klingen wie definitive anatomische oder physiologische Schädigungen

• Gehirn hat aber hohe Plastizität und Entwicklungspotential:

„Psychobiologie der Hoffnung“ (De Bellis 2001, Seite 556), vergleiche auch „natürliches Experiment“ Rumänienkinder: geringeres Volumen der weißen Substanz im Ausgangsbefund bestätigt sich nach 5 – 7 Jahren bei Heimkindern, ist bei Kindern in Pflegefamilien verschwunden (Sheridan et al. 2012)

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HPA-Achse

CRF aus Hypothalamus ausgeschüttet →

Hypophyse: ACTH →

NNR: Glucocorticoide

Hippocampus und PFC: inhibieren HPA Aktivität

Amygdala erhöhte CRF Ausschüttung

PTBS: Dysregulation der HPA Achse

Hypocortisolismus: gesteigerte Sensitivität f. negatives Feedback

Bailey et al., 2013; Sherin & Nemeroff, 2011

Epigenetik: FKBP5

FK506 binding protein 5 (FKBP5): funktionelle Regulation des Glucocorticoid Rezeptor Komplexes

In Feedback Schleife: FKBP5 transkribiert bei GlucocorticoidRezeptor Aktivierung: Vermindert dann Liganden-Bindung

Risiko für PTSD höher bei Träger von Risikoallelen

Durch exzessive Cortisol Ausschüttung: epigenetische Änderungen in FKBP5: Demethylierung in risk Allel Trägern

Klengel et al., 2013

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Noradrenerges System

Einfluss auf Angstreaktion

Einfluss auf Amygdala

NA Ausschüttung: Flashbacks induziert

B. chron. Stress NET ↓: NA in synpt. Spalt↑

PTSD Symptome:

Hyperarousal

Gesteigerter Startle Reflex

Gesteigerte Encodierung v.

Angst

Gesteigerte Hf nach Trauma:

Prädiktor f. PTSD Entwicklung

Bailey et al., 2013;Sherin & Nemeroff, 2011

Zusammenspiel Glucocorticoide: NA

• NA: fördert die Speicherung von Angst-Erinnerungen

• Glucocorticoide blockieren den Zugriff auf das emotionale Gedächtnis

• Hippocampus für deklaratives Gedächntisund Kontext Konditionierung verantwortlich: wenn Funktion geschwächt: Generalisierung

Hypocortisolismus + gesteigerte noradrenerge Aktivität + Hippocampus Defizite:

traumatische Erinnerungen „eingegraben“ und keine inhibitorische Kontrolle über Gedächntisinhalte, bzw. Generalisierung: PTSD

Sherin & Nemeroff, 2011

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Serotonerges System

Ansprechen der Amygdala auf Bedrohung und Angstreaktion: serotonerge Neurotransmission

Schnittstellen mit CRF und NA

5-HT Agonisten können bei PTSD Patienten Flashbacks auslösen

5-HT1b Rezeptor Dichte mit PTSD Symptomatik assoziiert

Bailey et al., 2013

Strukturelle und funktionelle Gehirnveränderungen

• Strukturelle und funktionelle Gehirnveränderungen:

• Hippocampus: Volumenreduktion (Dendritenverlust: Gukokortikoide)

• Amygdala: Hyperresponsivität

• mPFC: Volumenverringerung (verantwortlich f. Inhibition, Hyporesponisivität b. PTSD f. Trigger)

• dACC: Hyperresponsivität

• Weitere Veränderungen:

• OFC

• DLPFC

• Corpus callosum

• Cerebellum

Sherin & Nemeroff, 2011; Hart & Rubia, 2012, Pechtel & Pizzagalli, 2011; Pitman et al., 2012

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Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter: fMRT

• Kortikale Dicke↓ - CTQ Total score

• v.a. linke Hemisphäre:

• lateraler somatosensorischer Cortex

• ACC (u.a. Emotionsregulation)

• Precuneus (u.a. Selbstwahrnehmung)

• Gyrus parahippocampalis (u.a. Gedächtnis: Encodierung)

Heim et al., 2013

Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter: fMRT

CTQ: sexual abuse score - Kortikale Dicke↓

Somatosensorischer Cortex (l): Klitoris und umgebende genitale Bereiche

Gyrus parahippocampalis

Heim et al., 2013

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Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter: fMRT

Emotionale Misshandlung

Kortikale Dicke↓:

Precuneus (l, r)

PCC und ACC(l)

Somatosensorischer Cortex (Gesicht)

Regionen in Verbindung mit:

Selbstreflexion

Selbstwahrnehmung

Heim et al., 2013

Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter: fMRT

Beginn der Misshandlung

Kortikale Dicke↓:

Temporaler Pol (l)

Linker parietaler Pol (l)

Linker frontaler Pol (l, r)

ACC

Mit autobiographischem Gedächtnis in Zusammenhang: ev. früher Missbrauch: weniger Erinnerungen ?

