Falk Gastro-Kolleg Pankreas€¦ · Beim Zollinger-Ellison-Syndrom zeigt sich ein ausgeprägter...

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Fragenbeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Falk Gastro-Kolleg 1/2020 | 1 Dr. Steffen Heeg Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie und Infektiologie Klinik für Innere Medizin II Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. Freiburg Dr. Steffen Heeg Falk Gastro-Kolleg Pankreas Diagnostik und Therapie neuroendokriner Neoplasien des Gastrointestinaltrakts Zusammenfassung Neuroendokrine Neoplasien (NEN) des Verdauungstrakts stellen eine relativ seltene und heterogene Gruppe von Tumorerkrankungen dar. Während etwa 30% dieser Tumoren Hormone sezernieren und so hormonspezifische Symptome verursachen, ist die Mehrzahl funktionell inaktiv und fällt durch unspezifische tumorbedingte Symptome auf. Wie bei allen soliden Tumorerkrankungen besteht das wichtigste therapeutische Prinzip in der kompletten chirurgischen Tumorentfernung. Ist diese nicht möglich, erfolgt die Therapie in der Regel interdisziplinär unter Berücksichtigung des Ursprungsorts, des individuellen Spontanverlaufs sowie tumorbedingter Symptome. Bei Vorliegen eines spezifischen klinischen Hormonsyndroms sind lang wirksame Somatostatinanaloga die Therapie der Wahl. Sie stellen auch die Grundlage der antiproliferativen Therapie gut und mäßig differenzierter gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumoren (NET) dar. Bei ausreichender Somatostatinrezeptor-Expression im Tumor steht als systemische Therapie- option die Peptidrezeptor-Radiotherapie zur Verfügung. Darüber hinaus stehen zielge- richtete Therapieoptionen wie Sunitinib und Everolimus zur Verfügung. Hochproliferative NET und insbesondere neuroendokrine Karzinome (NEC) werden mit Zytostatika im Rahmen einer Polychemotherapie behandelt und haben eine deutlich schlechtere Prognose. Die Entscheidung für ein Therapiekonzept sollte individuell und interdisziplinär an einem in der Behandlung dieser Tumoren erfahrenen Zentrum erfolgen. Schlüsselwörter Neuroendokrine Tumoren | neuroendokrines Karzinom | Gastrointestinaltrakt | Pankreas | Therapie | Somatostatinanaloga | Peptidrezeptor-Radiotherapie | Chemotherapie Titelbild: DOTATATE-PET/CT bei hepatisch metastasiertem NET

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Fragenbeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Falk Gastro-Kolleg 1/2020 | 1

Dr. Steff en HeegAbteilung Gastroenterologie,Hepatologie, Endokrinologieund InfektiologieKlinik für Innere Medizin IIUniversitätsklinikum FreiburgHugstetter Str. Freiburg

Dr. Steffen Heeg

Falk Gastro-Kolleg

Pankreas

Diagnostik und Therapie neuroendokriner Neoplasien des GastrointestinaltraktsZusammenfassung

Neuroendokrine Neoplasien (NEN) des Verdauungstrakts stellen eine relativ seltene und heterogene Gruppe von Tumorerkrankungen dar. Während etwa 30% dieser Tumoren Hormone sezernieren und so hormonspezifische Symptome verursachen, ist die Mehrzahl funktionell inaktiv und fällt durch unspezifische tumorbedingte Symptome auf. Wie bei allen soliden Tumorerkrankungen besteht das wichtigste therapeutische Prinzip in der kompletten chirurgischen Tumorentfernung. Ist diese nicht mö glich, erfolgt die Therapie in der Regel interdisziplinär unter Berücksichtigung des Ursprungsorts, des individuellen Spontanverlaufs sowie tumorbedingter Symptome. Bei Vorliegen eines spezifischen klinischen Hormonsyndroms sind lang wirksame Somatostatinanaloga die Therapie der Wahl. Sie stellen auch die Grundlage der antiproliferativen Therapie gut und mäßig differenzierter gastroenteropankreatischer neuroendokriner Tumoren (NET) dar. Bei ausreichender Somatostatinrezeptor-Expression im Tumor steht als systemische Therapie-option die Peptidrezeptor-Radiotherapie zur Verfü gung. Darüber hinaus stehen zielge-richtete Therapieoptionen wie Sunitinib und Everolimus zur Verfügung. Hochproliferative NET und insbesondere neuroendokrine Karzinome (NEC) werden mit Zytostatika im Rahmeneiner Polychemotherapie behandelt und haben eine deutlich schlechtere Prognose. Die Entscheidung fü r ein Therapiekonzept sollte individuell und interdisziplinär an einem in der Behandlung dieser Tumoren erfahrenen Zentrum erfolgen.

Schlüsselwörter

Neuroendokrine Tumoren | neuroendokrines Karzinom | Gastrointestinaltrakt | Pankreas | Therapie | Somatostatinanaloga | Peptidrezeptor-Radiotherapie | Chemotherapie

Titelbild: DOTATATE-PET/CT bei hepatisch metastasiertem NET

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Diagnostik und Therapie neuroendokriner Neoplasien des Gastrointestinaltrakts

Epidemiologie und Ätiologie

Neuroendokrine Neoplasien (NEN) des Gastrointestinaltrakts entstehen aus Zellen des diffusen neuroendokrinen Systems, welche einzeln oder in Gruppen vorkommen und für die Hormonsekretion und die Steuerung der Darmmotilität verantwortlich sind. Sie können ubiquitär im gesamten gastroenteropankreatischen (GEP) System auftreten und werden daher auch als gastroenteropankreatische neuroendokrine Neoplasien (GEP-NEN) bezeichnet. Sie sind mit einer Inzidenz von 5–7 Fällen pro 100.000 Einwoh-ner relativ seltene Tumoren und machen etwa 2% aller Tumoren des Gastrointestinal-trakts aus. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. In den letzten Jahrzehnten wurde eine steigende Inzidenz beobachtet, was am ehesten auf eine bessere Dia-gnostik und Früherkennung zurückzuführen ist [1]. Als häufigste Lokalisation des Pri-märtumors sind in Daten des Deutschen NET-Registers Pankreas und Jejunum/Ileum beschrieben, die zusammen etwa 60% aller GEP-NEN ausmachen. In etwa 15% der Fälle bleibt die Lokalisation des Primärtumors unbekannt [2].

Während der Großteil der GEP-NEN sporadisch entsteht, treten diese Tumoren gehäuft auch im Rahmen erblicher Tumorsyndrome wie der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN-1), dem Von-Hippel-Lindau-Syndrom und der Neurofibromatose auf [3].

Klinik

GEP-NEN sind heterogene Tumoren, die sich hinsichtlich ihres Ursprungsorts und des biologischen Verhaltens deutlich unterscheiden. Etwa ein Drittel der GEP-NEN ist hormonaktiv und verursacht Symptome, die durch das jeweilige sezernierte Hormon bestimmt werden, wie z. B. beim Karzinoidsyndrom oder Zollinger-Ellison-Syndrom (Tab. 1). Diese Gruppe wird auch als funktionelle GEP-NEN bezeichnet. Hormoninaktive (afunktionelle) GEP-NEN werden häufig als Zufallsbefund diagnostiziert oder verur-sachen als Raumforderungen unspezifische abdominale Beschwerden, die Anlass zur weiteren Diagnostik geben. Meist erfolgt die Diagnose erst in einem fortgeschritte-nen Stadium, wenn bereits Metastasen vorliegen [4].

Klinik funktioneller GEP-NEN

Tumor/Syndrom Hormon Symptome Lokalisation

Karzinoidsyndrom Serotonin Flush, Diarrhö, abdominale Schmerzen, Herzinsuffizienz (Hedinger-Syndrom)

meist Dünndarm

Zollinger-Ellison-Syndrom Gastrin Magen-/Duodenalulzera, Diarrhöen Duodenum, Pankreas

Insulinom Insulin Hypoglykämien Pankreas

Glukagonom Glukagon Erythem, Dermatitis, gestörte Glukosetoleranz

Pankreas

VIPom Vasoaktives Peptid Wässrige Diarrhöen, Hypokaliämie, Achlorhydrie, Azidose

Pankreas

Somatostatinom Somatostatin Steatorrhö, Diarrhö, gestörte Glukosetoleranz, Gallenstein

Pankreas, Dünndarm

Klassifikation

Das biologische Verhalten von GEP-NEN ist inhomogen und reicht von gut differen-zierten neuroendokrinen Tumoren (NET) mit langsamem Wachstum bis hin zu ge-ring oder undifferenzierten neuroendokrinen Karzinomen (NEC), die eine sehr

P NEN des Gastrointestinaltrakts sind seltene Tumoren mit steigender Inzidenz, die sowohl sporadisch als auch im Rahmen erblicher Tumor­syndrome auftreten können.

P Etwa ein Drittel der GEP­NEN ist hormonaktiv. Die Klinik wird hier vor allem durch die sezernierten Hormone bestimmt. Afunktionelle GEP­NEN verursachen in der Regel unspezifische Beschwerden.

Tab. 1

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hohe Proliferationsrate mit aggressivem Krankheitsverlauf und sehr eingeschränkter Prognose aufweisen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Be-zeichnung neuroendokrines Karzinom den letztgenannten NEN mit geringer Differen-zierung und hoher Proliferationsrate vorbehalten ist.

Die Grundlage für die histopathologische Einteilung der GEP-NEN bildet die WHO-Klassifikation für gastrointestinale NEN von 2010 und die für pankreatische NEN von 2017. Die Einteilung erfolgt hierbei anhand der Proliferationsrate, die mittels des Proli-ferationsmarkers Ki-67 als sogenannter Ki-67-Index immunhistochemisch bestimmt wird (Tab. 2). Zusätzlich erfolgt das klinische Staging anhand der TNM-Klassifikation. Staging und Grading korrelierten in zahlreichen Studien mit der Prognose und haben große Bedeutung für die Wahl der Therapie [5]. Bei den gastrointestinalen NEN sind klinisch und therapeutisch die gut bis mäßig differenzierten NET mit einer Proliferations-fraktion von bis zu 20% von den gering differenzierten NEC mit einer Proliferations-fraktion > 20% (G3) zu unterscheiden. Für pankreatische NEN wurde die WHO-Klassi-fikation 2017 geändert. Hier wird nun eine Gruppe von NEN gesondert berücksichtigt, die zwar einerseits eine Proliferationsfraktion von > 20% aufweist, andererseits jedoch gut bis mäßig differenziert ist. Diese NEN werden als NET G3 bezeichnet und unter-scheiden sich von NEC deutlich durch eine günstigere Prognose. Neben der erhalte-nen neuroendokrinen Differenzierung zeigen NET G3 meist einen Proliferationsindex bis etwa 50%, während NEC häufig einen höheren Ki-67-Index aufweisen. Ein klarer Grenzwert für den Proliferationsindex konnte bisher nicht definiert werden, sodass die Abgrenzung NET G3 versus NEC in der Zusammenschau aller histopathologischen und klinischen Befunde zu treffen ist.

Grading von gastrointestinalen NEN und pankreatischen NEN nach WHO-Klassifikation

Gastrointestinale NEN (WHO 2010) Ki-67 (%) Mitosen (10 HPF)

G1 ≤ 2 < 2

G2 3–20 2–20

NEC G3 > 20 > 20

Pankreatische NEN (WHO 2017) Ki-67 (%) Mitosen (10 HPF)

G1 < 3 < 2

G2 3–20 2–20

NET G3 > 20 < 20

NEC G3 > 20 > 20

Diagnostik

Labordiagnostik

Bei hormonaktiven NEN sollte zur diagnostischen Sicherung die Erhöhung des für die Symptomatik verantwortlichen Hormons nachgewiesen werden. So wird bei Verdacht auf ein Karzinoidsyndrom die 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) als Abbauprodukt des Serotonins im 24-Stunden-Sammelurin bestimmt. Da Serotonin auch in zahlreichen Nahrungsmitteln, wie z. B. Kaffee, Tee, Schokolade, Tomaten, Nüssen, Kiwi oder Bananen enthalten ist, sollten diese mindestens 72 Stunden vor Beginn der Urinsammlung nicht mehr verzehrt werden, um falsch-positive Ergebnisse zu vermeiden. Auch zahlreiche Medikamente, wie Paracetamol, L-DOPA, Chemotherapeutika und Heparin, können zu falsch-positiven oder falsch-negativen Ergebnissen führen und sollten rechtzeitig ab-gesetzt werden [6].

Ebenso kann die Hormondiagnostik beim Zollinger-Ellison-Syndrom mit Bestim-mung des Gastrins im Serum durch Medikamente gestört werden. So sollten Protonen-

P Das Grading der GEP­NEN erfolgt anhand der Proliferationsrate des Tumors, korreliert mit der Prognose und beeinflusst die Auswahl der Therapie.

Tab. 2

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pumpeninhibitoren vor der Diagnostik pausiert werden. Auch eine atrophe Gastritis kann zu falsch-hohen Gastrinwerten führen. Im Zweifel sollte ein Sekretinstimulations-test durchgeführt werden. Hierbei wird das Gastrin basal und nach Stimulation mit Sekretin bestimmt. Beim Zollinger-Ellison-Syndrom zeigt sich ein ausgeprägter An-stieg des Gastrinspiegels nach Sekretinstimulation.

Beim Insulinom erfolgt die diagnostische Sicherung mittels 72-Stunden-Fastentest. Durch die inadäquate Insulinauschüttung kommt es zur Hypoglykämie bei inadäquat hohen Insulinspiegeln.

Als allgemeiner Tumormarker für hormonaktive und hormoninaktive GEP-NEN kann das Chromogranin A (CgA) im Blut bestimmt werden. Er ist bei den meisten GEP-NEN erhöht und eignet sich in diesen Fällen zur Verlaufskontrolle. Unter der Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren werden allerdings falsch-hohe Werte gemessen. Daher müssen diese 2 Wochen vor Bestimmung des CgA abgesetzt werden. Auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz und Morbus Parkinson ist das CgA meist unspezifisch erhöht, sodass der Einsatz als Verlaufsparameter unter Berücksichtigung der beste-henden Medikation und von Vorerkrankungen erfolgen muss. Aus den genannten Gründen sollte das CgA nicht als Screeningparameter im Rahmen einer Vorsorge oder zur Tumorsuche verwendet werden. Die neuronenspezifische Enolase (NSE) ist bei 30–50% der Patienten mit GEP-NEN, insbesondere bei hochproliferativen Tumoren, erhöht und kann in diesen Fällen als Verlaufsparameter herangezogen werden [6].

Bildgebende Verfahren

Häufig fallen GEP-NEN im Rahmen einer Routineuntersuchung mittels Ultraschall, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) auf, die zur Abklä-rung meist unspezifischer Beschwerden veranlasst wurde. CT und MRT sind wie bei anderen Tumoren des Gastrointestinaltrakts mit hoher Sensitivität und Spezifität zum Staging von GEP-NEN geeignet. Insbesondere in der Diagnostik von Lebermetastasen und pankreatischen NEN ist die MRT der CT überlegen. Zur Beurteilung und diagnos-tischen Sicherung mittels Feinnadelpunktion pankreatischer NEN steht die Endosono-grafie zur Verfügung. Der transabdominale Ultraschall mit Punktion wird oft zur dia-gnostischen Sicherung von Lebermetastasen verwendet.

GEP-NEN weisen häufig eine starke Expression von Somatostatinrezeptoren auf, die Peptide mit einer dem Somatostatin ähnlichen Struktur binden können. Diese wichtige biologische Eigenschaft lässt sich sowohl diagnostisch als auch therapeutisch nutzen und bildet eine wichtige Grundlage zeitgemäßer Therapien der GEP-NEN. In entspre-chenden Zentren stehen nuklearmedizinische Verfahren wie die kombinierte Bildge-bung mittels Somatostatinrezeptor-Positronenemissionstomografie/CT (SSR-PET/CT) unter Verwendung von Radionuklid-markierten Somatostatinanaloga zur Verfügung. So ermöglicht insbesondere die 68Gallium-DOTATATE- oder 68Ga-DOTATOC-PET/CT die Lokalisation von Primärtumoren und Metastasen mit hoher Sensitivität und Spezifität. In einer prospektiven Vergleichsstudie zeigte sich für gastrointestinale NEN eine sig-nifikante Uberlegenheit für die 68Ga-DOTA-Peptid-PET/CT im Vergleich zur Octreotid-szintigrafie und zur CT/MRT, mit einer Sensitivität von 95,1%, 30,9% bzw. 45,3% [7]. Ins-besondere in der Diagnose von Knochenmetastasen zeigte sich eine signifikant höhere Sensitivität der SSR-PET/CT von 94,1% im Vergleich zu 12,4% von CT/MRT. Durch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoff-wechselkrankheiten (DGVS) und der European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS) wird daher der bevorzugte Einsatz der SSR-PET/CT zur Diagnostik von NET G1 und NET G2 empfohlen. Diese kann gegebenenfalls auch bei morphologisch gut differenzier-ten NET G3 sinnvoll sein, da diese Untergruppe trotz des höheren Proliferationsgrads häufig noch eine Expression der Somatostatinrezeptoren aufweist und sich hieraus eventuell therapeutische Konsequenzen ergeben können [8, 9]. Aufgrund der hohen Proliferation und der schlechten Differenzierung sollte bei NEC eine Glukose-basierte FDG-PET/CT durchgeführt werden.

P Chromogranin A kann als Tumor­marker für GEP­NEN im Blut nachge­wiesen werden. Bei höherproliferativen Tumoren ist häufig auch die neuronen­spezifische Enolase erhöht.

P Die Somatostatinrezeptor­Szinti­grafie wird in Leitlinien als beste Bildgebungsmodalität bei gut und mäßig differenzierten GEP­NEN emp­fohlen und hat therapeutisch prädik­tiven Wert für eine Peptidrezeptor­ Radiotherapie.

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Therapie

Chirurgie

Für die meisten GEP-NEN im lokalisierten Stadium und in limitiert metastasierter Situa-tion stellt die chirurgische Resektion nach onkologischen Gesichtspunkten die Therapie der Wahl in kurativer Absicht dar. Bei ausgewählten Patienten (z. B. kleine NEN des Magens vom Typ 1 des Rektums oder des Pankreas) kommen endoskopische Verfahren oder weniger radikale chirurgische Interventionen infrage [10]. Eine adjuvante Thera-pie nach erfolgreicher Resektion ist nach derzeitiger Studienlage nicht indiziert. Auch bei vorhandenen Fernmetastasen kann die Chirurgie des Primärtumors indiziert sein. Vor allem bei Dünndarm-NEN kann in ausgewählten Fällen die palliative Resektion des Primärtumors und regionaler Lymphknoten zur Reduktion von Komplikationen wie Ileus, Ischämie oder Blutung beitragen und trotz gleichzeitig bestehender Fern-metastasen zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens führen [11]. Darüber hinaus ermöglicht die palliative Resektion die Kontrolle von Symptomen funktioneller NEN, die mit medikamentöser Therapie nicht beherrschbar sind. Falls eine Therapie der Fern-metastasen mit Somatostatinanaloga vorgesehen ist, sollte im Rahmen der Resektion des Primärtumors auch eine Cholezystektomie erwogen werden, da Somatostatin-analoga die Bildung von Gallensteinen begünstigen können. Bei Resektion von Leber-metastasen sollte die vollständige Entfernung (R0) angestrebt werden, jedoch kann insbesondere bei symptomatischen Tumoren auch eine Reduktion der Tumormasse indiziert sein [8].

