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46 dachbau magazin 5-6 | 2015 in Dach soll in allererster Li- nie das Gebäude vor Witterungseinflüssen schützen. Zugleich dient es aber auch zur schnellen Ableitung von Regenwasser. Bei Flachdächern wird die Entwässerung durch die DIN EN 12056-3 „Schwerkraſtentwäs- serungsanlagen innerhalb von Gebäuden“, die DIN 1986-100 „Entwässerungsanla- gen für Gebäude und Grundstücke“ sowie durch die Flachdachrichtlinien des ZVDH geregelt. Dort hat es vor einiger Zeit wichti- ge Änderungen gegeben, die für die Arbeit von Dachdeckern und Planern von ent- scheidender Bedeutung sind. Schadensfälle vermeiden Bei der Planung und Berechnung von Ent- wässerungsanlagen für Flachdächer ist zunächst zu unterscheiden, ob eine Re- genrückhaltung vorgesehen ist oder nicht. Diese ist beispielsweise bei Gründächern üblich, um die Bepflanzung mit Wasser zu Technik im Detail FLACHDACH Über mir die Sintflut? Bei der Entwässerung von Flachdächern gibt es viele Punkte zu beachten. Die Dimensionierung einer Anlage ergibt sich aus dem mittleren Regenereignis und dem Jahrhundertregen am Standort. Text: Klaus Kranz | Fotos: FDT E Ungehinderter Abfluss vom Dach: Eine Entwässerungsanlage muss so geplant werden, dass weder Überlastungen noch Überflutungen auftreten können

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in Dach soll in allererster Li-nie das Gebäude vor Witterungseinflüssen schützen. Zugleich dient es aber auch zur schnellen Ableitung von Regenwasser. Bei Flachdächern wird die Entwässerung durch die DIN EN 12056-3 „Schwerkraftentwäs-serungsanlagen innerhalb von Gebäuden“, die DIN  1986-100 „Entwässerungsanla-gen für Gebäude und Grundstücke“ sowie durch die Flachdachrichtlinien des ZVDH geregelt. Dort hat es vor einiger Zeit wichti-ge Änderungen gegeben, die für die Arbeit von Dachdeckern und Planern von ent-scheidender Bedeutung sind.

Schadensfälle vermeidenBei der Planung und Berechnung von Ent-wässerungsanlagen für Flachdächer ist zunächst zu unterscheiden, ob eine Re-genrückhaltung vorgesehen ist oder nicht. Diese ist beispielsweise bei Gründächern üblich, um die Bepflanzung mit Wasser zu

Technik im Detail

FL ACHDACH

Über mir die Sintflut?Bei der Entwässerung von Flachdächern gibt es viele Punkte zu beachten. Die Dimensionierung einer Anlage ergibt sich aus dem mittleren Regenereignis und dem Jahrhundertregen am Standort.Text: Klaus Kranz | Fotos: FDT

E ▴ Ungehinderter Abfluss vom Dach: Eine Entwässerungsanlage muss so geplant werden, dass weder Überlastungen noch Überflutungen auftreten können

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genwasserabfluss bezeichnete Wert in Litern pro Sekunde. Zur Ermittlung dieses Wertes werden sogenannte mittlere Regenereignisse herangezogen. Diese setzen sich aus den Fak-toren Regendauer und jährliches Auftreten zusammen. Ein mittleres Regenereignis hat nach DIN 1986-100 eine Dauer von fünf Mi-nuten und eine jährliche Häufigkeit von min-destens einmal in fünf Jahren (r 5,5). Angege-ben wird dieser Bemessungsregen in Litern pro Sekunde und Hektar. Ein zweiter Wert,

der ebenfalls für die Berechnung der Dimen-sionierung wichtig ist, ist der sogenannte Jahrhundertregen. Dieses Regen ereignis tritt einmal in 100 Jahren auf und hat ebenfalls eine Dauer von 5 Minuten (r 5,100).

Bei beiden Angaben handelt es sich lo-gischerweise um statistische Werte. Da sie standortbezogen sind, kann man sie bei den örtlichen Behörden oder beim Deutschen Wetterdienst erfragen. Außerdem werden in der DIN 1986-100 im Anhang A, Tabel-le  A.1 auszugsweise die Werte für einige größere Städte aufgeführt.

Wesentliche NeuerungenDas mittlere Regenereignis als standortbe-zogene Berechnungsgrundlage löst damit die pauschale Bemessung ab. Notabläufe oder Notüberläufe müssen bei Flachdä-chern in Leichtbauweise mit Brüstung und bei nicht vorhandenen vorgehängten Rin-nen eingeplant werden. Nur bei Dächern mit planmäßiger Überflutung/Regenrück-haltung können diese Notüberläufe entfal-len. Die dann zu erwartende Überflutungs-höhe muss aber unbedingt rechnerisch ermittelt und mit dem Tragwerksplaner möglichst frühzeitig abgestimmt werden.

Im Hinblick auf den Jahrhundertregen muss bei einer Dachfläche mit innen lie-gender Entwässerung mindestens ein Not- überlauf mit freiem Abfluss über die Fas-sade angeordnet werden. Ist dies durch

versorgen; aber auch mit bekiesten Dächern erreicht man bereits eine rückhaltende Wir-kung. Die anfallenden Wassermassen wer-den hierdurch verzögert abgeleitet, was bei der Berechnung der Entwässerungsanlage in Form eines sogenannten Abminderungs-faktors berücksichtigt wird.

Eine Entwässerungsanlage muss so ge-plant werden, dass weder Überlastungen noch Überflutungen auftreten können. Eine Überlastung tritt dann ein, wenn die Menge an abfließendem Regenwasser das System überfordert: Das Wasser kann dann nicht schnell genug abfließen und tritt unter Umständen in tief liegende Öffnungen ein. Von einer Überflutung spricht man, wenn das Regenwasser aufgrund eines Rückstaus fast gar nicht mehr abfließen kann. In die-sem Fall bleibt das Wasser auf der Abdich-tungsebene unzulässig hoch stehen und kann dabei unter Umständen zur Über-beanspruchung der Gebäudestatik führen. Daraus resultiert, dass das Entwässerungs-system so dimensioniert werden muss, dass die beschriebenen Fälle gar nicht erst auf-treten können.

Zwei RegenereignisseGrundlage für die Berechnung der Dimen-sionierung von Entwässerungsanlagen ist die Menge des anfallenden Niederschlags bezogen auf den jeweiligen Standort des Gebäudes. Angegeben wird dieser als Re-

▴ Notentwässerung über die Fassade beim Shed- dach. Im Kiesbett liegt der »normale« Ablauf

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Technik im Detail

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angrenzende Gebäude oder andere konst-ruktive Gegebenheiten nicht möglich, muss die Notüberlauffunktion mit einem zusätz-lichen Leitungssystem mit freiem Auslauf auf das Grundstück sichergestellt werden.

Weiterhin macht die überarbeitete Nor-mung keinen Unterschied mehr zwischen Dachflächen mit kleiner/gleich oder mehr als 3 Grad Dachneigung: Weisen die Dach-flächen überhaupt keine Neigung auf, sind die Abläufe an den Stellen mit maximaler

Durchbiegung vorzusehen. Zudem muss der Dachdecker bei der Anordnung der Abläufe berücksichtigen, dass diese einen Mindestabstand von 30 cm zu aufgehenden Bauteilen haben – maßgeblich ist dabei der äußere Rand des Flansches.

Planung beim NeubauBei einem Neubau stellt die fachgerechte Planung, Dimensionierung und Ausfüh-rung eines regelgerechten Entwässerungs-systems in der Regel kein Problem dar. Bei der Berechnung der erforderlichen Anzahl

an Dachabläufen sollte hier die jeweils auf den Gully bezogene Anstauhöhe angesetzt werden. Bei einem Gully mit DN 100 be-trägt diese zum Beispiel maximal 35 mm. Damit wird die Höhe angegeben, die das Regenwasser bei einem mittleren Regen- ereignis maximal über dem Gullyflansch stehen darf.

Üblicherweise teilt man die Gesamt-menge des anfallenden Wassers durch die Abflussleistung der geplanten Gullys und

ermittelt so die notwendige An-zahl an Abläu-fen. Kommt bei dieser simplen Division als Er-

gebnis beispielsweise 14,1 heraus, muss entweder auf 15 Stück aufgerundet oder die Anstauhöhe so weit erhöht werden (hier auf 37 mm), dass 14 Gullys ausrei-chend sind. Diese Erhöhung führt jedoch bei der Planung der Notentwässerung zu einer Reduktion der Überlaufhöhe. Des Weiteren schreibt die Norm eine Halbie-rung der Überlaufhöhe vor, wenn die Not-abläufe/Notüberläufe weiter als 20 m aus-einander liegen, wie es zum Beispiel bei einer Kehllänge von > 20 m mit stirnseitig angeordneten Notüberläufen der Fall ist.

Der geforderte Notablauf mit freiem Ab-fluss über die Fassade wird von einigen Pla-nern gern vermieden, da dies aus ihrer Sicht einen optischen Eingriff in das Gesamtbild des Gebäudes darstellt. Dies ist jedoch keine fachgerechte Planung und Ausführung und verstößt damit gegen geltendes Baurecht. Einige Hersteller von Entwässerungskom-ponenten bieten hier Lösungen an, die die erforderliche Schlitzbreite reduzieren.

Planung bei der SanierungKomplexer wird die Aufgabe bei der Dachsanierung, denn hier muss auch die Entwässerung dem Stand der Technik an-gepasst werden. Zwar ist davon auszugehen, dass im Regelfall die ehemalige pauschale Bemessung von 300 l/sha völlig ausreichend ist, jedoch muss dieser Wert nun mit dem standortbezogenen Bemessungsregen abge-glichen werden. So liegen die in Tabelle A.1 der DIN  1986-100 angegebenen Werte  – zum Beispiel für die Orte Berlin, München und Stuttgart – deutlich über dem vormali-gen Pauschalwert. Sollte der standortbezo-gene Wert tatsächlich höher liegen, ist das Entwässerungssystem anzupassen.

Nur in den seltensten Fällen finden sich auf alten Flachdächern ausreichend dimen-sionierte Notüberläufe für den Jahrhundert-

»Sanierungen erfordern die Anpassung der Entwässerung an den Stand der Technik.«

▴ Der Notablauf mit freiem Abfluss über die Fassade wird von einigen Planern gerne vermieden, weil sie eine optische Beeinträchtigung des Gebäudes befürchten – unser Bild führt den Gegenbeweis

▴ Der Notablauf im Detail: Die geringe Schlitz- breite sorgt für eine harmonische Fassade

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regen. Ihre nachträgliche Anordnung ist oft mit großem Aufwand verbunden. Zudem gilt, dass für jeden in sich abgeschlossenen Dachbereich, bei einem Sheddach also je Ablaufrinne, mindestens ein Notüberlauf angeordnet werden muss.

Kostenloser ServiceMit der Überarbeitung der Normen und Richtlinien für die Bemessung von Entwäs-serungssystemen für Flachdächer wird vor allem dem standortbezogenen tatsächli-chen Regenereignis sowie einem möglichen Jahrhundertregen Rechnung getragen. Ihre planerische Berücksichtigung vermeidet Schäden durch eine Überlastung oder gar Überflutung des Entwässerungssystems bis hin zur Überlastung der Statik. Einige Ab-dichtungshersteller bieten die fachgerech-te Bemessung der Entwässerungsanlagen als kostenfreie Serviceleistung an. Deshalb sollte ihre Beachtung trotz des Eingriffs in gestalterische Aspekte eines Bauwerks im Planungsalltag zum Standard werden. ■

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▾ Entwässerungsplan mit Angabe

der Gefällerichtung, der Gullys sowie

der Notentwässerung über die Fassade

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