Heim et al., 2013

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Misshandlung/ Missbrauch im Kindesalter: fMRT

Bestimmte Hirnregionen: hohe Zahl an GlukokortikoidRezeptoren und längere postnatale Reifungsprozesse (PFC od. Hippocampus): anfällig f. Veränderungen durch frühkindliche Traumata: vulnerable Phasen

Analyse von 12 Datensätzen (n= 331 mit Misshandlungen und 362 HC):

Defizite in der grauen Substanz: ventrolateral, prefrontal, limbisch, temporal: f. spät entwickele Funktionen: Affekt und kognitive Kontrolle, Selbstregulation, sozio-emotionaler Verhaltensweisen

Lim et al., Am J Psychiatry, 2014; Pechtel & Pizzagalli, 2011

Genderaspekte

Imbalance bezüglich PTBS-Diagnosen zwischen Frauen und Männern

Frauen häufiger von PTBS betroffen

Genderspezifisches Risiko für bestimmte Traumatypen kann Imbalance nur partiell erklären

Forschung hinsichtlich des Einflusses von Gender auf Epidemiologie, Therapie und Verlauf fehlt

Gender der Therapeuten und Gender Patient x Gender Therapeut Interaktion bisher wenig untersucht

Untersuchung von genderspezifischen Barrieren hinsichtlich der Offenbarungsrate und Behandlungszufriedenheit etc.

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Die Bedeutung frühkindlicher Traumatisierung in der Anamnese der Eltern Transgenerationale Weitergabe von Belastungen?

Elternschaft geht für Betroffene mit eigenen adversenKindheitserfahrungen mit besonderen Herausforderungen einher, da Modelle gelungener Elternschaft fehlen

• Eltern mit eigenen adversen Kindheitserfahrungen

• haben ein erhöhtes Risiko ihren eigenen Kindern gegenüber wenig feinfühliges, bis feindseliges Verhalten zu zeigen [32 – 35]

• fehlen häufig Rollenmodelle für sensitives Parenting

• haben ein erhöhtes Risiko ihre eigenen Kinder zu vernachlässigen/misshandeln [36]

[32] Caspi et al, 2002; [33] Widom, 1989; [34] Madigan, Bakermans-Kranenburg, van IJzendoorn, Moran, Pederson & Benoit, 2006; [35] Möhler, Biringen & Poustka, 2007; [36] Kaufmann & Ziegler, 1989

Transgenerationale Weitergabe von Belastungen

„Transgenerational cycle of maltreatment“

Eltern mit eigenen Misshandlungserfahrungen haben ein erhöhtes Risiko, dass ihre Kinder ebenfalls betroffen sind

Transmissionsraten: ~7-20% (z.B. [37, 38])

„Transmissiongap“

Risikofaktoren

• Elternschaft <21• Psychische Erkrankung der Eltern• Gewalt in der Partnerschaft• Finanzielle Probleme• Biologisches „Trauma‐Gedächtnis“?

Protektive Faktoren

• Bindungsqualität• Soziale Unterstützung• Finanzielle Stabilität• Stabile, fürsorgliche Bezugsperson• Erziehungskompetenz• Biologische Faktoren?

z.B. Dixon et al., 2008; Pears & Capaldi, 2001

[37] Dixon et al., 2009; [38] Berlin et al., 2011

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Modell Pears & Capaldi 2001

ElterlicheMisshandlungs-vorgeschichte

SÖS

FrüheElternschaft

Elterliche Psychopathologie

Elterlichesinkonsequentes

Erziehungsverhalten

Elterliche Misshandlungder Kinder

FrüheEntwicklungs-

Probleme

Transgenerationale Weitergabe von Belastungen

Mechanismen und Zusammenspiel von Risiko- und protektiven Faktoren bei der Weitergabe von Belastungen noch weitgehend unklar