Lokal-ablative Therapie von Metastasen

Auch lokal-ablative Therapieverfahren können bei Patienten mit nicht-resektablen Lebermetastasen durch Reduktion der Tumorlast zur Symptomkontrolle und zur Ver-längerung des Uberlebens beitragen. Für die Chemoembolisation disseminierter Lebermetastasen wurden hohe klinische Ansprechraten mit einer Verbesserung des 5-Jahres-Uberlebens berichtet [12]. Somit stellt die Chemoembolisation vor allem bei fehlendem Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie bei leberdominantem Be-fall eine mögliche Therapieoption für ausgewählte Patienten dar. Als unerwünschte Nebenwirkungen wurden Schmerzen und Fieber im Rahmen eines Postembolisations-syndroms, Leberabszesse sowie in seltenen Fällen schwerwiegende Komplikationen wie Leberversagen beschrieben. Bei kleinen lokalisierten Tumorherden in der Leber führt die Radiofrequenzablation (RFA) zu einer guten lokalen Tumorkontrolle und kann als individuelle Therapieentscheidung sinnvoll in selektierten Fällen eingesetzt werden [8].

Medikamentöse Therapie

Für die Therapie von GEP-NEN stehen in der klinischen Praxis mittlerweile zahlreiche Präparate zur Verfügung, die in diesem Abschnitt dargestellt werden. Während Soma-tostatinanaloga in der Mehrzahl der Fälle in der Erstlinientherapie zum Einsatz kom-men, ist die Therapiesequenz in späteren Therapielinien nicht eindeutig definiert. Die Abbildungen 1 und 2 geben einen Uberblick über Therapieoptionen und Sequenz bei nicht-resektablen und insbesondere metastasierten pankreatischen und extra-pankreatischen NEN.

Somatostatinanaloga

Somatostatin, ein Peptidhormon mit antiproliferativer und inhibitorischer Wirkung auf die Freisetzung von Hormonen und Sekreten exokriner Drüsen im Magen-Darm-Trakt, vermittelt seine Wirkung durch Bindung an Somatostatinrezeptoren. Derzeit sind 5 Sub-typen dieser Rezeptorfamilie bekannt (SSTR1–5), wobei vor allem die Subtypen SSTR2 und SSTR5 mit einer Häufigkeit von 70–90% in GEP-NEN exprimiert werden. Insulinome und weniger gut differenzierte GEP-NEN zeigen allerdings eine niedrigere Expression. Somatostatin besitzt eine kurze Halbwertszeit, wird innerhalb weniger Minuten abge-

P Technisch resektable GEP­NEN sollten in der Regel chirurgisch entfernt werden. Debulking­ Operationen können bei sympto­matischen Patienten sinnvoll sein.

P Somatostatinanaloga sind die Therapie der ersten Wahl bei gut und mäßig differenzierten GEP­NEN.

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Therapiealgorithmus nicht-pankreatische NENSSA = Somatostatinanaloga, PRRT = Peptidrezeptor-Radiotherapie, PD = Progressive Disease

PD PD

PD PD

PD

Watch and wait oderSSA

Chemotherapie TEM/CapSTZ/5-FU

EverolimusSunitinib

NET G1/low G2hormoninaktiv

asymptomatischniedrige Tumorlast

(SSA)Everolimus

Sunitinib

Lokal-ablative Verfahren(Leberbefall

dominierend) PRRT

NET G2hormoninaktivsymptomatischhohe Tumorlast

NET G3

NEC G3 Cisplatin/Etoposid TEM/CapFOLFIRI/FOLFOX

PD

PD

PD

Watch and wait oderSSA

NET G1hormoninaktiv

asymptomatischniedrige Tumorlast

(SSA)PRRT

Everolimus

Lokal-ablative Therapie

(wenn Leber-metastasen

dominierend)

ZweitlinieFOLFIRI/FOLFOX

NET G1hormoninaktivsymptomatischhohe Tumorlast

NET G2

NEC G3

SSAggf. PRRT

(bei Remissionsdruck)

Cisplatin/Etoposid

Therapiealgorithmus pankreatische NENSSA = Somatostatinanaloga, TEM = Temozolomid, Cap = Capecitabin, STZ = Streptozocin, 5-FU = 5-Fluorouracil, PRRT = Peptidrezeptor-Radiotherapie, PD = Progressive Disease

PD PD

PD PD

PD

Watch and wait oderSSA

Chemotherapie TEM/CapSTZ/5-FU

EverolimusSunitinib

NET G1/low G2hormoninaktiv

asymptomatischniedrige Tumorlast

(SSA)Everolimus

Sunitinib

Lokal-ablative Verfahren(Leberbefall

dominierend) PRRT

NET G2hormoninaktivsymptomatischhohe Tumorlast

NET G3

NEC G3 Cisplatin/Etoposid TEM/CapFOLFIRI/FOLFOX

PD

PD

PD

Watch and wait oderSSA

NET G1hormoninaktiv

asymptomatischniedrige Tumorlast

(SSA)PRRT

Everolimus

Lokal-ablative Therapie

(wenn Leber-metastasen

dominierend)

ZweitlinieFOLFIRI/FOLFOX

NET G1hormoninaktivsymptomatischhohe Tumorlast

NET G2

NEC G3

SSAggf. PRRT

(bei Remissionsdruck)

Cisplatin/Etoposid

baut und ist daher pharmakologisch nicht nutzbar. Octreotid LAR und Lanreotid Autogel als synthetisch hergestellte Analoga in retardierter Depotform (long-acting release, LAR) binden vornehmlich an die Somatostatinrezeptoren SSTR2 und SSTR5. Aufgrund der langen Halbwertszeit müssen diese Präparate nur einmal monatlich verabreicht werden. Nebenwirkungen wie Diarrhö und Blähungen treten vor allem zu Beginn der Therapie auf, bessern sich aber bei längerfristiger Anwendung. Beide Substanzen be-sitzen eine gute antisekretorische Wirkung und sind daher die Therapie der ersten Wahl zur Symptomkontrolle bei hormonaktiven Tumoren [13].

Somatostatinanaloga wirken antiproliferativ auf gut und mäßig differenzierte (G1–G2) funktionelle und afunktionelle GEP-NEN. Im Rahmen der ersten randomisierten placebo-kontrollierten Phase-III-Studie (PROMID) wurde Octreotid LAR (30 mg alle 28 Tage) in gut differenzierten (G1) funktionellen und afunktionellen Dünndarm-NEN mit niedriger Proliferation (Ki-67-Index < 2%) untersucht [14]. Es zeigte sich eine signifikant verlänger-tes progressionsfreies Uberleben für Patienten mit Octreotid-Behandlung im Vergleich

Abb. 1

Abb. 2

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zur Placebogruppe (15,6 vs. 5,9 Monate). Vor allem Patienten mit einer niedrigen hepa-tischen Tumorlast (< 10%) und reseziertem Primärtumor schienen besonders von der Behandlung mit Octreotid LAR zu profitieren.

Lanreotid Autogel wurde ebenfalls im Rahmen einer prospektiven, randomisierten pla-cebokontrollierten Phase-III-Studie untersucht (CLARINET) [15]. Es wurden Patienten mit nicht-funktionellen, gut bis mäßig differenzierten, nicht resezierbaren oder metasta-tischen GEP-NEN G1/2 (Ki-67-Index bis 10%) eingeschlossen. Insgesamt wurden 204 Pa-tienten randomisiert, die entweder Lanreotid Autogel (n = 101) in einer Dosierung von 120 mg als subkutane Injektion alle 28 Tage oder Placebo (n = 103) erhielten. Die The-rapie mit Lanreotid Autogel führte zu einer signifikanten Reduktion des Risikos für einen Krankheitsprogress um mehr als 50% (p =0,0002; Hazard-Ratio [HR] = 0,47, 95% Konfidenzintervall: 0,30–0,73). Während in der Lanreotid-Gruppe das mediane progres-sionsfreie Uberleben nach 2 Jahren noch nicht erreicht war, lag dieses im Placeboarm bei 18 Monaten bei vergleichbarer Lebensqualität in beiden Studienarmen. Aufgrund des Crossover-Designs konnte, wie auch in der PROMID-Studie, eine Verlängerung des Gesamtüberlebens nicht nachgewiesen werden. Die positiven Daten der PROMID-Stu-die konnten somit bestätigt und die antiproliferative Wirkung von Somatostatinana-loga mit längerfristiger Stabilisierung der Tumorerkrankung konnte auch für afunktio-nelle NEN, pankreatische NEN und NEN mit G2-Differenzierung unterstrichen werden. Die Behandlung mit lang wirksamen Somatostatinanaloga kann daher bei hormonak-tiven und hormoninaktiven GEP-NEN G1 und G2 als antiproliferative Therapieoption der ersten Wahl angesehen werden.

Molekular zielgerichtete Therapien

Die mTOR-Kinase ist im PI3K/AKT/mTOR-Signalweg an der Regulation von Wachstum und Proliferation von NET beteiligt. Der mTOR-Inhibitor Everolimus wurde im Rahmen der RADIANT-3-Studie bei Patienten mit progredienten pankreatischen NEN untersucht. Diese prospektive, randomisierte Phase-III-Studie verglich Everolimus (10 mg täglich) mit Placebo und zeigte eine signifikante Verbesserung des medianen progressionsfreien Uberlebens (11,0 vs. 4,6 Monate, HR = 0,35; p<0,0001) durch Everolimus unabhängig vom Proliferationsindex, der hormonellen Aktivität oder einer Vorbehandlung mit Somato-statinanaloga oder Chemotherapie [16]. Während die RADIANT-3-Studie auf pankrea-tische NEN beschränkt war, konnte die RADIANT-4-Studie erstmals auch bei fortge-schrittenen, progredienten, nicht-funktionellen NEN des Intestinaltrakts, der Lunge und bei NEN mit unklarem Primarius einen antiproliferativen Effekt von Everolimus nach-weisen. Im Vergleich mit Placebo wurde das mediane progressionsfreie Uberleben durch Everolimus von 3,9 Monaten auf 11 Monate (HR = 0,48; p < 0,00001) verlängert [17]. Die Daten der RADIANT-Studien führten zur Zulassung von Everolimus für die Therapie von NEN des Intestinaltrakts und von pankreatischen NEN.

Mit dem Multi-Tyrosinkinaseinhibitor Sunitinib steht eine weitere Therapieoption zur Behandlung von pankreatischen NEN zur Verfügung. In einer prospektiven, randomi-sierten Phase-III-Studie ergab sich für Sunitinib (37,5 mg/Tag) im Vergleich zu Placebo ein signifikant längeres medianes progressionsfreies Uberleben von 11,4 Monaten versus 5,5 Monate (HR = 0,42; p < 0,001) und ein verbessertes Gesamtüberleben (HR = 0,41; p < 0,02) [18]. Für extrapankreatische NEN sollte Sunitinib außerhalb von klinischen Studien nicht verabreicht werden .

Peptidrezeptor-Radiotherapie (PRRT)

Für metastasierte GEP-NEN mit guter bis mäßiger Differenzierung (G1 und G2) steht mit der Peptidrezeptor-Radiotherapie eine weitere Therapieoption zur Verfügung. Hierbei werden radioaktiv markierte Somatostatinanaloga (z. B. 177Lutetium-DOTA-Octreotate) verabreicht, die an die Somatostatinrezeptoren der Tumorzellen binden und diese ge-zielt bestrahlen. Voraussetzung für die PRRT ist eine hohe Dichte von Somatostatin-rezeptoren im Tumorgewebe. Die Wirksamkeit der PRRT wurde im Rahmen einer multi-nationalen prospektiven, randomisierten Parallelgruppenstudie untersucht (NETTER 1). In dieser Studie wurden Patienten mit gut differenzierten NEN des Dünndarms und

P Mit Everolimus und Sunitinib stehen molekular zielgerichtete Substanzen zur Therapie von GEP­NEN zur Verfügung.

