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Fourieranalysis und Anwendungen,Signaltheorie
PD Dr. S. Bernstein
10. Juli 2009
Inhaltsverzeichnis
1 Fourierreihen 41.1 Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.1.1 Periodische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.1.2 Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.1.3 Asymptotisches Verhalten der Fourierkoeffizienten . . . . . . . . 161.1.4 Glattheit und Abklingverhalten von f . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2 Distributionen 192.1 Definition und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.2 Differentation von Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.3 Konvergenz von Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.3.1 Periodische Distributionen und Fourierreihen . . . . . . . . . . . 25
3 Fourier-Transformation 283.1 Darstellung von Funktionen durch harmonische Schwingungen . . . . . 343.2 Rechnen mit der Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.2.1 Differenzierbarkeit und Glattheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413.2.2 Faltung im Zeitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.3 Fourier-Transformation quadratisch integrierbarer Funktionen . . . . . . 453.3.1 Parsevalsche Gleichung und Multiplikationssatz . . . . . . . . . . 45
3.4 Diskrete Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473.5 MP3-Player . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513.6 Diskrete Approximation oder Aliasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533.7 Abtastsatz von Shannon, Sampling Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.7.1 Gibbs Phanomen und Glattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583.7.2 Abtastsatz von Shannon, Sampling Theorem . . . . . . . . . . . . 593.7.3 Heisenbergsche Unscharferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.8 Die gefensterte Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4 Wavelets 68
2
Inhaltsverzeichnis
4.1 Kontinuierliche Wavelets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694.1.1 Wie kann man Wavelets konstruieren? . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.2 Haar-Wavelets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714.2.1 Haar-Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714.2.2 Die schnelle Haar-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.3 Multiskalen-Analyse (MSA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3
KAPITEL 1
Fourierreihen
1.1 Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.1.1 Periodische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.1.2 Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.1.3 Asymptotisches Verhalten der Fourierkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . 16
1.1.4 Glattheit und Abklingverhalten von f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.1 Signale
Die physikalische Reprasentation eines akustischen Ereignisses oder der zu ubertragendenInformation nennt man ein Signal. Schallsignale, elektrische, elektromagnetische, digi-tale, ... Signale konnen mit Methoden der Signaltheorie beschrieben werden. Schallsi-gnale konnen wie folgt klassifiziert werden:
Wahrnehmung Technische Beschreibung
Tonhohe (Grund-)frequenz
Lautstarke Amplitude
Klangfarbe Signalform
Die Signalform kann
regelmaßig,sich wiederholend
oder unregelmaßig,unstrukturiert
periodisch oder aperiodisch
4
1 Fourierreihen
sein. Als Analyse-Methode fur Signale verwendet man in vielen Fallen die sogenannteFrequenzanalyse. Fur eine große Klasse von Signalen kann die Frequenzanlyse mit Hil-fe von sogenannten Sinusoiden (Adjektiv sinusoidal). Ein Sinusoid ist eine sinusformi-ge Funktion, die aus der Sinusfunktion durch Skalierung von Amplitude und Frequenzsowie Phasenverschiebung gebildet wird:
x (t) = A sin (ωt+ ϕ) .
Darin ist
• A die Skalierung der Amplitude,
• ω die Skalierung der Kreisfrequenz und
• ϕ die Phasenverschiebung.
Neben dem Sinus ist der Cosinus mit cos (t) = sin (t+ π/2) ebenfalls ein Sinusoid,die anderen trigonometrischen Funktionen jedoch nicht. Da sin(ωt + π
2 ) = cos(ωt) ist,kann man den Sinus als das Sinusoid mit der Phase Null und den Kosinus als dasSinusoid mit der Phase π
2 betrachten. Allerdings betrachtet man in vielen Fallen denKosinus als Sinusoid mit der Phase Null. Man beachte, welche Definition verwandtwird.
5
1 Fourierreihen
Beispiel 1:
Amplitude A=3
Peaks Peak-to-Peakist gleich 2A
Periodenlänge TT = 2π/ω = 1/f
f = 2,5 ... Frequenz, φ = π/4 ... Phasenverschiebung ω = 2π 2,5 ... Kreisfrequenz, T = 0,4
x(t)= 3 sin(2π 2,5t+π/4) = A sin (2πft + φ)
Berechnung der Periodenlange T :
3 sin(
2π · 2, 5t+π
4
)= 3 sin
(2π · 2, 5t+
π
4+ 2π
)= 3 sin
(2π · 2, 5
(t+
12, 5
)+π
4
),
x(t) = x
(t+
12, 5
), T =
12, 5
= 0, 4.
Summen von Sinusoiden sind z.B.
x(t) = A1 sin t+A2 sin(
4t+π
3
)+A3 sin
(8t+
π
2
).
6
1 Fourierreihen
Beispielplots vonx(t) = A1 sin t+A2 sin
(4t+
π
3
)fur A1 = 0, 5, A2 = 1, (schwarz) A1 = 1, A2 = 0, 5 (blau) und A1 = A2 = 1 (rot):
Als Frequenzanalyse bezeichnet man die Untersuchung des Spektrums des Signals.
7
1 Fourierreihen
Das Amplitudenspektrum stellt die Abhangigkeit zwischen Amplitude und (Kreis)Frequenzher:
Beispiel 2:
x(t) = 0, 5 · sin(1 · t) + 1 · sin(
4 · t+π
3
)+ 0, 5 · sin
(8 · t+
π
2
).
0 2 4 6 8
1
0,5
Am
plitu
d e
(Kreis)Frequenz in rad/s
In analoger Weise kann man das Phasenspektrum, d.h. die Phase in Abhangigkeit vonder (Kreis)Frequenz darstellen:
Beispiel 3:
x(t) = 0, 5 · sin(1 · t) + 1 · sin(
4 · t+π
3
)+ 0, 5 · sin
(8 · t+
π
2
).
0 2 4 6 8
90
60
Pha
se in
Gra
d
(Kreis)Frequenz in rad/s
8
1 Fourierreihen
1.1.1 Periodische Funktionen
Definition 1: Eine Funktion f : R→ R (oder auch f : R→ C) heißt periodisch mitder Periode T (oder auch T-periodisch), falls fur alle t ∈ R gilt f(t+ T ) = f(t).
Beispiel 4: sin t, cos t, eit = cos t+ i sin t, ak cos(kt) + bk sin(kt) sind alle 2π-periodischeFunktionen.
Bemerkung 1: 1. Sind f(t) und g(t) T -periodisch, so ist auchαf(t)+βg(t) T -periodisch.
2. Ist f(t) eine T -periodische Funktion, so wird diese durch die Substitution
x :=2πTt
in eine 2π-periodische Funktion
f(x) := f
(T
2πx
), x ∈ R,
transformiert.
3. Ist f(t) T -periodisch und integrierbar, so gilt fur beliebige a ∈ R :∫ T
0f(t) dt =
∫ T+a
af(t) dt.
1.1.2 Fourier-Reihen
Definition 2: Eine Reihe der Form
f(t) =a0
2+∞∑k=1
[ak cos(kωt) + bk sin(kωt)] =∞∑
k=−∞ck e
i k ω t
mit ak, bk ∈ R bzw. ck ∈ C heißt trigonometrische Reihe. Dabei sei ω = 2πT > 0.
Die zugehorigen Partialsummen
fn(t) =a0
2+
n∑k=1
[ak cos(kωt) + bk sin(kωt)] =n∑
k=−nck e
i k ω t
heißen trigonometrische Polynome.
9
1 Fourierreihen
Durch Umformung erhalt man fur die Partialsummen:
fn(t) =a0
2+
n∑k=1
[ak cos(kωt) + bk sin(kωt)]
=a0
2+
n∑k=1
[ak2
(eikωt + e−ikωt
)+bk2i
(eikωt − e−ikωt
)]
=a0
2+
n∑k=1
[ak − ibk
2eikωt +
ak + ibk2
e−ikωt]
=n∑
k=−ncke
ikωt.
Folglich gilt fur k = 0, 1, 2, . . .
c0 = 12a0, ck = 1
2(ak − ibk), c−k = 12(ak + ibk),
a0 = 2c0, ak = ck + c−k, bk = i(ck − c−k).
Man beachte, dass damit noch nichts uber die Konvergenz der Reihe ausgesagt wird!!
Definition 3: Die Folge (ck)k∈Z der Fourierkoeffizienten einer periodischen Funkti-on f wird als diskretes Spektrum von f bezeichnet. Fur periodische, reelle Signalef : R→ R ist dann wegen ck = c−k das Betragsspektrum (|ck|)k∈Z symmetrisch.
. -3ω
0 -2ω
0 ω
0 0 ω
0 2ω
0 3ω
0 4ω
0
|c4|
|c3|
|c2|
|c1|
|c0|
|c-1|
|c-2|
|c-3|
Wegen an = cn + c−n, bn = i(cn − c−n) ist
An =√a2n + b2n =
√4cnc−n = 2|cn|
10
1 Fourierreihen
die Amplitude der n-ten Oberschwingung von
|c0|+∞∑k=1
2|ck| cos(kω0t+ arg (ck)).
Die Folge (2|ck|)k∈Z heißt Amplitudenspektrum, die Folge (arg (ck))k∈Z Phasenspek-trum und c0 = a0
2 ist der Gleichanteil.
Definition 4: Eine Funktion f : [a, b]→ C heißt stuckweise stetig bzw. stuckweisestetig differenzierbar, falls f(t) bis auf endlich viele Stellen t0 < t1 < . . . < tm in[a, b] stetig bzw. stetig differenzierbar ist und in den Ausnahmepunkten die einsei-tigen Grenzwerte von f(t−) bzw. f(t+) und f ′(t) existieren. (Es sind Sprungstellenerlaubt, aber keine Polstellen.)
Definition 5: Fourier-Reihe.
1. Fur eine stuckweise stetige Funktion f : [0, T ] → C werden die Fourier-Koeffizienten von f(t) definiert durch
ck :=1T
∫ T
0f(t) e−ikωt dt, k ∈ Z, bzw. (1.1)
ak :=2T
∫ T
0f(t) cos(kωt) dt, bk :=
2T
∫ T
0f(t) sin(kωt) dt, k ∈ N0. (1.2)
2. Die mit den obigen Koeffizienten gebildete Reihe
Ff (t) =a0
2+∞∑k=1
[ak cos(kωt) + bk sin(kωt)] =∞∑
k=−∞ck e
i k ω t
heißt Fourier-Reihe von f(t).
Dabei ist ω = 2πT die Kreisfrequenz.
Beispiel 5: Sagezahlfunktion.
S(t) :=
0, t = 0, t = 2π,
12(π − t), 0 < t < 2π.
Anschließend wird S(t) periodisch fortgesetzt.
11
1 Fourierreihen
Da S(t) eine ungerade Funktion ist, gilt
ak :=1π
∫ 2π
0
12(π − t) cos(kt) dt = 0 (gilt immer fur ungerade Funktionen)
und
bk :=1π
∫ 2π
0
12(π − t) sin(kt) dt =
2π
∫ π
0
12(π − t) sin(kt) dt
=∫ π
0sin(kt) dt− 1
π
∫ π
0t sin(kt) dt
= −1k
cos(kt)∣∣∣∣π0
− 1π
− tk
cos(kt)∣∣∣∣π0
+1k
∫ π
0cos(kt) dt︸ ︷︷ ︸
= −1
kcos(kπ) +
1k
+1k
cos(kπ) + 0 =1k
Damit ist FS(t) =∞∑k=1
sin(kt)k .
12
1 Fourierreihen
Rechenregeln.
• Sei f(t) eine stuckweise stetige, T -periodische, gerade Funktion, dann gilt
ak =4T
∫ T2
0f(t) cos(kωt) dt, bk = 0.
• Sei f(t) eine stuckweise stetige, T -periodische, ungerade Funktion, dann gilt
ak = 0, bk =4T
∫ T2
0f(t) sin(kωt) dt.
• Ableitung: Ist f(t) stetig und stuckweise stetig differenzierbar, so gilt:
f ′(t) ∼∞∑
k=−∞(ikωck)eikωt =
∞∑k=1
(kω)(bk cos(kωt)− ak sin(kωt)).
• Integration. Gilt a0 = c0 =T∫0
f(t) dt = 0, so gilt:
∫ t
0f(τ) dτ ∼ − 1
T
∫ T
0t f(t) dt−
∞∑k=1
[bkkω
cos(kωt)− akkω
sin(kωt)].
(Berechnung der Koeffizienten nach Formel (1.1) mittels partieller Integrati-
on, wobei u(t) =t∫
0
f(τ) dτ und v′(t) = e−ikωt ist.)
Beispiel 6: Die Funktion
f(t) =∞∑k=1
cos(kt)k2
ist stetig und stuckweise stetig differenzierbar. Gliedweise Differentation ergibt dieSagezahnreihe −S(t).
Bemerkung 2: Gliedweise Differentation von Fourierreihen unstetiger Funktionen fuhrti. Allg. auf divergente Reihen. Zum Beispiel ergibt die gliedweise Differentation derSagezahnreihe
f(t) =∞∑k=1
sin(kt)k
eine Reihe, die an keiner Stelle mehr konvergiert.
13
1 Fourierreihen
Beispiel 7: Die Sagezahnreihe
f(t) =∞∑k=1
sin(kt)k
besitzt einen verschwindenden Gleichanteil. Integration von 0 bis t ergibt die 2π-periodischeFunktion
F (t) =∫ t
0f(x)dx =
π2
6−∞∑k=1
cos(kt)k2
.
Fur 0 ≤ t ≤ 2π ist F (t) = 2πt−t24 .
Was passiert an den Unstetigkeitsstellen von f(t)??
Beispiel 8: Rechteckschwingung.
R(t) =
0, t = 0, t = π, t = 2π,
1, 0 < t < π,
−1, π < t < 2π
Wiederum ist R(t) eine ungerade Funktion und somit
ak = 0, k = 0, 1, 2, . . . , und
bk =2π
∫ π
0sin(kt) dt =
0, k gerade,
4kπ , k ungerade.
Man erhalt also
R(t) ∼ 4π
(sin t
1+
sin(3t)3
+sin(5t)
5+ . . .
).
Die Reihensumme fur t = kπ, k ∈ Z, ist offensichtlich Null!
Was hat die Fourier-Reihe mit der Funktion zu tun??
14
1 Fourierreihen
Satz 1: Konvergenzsatz. Sei f : R → C T -periodisch und stuckweise stetig diffe-renzierbar. Dann gelten folgende Konvergenzaussagen fur die zugehorige Fourier-Reihe:
Ff (t) =a0
2+∞∑k=1
[ak cos(kωt) + bk sin(kωt)] .
1. Die Reihe konvergiert punktweise fur alle t ∈ R und es gilt
Ff (t) =
f(t), f ist stetig in t,
12(f(t+ 0) + f(t− 0)), f ist unstetig in t.