Psycho-logischeFaktoren

Biologische Faktoren

Sozialer Kontext

1. (Traumatischer) Stress2. Bindung

1. Physiologisches Stresssystem2. Physiologisches Bindungssystem• Epigenetik als möglicher Mechanismus

transgenerationaler Weitergabe auf biologischer Ebene

Armut, soziales Netz, Familie, Jugendhilfe

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Deutsche Traumafolgekostenstudiegefördert vom BMFSFJ

Jährliche gesamtwirtschaftliche TraumafolgekostenHabetha,S.,* Bleich, S., Sievers C.**, Marschall, U.**, Weidenhammer, J.*, Fegert, J. M.* Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel**Barmer GEK

• Bedingt durch die Datenlage der zusammenzuführenden Datensätze sind die Kosten pro Jahr auf die Altersgruppe der 15-bis 64-jährigen im Jahr 2009 eingegrenzt.

• Von 53,9 Mio. Einwohnern waren 2009 14,5% von schwerer bis extremer Kindesmisshandlung/-missbrauch, Vernachlässigung betroffen, davon waren ca. 21% nach verschiedenen Langzeitsudien zu Belastungen und Resilienz oder nach einer Studie der deutschen Kinderschutzzentren von einer Entwicklungsstörung oder Behinderung betroffen:

1,6 Mio. Personen zwischen 15 und 64 Jahren „verursachen“ kontinuierlich Traumafolgekosten

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Jährliche gesamtwirtschaftliche Traumafolgekosten - Kosten• Tangible Kosten der Traumatisierung:

Gesundheitskosten, Kosten der Kinder- und Jugendhilfe, Ausbildungsförderung, Wertschöpfungsverlust etc.:

335.421€

• Bei 1,6 Mio. Betroffenen: 6.708€ Traumafolgekosten pro Fall und Jahr

Jährliche Kosten für die deutsche Gesellschaft durch Folgen von Kindesmisshandlung/-missbrauch und Vernachlässigung

11 Mrd. €

oder

134,54€ trägt jeder Bundesbürger jährlich.

Internationaler Vergleich

• Drei Studien aus Australien, Kanada und den USA werden zum Vergleich herangezogen

• Die Ergebnisse der Kosten pro Kopf werden auf die deutsche Bevölkerungszahl umgerechnet, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erzielen

• Laut Bevölkerungsumfragen 17,8% (Australien) bzw. 15,9% (BRD) Prävalenz ➙ gute Vergleichbarkeit

pro-Kopf Jahreskosten [€] umgerechnet für BRD

Jahreskosten gesamt [€] umgerechnet für BRD

Australien 136,97 11,2 Mrd.

Kanada 352,75 28,9 Mrd.

USA 20,60 1,7 Mrd.

BRD 134,54 11,0 Mrd.

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Burden of disease

Gut gemeint ist nicht gut gemachtINTERVENTIONEN müssen evaluiert werden

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Besserer und schnellerer Zugang zu hilfreichen Interventionen: Vorbilder

Internationale Modelle können als Vorbild dienen

Norwegen (NKSTVS)

USA (NCTSN): BEST „Bringing Evidence Supported Treatments to South Carolina“ (Saunders et al. 2011)

Implementierung und Evaluation einer bedarfsgerechten,gemeindenahen Hilfeprozess-Koordination für Kinder und

Jugendliche nach Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung

Teilprojekt 1 (Prof. Dr. L. Goldbeck, Ulm): Verkürzung des Intervallsunbehandelter Traumafolgestörungen mittels Implementierung einerstrukturierten, gemeindenahen Hilfeprozesskoordination („Case-Management“)

Teilprojekt 2 (Prof. Dr. J. M. Fegert, Ulm):Untersuchung von spezifischen Risiko- und Resilienzfaktoren

Teilprojekt 3 (Prof. Dr. R. Rosner, Eichstätt):Verbesserung der Versorgung von Risikopopulationen (z.B. Migrantenfamilien)

Kontakt:E-Mail: [email protected]

Homepage: www.canmanage.de

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0 10 20 30 40 50 60 70 80

körperliche Misshandlung

häusliche Gewalt

Vernachlässigung

emotionale Misshandlung

sexueller Missbrauch

Prozent

CANMANAGE: Missbrauchstypen

mehrere Formen von Missbrauch bei N = 175 (87%)

N = 120

N = 145

N = 136

N = 101

N = 69

CANMANAGE: Missbrauchsfolgen I

34%

66%

Resilient

mit psychischenAuffälligkeiten

etwa 1 Drittel bleibt resilient (N=69)

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Grundsätze der Psychotherapie traumatisierter Patienten (nach Butollo 1998)