P Die PRRT steht bei Somatostatin­rezeptor­positiven GEP­NEN als Therapieoption zur Verfügung und kann bei höherer Tumorlast zur Reduktion der Tumormasse führen.

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Tumorprogress unter Octreotid LAR (30 mg/4 Wochen) entweder mit 4 Zyklen PRRT (je 7,4 GBq 177Lu-DOTATATE) oder einer verdoppelten Dosis von Octreotid LAR (60 mg/ 4 Wochen) behandelt. So konnte die PRRT das progressionsfreie Uberleben signifikant verbessern. Während das mediane progressionsfreie Uberleben in der PRRT-Gruppe zum Zeitpunkt der Publikation noch nicht erreicht war, betrug es in der Kontrollgruppe 8,4 Monate (HR = 0,24; p < 0,0001) [19]. Die für die Beurteilung des Gesamtüberlebens notwendige Zahl an Sterbefällen ist bislang nicht erreicht. Die bisherigen Daten lassen aber einen signifikanten Vorteil für die PRRT erwarten. Die Ergebnisse der NETTER-1- Studie haben zur Zulassung für 177Lu-Oxodotreotid zur PRRT bei Patienten mit nicht-resektablen oder metastasierten, progredienten, gut differenzierten (G1 und G2) Somatostatinrezeptor-positiven GEP-NEN bei Erwachsenen geführt. Obwohl in der NETTER-1-Studie nur NEN des Dünndarms untersucht wurden, erfolgte die Zulassung für alle progredienten GEP-NEN, auch wenn für diese bisher keine prospektiven, ran-domisierten Studiendaten vorliegen. Im Vergleich zu Somatostatinanaloga, die durch ihre antiproliferative Wirkung nur selten zur Reduktion der Tumormasse führen, bietet die PRRT durch eine höhere Ansprechrate eine Alternative, insbesondere bei rasch progredienten und symptomatischen GEP-NEN.

Chemotherapie

Hochdifferenzierte NEN von Dünndarm und Kolon und Rektum mit langsamem Wachs-tum sprechen in der Regel nicht auf Zytostatika an, weshalb eine Chemotherapie bei extrapankreatischen NEN in den Leitlinien nicht empfohlen wird [8]. Im Gegensatz dazu ist für pankreatische NEN in Studien ein gutes Ansprechen auf eine Kombina-tionschemotherapie mit Streptozocin und 5-Fluorouracil (5-FU) belegt [20]. In den Leitlinien von ENETS und DGVS wird daher eine Streptozocin-basierte Therapie als erste Wahl bei progredienten, symptomatischen oder höherproliferativen NEN des Pankreas empfohlen. In der klinischen Praxis wird diese jedoch nicht an allen Zentren durchgeführt, da die intravenöse Applikation an 5 aufeinanderfolgenden Tagen recht aufwendig ist und mit der oral einzunehmenden Kombination aus dem Alkylans Temo-zolomid und dem Fluoropyrimidin Capecitabin eine wirksame, in den Leitlinien eben-falls empfohlene Alternative zur Verfügung steht. Auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurden im letzten Jahr Daten der ersten prospek-tiven randomisierten Studie zur Wirksamkeit von Temozolomid und Capecitabin prä-sentiert. Im Vergleich zur alleinigen Therapie mit Temozolomid zeigte sich für die Kombinationstherapie eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Uberle-bens von 14,4 auf 22,7 Monate (HR = 0,58; p = 0,023). Das mediane Gesamtüberleben für Temozolomid allein betrug 38 Monate, während der Median für die Kombinations-therapie nach 50 Monaten noch nicht erreicht war [21]. Temozolomid ist bislang for-mal nicht für die Therapie von NEN zugelassen, wird jedoch aufgrund der vorliegen-den Daten in der klinischen Praxis immer häufiger eingesetzt.

Niedrig differenzierte, hochproliferative NEC (G3) sind in der Regel Chemotherapie-sen-sibel. Nach initialem Ansprechen zeigen diese Tumoren jedoch häufig einen raschen Pro-gress und haben daher eine sehr schlechte Prognose mit einem 2-Jahres-Uberleben von nur 14%. Die Kombinationschemotherapie mit Cisplatin oder Carboplatin und Etoposid wird als Standardtherapie bei extrapulmonalen metastasierten NEC G3 un-abhängig von der Primärtumorlokalisation eingesetzt. In einer großen, retrospektiven Kohorte zeigten sich für die Kombinationstherapie aus Platinderivat und Etoposid eine Ansprechrate von 31% und eine Krankheitskontrollrate von 64%. Das mediane Gesamt-überleben lag bei 11 Monaten [22]. Für die Zweitlinientherapie liegen keine belastbaren Daten vor. Gewöhnlich erfolgen Therapieversuche mit FOLFOX, FOLFIRI oder Taxanen. Der Einsatz von Temozolomid und Capecitabin bei gastroenteropankreatischen NEC wird derzeit im Rahmen einer klinischen Phase-II-Studie im Vergleich mit Cisplatin/Carboplatin und Etoposid untersucht und könnte ggf. zukünftig eine Therapiealterna-tive darstellen. (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02595424)

P Hochproliferative GEP­NEN und insbesondere neuroendokrine Karzinome sollten in der Regel zytostatisch behandelt werden.

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Fazit für die Praxis

Neuroendokrine Neoplasien des gastroenteropankreatischen Systems (GEP-NEN) sind eine heterogene Gruppe von Tumoren, die sich in ihrem biologischen Verhalten und der jeweiligen Therapie deutlich unterscheiden.

Die Behandlung von gut und mäßig differenzierten NEN des Gastrointestinaltrakts hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich gewandelt. Mittlerweile stehen zahlreiche wirksame Therapieoptionen zur Verfügung, die entscheidend zur Verbesserung von Symptom-kontrolle und Prognose beitragen. Insbesondere Somatostatinanaloga ermöglichen eine gut verträgliche Therapie mit häufig längerfristiger Stabilisierung der Erkrankung. Bei Therapieversagen stehen mit zielgerichteten Substanzen, der Peptidrezeptor-Radio-therapie und gegebenenfalls Chemotherapie weitere wirksame Optionen zur Verfügung.

Schlecht differenzierte neuroendokrine Karzinome haben dagegen auch weiterhin eine sehr schlechte Prognose und sprechen meist nur kurzfristig auf Zytostatika an.

Aufgrund der relativ niedrigen Inzidenz und der hohen Heterogenität sollten GEP-NEN interdisziplinär an spezialisierten Zentren behandelt werden, um Patienten das volle Spektrum der bestehenden Therapieoptionen und im Bedarfsfall die Teilnahme an klinischen Studien zu ermöglichen.

InteressenkonflikteVortragshonorare/Kongress-Reisekostenunterstützung durch Novartis Oncology GmbH und Ipsen Pharma GmbH. Redaktionelle Arbeit für die Falk Foundation e.V.

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Zu empfehlende Literatur

1 Dasari A, Shen C, Halperin D, Zhao B, Zhou S, Xu Y, et al. Trends in the incidence, prevalence, and survival outcomes in patients with neuroendocrine tumors in the United States. JAMA Oncol. 2017;3(10):1335–42.

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3 Öberg K. The genetics of neuroendocrine tumors. Semin Oncol. 2013;40(1):37–44.

4 Fottner C, Weber MM. Neuroendokrine Neoplasien des Gastrointestinaltrakts. Klassifikation, Klinik und Diagnose. Internist. 2012;53(2):131–44.

5 Pape UF, Jann H, Müller-Nordhorn J, Bockelbrink A, Berndt U, Willich SN, et al. Prognostic relevance of a novel TNM classification system for upper gastroenteropancreatic neuroendocrine tumors. Cancer. 2008;113(2):256–65.

6 Oberg K, Couvelard A, Delle Fave G, Gross D, Grossman A, Jensen RT, et al. ENETS Consensus Guidelines for Standard of Care in Neuroendocrine Tumours: Biochemical Markers. Neuroendocrinology. 2017;105(3):201–11.

7 Sadowski SM, Neychev V, Millo C, Shih J, Nilubol N, Herscovitch P, et al. Prospective study of 68Ga-DOTATATE positron emission tomography/computed tomography for detecting gastro-entero-pancreatic neuroendocrine tumors and unknown primary sites. J Clin Oncol. 2016;34(6):588–96.

8 Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS); Rinke A, Wiedenmann B, Auernhammer C, Bartenstein P, Bartsch DK, et al. S2k-Leitlinie Neuroendokrine Tumore. Z Gastroenterol. 2018;56(6):583–681.

9 Sundin A, Arnold R, Baudin E, Cwikla JB, Eriksson B, Fanti S, et al. ENETS Consensus Guidelines for the Standards of Care in Neuroendocrine Tumors: Radiological, Nuclear Medicine & Hybrid Imaging. Neuroendocrinology. 2017;105(3):212–44.

10 Fendrich V, Bartsch DK. Surgical treatment of gastrointestinal neuroendocrine tumors. Langenbecks Arch Surg. 2011;396(3):299–311.

11 Norlén O, Stålberg P, Öberg K, Eriksson J, Hedberg J, Hessman O, et al. Long-term results of surgery for small intestinal neuroendocrine tumors at a tertiary referral center. World J Surg. 2012;36(6):1419–31.

12 Del Prete M, Fiore F, Modica R, Marotta V, Marciello F, Ramundo V, et al. Hepatic arterial embolization in patients with neuroendocrine tumors. J Exp Clin Cancer Res. 2014;33(1):43.

Literatur

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13 Modlin IM, Kidd M, Drozdov I, Siddique ZL, Gustafsson BI. Pharmacotherapy of neuroendocrine cancers. Expert Opin Pharmacother. 2008;9(15):2617–26.

14 Rinke A, Müller HH, Schade-Brittinger C, Klose KJ, Barth P, Wied M, et al. Placebo-controlled, double-blind, prospective, randomized study on the effect of octreotide LAR in the control of tumor growth in patients with metastatic neuroendocrine midgut tumors: a report from the PROMID Study Group. J Clin Oncol. 2009;27(28):4656–63.

15 Caplin ME, Pavel M, Ćwikła JB, Phan AT, Raderer M, Sedláčková E, et al. Lanreotide in metastatic enteropancreatic neuroendocrine tumors. N Engl J Med. 2014;371(3):224–33.

16 Yao JC, Shah MH, Ito T, Bohas CL, Wolin EM, Van Cutsem E, et al. Everolimus for advanced pancreatic neuroendocrine tumors. N Engl J Med. 2011;364(6):514–23.

17 Yao JC, Fazio N, Singh S, Buzzoni R, Carnaghi C, Wolin E, et al. Everolimus for the treatment of advanced, non-functional neuroendocrine tumours of the lung or gastrointestinal tract (RADIANT-4): A randomised, placebo-controlled, phase 3 study. Lancet. 2016;387(10022):968–77.

18 Raymond E, Dahan L, Raoul JL, Bang YJ, Borbath I, Lombard-Bohas C, et al. Sunitinib malate for the treatment of pancreatic neuroendocrine tumors. N Engl J Med. 2011;364(6):501–13.

19 Strosberg J, El-Haddad G, Wolin E, Hendifar A, Yao J, Chasen B, et al. Phase 3 trial of 177Lu-Dotatate for midgut neuroendocrine tumors. N Engl J Med. 2017;376(2):125–35.

20 Moertel CG, Hanley JA, Johnson LA. Streptozocin alone compared with streptozocin plus fluorouracil in the treatment of advanced islet-cell carcinoma. N Engl J Med. 1980;303(21):1189–94.

21 Kunz PL, Catalano PJ, Nimeiri H, Fisher GA, Longacre TA, Suarez CJ, et al. A randomized study of temozolomide or temozolomide and capecitabine in patients with advanced pancreatic neuroendocrine tumors: A trial of the ECOG-ACRIN Cancer Research Group (E2211). J Clin Oncol. 2018;36(15, Suppl):4004.

22 Sorbye H, Welin S, Langer SW, Vestermark LW, Holt N, Osterlund P, et al. Predictive and prognostic factors for treatment and survival in 305 patients with advanced gastrointestinal neuroendocrine carcinoma (WHO G3): The NORDIC NEC study. Ann Oncol. 2013;24(1):152–60.

Literatur

Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.

Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragenbeantwortung unter

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Pankreas

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Fragen zur Diagnostik und Therapie neuroendokriner Neoplasien (NEN) des Gastrointestinaltrakts

Frage 1:Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

E Die Ursache für die Entstehung von NEN ist in den meisten Fällen ein hereditäres Tumorsyndrom

E In den letzten Jahrzehnten wurde für NEN eine steigende Inzidenz beobachtet, was vor allem auf eine Verbesserung der Diagnostik zurückzuführen ist

E Frauen sind weitaus häufiger betroffen als MännerE Die Erstdiagnose für NEN wird meist im Jugendalter gestelltE NEN entstehen aus Epithelzellen des Magen-Darm-Trakts

Frage 2:Welche Aussage zur Klassifikation von NEN ist richtig?

E Gut differenzierte, niedrigproliferative NEN werden auch als neuroendokrine Karzinome (NEC) bezeichnet

E Als Proliferationsmarker wird das Protein Ki-67 genutzt, das in allen aktiven Phasen des Zellzyklus gebildet wird

E Das proliferationsbasierte Grading korreliert nicht mit der PrognoseE Bisher existiert keine WHO-Klassifikation für NENE Die Mehrheit der NEN sezerniert Hormone und verursacht somit hormonspezifische

Symptome

Frage 3:Welche Aussage zur Diagnostik von NEN trifft nicht zu?

E Bei hochproliferativen, schlecht differenzierten NEC kann eine FDG-PET/CT als Bildgebung zur Ausbreitungsdiagnostik erfolgen

E Das Karzinoidsyndrom wird durch eine hohe Sekretion von Gastrin verursachtE VIPome sind sehr seltene hormonaktive neuroendokrine NeoplasienE Die Somatostatinrezeptor-PET/CT nutzt die erhöhte Expression von Somatostatin-

rezeptoren auf neuroendokrinen Tumoren (NET) zur funktionellen DiagnostikE In der Diagnostik von Lebermetastasen und pankreatischen NEN ist die MRT

der CT überlegen

Frage :Welche Aussage zum diagnostischen Vorgehen bei Hormon-syndromen ist falsch?

E Bei Verdacht auf ein Karzinoidsyndrom wird vorzugsweise der 5-Hydroxyindol-essigsäure (5-HIES)-Wert im 24-Stunden-Sammelurin bestimmt

E Bestimmte Lebensmittel (z. B. Kaffee, Nüsse, viele Früchte) und Medikamente können die Aussagekraft des 5-HIES-Werts verfälschen

E Das Vorliegen eines Insulinoms wird über einen Fastentest über 72 Stunden oder bis zum Nachweis einer Hypoglykämie bestätigt

E Chromogranin A ist bei fast allen NET im Serum erhöht und eignet sich dadurch zur Verlaufskontrolle

E Liegt ein klinisches Bild durch einen funktionell aktiven Tumor vor, so ist eine alleinige biochemische Diagnostik zur Abklärung ausreichend

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Pankreas

Frage 5:Welche Aussage zur operativen Therapie von NEN ist richtig?

EE Wenn möglich sollte die komplette Resektion von operablen NEN angestrebt werden

EE Nach Resektion sollte eine adjuvante Chemotherapie erfolgenEE Eine palliative Debulking-Operation sollte auch bei symptomatischen Tumoren

nicht erfolgenEE Endoskopische Therapieverfahren sollten auch bei kleinen NET des Magen-

Darm-Trakts nicht angewendet werdenEE Lokal-ablative Verfahren haben in der Therapie von NET und Metastasen keinen

Stellenwert

Frage 6:Welche therapeutische Maßnahme wird bei G1/G2-NEN zur Symptomkontrolle am häufigsten verwendet?

EE Peptidrezeptor-Radiotherapie (PRRT)EE Interferon-α EE Therapie mit Somatostatinanaloga EE Zielgerichtete Therapien (z. B. Sunitinib oder Everolimus)EE Chemotherapie

Frage 7:Welche Aussage zur Therapie mit Somatostatinanaloga ist richtig?

EE Sie zeichnen sich durch eine hohe Ansprechrate mit einer deutlichen Reduktion der Tumormasse aus

EE Sie sind bei allen NET unabhängig von Differenzierung und Proliferationsrate wirksam

EE Sie sollten nicht als Erstlinientherapie eingesetzt werdenEE Sie werden als Depotpräparate einmal monatlich verabreichtEE Sie sind bei hormonaktiven NEN nicht wirksam

Frage 8:Welche Aussage zu neuroendokrinen Karzinomen (NEC) trifft zu?

EE Zum Zeitpunkt der Diagnose sind die meisten NEC auf das Ursprungsorgan beschränkt und können reseziert werden

EE Die PRRT kann bei allen metastasierten NEC angewendet werdenEE Durch neue Therapieoptionen hat sich die Prognose in den letzten Jahren

entscheidend verbessertEE Die Chemotherapie ist die Therapie der ersten Wahl bei metastasierten NECEE Für die Zweitlinientherapie sind durch klinische Studien zahlreiche weitere

Chemotherapien etabliert

Frage 9:Welche Aussage zu NET G3 des Pankreas trifft nicht zu?

EE Sie werden durch die WHO-Klassifikation 2017 erstmals von den NEC des Pankreas unterschieden

EE Trotz erhöhtem Proliferationsindex weisen diese Tumoren eine bessere Differenzierung als NEC auf

EE Es wurde eine eindeutige Proliferationsrate von 35% zur Abgrenzung von NEC definiert

EE Sie haben im Vergleich zu NEC eine deutlich günstigere PrognoseEE Durch Leitlinien wird für metastasierte NET G3 des Pankreas eine Chemotherapie

mit 5-Fluorouracil/Streptozotocin oder Temozolomid/Capecitabin empfohlen

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Pankreas

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Frage 10:Welche Aussage zur Diagnostik von NEN trifft nicht zu?

EE Die Somatostatinrezeptor-PET/CT ist der Octreotid-Szintigrafie hinsichtlich Sensititvität und Spezifität signifikant überlegen

EE Die neuronenspezifische Enolase (NSE) ist der sensitivste Tumormarker bei niedrigproliferativen NEN

EE Der Tumormarker Chromogranin A wird unter Einnahme von Protonenpumpen-inhibitoren häufig falsch-hoch gemessen

EE Zu den Leitsymptomen des Karzinoidsyndroms zählen unspezifische Symptome, wie z. B. Diarrhö, krampfartige Bauchschmerzen und anfallartige Gesichtsrötungen (Flush)

EE Die Lokalisation des Primärtumors ist für die Therapieentscheidung ein wichtiger Faktor