2. In allen beschrankten und abgeschlossenen Intervallen [a, b], in denen f(t)stetig ist, ist die Konvergenz gleichmaßig.
3. In allen Unstetigkeitsstellen uberschwingen die Partialsummen
Sn(t) =a0
2+
n∑k=1
[ak cos(kωt) + bk sin(kωt)]
fur große n den Sprung um ca. 17,89 %. (Gibbs-Phanomen)
Bemerkung 3: Fourier selbst glaubte, dass sich jedes periodische Signal als Fourier-Reihe darstellen lasst, dem ist aber nicht so! Das erste konkrete Beispiel einer stetigenFunktion f, deren Fourier-Reihe bei x = 0 divergiert, wurde von DuBois-Reymond ge-geben. Diese Funktion hat die Gestalt f(x) = A(x) sin(ω(x)x) mit geeigneten A(x)→ 0und ω(x)→∞ fur x→∞.Allerdings lasst sich die stuckweise stetige Differenzierbarkeit zu sogenannten Dirichlet-Bedingungen abschwachen. Ein periodisches Signal lasst sich als Fourierreihe darstel-len, wenn es die Dirichlet-Bedingungen erfullt:
• x(t) ist absolut integrierbar uber eine Periodenlange; d.h.∫ a+T
a|x(t)| dt <∞ fur jedes a ∈ R.
• x(t) besitzt nur endlich viele Maxima und Minima uber einem Periodenintervall,
• x(t) hat nur endlich viele Unstetigkeitsstellen uber einem Periodenintervall.
Bemerkung 4: Verschwinden des Gibbs-Phanomens bei Fejerschen Mitteln.
15
1 Fourierreihen
1. Ist f eine stetige periodische Funktion, dann konvergieren die arithmetischen Mittel
1N + 1
(S0 + S1 + . . . SN )
der Partialsummen Sn, gleichmaßig gegen f.2. Wenn die Fourierreihe einer stuckweise stetigen periodischen Funktion f an einerStelle t0 uberhaupt konvergiert, dann konvergiert sie dort gegen 1
2(f(t0+) + f(t0−)).Benutzt man die Fejerschen arithmetischen Mittel zur Approximation einer stuckwei-sen stetig differenzierbaren periodischen Funktion, so tritt das Gibbs Phanomen nichtauf.Schreibt man die arithmetischen Mittel der Partialsummen in der Form
1N + 1
(S0 + S1 + . . . SN ) =N∑
k=−N
(1− |k|
N + 1
)cke
ikωt,
so sieht man deutlich eine schwachere Gewichtung der hoherfrequenten Anteile.
1.1.3 Asymptotisches Verhalten derFourierkoeffizienten
Satz 2: Bessel-Ungleichung Fur die Koeffizienten der Fourierreihe der Funktion fgilt
|a0|2
4+
12
∞∑k=1
(|ak|2 + |bk|2) =∞∑
k=−∞|ck|2 ≤
1T
∫ T
0|f(t)|2 dt.
Fur die Partialsumme SN (t) der Fourierreihe gilt
1T
∫ T
0f(t)SN (t) dt =
N∑k=−N
ck1T
∫ T
0f(t)e−ikωt dt =
N∑k=−N
ckck =N∑
k=−N|ck|2.
Wegen ∫ T
0eiωkte−iωlt dt =
0, k 6= l,
T, k = l
folgt
1T
∫ T
0SN (t)SN (t) dt =
N∑k=−N
|ck|2.
16
1 Fourierreihen
Damit ist
0 ≤ 1T
∫ T
0|f(t)− SN (t)|2 dt =
1T
∫ T
0|f(t)|2 dt−
N∑k=−N
|ck|2.
Hieraus folgt die Bessel-Ungleichung durch GrenzubergangN →∞.Außerdem ist
|ak|2+|bk|2 = (ck+c−k)(ck+c−k)+i(ck−c−k)(−i)(ck−c−k) = 2ckck+2c−kc−k = 2(|ck|2+|c−k|2).
Folgerungen:
• Die Fourierkoeffizienten von f sind quadratisch summierbar.
• Riemann-Lebesgue-Lemma Fur die Fourierkoeffizienten gilt
limk→∞
ak = limk→∞
bk = lim|k|→∞
|ck|2 = 0.
• Man kann zeigen, dass nicht nur die Besselsche Ungleichung, sondern die Parse-valsche Gleichung gilt, d.h.
|a0|2
4+
12
∞∑k=1
(|ak|2 + |bk|2) =∞∑
k=−∞|ck|2 =
1T
∫ T
0|f(t)|2 dt.
1.1.4 Glattheit und Abklingverhalten von f
Satz 3: Sind f, f ′, . . . , f (m) stetig auf R und f (m) stuckweise stetig differenzierbar,dann gibt es eine Konstante M > 0 mit
|ck| ≤M
|k|m+1.
Ist andererseits∞∑
k=−∞|k|m|ck| <∞, so ist f m-mal stetig differenzierbar.
Beweisidee: Fur die Fourierkoeffizienten ck, c′k, . . . , cm von f, f ′, . . . f (m) gilt
c(m+1)k = ikωc
(m)k = . . . = (ikω)mck.
17
1 Fourierreihen
Folgerung:Gilt fur die Fourierkoeffizienten ck von f
lim|k|→∞
|k|m|ck| = 0 fur alle m ∈ N,
dann ist f beliebig oft differenzierbar.Fur beliebigem ist dann namlich die Folge (|k|m+2|ck|)k∈Z beschrankt und es gilt
∞∑k=−∞
|k|m|ck| =∞∑
k=−∞, k 6=0
|k|m+2
|k|2|ck| ≤M
∞∑k=−∞, k 6=0
1k2
<∞.
Beispiel 9:
f(t) =
t(π + t), −pi ≤ t ≤ 0,
t(π − t), 0 ≤ t ≤ π
besitzt eine stuckweise stetige erste und auch zweite Ableitung. Die Fourierreihe lautet
f(t) =8π
(sin(t)
12+
sin(3t)32
+sin(5t)
52+ . . .
),
also gilt
|ak| = |ck| ≤8π
1k2, also m = 2.
Dagegen ist g(t) = t2 fur −π ≤ t ≤ π und 2π-periodisch fortgesetzt stuckweise stetigabernicht stetig differenzierbar. Die Fourierreihe lautet
g(t) =π2
3− 4
(cos(t)
12− cos(2t)
22+
cos(3t)32
± . . .)
und es gilt, dass die Reihe
∞∑k=−∞
|k||ck|2 =∞∑k=1
|k| 1k2
=∞∑k=1
1k
ist nicht konvergent.
18
KAPITEL 2
Distributionen
2.1 Definition und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.2 Differentation von Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.3 Konvergenz von Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.3.1 Periodische Distributionen und Fourierreihen . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.1 Definition und Beispiele
Definition 6: Die Menge D aller Funktionen ϕ : R → R, die beliebig oft differen-zierbar sind und außerhalb eines (von ϕ abhangigen) beschrankten Intervalls [a, b]identisch verschwinden, wird als Raum der Testfunktionen bezeichnet.Der Trager von ϕ ist die Abschließung von t ∈ R : ϕ(t) 6= 0.
Bemerkung 5: Die Testfunktionen besitzen folglich einen kompakten Trager.Offensichtlich bilden die Testfunktionen einen Vektorraum.
19
2 Distributionen
Definition 7: Eine Folge ϕnn∈N von Testfunktionen konvergiert gegen ϕ in D,wenn alls ϕn und ϕ gemeinsam außerhalb eines geeigneten Intervalls verschwin-den, und wenn außerdem die ϕn gleichmaßig gegen ϕ und alle Ableitungen ϕ
(k)n
gleichmaßig gegen die Ableitung ϕ(k), k ∈ N, konvergieren. Mit anderen Worten,wenn fur alle n ∈ N und ein geeignetes r > 0 gilt
ϕn(t) = ϕ(t) = 0 fur |t| > r,
und wenn fur alle k ∈ N0 gilt
supt∈R
∣∣∣ϕ(k)n (t)− ϕ(k)(t)
∣∣∣→ 0 fur n→∞
Beispiel 10:
ϕ(t) =
c e−1/(1−t2) fur |t| < 1,
0 fur |t| ≥ 1,
ist beliebig oft differenzierbar und verschwindet fur |t| ≥ 1.Die Folge 1
nϕ konvergiert in D gegen die Nullfunktion.
Beispiel 11: Dagegen konvergiert die Folge ψn mit
ψ(t) =1nϕ
(t
n
)=
cn e−n2/(n2−t2) fur |t| < n,
0 fur |t| ≥ n,
und alle ihre Ableitungen auch gleichmaßig gegen die Nullfunktion, aber diese Folgekonvergiert nicht im Sinne von D, weil es kein gemeinsames beschranktes Intervall gibt,welches die Trager aller ϕn enthalt.
Definition 8: Eine Distribution oder verallgemeinerte Funktion T ist eine linearestetige Abbildung T : D → R, d.h., fur a, b ∈ R, ϕ1, ϕ2 ∈ D und ϕ = limϕn in Dgelten T (aϕ1 + bϕ2) = aT (ϕ1) + bt(ϕ2) und T (ϕ) = limn→∞ T (ϕn). Die Menge allerDistributionen wird mit D′ bezeichnet.
Beispiel 12: Delta-Funktional
δ(ϕ) = 〈δ, ϕ〉 = ϕ(0) fur alle ϕ ∈ D′.
Beispiel 13: Jede lokal-integrierbare Funktion f (d.h., f und |f | sind integrierbar auf
20
2 Distributionen
jedem beschrankten Intervall) kann als Distribution Tf aufgefasst werden:
Tf (ϕ) = 〈f, ϕ〉 =∫ ∞−∞
f(t)ϕ(t) dt ϕ ∈ D.
Beweis: Wir mussen zeigen, dass auf diese Weise ein stetiges und lineares Funktionaluber D definiert ist. Die Linearitat folgt aus der Linearitat des Integrals. Es sei ϕ derGrenzwert von ϕn in D und [a, b] ein abgeschlossenes Intervall, dass den Trager allerϕn enthalt, so gilt
|Tf (ϕn)− T − f(ϕ)| ≤ maxt∈[a,b]
|ϕn(t)− ϕ(t)|∫ b
a|f(t)| dt→ 0, fur n→∞.
Bemerkung 6: Die Distributionen, die lokal integrierbare Funktionen sind, nennt manregular. Distributionen, die keine lokal integrierbaren Funktionen sind, wie das Delta-Funktional, nennt man singular.
Bemerkung 7: Die regularen Distributionen ”suggerieren“ eine entsprechende Darstel-lung fur das Delta-Funktional:
〈δ, ϕ〉 =∫ ∞−∞
δ(x)ϕ(x) dx = ϕ(0).
2.2 Differentation von Distributionen
Definition 9: Die Ableitung einer Distribution T ist definiert durch
T (ϕ) = 〈T , ϕ〉 = −T (ϕ′) = 〈−T, ϕ′〉
Dies folgt aus der Formel der partiellen Integration.
Beispiel 14: Es sei
σ(t) =
0 fur t < 0,12 fur t = 0,
1 fur t > 0.
Dann gilt
〈Tσ, ϕ〉 = 〈σ, ϕ′〉 = −〈σ, ϕ′〉 = −∫ ∞
0ϕ′(t) dt = ϕ(0) = 〈δ, ϕ〉,
d.h. σ = δ in D′.
21
2 Distributionen
Andert man σ(t) im Nullpunkt zu H(t), so hat dies keinen Einfluss auf die Integralevon σ(t) und H(t), also stellen σ und H dieselbe Distribution dar, d.h. Tσ = TH .
Bemerkung 8: Aus dem Beispiel folgt, dass H = δ gilt, dies schreibt man haufig auchals ∫ t
−∞δ(τ) dτ = H(t).
Lemma 1: Wie man leicht nachvollzieht gilt:
1. D′ ist ein Vektorraum,
2. Fur T ∈ D′ und eine beliebig oft differenzierbare Funktion f ist auch dasProdukt f ·T, definiert durch 〈f ·T, ϕ〉 = 〈T, f ·ϕ〉 fur ϕ ∈ D, eine Distribution.
Bemerkung 9: Das Produkt T · G zweier Distributionen T und G ist i. Allg. nichtdefiniert.
Bemerkung 10: Fasst man eine lokal integrierbare Funktion als Distribution auf, sokann man sie ohne jede Einschrankung differenzieren. Diese Ableitung heißt deshalbverallgemeinerte Ableitung. Es gilt
〈Tf , ϕ〉 = 〈f , ϕ〉 = −∫ ∞−∞
f(t)ϕ′(t) dt =∫ ∞−∞
f ′(t)ϕ(t) dt = 〈f ′, ϕ〉 = 〈Tf ′ , ϕ〉.
Das bedeutet, dass die Ableitung einer (regularen) Distribution gleich der verallgemei-nerten Ableitung der lokal integrierbaren Funktion gleich der Ableitung (im klassi-schen Sinne) der Funktion ist, so die Funktion differenzierbar ist.
Beispiel 15: Fur beliebig oft differenzierbares f ergibt sich die folgende wichtige Regel:
f(t)δ(t− t0) = f(t0)δ(t− t0),
da fur eine beliebige Testfunktion ϕ gilt
〈f(t)δ(t− t0), ϕ(t)〉 = 〈δ(t− t0), f(t)ϕ(t)〉= f(t0)ϕ(t0) = 〈f(t0)δ(t− t0), ϕ(t)〉
Was passiert in ”Knicken“ oder ”Sprungen“?
22
2 Distributionen
Beispiel 16: Gegeben sei die Funktion
f(t) =
0 fur t < 0,
at fur 0 ≤ t < t0,at02 fur t = t0,
0 fur t > t0.
Wir stellen f(t) zunachst als Distribution dar:
f(t) = at(σ(t)−σ(t−t0)) mit σ(t) =
0 fur t < 0,12 fur t = 0,
1 fur t > 0.
und σ(t−t0) =
0 fur t < t0,12 fur t = t0,
1 fur t > t0.
Nach den Differentationsregeln fur Distributionen und mit σ(t) = δ(t) ergibt sich
f(t) = a(σ(t)− σ(t− t0)) + at(σ(t)− σ(t− t0))
= a(σ(t)− σ(t− t0)) + a · 0 · δ(t)− at0δ(t− t0).
at0
t0 t0
a
. . .f(t) f(t)
.
Hieraus kann man leicht die folgende Regel ablesen:
Hat eine Funktion f(t) bei t0 einen ”Knick“, bei t1 einen ”Sprung“, und ist an-sonsten differenzierbar, so entsteht bei der verallgemeinerten Ableitung f(t) beit0 ein Sprung von f ′(t0 − 0) auf f ′(t0 + 0) und bei t1 eine δ-Impuls der Starkef(t1 + 0)− f(t1 − 0).
23
2 Distributionen
2.3 Konvergenz von Distributionen
Definition 10: Eine Folge von Distributionen Tnn∈N (bzw. fur eine FamilieTλλ∈R) konvergiert gegen eine Distribution T (bzw. Tλ0), wenn fur alle ϕ ∈ Dgilt, dass lim
n→∞〈Tn, ϕ〉 = 〈T, ϕ〉 (bzw. lim
λ→λ0
〈Tλ, ϕ〉 = 〈Tλ0 , ϕ〉) ist.
Bemerkung 11: Der Raum D′ ist vollstandig, d.h. zu jeder Cauchy-Folge von Distribu-tionen existiert eine Distribution als Grenzwert.
Beispiel 17: Es sei f(t) eine beliebige integrierbare Funktion und fn(t) = nf(nt), n ∈N. Dann konnen diese integrierbaren Funktionen als Distributionen aufgefasst werdenund der Grenzwert der Folge ist ein Vielfaches des Delta-Funktionals. Insbesondere ist
der Grenzwert das Delta-Funktional, wenn∞∫−∞
f(t) dt = 1 ist, da
∫ ∞−∞
fn(t)ϕ(t) dt =∫ ∞−∞
nf(nt)ϕ(t) dt =∫ ∞−∞
f(x)ϕ(x/n) dx
und wegen |f(x)ϕ(x/n)| ≤ |f(x)| maxx∈R|ϕ(x)| folgt mit Vertauschung von Integration
und Limesbildung
limn→∞
∫ ∞−∞
fn(t)ϕ(t) dt =∫ ∞−∞
f(x) limn→∞
ϕ(x/n) dx = ϕ(0) = 〈δ, ϕ〉.
Beispiel 18: Wir betrachten die Funktionenfolge
fn(t) = n sin(nt)H(t), n ∈ N.
Anschaulich ist nicht offensichtlich, ob die Folge in irgendeinem Sinn konvergiert. Furϕ ∈ D sieht man mittels partieller Integration:∫ ∞−∞
fn(t)ϕ(t) dt =∫ ∞
0n sin(nt)ϕ(t) dt = − cos(nt)ϕ(t)|∞0 +
∫ ∞0
cos(nt)ϕ′(t) dt
= ϕ(0) +1n
sin(nt)ϕ′(t)∣∣∣∣∞0
− 1n
∫ ∞0
sin(nt)ϕ′′(t) dt→ ϕ(0), n→∞,
d.h. fn → δ. Dagegen strebt die Folge n cos(nt)H(t) gegen die Nulldistribution.
Beispiel 19: Fur die Funktionen sin(nt)πt , n ∈ N, und ϕ ∈ D gilt∫ ∞
−∞
sin(nt)πt
ϕ(t) dt =∫ ∞−∞
sin(nt)ϕ(t)− ϕ(0)
πtdt+ ϕ(0)
∫ ∞−∞
sin(nt)πt
ϕ(t) dt.
24
2 Distributionen
Das letzte Integral ergibt Eins. Da ϕ stetig differenzierbar ist, ist ϕ(t)−ϕ(0)πt stetig, be-
schrankt mit beschranktem Trager. Dann kann aber das Integral als Fourierkoeffizientbn einer periodischen Funktion aufgefasst werden und nach dem Riemann-Lebesgue-Lemma gilt bn → 0 fur n→∞. Deshalb ist im Sinne der Distributionen:
limn→∞
sin(nt)πt
= δ(t).
Aus 12π
∫ n−n e
iωt dω = sin(nt)πt folgt
limn→∞
12π
∫ n
−neiωt dω = δ(t).
2.3.1 Periodische Distributionen und Fourierreihen
Fur p > 0 bezeichnet man eine Distribution T aus D′ als p-periodisch, wenn fur allek ∈ Z gilt
T (t+ kp) = T (t),
d.h. fur ϕ ∈ D ist 〈T (t+ kp), ϕ(t)〉 = 〈T (t), ϕ(t− kp)〉 = 〈T, ϕ〉.
Satz 4: Jede trigonometrische Reihe∑∞
k=−∞ ck eikt, deren Koeffizienten ck nicht
schneller wachsen als eine Potenz von |k|, d.h. limk→∞ |k|−n|ck| = 0 fur geeignetesn ∈ N, konvergiert distributionell gegen eine 2π-periodische Distribution.
Beweis: Fur hinreichend großes n ist die Reihe
∞∑k=−∞, k 6=0
ck(ik)n
eikt
konvergent, stellt also eine stetige, 2π-periodische Funktion f dar. Mit der n-ten verall-gemeinerten Ableitung f (n) von f folgt dann
S(t) =∞∑
k=−∞ck e
ikt = c0 + f (n).
Da fur ϕ ∈ D und k ∈ Z stets gilt∫ ∞−∞
eiktϕ(t) dt =∫ ∞−∞
eiktϕ(t+ 2kπ),
ist S(T ) eine 2π-periodische Distribution. #
25
2 Distributionen
Beispiel 20: Die 2π-periodischen Dirichlet-Kerne
Dn(t) =n∑
k=−neikt
konvergieren fur kein t ∈ R. Trotzdem gilt
Satz 5: Die Dirichlet-Kerne konvergieren distributionell gegen die 2π-periodischeDistribution
T (t) =∞∑
k=−∞eikt = 2π
∞∑k=−∞
δ(t− 2πk).
Beweis: Es gilt
Dn(t) =n∑
k=−neikt = cos(−nt) + i sin(−nt) + . . . cos(−t) + i sin(−t) + 1
+ cos t+ i sin t+ . . . cos(nt) + i sin(nt) = 1 + 2n∑k=1
cos(kt) = 1 + 2n∑k=1
d
dt
sin(kt)k
und∞∑k=1
sin(kt)k
=
(π−t)
2 , 0 < t < 2π,
0, t = 0,
stellt die Sagezahnkurve S(t), S(t+ 2kπ) = S(t) dar.Es ist folglich S(t) = −1
2 + π∑∞
k=−∞ δ(t− 2kπ) und wir erhalten
Dn(t) =n∑
k=−neikt = 1+2
n∑k=1
cos(kt)→ 1+2
(−1
2+ π
∞∑k=−∞
δ(t− 2kπ)
)= 2π
∞∑k=−∞
δ(t−2kπ)
in D′. #
2π
-4π -2π 0 2π 4π 6π 8π
Impulskamm:
26
2 Distributionen
Satz 6: Fur p-periodische Impulsfolgen (p > 0, ω = 2πp ) gelten entsprechend
∞∑k=−∞
δ(t− kp) =1p
∞∑k=−∞
eikωt und
∞∑k=−∞
δ(t− kp) =1p
∞∑k=−∞
ikωeikωt.
Beispiel 21: Impulsmethode zur Berechnung von Fourierkoeffizienten.
27
KAPITEL 3
Fourier-Transformation
3.1 Darstellung von Funktionen durch harmonische Schwingungen . . . . . . . 34
3.2 Rechnen mit der Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.2.1 Differenzierbarkeit und Glattheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.2.2 Faltung im Zeitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.3 Fourier-Transformation quadratisch integrierbarer Funktionen . . . . . . . . 45
3.3.1 Parsevalsche Gleichung und Multiplikationssatz . . . . . . . . . . . . . . . 45
3.4 Diskrete Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3.5 MP3-Player . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3.6 Diskrete Approximation oder Aliasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
3.7 Abtastsatz von Shannon, Sampling Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.7.1 Gibbs Phanomen und Glattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.7.2 Abtastsatz von Shannon, Sampling Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
3.7.3 Heisenbergsche Unscharferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.8 Die gefensterte Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
28
3 Fourier-Transformation
Es sei f eine reellwertige Funktion, die auf jedem beschrankten Intervall stuckweisestetig differenzierbar ist. Dann besitzt f auf
(−T
2 ,T2
), T > 0, eine Darstellung als Fou-
rierreihe mit der Mittelwerteigenschaft:
f(t− 0) + f(t+ 0)2
=∞∑
k=−∞ck e
2π iktT , ck =
1T
∫ T2
−T2
f(s) e−2π iksT ds.
Setzt man nun ∆ω = 2πT und definieren
f(k∆ω) =∫ T
2
−T2
f(s) e−is(k∆ω) ds = ckT.
Setzt man das in die Fourierreihendarstellung von f ein, so ergibt sich
f(t− 0) + f(t+ 0)2
= limN→∞
12π
N∑k=−N
f(k∆ω) eit(k∆ω)∆ω
mit den Abtastwerten f(k∆ω)
Lassen wir T gegen Unendlich streben, so ergibt sich
f(ω) =∫ ∞−∞
f(s) e−iωs ds
und man erhalt fur die Inversion
f(t− 0) + f(t+ 0)2
=1
2π
∫ ∞−∞
f(ω) eiωt dt.
Das alles ist mehr oder weniger Heuristik!! Aber im entsprechenden Kontext durch-aus mathematisch korrekt nachweisbar.
Definition 11: Die Abbildung f → f ,
f(ω) =∫ ∞−∞
f(s) e−iωs ds
heißt Fourier-Transformation. f heißt Fourier-Transformierte von f.
Bemerkung 12: f integrierbar bedeutet f ∈ L1(R) und dann gilt fur die Fourier-Transformierte
|f(ω)| =∣∣∣∣∫ ∞−∞
f(s) e−iωs ds∣∣∣∣ ≤ ∫ ∞
−∞|f(s)| ds = ||f ||L1 ,
29
3 Fourier-Transformation
d.h. die Fourier-Transformierte existiert. Insbesondere ist die Fourier-Transformierteeiner L1-Funktion beschrankt.
Satz 7: Die Fourier-Transformierte einer L1-Funktion ist eine stetige Funktion undes gilt das Riemann-Lebesgue-Lemma
lim|ω|→∞
∫ ∞−∞
f(t) e−iωt dt = 0.
Satz 8: Fur eine integrierbare, stuckweise stetig differenzierbare Funktion f auf Rund ihre Fourier-Transformierte f gilt an jeder Stelle t ∈ R die folgende Umkehr-formel:
f(t− 0) + f(t+ 0)2
= limΩ→∞
12π
∫ Ω
−Ωf(ω) eiωt dω.
Satz 9: Ist f ∈ L1(R) und f ∈ L1(R), so gilt
f(t) =1
2π
∫ ∞−∞
f(ω) eiωt dω.
Beweis der Umkehrformel: Es sei
fΩ(t) =1
2π
∫ Ω
−Ωf(ω) eiωt dω =
12π
∫ Ω
−Ω
∫ ∞−∞
f(s) eiω(t−s) ds dω.
Fur fest gewahltes Ω > 0 kann die Integrationsreihenfolge vertauscht werden:
fΩ(t) =∫ ∞−∞
f(s)∫ Ω
−Ω
12π
eiω(t−s) dω ds =∫ ∞−∞
f(s)sin(Ω(t− s))π(t− s)
ds = f(s) ∗ sin(Ωs)πs
.
Die Funktion sin(Ωs)πs wird wegen ihrer Eigenschaft der Kern des Faltungsintegrals zu
sein als Dirichlet-Kern bezeichnet. Da die Dirichlet-Kerne fur Ω→∞ gegen das Delta-Funktional konvergieren (siehe auch Bemerkung 14), so ist der Beweis der Umkehrfor-mel anschaulich klar.
30
3 Fourier-Transformation
Es sei ε > 0 fest gewahlt, dann ist
fΩ(t) =∫|s−t|>ε
f(s)sin(Ω(t− s))π(t− s)
ds+∫ t+ε
tf(s)
sin(Ω(t− s))π(t− s)
ds
+∫ t
t−εf(s)
sin(Ω(t− s))π(t− s)
ds. (3.1)
Da f(s)π(t−s) fur |t−s| > ε nach s integrierbar ist, verschwindet das erste Integral fur wach-
sendes Ω → ∞ durch den Loscheffekt (siehe auch Bemerkung 13) der zunehmendenOszillationen von sin(Ω(t− s)). Wir betrachten nun das zweite Integral und substituie-ren u = t− s ∫ t+ε
tf(s)
sin(Ω(t− s))π(t− s)
ds =∫ 0
−εf(t− u)
sin(Ωu)πu
du
=∫ 0
−ε(f(t− u)− f(t+ 0))
sin(Ωu)πu
du+∫ 0
−εf(t+ 0)
sin(Ωu)πu
du
Da f(t−u)−f(t+0)πu fur−ε < u < 0 beschrankt bleibt, ergibt sich, dass fur Ω→∞ nur noch
das zweite Integral betrachtet werden muss. Analoges ergibt sich fur das dritte Integralin (3.1) und es verbleibt deshalb die folgende Summe zu betrachten:
f(t+ 0)∫ 0
−ε
sin(Ωu)πu
du+ f(t− 0)∫ ε
0
sin(Ωu)πu
du
= f(t+ 0)∫ ε
0
sin(Ωu)πu
du+ f(t− 0)∫ ε
0
sin(Ωu)πu
du
=f(t+ 0) + f(t− 0)
2
∫ ε
−ε
sin(Ωu)πu
du→ f(t+ 0) + f(t− 0)2
da sin(−t) = − sin t sowie Umkehrung der Integrationsgrenzen und im letzten Integralwird der Grenzubergang Ω→∞ ausgefuhrt. #
Bemerkung 13: Zum Loscheffekt:
31
3 Fourier-Transformation
− 1 1 2
− 2
− 1
1
2
x
y
sin(70x)
cos(0.4x)-0.5
„Löscheffekt“
Bemerkung 14: Der Dirichlet-Kern ist fur 2π-periodische Funktionen definiert als
DN (t) =N∑
k=−Neikt =
N∑k=−N
(cos(kt) + i sin(kt))
= 1 +N∑k=1
(cos(−kt) + cos(kt) + i(sin(−kt) + sin(kt)))
= 1 + 2N∑k=1
cos(kt)
= (eit)−N2N∑k=0
(eit)k = (eit)−N(1− (eit)2N+1
)1− eit
=(eit)−N−1/2
e−1/2
((1− (eit)2N+1
)1− eit
)=−2i sin
((N + 1
2
)t)
−2i sin(t2
) =sin((N + 1
2
)t)
sin(t2
) .
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1 0
1 1
x
y
Dirichlet-Kern für N=1, 2, 5
32
3 Fourier-Transformation
Analog gilt ∫ Ω
−Ωeiωt dt =
2 sin(Ωt)t
.
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 3
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1 0
x
y
Kontinuierlicher Dirichlet-Kern für N=1, √2, 2, 5
Außerdem approximieren die Dirichlet-Kerne das Delta-Funktional:
(DN ∗ f)(s) =1
2π
∫ π
−πf(t)DN (s− t) dt =
N∑k=−N
f(k)eiks,
wobeif(k) =
12π
∫ π
−πf(t)e−ikt dx = ck.
− 1 0 − 9 − 8 − 7 − 6 − 5 − 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1
− 2 0
− 1 0
1 0
2 0
3 0
4 0
5 0
6 0
7 0
8 0
9 0
x
y
Dirichlet-Kern für N=50
Analoges ersieht man fur den kontinuierlichen Dirichlet-Kern:
33
3 Fourier-Transformation
− 2 − 1 1 2
− 2 0
− 1 0
1 0
2 0
3 0
4 0
5 0
6 0
7 0
8 0
9 0
x
y
Kontinuierlicher Dirichlet-Kern für N=50
3.1 Darstellung von Funktionen durch harmonischeSchwingungen
Die Fourier-Transformierte f einer Funktion f wird auch Spektralfunktion von f ge-nannt. Sie gibt fur jede Kreisfrequenz ω an, mit welcher Amplitude und Phase die zu-gehorige Schwingung am Aufbau des ”Signals“ f beteiligt ist. Dies soll im folgendengezeigt werden. Insbesondere sei nochmals betont, dass f als reellwertig vorausgesetztwird. Weiterhin ist
e−iωt = cos(ωt) + i sin(ωt)
und es sei
R(ω) =∫ ∞−∞
f(t) cos(ωt) dt, X(ω) = −∫ ∞−∞
f(t) sin(ωt) dt,
d.h. f(ω) = R(ω) + iX(ω). Wie man leicht sieht gilt R(ω) = R(−ω) und X(ω) =−X(−ω). Damit ergibt sich
f(−ω) = R(−ω) + iX(−ω) = R(ω)− iX(ω) = f(ω) und |f(−ω)| = |f(ω)|.
34
3 Fourier-Transformation
Umgekehrt sind die Symmetrieeigenschaften der Spektralfunktion hinreichend dafur,dass f reellwertig ist. Da
Im f(t) = Im1
2π
∫ ∞−∞
f(ω) eiωt dω =1
2π
∫ ∞−∞
R(ω) sin(ωt) +X(ω) cos(ωt) dω
= − 12π
∫ ∞−∞
R(−ω) sin(−ωt) +X(−ω) cos(−ωt) dω
= − 12π
∫ ∞−∞
R(ω′) sin(ω′t) +X(ω′) cos(ω′t) dω′
= − 12π
∫ ∞−∞
R(ω) sin(ωt) +X(ω) cos(ωt) dω = −Im f(t),
d.h. Im f(t) = −Im f(t) und folglich ist Im f(t) = 0 und f damit reellwertig.
Fur reellwertige f ergibt sich
f(t) = Re f(t) = Re(
12π
∫ ∞−∞
f(ω) eiωt dω)
=1
2π
∫ ∞−∞
Re(f(ω) eiωt
)dω.
Nebenrechnung: A+ iB = |A+ iB| ei arg(A+iB)
Re((A+ iB) eiωt
)= Re
(|A+ iB| ei arg(A+iB) eiωt
)= Re
(|A+ iB| ei(ωt+arg(A+iB))
)= |A+ iB| cos(ωt+ arg(A+ iB)).
Damit ergibt sich
f(t) =1
2π
∫ ∞−∞|f(ω)| cos(ωt+ arg(f(ω))) dω.
Wegen |f(−ω)| = |f(ω)| = |f(ω)| und arg(f(−ω)) = arg f(ω) = − arg(f(ω)) gilt
Satz 10: Eine reellwertige, integrierbare und stuckweise stetige differenzierbareFunktion f lasst sich darstellen als
f(t) =∫ ∞
0
1π|f(ω)| cos
(ωt+ arg(f(ω))
)dω.
D.h. f ist zusammengesetzt aus Kosinusschwingungen samtlicher Kreisfrequenzenω ≥ 0 mit jeweiliger Amplitude 1
π |f(ω)| und Phase arg(f(ω)).
35
3 Fourier-Transformation
Beispiel 22: Rechteckfunktion
rT (t) = χ[−T,T ](t) =
1 fur −T ≤ t ≤ T,0 fur |t| > T.
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
y
Dann ist die Fouriertransformierte:
rT (ω) =∫ T
−Te−iωs ds = − 1
iω
(e−iωT − eiωT
)= 2T
sin(ωT )ωT
.
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
y
Offensichtlich ist die Rechteckfunktion r(t) integrierbar, die Spektralfunktion = Fou-riertransformierte r(ω) ist jedoch nicht absolut integrierbar obwohl ihr uneigentlichesRiemann-Integral existiert! Vernachlassigt man die Frequenzanteile fur Kreisfrequen-zen oberhalb von π
T und bezeichnet man πT als Bandbreite, so stellt man fest:
Je kurzer die zeitliche Dauer des Rechteckimpuls ist, desto großer ist seine Band-
36
3 Fourier-Transformation
breite.
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
y
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
y
Beispiel 23: Fur die Dreiecksfunktion
f(t) =
1− |t|T , fur |t| ≤ T,
0, fur |t| > T,
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
y
ergibt sich die Fouriertransformierte
f(ω) =∫ T
0
(1− t
T
)(e−iωt + eiωt) dt = 2
∫ T
0
(1− t
T
)cos(ωt) dt
= 2(
1− t
T
)sin(ωt)ω
∣∣∣∣T0
+2T
∫ T
0
sin(ωt)ω
dt
=2
Tω2(− cos(ωT ) + 1) =
4Tω2
sin2
(Tω
2
).
37
3 Fourier-Transformation
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
y
Auch hier gilt, je kurzer die zeitliche Dauer des Dreieckimpuls ist, desto großer ist seineBandbreite.
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
y
− 4 − 3 − 2 − 1 1 2 3 4 5
− 2
− 1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
y
Beispiel 24: Die Spektralfunktion von
f(t) = e−atH(t), H(t) :=
0, t ≤ 0,
1, t > 0Heaviside- oder Einheitssprungfunktion,
ist
f(ω) =∫ ∞
0e−at e−iωt dt = lim
R→∞
e−(a+iω)t
−(a+ iω)
∣∣∣∣∣t=R
t=0
=1
a+ iω.
Auch in diesem Fall ist zwar f, nicht jedoch f absolut-integrierbar.
Beispiel 25: Zur Berechnung der Fouriertransformierten
f(ω) =∫ ∞−∞
e−t2/2 e−iωt dt
38
3 Fourier-Transformation
fur die Gaußsche Glockenkurve f(t) = e−t2/2 differenzieren wir f . Die Vertauschung
von Differentation und Integration ist erlaubt, denn es gilt∣∣∣∣ ∂∂ω (e−t2/2 e−iωt)∣∣∣∣ ≤ |t|e−t2/2
und die rechte Seite dieser Ungleichung ist nach t integrierbar. Also ist
d
dωf(ω) = −i
∫ ∞−∞
te−t2/2 e−iωt dt.
Partielle Integration ergibt fur R > 0 :∫ R
−Rte−t
2/2 e−iωt dt = −t e−t2/2 e−iωt∣∣∣t=Rt=−R
− iω∫ R
−Re−t
2/2e−iωt dt
und damit istdf
dω(ω) = −ωf(ω).
Folglich erfullt die Fouriertransformierte f(ω) das Anfangswertproblem
y′(ω)− ω y(ω) mit y(0) = f(0).
Die eindeutige Losung dieses Problems ist y(ω) = f(0) e−ω2/2 = f(ω). Mit dem be-
kannten Wertf(0) =
∫ ∞−∞
e−t2/2 dt =
√2π
folgt daherf(ω) =
√2π e−ω
2/2.
3.2 Rechnen mit der Fourier-Transformation
Sei f ∈ L1(R).Dann ist fur beliebiges h ∈ R der Operator Th definiert durch
Thf(t) := f(t− h) Verschiebungsoperator, Translationsoperator
und es gilt fur g(t) = Thf(t) :
g(ω) =∫ ∞−∞
f(t− h) e−iωt dt = e−iωhf(ω).
Anschaulich bedeutet das, dass die Verschiebung im Zeitbereich eine Phasenverschie-bung im Frequenzbereich bewirkt, da gilt g(ω) = e−iωhf(ω) = |f(ω)|ei(arg f(ω)−hω).
39
3 Fourier-Transformation
Wird umgekehrt das Signal f ∈ R mit eiωt moduliert, dann gilt fur g(t) = eiτtf(t) :
g(ω) =∫ ∞−∞
f(t)eiτte−iωtı, dt = f(ω − τ),
und die Fourier-Transformierte wird um τ verschoben.Wie wirkt sich eine Streckung/Stauchung im Zeitbereich aus? Sei
Daf(t) := f
(t
a
)und g(t) = f
(ta
), dann gilt mit t := at′, dt = a dt′ und
g(ω) =∫ ∞−∞
f
(t
a
)e−iωt dt = |a|
∫ ∞−∞
f(t′)e−iωat′dt′ = |a|f(aω)
oder anders ausgedruckt:(Daf)(ω) = |a|D 1
af(ω).
Fur die Graphen von f und f bedeutet das folgendes: Wird der Graph von f mit demFaktor a > 1 in die Breite gezogen, so wird der Graph von f mit dem Faktor 1
a < 1horizontal gestaucht und zusatzlich mit dem Faktor |a| vertikal gestreckt.
40
3 Fourier-Transformation
g xa, yb~∣ab∣G a , b
3.2.1 Differenzierbarkeit und Glattheit
Sei f ∈ C∞0 , dann gilt∫ ∞−∞
f ′(t) e−iω t dt = e−iωtf(t)∣∣∞−∞ − (−iω)
∫ ∞−∞
f(t)e−iωt dt = (iω)f(ω),
bzw. ∫ ∞−∞
f (n)(t) e−iω t dt = (iω)f (n−1)(ω) = ... = (iω)nf(ω).
und umgekehrt gilt fur f(ω) = Ff(ω) :
dn
dωn(Ff)(ω) =
∫ ∞−∞
f(t)dn
dωne−iωt dt = (−i)n
∫ ∞−∞
tnf(t) e−iωt dt = (−i)nF(tnf(t)).
Unter Verwendung des Riemann-Lebesgue-Lemmas kann man das wie folgt in Wortenformulieren:Je glatter f ist, umso schneller fallt f ab.Je schneller f abfallt, umso glatter ist f .
41
3 Fourier-Transformation
3.2.2 Faltung im Zeitbereich
Satz 11: Die auf R definierten Funktionen f und g seien integrierbar. Fur dieFourier-Transformierte f ∗ g der Faltung f ∗ g gilt
f ∗ g = f · g
Bemerkung 15: Es bezeichne δ das Diracsche Delta-Funktional. Insbesondere ist δ kei-ne Funktion, sondern eine Distribution und ist definiert als
〈δ, f〉 =∫ ∞−∞
δ(x) f(x) dx = f(0)
fur alle beliebig oft differenzierbaren Funktionen f.
Lemma 2: Die Faltung einer Funktion f mit dem Delta-Funktional ist
(f ∗ δ)(t) =∫ ∞−∞
f(τ)δ(t− τ) dτ = f(t).
Damit ist(f ∗ δ)(ω) = f(ω)δ(ω) = f(ω)
und folglich ist δ(ω) = 1.
Der Beweis wird durch Approximation des Delta-Funktionals durch iterierende Kerne(das sind Funktionen δn mit δn → δ fur n→∞) gefuhrt.
Beweis des Faltunssatzes: Das Faltungsprodukt f∗g liegt wieder inL1(R).
f(ω) · g(ω) =∫ ∞−∞
e−iωtg(ω)f(t) dt =∫ ∞−∞
e−iωt(∫ ∞−∞
e−iωsg(s) ds)f(t) dt
=∫ ∞−∞
∫ ∞−∞
e−iω(s+t)g(s)f(t) ds dt, Integrand ∈ L1(R2),
=∫ ∞−∞
∫ ∞−∞
e−iωug(s)f(u− s) ds du
=∫ ∞−∞
e−iωu(∫ ∞−∞
g(s)f(u− s) ds)du = (f ∗ g)(ω).#
Anwendung: Hoch-,Tief- und Bandpassfilter.Entfernung von Rauschen in Bildern:
42
3 Fourier-Transformation
”Entfernen von Rauschen“ an einem einfachen Beispiel. Der hohe Frequenzanteil mitcos 100x wird weggelassen, Amplitude wird glatter.
Modifiziert: 4 sin 3x – 3/2 sin 20x
Wie kann ein Signal ”gefiltert“ werden? Mathematisches Modell eines Ubertragungs-systems:
System LEingangssignal f(t) Systemantwort Lf(t)
Definition 12: Das System L : Z → A, Z ist Menge der zulassigen Signale, A ist dieMenge der moglichen Ausgangssignale, heißt
• linear, wenn ein linearer Operator zwischen den Vektorraumen Z und A ist,
• zeitinvariant, wenn L mit Zeitverschiebungen vertauscht werden kann, d.h. wenn
43
3 Fourier-Transformation
Lf = g ist, dann gilt fur t0 ∈ R und u(t) = f(t+ t0);
Lu(t) = g(t+ t0).
• kausal, wenn ein Ausgangszustand erst dann festzustellen ist, wenn ein Eingangs-signal vorhanden ist.
Lasst sich der Operator L als Faltung mit der Impulsantwort h = Lδ darstellen, so gilt
Lf = L(f ∗ δ) = f ∗ Lδ = f ∗ h.
Zeitinvariante lineare Systeme mit dieser Eigenschaft heißen lineare Filter. Die Fourier-Transformierte der Impulsantwort bezeichnet man als Frequenzgang.
Die Beziehung zwischen Zeit- und Frequenzbereich sieht dann wie folgt aus:
Zeitinvariantes lineares System L = linearer Filter
Eingangssignal f(t) Systemantwort Lf(t)=f*h(t)
Im Zeitbereich:
Im Frequenzbereich:
Zeitinvariantes lineares System L = linearer Filter
F(f*h)(ω)=F(f)(ω)F(h)(ω)Ff(ω)
Um einen Tiefpassfilter zu haben, muss h also die hohen Frequenzen abschneiden.Das ideale Tiefpassfilter hat die Form
h(ω) =
1, −ωg ≤ ω ≤ ωg,0, sonst
Leider ist die zugehorige Zeitfunktion nicht kausal, da h(t) = sinωgtπt . Ausweg sind Ap-
proximationen, z.B. Butterworth-Filter.
44
3 Fourier-Transformation
3.3 Fourier-Transformation quadratisch integrierbarerFunktionen
3.3.1 Parsevalsche Gleichung und Multiplikationssatz
Satz 12: Die Funktionen f und g seien quadratisch integrierbar (f, g ∈ L2(R)), d.h.f und g sind messbare Funktionen mit
∫∞−∞ |f(t)|2 dt <∞. Dann gilt
1. die Parsevalsche Gleichung∫ ∞−∞|f(t)|2 dt =
12π
∫ ∞−∞|f(ω)|2 dω,∫ ∞
−∞f(t) g(t) dt =
12π
∫ ∞−∞
f(ω) g(ω) dω.
2. und der Multiplikationssatz
f · g =1
2πf ∗ g.
Bemerkung 16: Die linke Seite der Parsevalschen Gleichung wird als normierte Signal-energie bezeichnet. Die Funktion f mit
∫∞−∞ |f(t)|2 dt <∞ nennt man auch Energiesigna-
le. Die Signalenergie kann auch aus der Spektralfunktion berechnet werden. Insbeson-dere ist die Spektralfunktion von Energiesignalen wieder eine quadratisch integrierba-re Funktion. Der Multiplikationssatz spielt eine wichtige Rolle bei der Amplitudenmo-dulation in der Nachrichtenubertragung und wird daher oft auch als Modulationtheorembezeichnet.
Beweisidee: Es seih(s) =
∫ ∞−∞
f(t)f(t− s) dt.
Die Faltung ist unter obigen Voraussetzungen eine beschrankte und stetige Funkti-on. Dies folgt aus dem Satz von Wheeden und Zygmund (1977) (ohne Beweis). Danngilt
h(ω) = f(ω)f(ω) = |f(ω)|2
undh(0) =
∫ ∞−∞|f(t)|2 dt.
45
3 Fourier-Transformation
Wegen
δn(t) =n
π(1 + n2t2)δn(t) = n δ1(nt) mit∫ ∞
−∞δ1(t) dt =
∫ ∞−∞
1π(1 + t2)
dt =1π
arctan t|∞−∞ = 1,
erhalten wir:
limn→∞
∫ ∞−∞
h(t) δn(t) dt = limn→∞
∫ ∞−∞
h(t)nδ1(nt) dt = limn→∞
∫ ∞−∞
h(t/n) δ1(t) dt
Wegen∫∞−∞ δ1(t) dt = 1 folgt
limn→∞
∫ ∞−∞
δn(t)h(t) dt =∫ ∞−∞
δ1(t) limn→∞
h(t/n) dt = h(0).
Weil δn(t) die Fouriertransformierte von 12πe−|ω|/n ist, ergibt sich
h(0) =1
2πlimn→∞
∫ ∞−∞
h(t)(∫ ∞−∞
e−|ω|/n e−iωt dω
)dt
=1
2πlimn→∞
∫ ∞−∞
e−|ω|/n(∫ ∞−∞
h(t) e−iωt dt)dω
=1
2πlimn→∞
∫ ∞−∞
e−|ω|/nh(ω) dω =1
2π
∫ ∞−∞|f(ω)|2 dω.
Damit haben wir gezeigt:
Satz 13: Die Fourier-Transformation ist auf L2(R) stetig, bijektiv und umkehrbar.
Bemerkung 17: Man kann zeigen, dass fur f ∈ L2(R) die Funktionen
fN (ω) =∫ N
−Nf(t) e−iωt dt
in L2(R) gegen f konvergieren und analog
fN (t) =1
2π
∫ N
−Nf(ω) eiωt dω
gegen f in L2(R) konvergiert.
46
3 Fourier-Transformation
3.4 Diskrete Fouriertransformation
Fourierreihen eignen sich im besonderen zur Untersuchung von Signalen. Messen kannman aber nur an diskreten Stellen und deshalb wird ein Signal nicht als f(t) auf-genommen sondern als f(ti) zu diskreten Zeiten tj , j = 1, 2, . . . , N. Dazu passendwollen wir nun die Fourierreihe diskretisieren. Dazu gehen wir zunachst wieder voneiner 2π-periodischen Funktion f(t) aus und bilden ihre Fourierreihe (in komplexerForm):
f(t) =∞∑
k=−∞cke
ikt.
An jeder Stelle ti gilt
f(tj) =∞∑
k=−∞cke
iktj .
Nehmen wir nun an, dass die Funktion eine endliche Fourierreihe besitzt bzw. hinrei-chend gut dadurch approximiert wird, so erhalten wir durch abschneiden der Fourier-reihe (filtern):
f(tj) =N−1∑k=0
ckeiktj
Sind die Stellen tj im Intervall [0, 2π] gleichverteilt, so gilt tj = 2π jN und
f
(2π jN
)=
N−1∑k=0
ckeik 2π j
N , j = 0, 1, 2, . . . , N − 1.
Nun stellen wir fest, dass
eik2π jN =
(ei
2π jN
)kgilt und setzt man
wj := ei2π jN
dann sind dies gerade die N komplexen Wurzeln aus 1 = e2πi.
Bilden wir nun die Matrix
Wn :=
w0
0 w10 . . . wn−1
0
w01 w1
1 . . . wn−11
......
. . ....
w0n−1 w1
n−1 . . . wn−1n−1
47
3 Fourier-Transformation
dann ist
~f =
f(0)
f(
2πn
)f(
2π·2n
)...
f(
2π(n−1)n
)
=
1 1 1 . . . 1
1 w1 w21 . . . wn−1
1
1 w2 w22 . . . wn−1
2...
......
. . ....
1 wn−1 w2n−1 . . . wn−1
n−1
c0
c1
c2
...
cn−1
= Wn~c.
Mit Hilfe dieser Gleichung kann man nun die diskrete Fourier-Transformation definie-ren, der Vektor ~c ist die diskrete Fourier-Transformierte des Vektors ~f. Wie kann mansie berechnen? Wie man leicht nachrechnet gilt
WnW∗n = W ∗nWn = n · I
und die inverse Matrix zu W ist gerade 1nW
∗, deshalb gilt
~f = ~c =
f0
f1
f2
...
fn−1
:=
1nW ∗n
~f =1n
1 1 1 . . . 1
1 w1 w2 . . . wn−1
1 w21 w2
2 . . . w2n−1
......
.... . .
...
1 wn−11 wn−1
2 . . . wn−1n−1
f(0)
f(
2πn
)f(
2π·2n
)...
f(
2π(n−1)n
)
.
Folglich gilt fur die Koeffizienten fk der diskreten Fourier-Transformation (DFT):
fk =1n
N−1∑m=0
fm e−ikm 2π
n , fm = f(tm) = f
(2πmN
).
Beispiel 26: Fur n = 4 sieht die Matrix W mit wj := e−i2π j4 , also w0 = 1, w1 = e−i
π2 =
−i, w2 = w21 = e−iπ = (−i)2 = −1 und w3 = w3
1 = e−i3π2 = (−i)3 = i wie folgt aus:
W ∗4 =
1 1 1 1
1 −i −1 i
1 −1 1 −1
1 i −1 −i
Beispiel 27: Rauschunterdruckung (akademisch):
48
3 Fourier-Transformation
Gestörtes Signal: f x=4sin3x −3/2sin 20x1 /2cos100x
Ungestörtes Signal (entfernen hoher Frequenzen):f x=4sin3x −3/2sin 20x
Beispiel 28: Rauschunterdruckung (z.B. AM-Radio und Umgebungsrauschen):
49
3 Fourier-Transformation
Gestörtes Signal:
Störung durch zufälliges Signal g(x) mit der Amplitude 1
sin100t sin t g x ,
Beträge der Fourier-Koeffizienten der DFT für N=256:
Rekonstruiertes Signal aus den Koeffizienten c99, c101, c155, c157,alle anderen sind Null gesetzt worden:
Obwohl das Rauschen die gleiche Amplitude wie das Signal hat, kann mit Hilfe derdiskreten Fourier-Transformation und der inversen Transformation 97% der Signalin-tensitat rekonstruiert werden und das zufallige Rauschen unterdruckt werden, da Am-
50
3 Fourier-Transformation
plitude eines solchen zufalligen Rauschens hauptsachlich aus vielen Anteilen mit hoherFrequenz besteht, die durch die DFT herausgefunden werden.
3.5 MP3-Player
Beispiel 29: Anwendung: MP3-Player(Die Bilder und Erlauterungen sind entnommen von
www.tecchannel.de/technologie/komponenten/401060 undwww.beatschlup.ch/mp3player/grundlagen.html )
Das Audiosignal eines CD-Players hat eine Datenrate von ca. 700kBit/s. Dieses Signalenthalt jedoch viele Informationen, die das menschliche Ohr nicht wahrnehmen kann.
Wenn diese nicht horbaren Klangelemente weggelassen werden, kann die benotigteSpeicherkapazitat massiv reduziert werden. Ein Verfahren zum Weglassen der uber-flussigen Anteile heisst MPEG2 Layer 3 oder kurz MP3.
Mathematisch bedeutet das, dass in der Fourierreihenentwicklung bzw. entsprechen-den anderen Reihenentwicklungen nur endlich viele Glieder berucksichtigt werdenund das Signal durch einen Hoch- bzw. Tiefpassfilter abgeschnitten wird.
Zusatzlich sind z.B. durch die Stereoaufnahme viele Informationen mehrfach vorhan-den (Redundanz). Diese werden wahrend der Kodierung aus dem Datenstrom entfernt.
51
3 Fourier-Transformation
Die Datenrate des komprimierten Datenstroms betragt danach nur noch ca. 100kBit/s.Um eine sehr gute Audioqualitat zu gewahrleisten, werden in der Praxis Datenratenzwischen 128kBit/s und 192kBit/s gewahlt.
Ein lauter Ton kann einen leiseren uberdecken, wenn beide ungefahr dieselbe Tonhohebesitzen.
Alle Tone unterhalb der Ruhehorschwelle konnen nicht wahrgenommen werden. Einlauter Ton hebt die Mithorschwelle an. Alle Signale, welche nun unterhalb der Mithorschwel-le liegen, werden vom lauten Ton verdeckt. Man spricht dabei von Maskierung. Mas-kierte Tone konnen weggelassen werden, ohne dass dabei der Klangeindruck verandertwird. Daraus ergibt sich eine weitere Datenreduktion.
52
3 Fourier-Transformation
3.6 Diskrete Approximation oder Aliasing
Vergleich der DFT mit der Fourierreihe einer T -periodischenFunktion.
Die Fourierreihe einer T -periodischen Funktion wird gebildet mit Hilfe der Fourierko-effizienten:
ck =1T
∫ T
0f(t)e−ikωt dt, ω =
2πT,
die Approximation der Fourierkoeffizienten mittels DFT ist
ck =1T
N∑j=0
f(N∆t)e−ikjω∆t∆T =1N
N−1∑j=0
yje−ikj2π/N .
Wegen e−ikj2π/N = e−ikj2π/N+m2π gilt
ck = cl, mit l = k +mN.
Die entstehende Folge (ck)k∈Z ist damit n periodisch, andererseits gilt fur die Fourier-koeffizienten, das Riemann-Lebesgue-Lemma, d.h. lim|k|→∞ |ck| = 0. Man kann daherhochstens einen Abschnitt der Lange N dieser Folge fur Naherungen von N Spektral-werten verwenden.Wie verhalten sich die Koeffizienten zueinander? Mit
f(N∆t) =∞∑
l=−∞cle
ilj2π/N
erhalt man
ck =1N
N−1∑j=0
yje−ikj2π/N =
1N
N−1∑j=0
f(N∆t)e−ikj2π/N
=1N
N−1∑j=0
∞∑l=−∞
cleilj2π/Ne−ikj2π/N
=∞∑
m=−∞ck+mN ,
53
3 Fourier-Transformation
da fur die geometrische Reihe
1N
N−1∑j=0
e−i(k−l)j2π/N =
1, fur l = k +mN,
1N ·
1−e−i(k−l)2πN N
1−e−i(k−l)2π/n = 0, fur l 6= k +mN,
gilt. Der Koeffizient ck ist die Summe aller exakten Fourierkoeffizienten ck+mN von f,d.h. die zugehorigen harmonischen Schwingungen ei(k+mN)ωt mit den Kreisfrequenzen(k+mN)ω konnen anhand der Abtastwerte f(jT/N) nicht unterschieden werden, weilalle Funktionen ei(k+mN)ωt an allen Stellen jT/N ubereinstimmen. Man nennt dieseTatsache ”Alias-Effekt“. Man ordnet nun cl der betragsmaßig kleinsten Kreisfrequenzkω zu, fur welche l = k +mN ist. Fur ungerade N ergibt sich dadurch eine eindeutigeZuordnung.
Beispiel 30: Fur N = 15 dienen
(c0, c1, . . . , c7) als Naherung fur (c0, c1, . . . , c7),
(c8, c9, . . . , c14) als Naherung fur (c−7, c−6, . . . , c−1).
Die gleiche Zuordnung treffen unsere Sinne bei visuellen Eindrucken, die Tragheit desmenschlichen Auges lasst Bildfolgen mit 24 Aufnahmen pro Sekunde zu kontinuierli-chen Vorgangen verschmelzen.
In der Signalverarbeitung erreicht man eine eindeutige Zuordnung dadurch, dass mandas Signal vor der Abtastung durch ein Tiefpassfilter bandbegrenzt, d.h. bei gegebenerAbtastfrequenz N/T nur Schwingungen mit Frequenzen |ν| < N/(2T ) durch das Filterlasst.Zusammenfassung: Bei der Abtastung des Signals f an n aquidistanten Stellen tj =j∆t in [0, T ) verhindert der Alias-Effekt das Aufdecken periodischer Anteile mit Fre-quenzen, die großer als N/(2T ) sind. Anders herum gesagt, um periodische Vorgangemit einer Frequenz ν zu beobachten ist eine Abtastfrequenz großer als 2ν erforderlich.
Wie funktionieren Tief-, Hoch- bzw. Bandpassfilter? Ein vorliegendes Signal, Eingangs-signal U0e
iωt wird durch ein ”System“ so verandert, dass das Ausgangssignal gera-de U0H(iω)eiωt ist. Die Funktion H(iω) druckt Verstarkung bzw. Dampfung und Pha-senverschiebung in Abhangigkeit von der Eingangsfrequenz ω aus. Fur T -periodischestuckweise stetige Eingangssignale f mit den Fourierkoeffizienten ck lasst sich daherdas Verhalten des linearen Systems im eingeschwungenen Zustand beschreiben mitden Faktoren
hk = H
(i2π kT
), k ∈ Z,
wenn man f als Uberlagerung von harmonischen Schwingungen mit den Kreisfrequen-
54
3 Fourier-Transformation
zen 2πk/T auffasst. Sei
h(t) =∞∑k=0
hkeikωt, ω =
2πT,
dann sind die Fourierkoeffizienten des Ausgangssignals (f ∗ h)T das Produkt der ent-sprechenden Fourierkoeffizienten von f und h. Der praktische Nutzen besteht darin,dass eine derartige Signalbearbeitung technisch moglich ist.