SICHERHEIT, STABILISIERUNGSymptomerkennung, Ressourcenaktivierung, Stressbewältigung,

Vermeidungsverhalten reduzieren

KONFRONTATIONErlebnisaktivierung:

kognitive Verarbeitung und emotionale Bewältigung

INTEGRATIONAnnahme des

Traumas, der Veränderung

AWMF LL

Bei Patienten mit Traumata in der Kindheit wiederum scheinen SSRIs – anders als bei Patienten mit Traumata im Erwachsenenalter - hingegen zur einer mäßigen Symptomerleichterung zu führen und werden deshalb auch empfohlen

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Primat des Kinderschutzes

Eine Retraumatisierung muss ausgeschlossen werden!

• anhaltende Misshandlung, Vernachlässigung oder sex. Missbrauch

• vermeidbare Exposition mit Schlüsselreizen (z.B. Bedrohungen

durch den Täter)

Problembereiche: Loyalitätskonflikt & Umgangsrecht

Sicherheit vor Psychotherapie!

Primat der Stabilität

Umfeld und Lebenssituation müssen stabil sein

• Keine andauernden Beziehungswechsel, keine Unsicherheiten in

grundlegender Lebensgestaltung (Wohnen,..),

• Erst nach erfolgtem Bindungsaufbau, Eingewöhnung an

Lebenssituation und Umgangsbesuche,.. (nicht „schnell noch zur

Vorbereitung..“)

Kind oder Jugendlicher muss ausreichend stabil sein

• Keine akute Suizidalität, kein ausgeprägter Substanzkonsum,..

Stabilität vor Psychotherapie!

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TF-KVT: Ziele der Therapie

Der Trauma-Verhaltenstherapeut hilft dem Patienten dabei

• traumatische Erinnerungen mit weniger Angst zu erleben,

• irrtümliche und belastende Gedanken zu verändern (wie z.B. die

Überschätzung aktueller oder künftiger Gefahren, Schuld),

• Stress zu bewältigen.

TF-KVT: Grundzüge

•Komponenten-basiert

•anpassbar und flexibel

•therapeutische Beziehung ist zentral

•Selbstwirksamkeit wird betont

• familienorientiert

•kindzentrierte Elternsitzungen parallel zu Kindersitzungen

durch gleichen Therapeuten

•Achtung für kulturelle Werte

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TF-KVT: Komponenten

Wöchentlich eine Doppelstunde unter Einbezug einer nicht misshandelnden, vertrauensvollen Bezugsperson

Komponenten:

1. Psychoedukation & Elternfertigkeiten

2. Entspannung

3. Ausdruck und Modulation von Affekten

4. Kognitive Verarbeitung und Bewältigung

5. Trauma Narrativ

6. Kognitive Verarbeitung und Bewältigung II

7. In vivo Bewältigung von traumatischen Erinnerungen

8. Gemeinsame Eltern-Kind Sitzungen

9. Förderung künftiger Sicherheit und Entwicklung

Color your body

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Überschrift

1. Kapitel: Steckbrief des Kindes

2. Kapitel: „Vorher“, wie war die Beziehung zum Täter, bevor das Trauma begann; oder wie das Leben vor dem traumatischen Ereignis verlief

3. Kapitel: Traumabezogenes Narrativ: „erzählen was passiert ist“

Erstellen des Trauma-Narrativs

Erstellen des Trauma-Narrativs

In folgenden Sitzungen die Erzählung des Kindes erneut durchgehen und schrittweise ergänzen:

Details anreichern, konkretisieren

traumabezogene Gedanken und Gefühle integrieren

das Kind desensibilisieren über das Geschehene zu reden

„hot spots“ oder „schlimmste Momente“ identifizieren

Belastung vor, während und nachher einschätzen

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Erstellen des Trauma-Narrativs

4. Kapitel: worst memory – was das Kind niemandem erzählen wollte, die schlimmste Erinnerung

5. Kapitel: „Was ist nun anders und was habe ich gelernt?“

Was würdest Du anderen Kindern sagen oder raten, die das Gleiche erlebt haben?

Wie hast Du Dich verändert, seit x passiert ist, seit Du die Behandlung begonnen hast?

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„…Jetzt gibt es bei uns keine Gewalt mehr ...