Beispiel 31: Tiefpassfilter. Das folgende RCL-Tiefpassfilter mit dem Ohmschen Wider-stand R, der Induktivitat L und der Kapazitat C wird beschrieben durch die Differen-tialgleichung
LCd2Uadt2
(t) +RCdUadt
(t) + Ua(t) = Ue(t).
Nullstellen des charakteristischen Polynoms:
λ1,2 =
− R2L ±
√R2
4L2 − 1LC , fur R2
4L2 ≥ 1LC ,
− R2L ± i
√1LC −
R2
4L2 , fur R2
4L2 <1LC ,
Fur Ue(t) = U0eikωt, ω = 2π
T , ergibt sich fur t→∞
Ua(t) =U0
1 + ikωRC − k2ω2LCeikωt,
die T -periodische Ubertragungsfunktion ist deshalb
∞∑k=−∞
hkeikωt =
∞∑k=−∞
11 + ikωRC − k2ω2LC
eikωt.
Fur k ∈ Z ist
|hk| = (k4ω4L2C2 + k2(ω2R2C2 − 2ω2LC) + 1)−1/2 =1k2
(α+
β
k2+
1k4
)−1/2
≤ M
k2.
Folglich konvergiert die Reihe gleichmaßig gegen eine T -periodische stetige Funktion.
Bemerkung 18: Die Spektralfolge
(hk)k∈Z =(
11 + ikωRC − k2ω2LC
)k∈Z
entspricht den Abtastwerten der kontinuiertlichen Funktion
H(iω) =1
1 + iωRC − ω2LC,
die in der E-Technik als Frequenzgang des Filters bezeichnet wird. Es handelt sich umeinen Tiefpassfilter, da die hoheren Frequenzen stark gedampft werden.
55
3 Fourier-Transformation
Folgerung: Hat das Eingangssignal die Gestalt Ue(t) =∑∞
k=−∞ ukeikωt, so hat das Aus-
gangssignal die Gestalt
Ua(t) =∞∑
k=−∞hkuke
ikωt,
d.h.
Ua(t) = (h ∗ Ue)(t) =1T
∫ T
0Ue(t)h(t− u) du mit h(t) =
∞∑k=−∞
hkeikωt.
3.7 Abtastsatz von Shannon, SamplingTheorem
Zur Erinnerung: Bei der Abtastung des Signals f an n aquidistanten Stellen tj = j∆t in[0, T ) verhindert der Alias-Effekt das Aufdecken periodischer Anteile mit Frequenzen,die großer als n/(2T ) sind. Anders herum gesagt, um periodische Vorgange mit einerFrequenz ν zu beobachten ist eine Abtastfrequenz großer als 2ν erforderlich.
Allgemein wird die Frage der Rekonstruierbarkeit von Signalen im Abtastsatz vonShannon bzw. im Sampling Theorem beantwortet. Die Frage lautet also: Ist es moglich,ein Zeitsignal f aus diskreten Werten f(kT ), k ∈ Z vollstandig zu rekonstruieren?Im Allgemeinen ist die Antwort naturlich nein, aber es gilt:
Satz 14: Ist f eine integrierbare Funktion, die durch ωg > 0 begrenzt ist, d.h. f = 0fur |ω| > ωg, und ist mit f(t) auch tf(t) integrierbar sind, dann gilt fur alle t ∈ Rdie folgende Abtastformel:
f(t) =∞∑
k=−∞f
(kπ
ωg
)sin(ωgt− kπ)ωgt− kπ
.
Beweis: Aus den Voraussetzungen folgt, dass die Spektralfunktion f stetig differenzier-bar ist. Sie wird daher durch ihre Fourier-Reihe in [−ωg, ωg] punktweise dargestellt unddiese Reihe ist absolut und gleichmaßig konvergent:
f(ω) =∞∑
k=−∞ck e−ikωta , ta =
π
ωg, |ω| ≤ ωg,
ck =1
2ωg
∫ ωg
−ωgf(ω) eikωta dω =
π
ωgf(kta).
56
3 Fourier-Transformation
Die gliedweise Integration ist moglich, da die Reihe gleichmaßig konvergiert. Da band-begrenzte Funktionen beliebig oft differenzierbar sind, folgt der Abtastsatz aus derFourierschen Umkehrformel:
f(t) =1
2π
∫ ωg
−ωgf(ω) eiωt dω =
12π
∫ ωg
−ωg
∞∑k=−∞
ck e−ikωta eiωt dω
=∞∑
k=−∞
12ωg
f(kta)∫ ωg
−ωgeiω(t−kta) dω =
∞∑k=−∞
f
(kπ
ωg
)sin(ωgt− kπ)ωgt− kπ
.
#Der Abtastsatz ergibt eine Formel, mit der bei Kenntnis aller diskreten Werte f
(kπωg
), k ∈
Z, die Werte von f zu Zeiten t 6= kπωg
interpoliert werden konnen. Die Abtastfrequenzmuss dabei mindestens doppelt so groß wie die Grenzfrequenz ωg
2π sein. Was passiert,wenn man das nicht beachtet?Dazu nehmen wir an, dass die Funktion f nicht bandbegrenzt mit ωg, sondern mitωg < ω < 3ωg ist. Dann gilt
f(kta) =1
2π
∫ ω
−ωf(ω) eikωta dω =
12π
(∫ −ωg−3ωg
...+∫ ωg
−ωg...+
∫ 3ωg
ωg
...
).
Substituiert man ω := ω′±2ωg, dann gilt eikωta = eikω′ta wegen 2ωgta = 2π.D.h.
f(kta) =1
2π
∫ ωg
−ωgf(ω) + f(ω − 2ωg) + f(ω + 2ωg) eiktaω dω.
Dadurch kommt eine weitere Funktion g ins Spiel. Die Funktion g sei definiert durch
g(ω) :=
f(ω) + f(ω − 2ωg) + f(ω + 2ωg), |ω| ≤ ωg,
0, |ω| > ωg.
Auch fur diese Funktion gilt
g(kta) =1
2π
∫ ωg
−ωgg(ω) eiktaω dω = f(kta)!
Folglich besitzt g dieselbe Abtastreihe wie f, ist aber tatsachlich ωg-bandbegrenzt. D.h.:Ist die wahre Bandbreite ω von f großer als ωg := π
ta(Nyquist-Frequenz), so wer-
den die hoherfrequenten Anteile des Signals f nicht einfach ”vergessen“ oder her-ausgefiltert, sondern sie erscheinen frequenzverschoben. Die Abtastreihe stellt eine ωg-bandbegrenzte Funktion g mit der Fourier-Transformierte g dar. Dies ist der sogenannteAlias-Effekt bzw. das aliasing.
57
3 Fourier-Transformation
-Ω-Ω'-3Ω 3ΩΩ'Ω
f^
ĝ
Wahrend also undersampling zum unerwunschten aliasing fuhrt, lasst sich oversamp-ling zur Konvergenzverbesserung ausnutzen.
3.7.1 Gibbs Phanomen und Glattung
Bei der Fourierschen Umkehrformel hatten wir f als punktweisen Limes der Funktio-nen fΩ fur Ω→∞ erhalten:
limΩ→∞
fΩ(t) =f(t+ 0) + f(t− 0)
2,
mit
fΩ(t) =1
2π
∫ Ω
−Ωf(ω) eiωt dt =
12π
∫ ∞−∞
f(ω)rΩ eiωt dt.
Wie bei Fourierreihen ist an Sprungstellen von f bei der Naherung durch fΩ wiederdas Gibbs-Phanomen zu beobachten:
Satz 15: Gibbs-Phanomen der Fouriertransformation Ist f stetig in [a, t0) und(t0, b], f(t + 0) − f(t − 0) > 0 und erfullt f ansonsten die Voraussetzungen derUmkehrformel, dann ist
limΩ→∞
maxa<t<t0
(f(t)− fΩ(t)) = limΩ→∞
maxt0<t<b
(fΩ(t)− f(t)) ≈ 0.09 · (f(t+ 0)− f(t− 0)).
Zur Erklarung nehmen wir an, dass f nur eine einzige Sprungstelle bei t0 = 0 besitzt.Dann ist f von der Form
f(t) = fc(t) + (f(0 + 0)− f(0− 0))H(t)
58
3 Fourier-Transformation
mit einer stetigen Funktion fc. Im Sinne des Cauchysche Hauptwertes gilt folglich:
fΩ(t) =∫ ∞−∞
fc(s)sin(Ω(t− s))π(t− s)
ds+ (f(0 + 0)− f(0− 0))∫ ∞
0
sin(Ω(t− s))π(t− s)
ds,
wobei das erste Integral fur Ω→∞ uberall gegen fc(t) konvergiert. Mit der Substituti-on Ω(t− s) = x ergibt das zweite Integral:∫ ∞
0
sin(Ω(t− s))π(t− s)
ds =∫ Ωt
−∞
sin(x)πx
dx =∫ 0
−∞
sin(x)πx
dx+∫ Ωt
0
sin(x)πx
dx
=12
+1π
Si (Ωt).
Dieses Integral besitzt fur jedes Ω > 0 auf der positiven Halbachse bei t = πΩ das Ma-
ximmum 12 + 1
πSi (π) ≈ 1.09, entsprechend bei t = − πΩ das Minimum von ca. −1.09.
Damit ergibt sich auch fur beliebig große Ω ein Uberschwingen in der Nahe der Sprung-stelle um ca. 9% der Sprunghohe von f.
Bemerkung 19: Glattung durch Gewichtsfunktionen. Verwendet man dagegen einDreickfenster als Gewichtsfunktion, so wird die Naherungsfunktion geglattet und dasGibbs-Phanomen eliminiert. Fur eine stetige Funktion f erhalt man nun sogar gleichmaßi-ge Konvergenz der geglatteten Naherungsfunktion fΩ gegen f, wenn
fΩ(t) =1
2π
∫ Ω
−Ωf(ω)
(1− |ω|
Ω
)eiωt dω =
12π
∫ Ω
−Ω
∫ ∞−∞
f(s)(
1− |ω|Ω
)eiω(t−s) ds dω.
Mit Vertauschung der Integrationsreihenfolge und der Fouriertransformierten des Drei-eckfensters ergibt sich
fΩ(t) =∫ ∞−∞
f(s)2 sin2(Ω(t− s)/2)
πΩ(t− s)2ds.
Weil der Faltungskern positiv ist, ist die Annaherung in der Nahe der Sprungstelle vonf monoton. Daran erkennt man das verschwinden des Gibbs-Phanomens. Durch desgeringere Gewicht der hoheren Frequenzanteile wird die Naherung fΩ im Vergleichzu fΩ weniger wellig und die Konvergenz gegen f fur Ω → ∞ verbessert. Der zumDreieckfenster gehorige Faltungskern wird als Fejer-Kern bezeichnet. Ahnliche Resul-tate lassen sich auch mit anderen Fensterfunktionen, zum Beispiel mit der GaußschenGlockenkurve, erzielen.
3.7.2 Abtastsatz von Shannon, Sampling Theorem
Dieser Satz gibt eine uberraschende Antwort auf die folgende Frage:Ist es moglich, ein Zeitsignal f aus diskreten Werten f(kT ), k ∈ Z vollstandig zurekonstruieren?
59
3 Fourier-Transformation
Im Allgemeinen ist die Antwort naturlich nein, aber es gilt:
Satz 16: Ist f eine integrierbare Funktion, die durch ωg > 0 begrenzt ist, d.h. f = 0fur |ω| > ωg, und ist mit f(t) auch tf(t) integrierbar sind, dann gilt fur alle t ∈ Rdie folgende Abtastformel:
f(t) =∞∑
k=−∞f
(kπ
ωg
)sin(ωgt− kπ)ωgt− kπ
.
Beweis: Aus den Voraussetzungen folgt, dass die Spektralfunktion f stetig differenzier-bar ist. Sie wird daher durch ihre Fourier-Reihe in [−ωg, ωg] punktweise dargestellt unddiese Reihe ist absolut und gleichmaßig konvergent:
f(ω) =∞∑
k=−∞ck e−ikωta , ta =
π
ωg, |ω| ≤ ωg,
ck =1
2ωg
∫ ωg
−ωgf(ω) eikωta dω =
π
ωgf(kta).
Die gliedweise Integration ist moglich, da die Reihe gleichmaßig konvergiert. Da band-begrenzte Funktionen beliebig oft differenzierbar sind, folgt der Abtastsatz aus derFourierschen Umkehrformel:
f(t) =1
2π
∫ ωg
−ωgf(ω) eiωt dω =
12π
∫ ωg
−ωg
∞∑k=−∞
ck e−ikωta eiωt dω
=∞∑
k=−∞
12ωg
f(kta)∫ ωg
−ωgeiω(t−kta) dω =
∞∑k=−∞
f
(kπ
ωg
)sin(ωgt− kπ)ωgt− kπ
.
#Der Abtastsatz ergibt eine Formel, mit der bei Kenntnis aller diskreten Werte f
(kπωg
), k ∈
Z, die Werte von f zu Zeiten t 6= kπωg
interpoliert werden konnen. Die Abtastfrequenzmuss dabei mindestens doppelt so groß wie die Grenzfrequenz ωg
2π sein. Warum?Dazu nehmen wir an, dass die Funktion f nicht bandbegrenzt mit ωg, sondern mitωg < ω < 3ωg ist. Dann gilt
f(kta) =1
2π
∫ ω
−ωf(ω) eikωta dω =
12π
(∫ −ωg−3ωg
...+∫ ωg
−ωg...+
∫ 3ωg
ωg
...
).
60
3 Fourier-Transformation
Substituiert man ω := ω′±2ωg, dann gilt eikωta = eikω′ta wegen 2ωgta = 2π.D.h.
f(kta) =1
2π
∫ ωg
−ωgf(ω) + f(ω − 2ωg) + f(ω + 2ωg) eiktaω dω.
Dadurch kommt eine weitere Funktion g ins Spiel. Die Funktion g sei definiert durch
g(ω) :=
f(ω) + f(ω − 2ωg) + f(ω + 2ωg), |ω| ≤ ωg,
0, |ω| > ωg.
Auch fur diese Funktion gilt
g(kta) =1
2π
∫ ωg
−ωgg(ω) eiktaω dω = f(kta)!
Folglich besitzt g dieselbe Abtastreihe wie f, ist aber tatsachlich ωg-bandbegrenzt.
-Ω-Ω'-3Ω 3ΩΩ'Ω
f^
ĝ
D.h.: Ist die wahre Bandbreite ω von f großer als ωg := πta
(Nyquist-Frequenz), sowerden die hoherfrequenten Anteile des Signals f nicht einfach ”vergessen“ oder her-ausgefiltert, sondern sie erscheinen frequenzverschoben. Die Abtastreihe stellt eine ωg-bandbegrenzte Funktion g mit der Fourier-Transformierte g dar. Dies ist der sogenannteAlias-Effekt bzw. das aliasing.
Wahrend also undersampling zum unerwunschten aliasing fuhrt, lasst sich oversamp-ling zur Konvergenzverbesserung ausnutzen.
3.7.3 Heisenbergsche Unscharferelation
Wir haben bereits festgestellt, dass ein Zeitsignal f und seine Fourier-Transformierte fnicht gleichzeitig in einem kleinen Bereich der t- bzw. ω-Achse lokalisiert sein konnen:
• nach der Skalierungsregel verflacht und weitet sich f unter einer zeitlichen Kom-pression von f aus,
61
3 Fourier-Transformation
• die Fourier-Transformierte einer an den Stellen ±a abgebrochenen Funktion be-sitzt den Trager R und ist fur |ω| → ∞ nicht einmal integrierbar,
• ein Zeitsignal mit kompaktem Trager kann nicht bandbegrenzt sein.
Um quantitative Aussagen uber die beobachtete Kopplung von Kompression und Ex-pansion im Zeit-Frequenz-Bereich zu erhalten, benotigt man ein Maß fur die Zeitdauerund die Bandbreite von Signalen. Eine fur die immense Vielfalt moglicher Signale ein-heitliche Definition von Zeitdauer und Bandbreite gibt es zwar nicht, jedoch eignet sichfur eine große Klasse von Signalen die Definition der Streuung, um diese Begriffe ein-zufuhren.Voraussetzungen: Die Funktion f sei stetig und stuckweise stetig differenzierbar, mitf(t) seien auch tf(t) und f(t) quadratisch integrierbar.
Definition 13: Es sei
1. die Streuung (=Varianz) ∆2a(f) von f 6= 0 um den Punkt a
∆2a(f) =
∫∞−∞(t− a)2|f(t)|2 dt∫∞
−∞ |f(t)|2 dt,
2. die effektive Zeitdauer (Standardabweichung) Dt(f) von f 6= 0
Dt(f) = ∆a(f) mit a =
∫∞−∞ t|f(t)|2 dt∫∞−∞ |f(t)|2 dt
, (Erwartungswert),
3. die effektive Bandbreite (Standardabweichung) Dω(f) von f 6= 0
Dω(f) = ∆b(f) mit b =
∫∞−∞ ω|f(ω)|2 dω∫∞−∞ |f(ω)|2 dω
, (Erwartungswert).
Bemerkung 20: Interpretiert man
|f(t)|2∫∞−∞ |f(t)|2 dt
als Dichte einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, dann ist
S =
∫∞−∞ t|f(t)|2 dt∫∞−∞ |f(t)|2 dt
der Erwartungswert und ∆2S(f) die Varianz der Wahrscheinlichkeitsverteilung.
62
3 Fourier-Transformation
Satz 17: Unscharferelation fur das Zeitdauer-Bandbreite-Produkt. Fur quadra-tisch integrierbare Signale f 6= 0 und beliebige a, b ∈ R gilt
∆2a(f)∆2
b(f) ≥ 14.
Insbesondere gilt fur das Zeitdauer-Bandbreite-Produkt immer
Dt(f)Dω(f) ≥ 12.
Es gilt dabei genau dann die Gleichheit, wenn |f | eine Gauß-Funktion ist, d.h.,wenn
f(t) = ceiate−(t−m)2/(4σ2)
mit beliebigen reellen Konstanten a, m, c 6= 0, σ 6= 0 ist.
Beweis: Wir konnen annehmen, dass mit f auch tf(t) und f(t) quadratisch integrier-bar sind, da andernfalls ∆2
a(f) = ∞ oder ∆2b(f) = ∞ gelten wurde und die Un-
gleichung trivialerweise erfullt ware. Fur a = b = 0 ergibt die partielle Integrati-on: ∫ β
αtf(t) f(t) dt = t|f(t)|2
∣∣βα−∫ β
α
(|f(t)|2 + tf(t)f(t)
)dt,
also ∫ β
α|f(t)|2 dt = −2Re
(∫ β
αtf(t)f(t) dt
)+ t|f(t)|2
∣∣βα.
Aufgrund der Voraussetzungen existieren die Grenzwerte der Integrale furα→ −∞, β →∞ und es ist lim
α→−∞α|f(α)|2 = lim
β→∞β|f(β)|2 = 0. Damit folgt
∫ ∞−∞|f(t)|2 dt = −2Re
(∫ ∞−∞
tf(t) f(t) dt).
Mit der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung und der Parsevalschen Gleichung erhaltman hieraus:(∫ ∞
−∞|f(t)|2 dt
)2
≤ 4(∫ ∞−∞
t2|f(t)|2 dt)(∫ ∞
−∞|f(t)|2 dt
)= 4
(∫ ∞−∞
t2|f(t)|2 dt)(
12π
∫ ∞−∞
ω2|f(ω)|2 dω)
und damit der Unscharferelation
∆20(f)∆2
0(f) ≥ 14.
63
3 Fourier-Transformation
Der allgemeine Fall ergibt sich mit g(t) = e−ibtf(t + a). Da dann ∆2a(f) = ∆2
0(g) und∆2b(f) = ∆2
0(g) ist, also
∆2a(f)∆2
b(f) = ∆20(g)∆2
0(g) ≥ 14.
Die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung ist genau dann eine Gleichung, wenn tf(t) undf(t) linear abhangig sind, also wenn die Differentialgleichung:
ktf(t) = f(t)
gilt, die einzigen nichttrivialen, quadratisch integrierbaren Losungen sind von der Formf(t) = cekt
2/2 mit c 6= 0 und k < 0. Mit k = − 1(2σ2)
ergibt sich die letzte Aussage desSatzes. #
Bemerkung 21: Fur integrierbare, komplexwertige Funktionen in n Veranderlichen dieFourier-Transformierte f definiert durch
f(~ω) =∫
Rnf(~x) e−i~ω·~x d~x.
Es gelten analoge Definitionen, Formeln und Satze.
Beispiel 32: Fur a > 0, b > 0 besitzt die Funktion
f(x1, x2) =
1, x1 ∈ [−a, a], x2 ∈ [−b, b],0, sonst
die Fourier-Transformierte
f(ω1, ω2) =∫ a
−ae−iω1x1 dx1
∫ b
−be−iω2x2 dx2 = 4ab
(sin(aω1)aω1
)(sin(bω2)b ω2
)Wird koharentes Licht mit der Amplitudenverteilung f an einer Blende in der (x1, x2)-Ebene gebeugt, dann ist im Fall der Fraunhoferschen Beugung die Intensitatsverteilungdes gebeugten Lichts auf einem Schirm proportional zu |f |2. Fur die obige Amplituden-verteilung f an der Rechteckblende [−2, 2] × [−1, 1] erhalt man |f | wie im linken Bildund naherungsweise ein Beugungsmuster wie im rechten Bild:
64
3 Fourier-Transformation
hell
dunkel
3.8 Die gefensterte Fourier-Transformation
Was besagt die Fourier-Transformation?Der Funktionswert
f(ω) :=∫ ∞−∞
f(t) e−iωt dt
lasst sich als (komplexe) Amplitude auffassen, mit der die Frequenz ω im Signal f ver-treten ist, da
f(t) =1
2π
∫ ∞−∞
f(ω) eiωt dω.
Aus dem ”Koeffizientenvektor“ oder auch ”Datenvektor“ f(ω), ω ∈ R, lasst sich dieFunktion, das Signal, f(t) zusammensetzen (synthetisieren).Es gibt aber keine Lokalisierung bezuglich t, da sich am Wert f(ω) nicht ablesen lasst,wann die ”Note“ ω gespielt wurde. (In einer musikalischen Partitur kann man ablesenan welcher Stelle die Note (Frequenz) ω gespielt wird.)Simultane Lokalisierung bezuglich t und ω in einem und demselben ”Datenvektor“ istnur in ganz bestimmten Grenzen (siehe Heisenbergsche Unscharferelation) moglich.Diese Grenzen konnen auch mit Wavelets nicht uberschritten werden. Es gibt keinen
”Schwingstoß“ im Zeitintervall [t0 − h, t0 + h] (ansonsten Null) mit Frequenz im Inter-vall [ω0 − δ, ω0 + δ] und beliebig kleinen h > 0, δ > 0.
Wir sind also auf der Suche nach einem Weg sowohl zeitliche als auch spektrale (Infor-mation im Frequenzbereich) aus einer Funktion resp. Signal zu extrahieren.Eine musikalische Partitur leistet das. Aus ihr entnimmt man, in welchen Zeitinterval-len, welche Frequenzen aktiv sind.
65
3 Fourier-Transformation
In kontinuierlicher Form wird Analoges durch die gefensterte Fourier-Transformation(engl.: windowed Fourier transform) erreicht.Die simultane Lokalisierung bezuglich der Zeit- und der Frequenzvariablen wird aller-dings erkauft mit einer riesigen Redundanz, da nun die Indexmenge zweidimensionalist:
Gf(ω, s) : (ω, s) ∈ R× R.
Definition 14: Die gefensterte Fourier-Transformation ist definiert als:
Gf(ω, s) :=1√2π
∫ ∞−∞
f(t) g(t− s) e−iωt dt.
Das ist folgendermaßen zu verstehen, zunachst wird eine Fensterfunktion g : R→ R≥fest gewahlt. Die Funktion g sollte ”mit Gesamtmasse 1 um t = 0 konzentriert“ sein,also z.B. kompakten Trager oder jedenfalls bei 0 ein ausgepragtes Maximum haben.Besonders verbreitet ist das Fenster
g(t) := N(0, t) :=1√2πσ
exp(− t2
2σ2
)Gaußsche Glockenkurve.
Die dazugehorige Transformation wird auch als Gabor-Transformation bezeichnet.
Fur gegebenes s ∈ R stellt die Funktion
gs : t 7→ g(t− s)
das um s nach rechts (falls s > 0) verschobene Fenster dar.
Legen wir das Fenster
12h
-h h
Flächeninhaltgleich 1
Fensterfunktion g(t)
zugrunde, so lasst sich die gefensterte Fourier-Transformation wie folgt interpretieren:Der Wert Gf(ω, s) gibt an, mit welcher komplexen Amplitude die Grundschwingungeω = eiωt wahrend des t-Intervalls [s − h, s + h] in f vertreten ist. Wurde in diesem
66
3 Fourier-Transformation
Intervall gerade die ”Note“ ω gespielt, so fallt |Gf(ω, s)| groß aus.
s-h s+h s-h s+h
y=g t−s cos t , ∣∣ groß y=g t−s cos t , ∣∣ klein
Fensterbreite 2h Fensterbreite 2h
Da die Information uber f in Gf sehr redundant ist, gibt es fur die gefensterte Fourier-Transformation verschiedene Umkehrformeln, die auf Calderon und Gabor zuruckge-hen.
Die konstante Fensterbreite 2h (bzw. ∼ 2σ fur N(0, σ)) hat zur Folge, dass das ”Abfra-gemuster“ t 7→ g(t−s)eiωt fur |ω| 1
h , nicht in der Lage ist, den Ort dieses Schwingsto-ßes mit der gewunschten Genauigkeit festzustellen. Noch schlimmer ist die Sache fur|ω| 1
h , das Fenster ist zu schmal, um auch nur eine einzige Vollschwingung erfassenzu konnen.
67
KAPITEL 4
Wavelets
4.1 Kontinuierliche Wavelets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
4.1.1 Wie kann man Wavelets konstruieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.2 Haar-Wavelets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
4.2.1 Haar-Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
4.2.2 Die schnelle Haar-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.3 Multiskalen-Analyse (MSA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Grundidee: Eine Funktion f soll als Linearkombination ”einfacher“ Grundfunktionenψk dargestellt werden:
f =∑k
ckψk.
Anforderungen an die Basisfunktionen:
1. Eine Darstellung als Linearkombination ist fur eine genugend große Klasse vonFunktionen moglich, und Analyse (Berechnung der Koeffizienten ck) und Synthe-se (Rekonstruktion von f aus den Koeffizienten ck) konnen numerisch rasch undstabil durchgefuhrt werden.
2. Die Grundfunktionen sollen zeitlich gut lokalisiert sein, also nur auf einem be-schrankten Bereich wesentlich von Null verschieden sein.
3. Die Grundfunktionen im Frequenzbereich sollen gut lokalisiert sein.
4. Die Grundfunktionen bilden ein Orthonormalsystem.
68
4 Wavelets
4.1 Kontinuierliche Wavelets
Definition 15: Die Funktion ψ : R→ C mit
ψ ∈ L2(R), ||ψ||L2 = 1 und 2π∫
R
|ψ(a)|2
|a|da =: Cψ <∞, (Zulassigkeitsbedingung)
heißt (Mutter-) Mother-Wavelet.
Bemerkung 22: Alle praktisch vorkommenden Wavelets sind auch in L1(R), die meis-ten sind stetig (das Haar-Wavelet nicht), viele sind differenzierbar, und die in den An-wendungen beliebtesten Wavelets haben kompakten Trager.
Wann ist ψ ein Wavelet?
Satz 18: Fur ψ ∈ L2(R) und tψ ∈ L1(R), also∫∞−∞ |t||ψ(t)| dt < ∞, ist die Zulassig-
keitsbedingung aquivalent zu∫ ∞−∞
ψ(t) dt = 0 bzw. ψ(0) = 0.
Definition 16: Fur ein Mother-wavelet ψ heißt
Wf(a, b) :=1|a|1/2
∫ ∞−∞
f(t)ψ(t− ba
)dt, a 6= 0,
die Wavelet-Transformierte des Zeitsignals f ∈ L2(R) bzg. ψ.
Der Definitionsbereich von Wf ist die ”zersagte Ebene“
R2− := (a, b) : a ∈ R\0, b ∈ R.
Oft werden nur positive a betrachtet.
Die Funktionen
ψa, b(t) =1|a|1/2
∫ ∞−∞
f(t)ψ(t− ba
)dt
69
4 Wavelets
entstehen alle aus der Funktion ψ(t) durch Dilatation (Streckung bzw. Stauchung) undanschließender Translation um b. Die Funktionenψa,b(t) haben alle die Norm 1, denn
∫ ∞−∞
∣∣∣∣∣ 1|a|1/2
∫ ∞−∞
f(t)ψ(t− ba
)dt
∣∣∣∣∣2
dt =
1|a|∫∞−∞ |ψ(τ)|2 a dτ, a > 0,
1|a|∫ −∞∞ |ψ(τ)|2 a dτ, a < 0,
=1|a|
∫ ∞−∞|ψ(τ)|2 |a| dτ = 1
Das bedeutet,Wf(a, b) = 〈f, ψa,b〉
und|Wf(a, b)| ≤ ||f ||L2 · ||ψa,b||L2 = ||f ||L2 fur alle (a, b) ∈ R2
−.
4.1.1 Wie kann man Wavelets konstruieren?
Lemma 3: Es sei ϕ eine k-fach, k ≥ 1, differenzierbare Funktion mit ϕ(k) ∈ L2(R)und ϕ(k) 6= 0. Dann ist
ψ(t) := ϕ(k)(t)1
||ϕ(k)||L2
ein Wavelet.
Beispiel 33: Mexikaner Hut:
ψ(t) :=2√3π−1/4(1− t2)e−t
2/2 =2√3π−1/4g′′(t)
mit g(t) = e−t2/2 und g′′(t) = (1− t2)e−t
2/2 ∈ Ł2(R).Außerdem rechnet man leicht nach, dass ψ(ξ) = − 2√
3π−1/4(iξ)2g(ξ) = 2√
3π−1/4ξ2e−ξ
2/2
und damit ψ(0) = 0.
Lemma 4: Sei ψ ∈ L2(R) mit ||ψ||L2 = 1, mit kompaktem Trager und∫ ∞−∞
ψ(t) dt = 0,
dann ist ψ ein Wavelet.
70
4 Wavelets
Beispiel 34: Haar-Wavelet
ψ(t) =
1, 0 ≤ t < 1
2 ,
−1, 12 ≤ t < 1,
0, sonst.
Satz 19: Die Wavelettransformation kann invertiert werden, die inverse Wave-lettransformation lautet:
W−1 : L2
(R2−,
da db
a2
)→ L2(R, g 7→
∫R
∫R|a|−1/2ψ
(t− ba
)g(a, b)
da db
a2.
4.2 Haar-Wavelets
4.2.1 Haar-Basis
Das Haar-(Mother)-Wavelet ist die folgende Treppenfunktion:
ψ(t) =
1, 0 ≤ t < 1
2 ,
−1, 12 ≤ t < 1,
0, sonst.
Die Haar-Wavelets sind dann die dilatierten und verschobenen Kopien des Mother-Wavelets:
ψm,n(t) := 2−m/2ψ(2−mt− n).
Alle Wavelets haben die Norm 1, da dieψm,n(t) lokalisiert sind, d.h.ψm,n 6= 0 fur
0 ≤ 2−mt− n < 1 ⇐⇒ n2m ≤ t < (n+ 1)2m
und deshalb sind die Wavelets auch normiert:
||ψm,n||2 =∫ ∞−∞|ψm,n|2 dt =
∫ (n+1)2m
n2m
(2−m/2
)2dt = 2−m(2m(n+ 1)− 2mn) = 1.
71
4 Wavelets
Satz 20: Das Funktionensystem ψm,n; m,n ∈ Z ist eine orthonormierte Basis vonL2(R).
Nun zur Hauptsache: Wir mussen zeigen, dass jedes f ∈ L2(R) durch endliche Linear-kombinationen der ψr,k (sprich: Waveletpolynome) im Sinn der L2-Metrik beliebig genauapproximiert werden kann. Es genugt Treppenfunktionen zu betrachten, da diese dichtin L2(R) liegen.Es sei f ∈ L2(R), m ∈ Z, und Tmf eine Treppenapproximation der Feinheit (Stufen-breite) 2m, d.h.
Tmf(t) =∞∑
n=−∞fm,nχIm,n mit fm,n = 2−m
∫ (n+1]2m
n2mf(t) dt und χIm,n =
1 fur t ∈ Im,n,0 sonst.
Folglich ist fm,n der Mittelwert von f auf Im,n. Die entscheidende Uberlegung ist nun:Wir betrachten Tmf und Tm−1 auf dem Intervall Im,n :
Im,n = Im−1,2n ∪ Im−1,2n+1
Lange 2m Lange 2m−1 Lange 2m
Tmf = fm,n auf Im,n und
Tm−1f =
fm−1,2n auf Im−1,2n
fm−1,2n+1 auf Im−1,2n+1
mit
fm,n = 2−m∫ (n+1)2m
n2mf(t) dt =
12
2−m+1
∫ (2n+1)2m−1
2n·2m−1
f(t) dt+ 2−m+1
∫ 2(n+1)2m−1
(2n+1)2m−1
f(t) dt
=
12
(fm−1,2n + fm−1,2n+1) .
Es zeigt sich, dass die Differenz Tm−1f − Tmf auf den beiden Halften von Im,n ”entge-gengesetzte“ Werte annimmt:
fm−1,2n − fm,n =12
(fm−1,2n − fm−1,2n+1) ,
fm−1,2n+1 − fm,n = −12
(fm−1,2n − fm−1,2n+1) .
72
4 Wavelets
Betrachtet man also Tm−1f − Tmf nur auf Im,n, so ist die Funktion ein Vielfaches derHaarschen Funktion ψm,n, d.h.
Tm−1f − Tmf =∞∑
n=−∞νm,nψm,n.
Da die Amplitude von ψm,n = 2−m/2 ist, ergibt sich fur den Waveletkoeffizienten νm,nder Wert
νm,n = 2m/212
(fm−1,2n − fm−1,2n+1) .
Sei Tm0f eine Treppenapproximation von f mit vorgegebener Stufenbreite m0 undm1 > m0, dann ist
Tm0f︸ ︷︷ ︸ = Tm1f︸ ︷︷ ︸ +m1∑
m=m0+1
∞∑n=−∞
νm,nψm,n︸ ︷︷ ︸feinere Approximation grobere Approximation Linearkomb. von Haar-Wavelets
→ f, m0 → −∞ → 0, m1 →∞
Falls f stetig und f ∈ L2(R), so muss f(t) fur t→ ±∞ gegen Null abklingen⇒ folglichwird der Betrag von Tm1f fur großem1 immer kleiner und es gilt
f ≈ Tm0f ≈m1∑
m=m0+1
∞∑n=−∞
νm,nψm,n.
Andererseits kann der Naherungsfehler beliebig klein gemacht werden, indem manm0 genugend klein wahlt. Einen exakten Beweis findet man im Buch von C. Blat-ter.
4.2.2 Die schnelle Haar-Transformation
Ziel ist die Bestimmung der Wavelet-Koeffizienten νm,n. Dazu wird die Haarsche Ska-lierungsfunktion eingefuhrt:
ϕ(t) =
1, falls 0 ≤ t ≤ 1,
0, sonst.
Durch Schieben (Translation) und Strecken/Stauchen erhalten wir eine Rechteckfunti-on der Hohe 2−m/2 uber dem Intervall Im,n :
ϕm,n(t) = 2−m/2ϕ(2−mt− n).
73
4 Wavelets
Bei festem m bilden die ϕm,n, n ∈ Z, ein orthonormiertes System, da sich die Tragerverschiedenerϕm,n bei gleichemm nicht uberlappen. Deshalb ist
Tmf =∞∑
n=−∞um,nϕm,n,
wobei
um,n = 2m/2fm,n = 2m/22−m∫ (n+1)2m
n2mf(t) dt = 2−m/2
∫ (n+1)2m
n2mf(t)dt = 〈ϕm,n; f〉.
Nun gilt aber
fm+1,n =fm,2n + fm,2n+1
2⇐⇒ 2−(m+1)/2um+1,n =
2−m/2
2(um,2n + um,2n+1)
⇐⇒ um+1,n =um,2n + um,2n+1√
2
und
νm+1,n = 2(m+1)/2 fm,2n − fm,2n+1
2⇐⇒ 2(m+1)2−m/2(um,2n − um,2n+1)
⇐⇒ num+1,n =um,2n − um,2n+1√
2.
Damit lassen sich die Wavelet-Koeffizienten νm,n rekursiv berechnen. Sei ~um = (um,n)∞n=−∞und ~νm = (νm,n)∞n=−∞. D.h.
Tm0f = ~um0 → ~um0+1 → ~um0+2 . . . ~um1−1 → ~um1 = Tm1f
feinere Appr. ↓ ↓ ↓ . . . ↓ grobere Appr.
~νm0+1 ~νm0+2 ~νm0+3 ~νm1
die schnelle Haar-Transformation bzw. schnelle Wavelet-Transformation mit dem Haar-schen Wavelet.Die schnelle Haar-Transformation lasst sich umkehren, aus ~um und ~νm lasst sich ~um−1
berechnen:um−1,2n =
um,n + νm,n√2
, um−1,2n+1 =um,n − νm,n√
2.
Das ergibt folgenden Algorithmus:
Tm0f = ~um0 ← ~um+1 ← ~um+2 . . . ~um1−1 ← ~um1 = Tm1f
feinere Appr. grobere Appr.
~νm0+1 ~νm0+2 ~νm1
Beispiele.
74
4 Wavelets
4.3 Multiskalen-Analyse (MSA)
Die MSA ist ein ”Mikroskop“, durch welches man eine Funktion mit frei wahlbarerAuflosung an frei wahlbarer Stelle betrachten kann.Dazu benotigt man eine Skalierungsfunktion (”kurzer, mehrheitlich positiver Impuls“).Skalierungsfunktionen sind keine Wavelets.
Wir haben am Beispiel der Haarschen Wavelets und der Haarschen Skalierungs-funktion eine Zerlegungsformel
Tm−1f = Tmf +∞∑
n=−∞νm,nψm,n
erhalten. Das Ziel der folgenden Uberlegungen ist es, diese schone Zerlegungs-formel moglichst allgemein zu erhalten. Ausgangspunkt sind ”geeignete“ Ska-lierungsfunktionen (Vater-Funktionen, father functions) und die Zerlegung vonTeilraumen das L2(R) =
⊕∞m=−∞Wm in
Vm−1 = Vm +Wm,
wobei Vm ⊂ Vm−1 Raume einer Multiskalenanalyse sind und Wm der Unterraumder Waveletapproximation ist. Durch die Vorgabe der Skalierungsfunktion ϕ unddamit der Raume Vm, soll ein Mother-wavelet ψ bestimmbar sein, so dass die(ψm,n)∞n=−∞ gerade Wm aufspannen.
Gewunschte Eigenschaften der MSA:
• die ϕm,nn∈Z bilden bei festem m (also pro Skala) ein ONS, d.h.
〈ϕm,n; ϕm,k〉 = δn,k
und damit istum,n = 〈ϕm,n; f〉 =
∫ ∞−∞
ϕm,n(t) f(t) dt
fur
f =∞∑
n=−∞um,nϕm,n(t).
75
4 Wavelets
Wegen der Verschiebungs- und Streckungseigenschaften des Skalarprodukts genugt esaber zu fordern, dass
〈ϕ0,n;ϕ0,0〉 = 〈ϕ0,n;ϕ〉 = δ0,n ∀n ∈ Z (4.1)
”Orthonormalitatsbedingung“
• Verknupfung der Skalen:Vm soll in jedem Vp mit p < m enthalten sein, d.h.
. . . ⊂ V1 ⊂ V0 ⊂ V−1 ⊂ V−2 ⊂ . . . .
Es genugt zu fordern, dass ϕ ebenfalls in V−1 liegt:Es gibt reelle Zahlen hk, k ∈ Z, so dass
ϕ =∑k∈Z
hkϕ−1,k(t) =√
2∑k∈Z
hkϕ(2t− k) (4.2)
”Zwei-Skalenrelation“
• Weiterhin sei ϕ integrierbar und ∫ ∞−∞
ϕ(t) dt = 1. (4.3)
”Mittelungseigenschaft“
Umgekehrt lasst sich zeigen, dass, wenn ϕ gut lokalisiert ist und (4.1), (4.2) und (4.3)erfullt sind, so gilt fur jede L2-Funktion f :
||Amf − f ||L2 → 0 fur m→ −∞,||Amf ||L2 → 0 fur m→ +∞,
Beispiel 35: Haarsche Skalierungsfunktion:
ϕ(t) =
1, 0 ≤ t < 1,
0, sonst.
In Analogie zu den Beweisen fur die Haar-Wavelets kann man zeigen, dass die Haar-sche Skalierungsfunktion die Eigenschaften (4.1), (4.2) und (4.3) besitzt.
Beispiel 36: Shannonsche Skalierungfunktion:
ϕ(t) =sin(πt)πt
.
76
4 Wavelets
Sie stellt eine idealen Tiefpassfilter dar, da
ˆϕ(ξ) =
1, |ξ| < 1
2 ,
0, sonst.
Nachweis der Eigenschaften im Spektralbereich unter Verwendung der ParsevalschenGleichung. Nach dem Verschiebungssatz ist mit ϕ0,n = ϕ(t − n) die Fouriertransfor-mierte ϕ0,n(ξ) = e−i2πξnϕ(ξ) und deshalb
〈ϕ0,n, ϕ〉 =∫ ∞−∞
ϕ0,n(t)ϕ(t) dt = 〈ϕ0,n, ϕ〉 =∫ ∞−∞
ei2πξn|ϕ(ξ)|2 dξ =∫ 1
2
− 12
ei2πξn dξ,
was Null ist fur n 6= 0 und 1 fur n = 0. Damit ist (4.1) nachgewiesen. NAchweis von(4.3): ∫ ∞
−∞ϕ(t) dt = 〈1, ϕ〉 = 〈δ, ϕ〉 = ϕ(0) = 1.
Die 2-Skalenrelation ergibt sich aus dem Shannonschen Abtastsatz angewandt auf ϕmit der Grenzfrequenz ξg = 1
2 und ∆t = 12 :
ϕ(t) =∞∑
n=−∞
sin(2π(t− n2 ))
2π(t− n2 )
ϕ(n2 ) =∞∑
n=−∞ϕ(2t− n)ϕ(n2 ) =
√2∞∑
n=−∞hn ϕ(2t− n).
und damit
hk =1√2ϕ(k2 ) =
1√2
sin(π k2 )
π k2=√
2sin(kπ2 )πk
, k 6= 0,
und h0 = 1√2ϕ(0) = 1√
2. Wie sehen die Approximationen Amf aus?
Insgesamt gilt (wir werden die Wavelet-Raume Wm weiter unten konstruieren):
77
4 Wavelets
Satz 21: Die Vektorraume Vm haben die folgenden Eigenschaften:
E1 Vm ⊂ Vm−1 fur alle m ∈ Z,
E2 Die Vereinigung aller Vm, d.h.⋃m∈Z Vm, liegt dicht in L2(R) und fur die Ortho-
gonalprojektionen Pmf von f ∈ L2(R) auf Vm, m ∈ Z gilt
limm→−∞
||f − Pmf || = 0.
E3 Der Durchschnitt aller Vm ist der Nullraum, d.h.
∞⋂m=−∞
Vm = 0.
E4 Fur alle m ∈ Z gilt Vm−1 = Vm ⊕Wm.
E5 Fur alle m ∈ Z gilt: f(t) ∈ Vm ⇐⇒ f(2t) ∈ Vm−1.
E6 Fur jedes m ∈ Z bilden die Funktionen
ϕm,k = 2m/2ϕ(2mt− k), k ∈ Z
ein vollstandiges ONSystem.
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