Ich habe noch ein bisschen Angst, dass es wieder passiert. Aber gegen die Angst helfen mir die Entspannungsübungen, und dass ich an etwas Schönes denke oder daran, dass uns die Polizei hilft. …Ich wünsche mir, dass ich auch mal Polizist werde und dass ich nicht so Alkohol trinke wie mein Vater und nicht rauche. „

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EMDR

Eye Movement Desensitization and Reprocessing

(nach Francine Shapiro)

„Eine EMDR-Sitzung ist vergleichbar mit einer Zugreise: Die Patientinnen und Patienten fahren noch einmal an dem Geschehen vorbei – aber aus sicherer Distanz und in Begleitung ihrer Therapeutinnen bzw. Therapeuten. Im weiteren Verlauf der Sitzung verblasst die belastende Erinnerung Stück für Stück und die Symptome des Traumas werden aufgelöst.“ (www.emdria.de)

EMDR

• Bei bilateraler alternierender Stimulierung:

• Amygdala Aktivierung erhöht

• DLPFC Aktivierung herabgesetzt

Herkt et al., 2014

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Psychopharmakotherapie: Erwachsene

Frühintervention

– Keine gesicherte Wirksamkeit. Keine Benzodiazepine

Vollbild

– TCA: Amitryptilin, Imipramin

– MAO Hemmer

– Phenelzin, Moclobemid

– SSRI

– Paroxetin, Sertralin, Fluoxetin

– SNRI: Venlafaxin

– Mirtazapin

– Stimmungsstabilisatoren: Carbamazepin, Lamotrigin

Frommberger et al., 2014

Review von Meta-Analysen und Leitlinien:

Für Erwachsene SSRIs als first line

Stein et al., 2009

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Psychopharm. Strategien zur PTBS Behandlung

ADs:

– SSRIs: Keines das anderen überlegen ist

– Mirtazapin, Trazodon und Venlafaxin: kleinere Studien mit positiven Ergebnissen

– Buspiron: nicht signifikante Besserung im Vgl. mit Pbo: Wirkung auf Intrusionen und autonome Hyperaktivität

Kapfhammer, 2014

Psychopharm. Strategien zur PTBS Behandlung: Empfehlungen

SSRI: first line

SSNRI, Mirtazapin, Trazodon: second line

APs od. Phasenprophylaktika. Add-on

Benzodiazepine wenn überhaupt dann nur kurz

Längerfristige Therapie. 6-12 Monate

Kapfhammer, 2014

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com.can

• Praxisforschung

• Aus-, Fort- und Weiterbildungszentrum

• Prävention und Intervention bei Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch

Transdisziplinäre Traumaforschung in Ulm

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Fazit

• Nach sexuellem Missbrauch können unterschiedliche Traumafolgestörungen eintreten. Es gibt aber auch Verläufe, wo Betroffene ohne diagnostizierbare Probleme weiterleben können (Resilienz).

• Bei manchen Betroffenen zeigen sich im Laufe der Entwicklung und zu ganz unterschiedlichen Zeiten (z.B. Entwicklungsschwellen wie Pubertät) Folgen, die die Betroffenen in Verbindung mit Missbrauch bringen.

• Im 3., 4. und 5. Lebensjahrzehnt scheint die Mitteilungsbereitschaft über erlebten Missbrauch am höchsten zu sein.

• Soziales Entschädigungsrecht muss Akutfälle(Frühintervention) von Zuständen mit Spätfolgen unterscheiden.

Fazit

Kausalität, problematisches Konstrukt, da Missbrauch gerade in der Familie oder vor einer Fremdunterbringung häufig mit anderen Formen der Misshandlung und Vernachlässigung vergesellschaftet ist

Bei Spätfolgen ist Kausalität oft schwierig zu bewerten.

Unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten:

• strenge Subtraktion wie im Zivilrecht oder

• Plausibilität wie bei anerkannten Berufskrankheiten

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Fazit

Intervention und Therapie

Im Kindes- und Jugendalter ist Frühintervention und evidenzbasierte Therapie erfolgversprechend.

Solche Angebote stehen flächendeckend nicht zur Verfügung. Chronische Langzeitfolgen zeigen sich in ganz unterschiedlichen Lebens-, Arbeits- und Gesundheitskontexten.

Das Gesundheitswesen muss traumasensibler werden.

Problematik:

Zusammenhang Chronifizierung des Störungsbildes und Anspruchsbegründung.

Kein geeignetes Verfahren bei Spätfolgen bei Typ-II-Traumata

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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„Es gibt keine großen Entdeckungenund Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“

Albert Einstein* 1889 Ulm

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie / Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm

Steinhövelstraße 589075 Ulm

www.uniklinik-ulm.de/kjpp

Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert