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Handbuch der deutschen Parteien Frank Decker Viola Neu Hrsg. 3. Auflage

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Handbuch der deutschen Parteien

Frank DeckerViola Neu Hrsg.

3. Auflage

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Handbuch der deutschen Parteien

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Frank Decker · Viola Neu (Hrsg.)

Handbuch der deutschen Parteien3., erweiterte und aktualisierte Auflage

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HerausgeberFrank DeckerBonn, Deutschland

Viola NeuBerlin, Deutschland

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Lektorat: Jan Treibel

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

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V

Inhalt

Vorwort zur 3. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

Inhalt und Systematik des Handbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . XIII

Kurzbezeichnungen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

Allgemeiner Teil

Frank DeckerParteiendemokratie im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Paul LucardieZur Typologie der politischen Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Heike MertenRechtliche Grundlagen der Parteiendemokratie . . . . . . . . . . . . . . 57

Oskar NiedermayerDie Entwicklung des bundesdeutschen Parteiensystems . . . . . . . . . 97

Eckhard JesseKoalitionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

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InhaltVI

Lexikalischer Teil

Die Parteien A – Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

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VII

Vorwort zur 3. Auflage

In den fünf Jahren, die seit der zweiten Auflage des „Handbuchs der deutschen Par­teien“ verstrichen sind, hat die Bundesrepublik einen weiteren kompletten Wahl­zyklus durchlaufen. Neben den beiden nationalen Wahlen (zum Bundestag und zum Europäischen Parlament) fanden in allen 16 Bundesländern Landtagswahlen statt. Gegenüber der zweiten Auflage waren zehn Parteien zusätzlich zu berücksichtigen. Als prominentester Neuankömmling sticht die Alternative für Deutschland (AfD) hervor, der es nach ihrem knappen Scheitern an der Fünfprozenthürde bei der Bun­destagswahl 2013 gelungen ist, bei allen nachfolgenden Landtagswahlen in die Par­lamente einzuziehen – zum Teil mit zweistelligen Ergebnissen. Die AfD hat damit den wichtigsten Neueintrag der vergangenen Auflage, die Piratenpartei, an Bedeu­tung deutlich hinter sich gelassen, deren spektakuläre Erfolge 2011 und 2012 sich als Eintagsfliegen entpuppten. Gelingt den Rechtspopulisten die dauerhafte Etablierung, wäre das die einschneidendste Zäsur in der Entwicklung des deutschen Parteiensys­tems seit der Entstehung der Grünen anfangs der achtziger Jahre und der Herausbil­dung der Linkspartei aus der vormaligen PDS im Jahre 2007.

Die Konzeption des Handbuches ist im Wesentlichen unverändert beibehalten worden. Um die wachsenden Komplexität der Koalitionsbeziehungen abzubilden, die durch die Pluralisierung der Parteienlandschaft eingetreten ist, wurde im all­gemeinen Teil ein Beitrag zur Koalitionspolitik hinzugenommen (verfasst von Eck­hard Jesse). Mit einer Ausnahme sind alle 33 Autoren der Zweitauflage mit an Bord geblieben, zu denen sich – für die neu aufzunehmenden Parteien – weitere vier Au­toren hinzugesellen. Jan Treibel hat als Lektor des VS­Verlags die Neuauflage be­gleitet und selbst den Beitrag zur FDP beigesteuert. Die Autorenkorrespondenz und Koordination der Arbeiten lag in den Händen von Anne Küppers, die verlegerische Umsetzung bei Monika Mülhausen. Die Anfertigung des Personenregisters, die Zu­sammenstellung des Zahlenmaterials und die anfallenden Recherche­ und Korrek­turarbeiten wurden von unseren Mitarbeitern Julian Brummer, Kristian Burghartz,

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Vorwort zur 3. AuflageVIII

Nikos Lennartz und Sebastian Rostek zuverlässig erledigt. Ihnen allen möchten wir ebenso danken wie Prof. Dr. Werner Müller für seine neuer liche Bereitschaft, das Manuskript einer gründlichen Schlusskorrektur zu unterziehen.

Bonn und Berlin im Juni 2017Frank Decker & Viola Neu

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IX

Inhalt und Systematik des Handbuches

Die bundesdeutsche Parteienlandschaft ist in Bewegung geraten. Spätestens mit der Bundestagswahl 2005 wurde zur Gewissheit, was sich schon seit längerem angebahnt hatte, in seinen vollen Konsequenzen aber noch nicht sichtbar geworden war: dass die Ära des stabilen Parteiensystems, das bisher noch stets die Bildung einer Re­gierung nach dem vertrauten Muster (kleiner) Zweierkoalitionen ermöglichte, fürs Erste vorüber ist. Obwohl man diese Entwicklung hätte vorausahnen können, hin­terließ sie die parteipolitische Klasse am Wahlabend ratlos. Union und SPD trösteten sich in der Folge mit der vermeintlichen Gewissheit, dass die von ihnen widerwillig gebildete Große Koalition nur eine Übergangslösung sein werde. Diese Erwartung sollte sich mit dem klaren Wahlsieg von Union und FDP 2009 tatsächlich bewahrhei­ten. Aus heutiger Sicht wirkt die Rückkehr zu scheinbar klaren Verhältnissen freilich eher wie ein Intermezzo, da 2013 erneut eine Große Koalition gebildet wurde. Nach­dem mit der Alternative für Deutschland eine neu entstandene Kraft gute Chancen hat, sich im Parteiensystem zumindest mittelfristig zu etablieren, sind die Dinge noch komplizierter geworden.

Die neuen Herausforderungen für die Regierungsbildung stehen in engem Zu­sammenhang mit der Wechselmobilität der Wähler, die seit den achtziger Jahren deutlich zugenommen hat. Wie der Absturz der SPD bei der Bundestagswahl 2009 belegt (minus 11,2 Prozentpunkte), sind zweistellige Veränderungen von Wahl zu Wahl dabei längst keine Ausnahme mehr. Dieser Trend macht sich nicht nur in den neuen Ländern bemerkbar, wo die Bindungen der Wähler an die Parteien und deren Vorfeldstrukturen traditionell schwach ausgeprägt sind. Das Abschneiden der Alter­native für Deutschland, die bei den Landtagswahlen in Baden­Württemberg und in Rheinland­Pfalz im März 2016 aus dem Stand 15,1 bzw. 12,6 Prozent der Stimmen erreichte, dokumentieren eine ähnlich hohe Wechselbereitschaft in der Altbundes­republik. Auch die Beteiligungsraten schwanken von Wahl zu Wahl und zwischen den verschiedenen Wahlebenen erheblich. Warum die Wähler sich so verhalten, von

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Inhalt und Systematik des HandbuchesX

welchen Motiven sie sich bei ihrer Stimmabgabe leiten lassen, bleibt zunehmend im Nebel. Protest, Unzufriedenheit, Unsicherheit, Desinteresse, Verlust sozialer Einbin­dung oder Atomisierung machen die Wahlentscheidung gleichermaßen emotional, unmittelbar und somit unberechenbar. Dies hat zu einer neuen Dynamisierung des Parteiensystems geführt, die mehr Fragen aufwirft, als mit der traditionellen Wahl­forschung bislang beantwortet werden können.

Symptomatisch für die Fragmentierung der Parteienlandschaft sind die wachsen­den Stimmenanteile für die kleinen Parteien. Hierzu gehören zum einen – als eta­blierte Vertreter – die FDP und die Grünen, zum zweiten die systemoppositionellen bzw. ­kritischen Parteien am rechten und linken Rand (Die Linke und die AfD) und zum dritten die übrigen nicht­etablierten Kleinparteien, die in der Wahlberichterstat­tung gerne unter den „Sonstigen“ abgelegt werden. Letztere kamen in der Ära des sta­bilen Parteiensystems in den sechziger und siebziger Jahren zusammengenommen nur selten über zwei Prozent der Stimmen hinaus. Heute erreichen sie mitunter Wer­te um die zehn Prozent wie etwa bei der Bürgerschaftswahl in Bremen 2011 (10,6 Pro­zent), der Europawahl 2014 (8,9 Prozent) oder der Berliner Abgeordnetenhauswahl 2016 (9,1 Prozent). Dennoch wurde ihnen in der Parteienforschung bislang wenig Be­achtung geschenkt.

Diese unbefriedigende Situation hat die Herausgeber bewogen, sich an einer le­xikalischen Bestandsaufnahme des bundesdeutschen Parteiensystems zu versuchen. Wir knüpfen dabei bewusst an die Konzeption des 1983 erschienenen, mehrbändigen „Parteienhandbuches“ von Richard Stöss an, das 1986 in einer textidentischen Ta­schenbuchausgabe wieder aufgelegt, anschließend aber nicht mehr fortgeschrieben wurde. Das Handbuch strebt eine Bestandsaufnahme des aktuellen Parteiensystems in der Bundesrepublik an, dessen Entwicklung insbesondere seit den achtziger Jahren im Detail beleuchtet werden soll. Es gliedert sich in einen allgemeinen und einen le­xikalischen Teil. Im allgemeinen Teil, der fünf Beiträge umfasst, werden grundlegen­de Fragestellungen erörtert. Der Einleitungsbeitrag von Frank Decker lenkt den Blick zunächst auf die zunehmenden Legitimationsprobleme des parteiendemokratischen Systems, deren Ursachen, Erscheinungsformen und Konsequenzen am Beispiel der Bundesrepublik dargestellt werden. Der niederländische Politikwissenschaftler Paul Lucardie unternimmt es anschließend, die verschiedenen Begriffsmerkmale und Ty­pologisierungsversuche politischer Parteien systematisch zu ordnen. Unterschieden wird dabei nach der Programmatik oder Ideologie der Parteien, ihren Zielen und Funktionen im politischen System, dem Ursprung der Parteien, der Parteiorganisa­tion sowie der soziologischen Basis und Wählerstruktur. Der dritte Beitrag wendet sich den rechtlichen Grundlagen der Parteiendemokratie in Deutschland zu. Die Düssel­dorfer Rechtswissenschaftlerin Heike Merten behandelt zum einen die im Parteien­gesetz geregelten Modalitäten des Parteiwesens und des Parteienwettbewerbs (Chan­cengleichheit, innerparteiliche Demokratie, Parteienfinanzierung, Parteienver bot usw.), zum anderen die für die Strukturen des Parteiensystems nicht minder bedeut­samen Wahlrechtsregelungen. Im vierten Beitrag zeichnet Oskar Nieder mayer die

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Inhalt und Systematik des Handbuches XI

Entwicklungslinien des bundesdeutschen Parteiensystems von 1949 bis heute nach. Die gängigen Kriterien der deskriptiven Parteiensystemanalyse verwendend (Frag­mentierung, Symmetrie/Asymmetrie, Polarisierung), vertritt der Berliner Politikwis­senschaftler die These, dass das Parteiensystem seit 2005 zwischen zwei Typen „os­zilliert“: einem pluralistischen System (zwischen 2009 und 2013) und einem System mit Zweiparteien dominanz (vor 2009 und erneut nach 2013). Den Abschluss des all­gemeinen Teils bildet Eckhard Jesses Betrachtung der Koalitionsbeziehungen, die die Bundes­ und Länderebene gleichermaßen berücksichtigt. Der Chemnitzer Politik­wissenschaftler stellt dabei auch institutionelle Reformüberlegungen an, wie der Wil­le des Wählers bei der Koalitionsbildung stärker zur Geltung gebracht werden kann.

Im lexikalischen Teil werden insgesamt 106 Parteien abgehandelt. Berücksichti­gung finden nur diejenigen Parteien, die ab 1982 an Bundestags­, Europa­ und/oder Landtagswahlen teilgenommen haben. Vollständigkeit sollte und konnte dabei nicht angestrebt werden1; deshalb wurde eine Mindesterfolgs­ bzw. Teilnahmeschwelle festgelegt: Aufgenommen sind die Parteien, die auf allen drei Ebenen (Land, Bund, Europa) bei Wahlen angetreten sind sowie jene Parteien, die bei mindestens einer Bundestags­, Europa­ oder Landtagswahl mehr als 0,5 Prozent der Stimmen erzielt haben. Diese Marke ist gleichbedeutend mit dem Schwellenwert für die Inanspruch­nahme der staatlichen Wahlkampf finanzierung bei Bundestags­ und Europawahlen.2 Sie liegt unterhalb der Zwei­Prozent­Schwelle, die laut Sartori überschritten sein muss, um von einer relevanten Partei zu sprechen, doch geschieht das hier mit vol­ler Absicht: Das Handbuch soll gerade den Klein­ und Kleinstparteien gebührenden Platz einräumen, die nicht nur in der öffentlichen Aufmerksamkeit, sondern auch von der Forschung regelmäßig vernachlässigt werden. Rechnung getragen wird dem zugleich durch eine Abstufung des Umfangs der Artikel, der zwischen 12 bis 20 Seiten für die Bundestagsparteien und eins bis sechs Seiten für die marginalisierten (nicht­relevanten) Splitterparteien schwankt; die letztgenannten werden insofern überpro­portional berücksichtigt.

Die Artikel folgen einem identischen Muster. Nach einem einleitenden Über­blick über die Entstehungs­ und Entwicklungsgeschichte der Partei werden zuerst die Wahlergebnisse und Wählerstruktur, sodann die Programmatik und schließlich die Organisation der Partei behandelt, bevor ein kurzes Fazit die Darstellung abrun­det; einzig der Beitrag über die →Freien Wähler, die als Dachorganisation kommuna­ler Wählergemeinschaften keine Partei im üblichen Sinne sind, weicht von diesem Schema geringfügig ab. Am Ende der Artikel wird – falls verfügbar – auf wissen­schaftliche Literatur hingewiesen und die Internetadresse der Partei angegeben.

1 Im Mai 2017 hatten 107 politische Vereinigungen ihre Unterlagen beim Bundeswahlleiter hinter­legt. Die Gesamtzahl aller Parteien, die seit 1946 an Landtags­, Bundestags­ und Europawahlen teil­genommen haben, liegt bei rund 500. Rechnet man nur die Bundestagswahlen, sind es 136.

2 Bis 2002 galt sie auch bei Landtagswahlen. Danach wurde der Wert auf 1,0 Prozent heraufgesetzt.

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Inhalt und Systematik des HandbuchesXII

Die Bearbeitung gestaltete sich insbesondere bei denjenigen Kleinstparteien schwierig, zu denen es keine wissenschaftliche Literatur und auch ansonsten kaum Material gibt. Die Autoren mussten sich hier häufig mit nur wenigen Zeitungsartikeln sowie eigenen Angaben der Parteien behelfen, die natürlich immer mit Vorsicht zu genießen sind. Diese Quellen werden unter den Literaturangaben in der Regel nicht eigens aufgeführt; dasselbe gilt für die Unterlagen der Wahlleiter sowie – im Falle ex­tremistischer Parteien – die Verfassungsschutzberichte, soweit sie Informationen zu den betreffenden Parteien enthalten.

Wer den lexikalischen Teil etwas genauer durchmustert, wird eine Unzahl von Querverbindungen zwischen den meisten der behandelten Parteien feststellen. Auch die Herausgeber waren überrascht, wie viele Abspaltungen, Neugründungen, Fusio­nen und Kooperationen es in der bundesdeutschen Parteienlandschaft im fraglichen Zeitraum gegeben hat, als sie die Summe der Einzelartikel in Augenschein nahmen. Um dem Benutzer die Orientierung zu erleichtern, sind in die Beiträge bei Bedarf Verweisungspfeile auf andere Parteien eingefügt worden; darüber hinaus findet sich am Ende des Bandes ein umfangreiches Personenregister.

Im lexikalischen Teil werden die Parteien alphabetisch nach ihrem vollen Na­men aufgelistet – für alternative (frühere oder spätere) Namensgebungen oder Zu­satzbezeichnungen, wie sie gerade von den Kleinstparteien gerne verwendet werden, finden sich entsprechende Verweise. Die Schreibweise folgt der offiziellen Benen­nung im Verzeichnis des Bundeswahlleiters. Bestimmte Artikel bleiben als Namens­bestandteil bei der Alphabetisierung unberücksichtigt. In den Artikeln selbst werden die Parteien in der Regel bei ihrem offiziellen Kürzel genannt; dasselbe gilt für die an­deren dort erwähnten (und im Handbuch berücksichtigten) Parteien. Eine alphabeti­sche Auflistung der Parteien nach ihren Abkürzungen bzw. Kurzbezeichnungen ist dem allgemeinen Teil vorangestellt. Parteien oder Vereinigungen, die im Handbuch nicht eigens behandelt werden, sind in den Artikeln stets mit vollem Namen genannt.

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XIII

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Häufigkeit von Regierungswechseln nach Landtagswahlen 16Mitgliederzahlen der Bundestagsparteien 1981 bis 2016 28Gesamteinnahmen der Bundestagsparteien von 2000 bis 2014 68Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen 69Einnahmen aus Mandatsträgerbeiträgen 70Einnahmen aus Spenden 71Staatliche Teilfinanzierung der Bundestagsparteien 2000 bis 2014 72Staatliche Teilfinanzierung 2015 und 2016 (alle anspruchsberechtigten Parteien) 73Format des Parteiensystems 1949 bis 2013 103Fragmentierung des Parteiensystems 1949 bis 2013 103Dominanz von Union und SPD 1949 bis 2013 104Asymmetrie zwischen Union und SPD 1949 bis 2013 104Koalitionen im Bund 1949 bis 2017 144/145AfD: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 164AfD: Struktur der Wählerschaft 165WASG: Mitgliederzahlen der WASG in den alten und neuen Ländern 181Bündnis 90/Die Grünen: Wahlergebnisse bei Bundestags­ und Europawahlen seit 1979 209Bündnis 90/Die Grünen: Struktur der Wählerschaft (Bundestagswahlen 1994 bis 2013) 210/211Bündnis 90/Die Grünen: Bundesvorstandssprecher 1979 bis 2017 215Bündnis 90/Die Grünen: Mitgliederentwicklung 1982 bis 2016 216CDU/CSU: Ergebnisse bei Bundestagswahlen 1983 bis 2013 247CDU/CSU: Ergebnisse bei Europawahlen 1984 bis 2014 247CDU/CSU: Struktur der Wählerschaft (Bundestagswahlen 1994 bis 2013) 248/249CDU/CSU: Mitgliederentwicklung 1982 bis 2016 259CSU: Parteivorsitzende 1961 bis 2017 265

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Verzeichnis der Abbildungen und TabellenXIV

CSU: Bayerische Ministerpräsidenten 1962 bis 2017 265CSU: Landtags­, Bundestags­ und Europawahlergebnisse in Bayern 1982 bis 2014 268CSU: Mitgliederentwicklung 1982 bis 2016 273DVU: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 295Familien­Partei: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 309FDP: Parteivorsitzende 1974 bis 2017 322FDP: Ergebnisse bei Bundestags­ und Europawahlen 1983 bis 2014 324FDP: Sozialstruktur der Wählerschaft (Bundestagswahlen 1994 bis 2013) 325/326FDP: Mitgliederentwicklung 1982 bis 2016 330Freie Wähler: Vertretung in Gemeinderäten und Kreistagen 336Freie Wähler: Ergebnisse bei Landtags­, Europa­ und Bundestagswahlen 1987 bis 2017 339Die Grauen: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 366PDS, Linkspartei.PDS, Die Linke: Parteivorsitzende 1989 bis 2017 390PDS, Linkspartei.PDS, Die Linke: Ergebnisse bei Bundestags­ und Europawahlen 1990 bis 2014 392PDS: Ergebnisse bei Landtagswahlen in den neuen Ländern und Berlin 1990 bis 2004 392Linkspartei.PDS, Die Linke: Ergebnisse bei Landtagswahlen 2006 bis 2017 393PDS, Linkspartei.PDS, Die Linke: Struktur der Wählerschaft (Bundestagswahlen 1994 bis 2013) 394/395PDS, Linkspartei.PDS, Die Linke: Mitgliederentwicklung 1991 bis 2016 399NPD: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 1983 bis 2016 411Neues Forum: Ergebnisse bei Landtagswahlen 1990 bis 2006 422ÖDP: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 426Piratenpartei: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 444Republikaner: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 457Schill­Partei: Ergebnisse bei Bundestags­ und Landtagswahlen 465SPD: Parteivorsitzende 1964 bis 2017 471SPD: Ergebnisse bei Bundestags­ und Europawahlen 1983 bis 2014 474SPD: Struktur der Wählerschaft (Bundestagswahlen 1994 bis 2013) 476/477SPD: Mitgliederentwicklung 1982 bis 2016 482SSW: Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Schleswig­Holstein 1983 bis 2017 502Tierschutzpartei: Ergebnisse bei Bundestags­, Europa­ und Landtagswahlen 507

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XV

Kurzbezeichnungen der Parteien

AFB Arbeit für Bremen und BremerhavenAfD Alternative für DeutschlandAfW Allianz freier WählerAL Alternative Liste (→GRÜNE)AL Alternative Liste HamburgALFA Allianz für Fortschritt und Aufbruch (→LKR)ALP Die ArbeitslosenparteiAPD AUTOFAHRER­ und BÜRGERINTERESSEN PARTEI

DEUTSCHLANDSAPPD Anarchistische Pogo­Partei DeutschlandsASD Alle Sozialversicherten und Rentner Deutschlands

Arbeits­Solidargemeinschaft der Rentner, Angestellten und Arbeiter – Rentnerpartei Deutschlands

AUB­Brandenburg Allianz Unabhängiger Bürger – Brandenburg e. V.AUF Partei für Arbeit, Umwelt und Familie (→Bündnis C)AUFBRUCH Aufbruch für Bürgerrechte, Freiheit und GesundheitBAL Betrieblich­Alternative ListeB+B Bremer und Bremerhavener WählergemeinschaftBFB BUND FREIER BÜRGER – OFFENSIVE FÜR

DEUTSCHLAND Die FreiheitlichenBFF Bündnis für Frieden und Fairness (→BIG)BFWG Brandenburgische Freie Wähler­Gemeinschaften (→FW)BGL Bremer Grüne Liste (→GRÜNE, →BAL)BIG Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit BIW Bürger in WutBP BayernparteiBRB Pro Brandenburg – Bürger rettet Brandenburg

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Kurzbezeichnungen der ParteienXVI

BSP Berlin Bürger­ und Stadtpartei BerlinBündnis C Bündnis C – Christen für Deutschland Bü. 90 Bündnis 90Bürger BürgerBündnis freier WählerBüSo Bürgerrechtsbewegung SolidaritätBVB/FREIE WÄHLER Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie WählerC.B.V. Christliche Bayerische Volkspartei (Bayerische

Patrioten bewegung)CDU Christlich Demokratische Union DeutschlandsCHR.L. →LIGACM Christliche Mitte – Für ein Deutschland nach GOTTES

GebotenCSU Christlich­Soziale Union in Bayern e. V.DA Bürgerbewegung Demokratischer AufbruchDA Demokratische Alternative für Umweltschutz, Steuerzahler

und ArbeitsplätzeDAP Deutsche Arbeitslosenpartei (→ALP)DBU Deutsche Biertrinker UnionDeutsche Liga →DLVHDeutschland Ab jetzt … Bündnis für DeutschlandDFD Demokratischer Frauenbund DeutschlandsDie Achtsamen Achtsame DemokratenDIE FRANKEN Partei für FrankenDIE FRAUEN Feministische Partei DIE FRAUENDIE FREIHEIT Bürgerrechtsbewegung für mehr Freiheit und Demokratie –

Die FreiheitDIE GRAUEN →GRAUEDie Grünen →GRÜNEDie Konservativen Bremen muss lebenDIE LINKE Die LinkeDie Linkspartei.PDS →DIE LINKEDie PARTEI Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung

und basisdemokratische Initiative – Die PARTEIDie Tierschutzpartei Mensch Umwelt TierschutzDie Violetten Die Violetten – für spirituelle PolitikDJ Demokratie Jetzt (→Bündnis 90)DKP Deutsche Kommunistische ParteiDLVH Deutsche Liga für Volk und HeimatDP DEUTSCHE PARTEIDSU Deutsche Soziale Union (Ost) DVU Deutsche VolksunionEAP Europäische Arbeiterpartei

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Kurzbezeichnungen der Parteien XVII

EFP Europäische Föderalistische Partei – Europa ParteiEltern Elternpartei – für eine familienfreundliche PolitikFAG Hessen FAG FlughafenAusbauGegner HessenFAMILIE FAMILIEN­PARTEI DEUTSCHLANDSFAP Freiheitliche Deutsche ArbeiterparteiFDP Freie Demokratische ParteiFDP/DPS →FDPFDP/DVP →FDPFDVP Freiheitliche Deutsche Volkspartei – Die Freiheitlichen FORUM NEUES FORUMFRAUEN FRAUENPARTEIFREIE SACHSEN Allianz unabhängiger Wähler im Freistaat SachsenFREIE WÄHLER Freie WählerFREIER HORIZONT Freier HorizontFRIEDEN DIE FRIEDENSLISTE50Plus 50Plus Das Generationen­Bündnis

50Plus – Bürger­ und Wählerinitiative für BrandenburgFür Kinder Zukunft für alle Kinderfuture ! future ! – Die junge Alternative

future ! – die jugendparteiFW Bayern Freie Wähler BayernFWD Freie Wähler DeutschlandGAL Grün Alternative Liste (→GRÜNE)Gesundheitsforschung Partei für GesundheitsforschungGRAUE DIE GRAUEN – Graue PantherGraue Panther (→GRAUE)GRÜNE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENGUT Gerechtigkeit – Umwelt – Tierschutz

(→GRAUE, →ÖDP, →Die Tierschutzpartei)HLA Hamburger Liste für AusländerstoppHP Humanistische ParteiIFM Initiative Frieden und Menschenrechte (→Bündnis 90)Kusch Rechte Mitte HeimatHamburgLiberale Neue Liberale – Die SozialliberalenLIGA CHRISTLICHE LIGA – Die Partei für das LebenLinke Alternative Linke Alternative – Wehrt EuchLinkspartei →DIE LINKELinkspartei.PDS →DIE LINKEListe D →DVULKR Liberal­Konservative ReformerLL/PDS Linke Liste/PDS (→DIE LINKE)MLPD Marxistisch­Leninistische Partei Deutschlands

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Kurzbezeichnungen der ParteienXVIII

Mündige Bürger Die Mündigen BürgerMUT Partei Mensch Umwelt Tierschutz (→Die Tierschutzpartei)NATURGESETZ NATURGESETZ PARTEI, Aufbruch zu neuem Bewusstsein NEUES FORUM →FORUM NEUE STATT PARTEI DIE NEUE STATT PARTEI Landesverband NiedersachsenNF Neues Forum (→FORUM)NFGRDJ Neues Forum Die Grünen Demokratie Jetzt (→FORUM)NPD Nationaldemokratische Partei DeutschlandsÖDP Ökologisch­Demokratische ParteiÖKO­UNION DEUTSCHE SOLIDARITÄT, Union für Umwelt­ und

LebensschutzOffensive D →Schill­ParteiPASS Partei der Arbeitslosen und Sozial SchwachenPBC Partei Bibeltreuer ChristenPDS Partei des demokratischen Sozialismus (→DIE LINKE)PDS/Linke Liste →DIE LINKEPDS – LL →DIE LINKEPIRATEN Piratenpartei DeutschlandPRO Partei Rechtsstaatlicher Offensive (→Schill­Partei)pro Deutschland →Bürgerbewegung PRO NRWPro DM Initiative pro D­Mark – neue liberale ParteiPro DM/Schill →Schill­ParteiPRO NRW Bürgerbewegung PRO NRWPSG Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der Vierten InternationaleREGENBOGEN REGENBOGEN – Für eine neue LinkeRENTNER Rentner Partei DeutschlandRentnerpartei →ASDREP DIE REPUBLIKANERRRP Rentnerinnen und Rentner Partei (→Bündnis 21/RRP)RENTNER Rentner Partei DeutschlandSchill Schill­Partei (Partei Rechtsstaatlicher Offensive)SEW Sozialistische Einheitspartei WestberlinsSOLIDARITÄT →ÖKO UNIONSPASSPARTEI Die Spaßpartei für DeutschlandSPD Sozialdemokratische Partei DeutschlandsSSW Südschleswigscher WählerverbandSTATT Partei STATT Partei DIE UNABHÄNGIGENTierschutzallianz Die Allianz für Menschenrechte, Tier­ und NaturschutzTIERSCHUTZliste Aktion Partei für TierschutzTierschutzpartei →Die TierschutzparteiUFV Unabhängiger FrauenverbandUWSH Unabhängige Wählergemeinschaft Schleswig­Holstein

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Kurzbezeichnungen der Parteien XIX

VIBT Volksinteressenbund ThüringenVolksabstimmung Ab jetzt … Bündnis für DeutschlandWASG Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die WahlalternativeWBK Wählerinitiative Berliner Kleingärtner und BürgerWSH Wählergemeinschaft Schleswig­HolsteinZENTRUM Deutsche Zentrumspartei

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Allgemeiner Teil

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Parteiendemokratie im Wandel

Frank Decker

1 Krise oder Wandel ?

Wenn man mit dem amerikanischen Politikwissenschaftler Robert Dahl (1971) davon ausgeht, dass die Demokratie wesentlich durch zwei Elemente bestimmt wird – po­litische Partizipation und politischen Wettbewerb – dann sind alle Demokratien not­wendig Parteiendemokratien. Als Akteure im Prozess der politischen Willensbildung sind die Parteien die eigentlichen Träger des Wettbewerbs und der auf Wahlen be­zogenen politischen Beteiligung. Der Zustand der Demokratie in einem Land hängt daher, wie es deutsche Politologe Ernst Fraenkel (1974: 151) einmal ausgedrückt hat, maßgeblich von der „Pflege der Demokratie in den Parteien“ ab.

Von der Politikwissenschaft werden den Parteien üblicherweise vier Funktionen zugeschrieben:

• die Repräsentationsfunktion: Parteien bilden die Konfliktlinien innerhalb einer Gesellschaft ab, sind also ein Ausdruck sozialer Kräfte. Durch die Formulierung politischer Programme versuchen sie, die Interessen der von ihnen vertretenen Wählergruppen zu artikulieren und zu bündeln.

• die Legitimationsfunktion: Als Institutionen der Willensbildung verkörpern die Parteien das demokratische Prinzip im Allgemeinen und dessen plebiszitäre Kom­ponente im Besonderen. Indem sie die Bürger mobilisieren und zur Partizipation anhalten, tragen sie zur politischen Integration des Gemeinwesens bei.

• die Sozialisations- und Elitenrekrutierungsfunktion: Parteien wählen das politische Führungspersonal aus und trainieren es für die Übernahme von staatlichen (bzw. kommunalen) und Regierungsämtern. Als Karrierevehikel sind sie dabei zugleich Interessengruppen in eigener Sache.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018F. Decker und V. Neu (Hrsg.), Handbuch der deutschenParteien, DOI 10.1007/978-3-658-17995-3_1

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• die Steuerungsfunktion: Parteien streben nach Regierungsmacht und üben un­mittelbaren Einfluss auf die staatliche Willensbildung und Entscheidungsfindung aus. Im Wettbewerb mit ihren Mitstreitern sorgen sie für politische Innovationen.

Wie ist es um die Erfüllung der Funktionen in den etablierten Demokratien bestellt ? Am ehesten erfolgreich bleiben die Parteien in der Sozialisations­ und Rekrutierungs­ sowie der politischen Steuerungsfunktion. Bei der erstgenannten können sie in den meisten Demokratien sogar ein Monopol für sich reklamieren1, während die Wahr­nehmung der Steuerungsfunktion starke systemspezifische Unterschiede aufweist: In föderal verfassten Staaten mit stark konsensuell ausgerichteten Entscheidungs­verfahren ist sie schwächer ausgeprägt als in klassischen Mehrheitsdemokratien wie z. B. Großbritannien. Auch dort nutzt das den Parteien aber heute nicht mehr viel, wenn man berücksichtigt, dass die Fähigkeit der nationalstaatlich verfassten Politik, die politische Entwicklung zu gestalten, im Zeitalter der Globalisierung insgesamt schrumpft.

Das Steuerungsproblem verdichtet sich im Bedeutungs­ und Ansehensverlust der majoritären, durch Wahlen bestellten Institutionen. Die allgemeinen Wahlen stehen heute „nur noch für eine bestimmte Form, die Regierenden zu berufen, und legi­timieren nicht mehr a priori die später betriebene Politik“, wie es der französische Historiker Pierre Rosanvallon (2010: 11) ausgedrückt hat. Hauptleidtragende dieser Entwicklung sind die Parteien, die als Träger des demokratischen Wettbewerbs ihre frühere Vorrangstellung einbüßen. In der staatlichen Sphäre sind sie gezwungen, einen Teil ihrer repräsentativen Funktionen an unabhängige Behörden oder Ver­fassungsgerichte abzutreten, die sich eher an Grundprinzipien und Langfristzielen orientieren als die nach verbreiteter Meinung nur auf ihren kurzfristigen Machtvor­teil bedachten gewählten Vertreter. Diese Institutionen erfahren in der Bevölkerung deshalb größere Wertschätzung. Und in der gesellschaftlichen Sphäre sehen sie sich mit der Tatsache konfrontiert, dass die Partizipation vermehrt jenseits von ihnen – in Bürgerinitiativen, sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen – statt­findet, die Bürger also andere Formen und Kanäle der Einflussnahme vorziehen.

Mit Blick auf das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Parteien, das sich in nachlassender Organisationskraft, Nichtbeteiligung an Wahlen, „abwei­chendem“ Stimmverhalten sowie anderweitigen Protestformen mitteilt, scheint es nicht übertrieben, von einer anhaltenden Repräsentations­ und Legitimationskrise der Parteiendemokratie zu sprechen. Einige Zahlen für die Bundesrepublik Deutsch­land mögen dies veranschaulichen. So hat sich die Gesamtmitgliederzahl der po­litischen Parteien, die auf ihrem Höhepunkt nach der deutschen Einheit 1990 bei

1 Ohne größere Einschränkungen trifft diese Aussage heute freilich nur noch auf den staatlichen Be­reich (Bund und Länder) zu, wo die Politiker als Berufspolitiker agieren. Auf der kommunalen Ebene fällt es den Parteien aufgrund ihrer Organisationsschwäche in manchen Regionen immer schwerer, genügend Kandidaten für die ehrenamtlich zu besetzenden Mandate und Vorstandsposten zu finden.

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Parteiendemokratie im Wandel 5

2,4 Millionen lag, bis 2016 mit ca. 1,2 Millionen nahezu halbiert (s. u.). Die Wahlbetei­ligung bei Bundestagswahlen, die zu den Spitzenzeiten in den siebziger Jahren regel­mäßig um die 90 Prozent betrug, liegt mit knapp über 70 Prozent zwar immer noch recht hoch. Bei den Landtagswahlen beträgt sie aber heute kaum mehr als 60 Pro­zent2, und bei Kommunal­ und Europawahlen fällt sie sogar mitunter deutlich unter die 50­Prozentmarke. Mit der rückläufigen Wahlbeteiligung korrespondiert eine Ver­änderung im Wählerverhalten selbst, das situativer und unberechenbarer wird. Die Folge ist eine wachsende Fragmentierung der Parteienlandschaft: Die Bindungskraft der beiden Volksparteien lässt nach, während der Stimmenanteil der kleineren Par­teien wächst. Unter die letzteren fallen dabei in zunehmendem Maße auch nicht eta­blierte Parteien sowie extremistische oder populistische Vertreter. War der zusam­mengenommene Stimmenanteil der sogenannten „Sonstigen“ in der Hochzeit der Stabilität des Parteiensystems in den siebziger Jahren vernachlässigbar, so erreicht er heute regelmäßig Werte von über fünf Prozent. Hauptprofiteure dieser Entwicklung waren und sind (neben der zum Teil populistischen auftretenden Partei →Die Linke) die neu entstandenen oder wieder erstarkten Rechtsaußenparteien, von denen sich im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Ländern hierzulande aber lan­ge Zeit keine dauerhaft festsetzen konnte. Erst mit der 2013 geründeten →Alternative für Deutschland sollte sich dies gründlich ändern.

Uneinigkeit herrscht unter den wissenschaftlichen und publizistischen Beobach­tern, wie diese Tendenzen zu bewerten sind. Haben wir es tatsächlich mit Krisen­zeichen zu tun, die für die Stabilität des demokratischen Systems bedrohlich werden können ? Oder handelt es sich um Aspekte eines ganz normalen Wandlungsprozesses, der zu einer Transformation der Parteien und des Parteiensystems führt, aber nicht notwendigerweise zu ihrem Niedergang ?

Für die erste Interpretation sprechen Befunde einer wachsenden Unzufriedenheit mit der Demokratie, die in Deutschland unter dem Schlagwort „Politikverdrossen­heit“ firmiert. Damit wird freilich mehr verdeckt als erklärt. Erstens ist die Rede von einer Krise der Parteiendemokratie nicht neu. Sie kann an den immer gleichen Buch­ und Aufsatztiteln abgelesen werden, die das Thema in regelmäßigen Abständen auf­bereiten. Zweitens ist Politikverdrossenheit nicht gleichbedeutend mit Politiker­, Par­teien­ oder Systemverdrossenheit. Keinesfalls darf sie mit Apathie oder politischem Desinteresse verwechselt werden. Schenkt man den Befragungen Glauben, wird das System insgesamt von den Bürgern immer noch deutlich besser bewertet als dessen einzelne Institutionen3 oder Akteure und die von ihnen betriebene Politik. Dies gilt

2 Gegen den Trend ist die Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen seit 2016 wieder angestiegen, zum Teil sogar deutlich (um über 10 Prozentpunkte). Erklärt wird das mit der Flüchtlingskrise, die seit September 2015 zu einer starken Politisierung und Polarisierung der Öffentlichkeit geführt hat.

3 Dies gilt jedoch nicht für alle Institutionen gleichermaßen. Während Parlament, Regierung und vor allem die Parteien im Ansehen der Bundesbürger weit unten rangieren, erhalten nicht­ oder über­parteiliche Einrichtungen wie der Bundespräsident, das Verfassungsgericht oder die Polizei in der Regel gute Noten (Patzelt 2012).

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erst recht im europaweiten Vergleich, wo sich die deutsche Demokratie nach wie vor als eine der stabilsten behauptet. Und drittens muss berücksichtigt werden, dass die Unzufriedenheit auch Ausweis einer kritischeren Grundeinstellung der Bürger ge­genüber der Politik sein kann, die unter Demokratiegesichtspunkten durchaus po­sitiv zu betrachten ist. Dasselbe gilt mit Blick auf die abnehmende „natürliche“ Bin­dung der Wähler, die dazu führt, dass das personelle und inhaltliche Angebot der Parteien bei der individuellen Wahlentscheidung eine größere Rolle spielt.

Unterstützung findet die Krisenthese, wenn man die Struktur der Wähler betrach­tet, die von den etablierten (systemtragenden) Parteien nicht mehr erreicht werden; unter diesen sind die sozialökonomisch und ­kulturell marginalisierten Bevölke­rungsteile weit überproportional vertreten (Schäfer 2015). Das Gleichheitsverspre­chen, auf dem die Demokratie beruht, auch in materieller Hinsicht abzusichern, fällt in einer auseinanderdriftenden Gesellschaft offenbar zunehmend schwer. Wie die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien in vielen europäischen Ländern zeigen, lei­den unter diesem Problem gerade die sozialdemokratischen Parteien, obwohl diese aufgrund ihrer traditionellen Werte­ und Interessenbasis am ehesten in der Lage sein müssten, die unteren Schichten der „Modernisierungsverlierer“ anzusprechen. In der Repräsentationslücke spiegeln sich die zentrifugalen Tendenzen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, die durch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich auch politisch zu einer Entsolidarisierung geführt haben. Der Drang der Volksparteien zur Mitte hat diese Tendenz befördert. Er ließ ein Vakuum an den rech­ten und linken Rändern des Parteienspektrums entstehen, in das kleinere Parteien erfolgreich hineinstoßen konnten. Die Volksparteien mussten sich insofern fragen, ob sie ihre Fangnetze nicht an den falschen Stellen ausgeworfen hatten.

2 Parteienbildende Konfliktlinien

Um die sozialstrukturellen Ursachen des Wandels zu verstehen, ist ein Rückblick auf die Hauptspaltungslinien erforderlich, entlang derer sich die großen, identitätsstif­tenden Milieus in der Vergangenheit formiert haben. Für die Herausbildung der Par­teiensysteme waren im 20. Jahrhundert insbesondere zwei Konflikte prägend: der religiös­konfessionelle und der Klassenkonflikt (Rokkan 1980). Die Wurzeln des Klassenkonflikts reichen zurück bis in die Frühzeit der Industrialisierung. In seinem Rahmen positionierten sich die sozialdemokratischen bzw. sozialistischen Parteien als Interessenvertreterinnen der Arbeiterschaft, während die konservativen Parteien als Gegenpol für das Unternehmerlager eintraten. Die Bedeutung der religiös­kon­fessionellen Konfliktlinie lässt sich den Parteiensystemen zumeist nicht direkt anse­hen. Am greifbarsten ist sie in den katholischen oder gemischt­konfessionellen Län­dern, wo das bürgerliche Lager von christdemokratischen Parteien beherrscht wurde oder wird (so z. B. in Italien, Deutschland, Österreich und Belgien). Aus den katho­lischen Konfessionsparteien der Zwischenkriegszeit hervorgegangen, bilden diese ei­

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nerseits das Gegenstück zu jenen liberalen und laizistischen Kräften, die seit dem 19. Jahrhundert wachsenden Einfluss auf die Staatsmacht erlangt hatten. Zum ande­ren stellen sie eine Reaktion auf den sich abschwächenden konfessionellen Gegensatz dar, der in der Nachkriegszeit von der allgemein­religiösen Konfliktlinie – die Spal­tung in einen kirchennahen und kirchenfernen Bevölkerungsteil – mehr und mehr überlagert worden ist (von Beyme 1982: 116 ff.).

Der Bedeutungsverlust der einstmals parteienbildenden Konfliktlinien und Mi­lieus spiegelt sich vor allem in der nachlassenden Bindungskraft der beiden gro­ßen – christdemokratisch­konservativen und sozialdemokratischen – Parteienfami­lien (Gabriel 2010). Die Lockerung der Parteibindung, die in der Politikwissenschaft als dealignment bezeichnet wird, hat einen quantitativen und einen qualitativen As­pekt. Einerseits nimmt das zahlenmäßige Gewicht der Wählergruppen ab, die zur na­türlichen Klientel der Parteien gehören. Andererseits werden die Bindungen auch auf der individuellen Ebene schwächer, indem die Parteien auf die Loyalität „ihrer“ Wäh­ler nicht mehr sicher vertrauen können. Wahlanalysen zeigen, dass die quantitativen Effekte bei beiden Konfliktlinien mehr zu Buche schlagen als die qualitativen. So ist z. B. die Quote der regelmäßigen Kirchgänger unter den Katholiken, die sich durch große Treue zur →CDU und →CSU auszeichnen, in der Bundesrepublik in den letzten sechzig Jahren von 50 auf gut zehn Prozent zurückgegangen. Nachdem die Katholi­ken heute insgesamt nur noch ein Drittel der Bevölkerung stellen, gehören damit we­niger als fünf Prozent der Wähler dieser Gruppe an. Ebenfalls, wenn auch nicht ganz so stark, ist der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten geschrumpft, die die traditionelle Kernklientel der Sozialdemokratie aus­machen. Die Bereitschaft der Industriearbeiter, →SPD zu wählen, war in den sechzi­ger und siebziger Jahren am größten. Vorher hatte das religiöse Cleavage den Klas­senkonflikt noch zum Teil überlagert (indem Arbeiter mit starker Kirchenbindung den Christdemokraten zuneigten). Nachher führten der Wandel der Arbeitswelt und der damit einhergehende Rückgang des subjektiven Klassenbewusstseins dazu, dass die Bindung dieser Wähler an die Sozialdemokratie abnahm.

Über die Ursachen des Dealignments existiert eine umfangreiche Literatur. Drei Entwicklungen werden in der Regel angeführt, die eng miteinander zusammenhän­gen und sich zum Teil überschneiden:

• Tertiarisierung und Ausbau des Wohlfahrtsstaates. Während mit dem Übergang zur nachindustriellen Dienstleistungsökonomie die Grundlagen der alten Klassen­gesellschaft erodieren, sorgt der moderne Wohlfahrtsstaat gleichzeitig dafür, dass gesellschaftliche Aufgaben wie Erziehung und Bildung und die Bewältigung  in­dividueller Lebensrisiken (Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit) von gemeinschaftli­chen Institutionen in die staatlichen Hände verlagert werden. Die Schutzfunktion der einstigen Milieus wird dadurch entbehrlich.

• Individualisierung und Wertewandel. Der Wandel der Arbeitswelt und Erwerbs­formen, die steigenden Möglichkeiten und Bedürfnisse des Konsums sowie die

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Pluralität sozialer Normen und Werteinstellungen führen dazu, dass sich die indi­viduellen Lebensverläufe und ­stile immer stärker unterscheiden. Religiöse Werte verlieren im Zuge der Säkularisierung an Bedeutung, während auf der anderen Seite materielle durch immaterielle Wertvorstellungen abgelöst bzw. ergänzt wer­den.

• Bildungsexpansion und Medienangebot. Verbesserte Bildungs­ und Ausbildungs­möglichkeiten sowie die technisch bedingte Vervielfachung des Medienangebots vervollständigen die Individualisierung der Lebensführung auf der Informations­seite. Sie wecken das Bedürfnis nach mehr Partizipation, setzen Parteien und Poli­tiker unter erhöhten Rechtfertigungsdruck und tragen dazu bei, dass kurzfristige Faktoren wie Kandidaten­ und Themenorientierung für die Wahlentscheidung an Bedeutung gewinnen.

Zusammengefasst werden kann der gesellschaftliche Wandel im Begriff der „Plura­lisierung“. Diese findet ihren Niederschlag darin, dass „die großen Effekte der poli­tisierten Sozialstruktur allmählich durch kleinere Effekte bestimmter sozialstruktu­reller Lagen abgelöst werden, die sich nicht mehr zu einem großen Gesamteffekt der ‚Sozialstruktur‘ oder zumindest der ‚Klassenstruktur‘ aufaddieren“ (Pappi 2002: 42). So wie der sozioökonomische Konflikt sich in mehrere disparate Verteilungs cleavages „verflüchtigt“, bei denen die Interessen der verschiedenen Gruppen – Leistungsemp­fänger und Steuerzahler, Beschäftigte in sicheren und prekären Arbeitsverhältnissen, Gewerkschaftsmitglieder und ­Nicht­Mitglieder etc. – immer weniger Übereinstim­mungspunkte aufweisen, so werden auch die kulturellen Orientierungen und Le­bensstilmerkmale vielfältiger. Gleichzeitig entkoppeln sich beide Aspekte, sodass von der sozialökonomischen Lage einer Person nur noch bedingt auf ihre Wertvorstellun­gen geschlossen werden kann. Konsumgewohnheiten, Erwerbsformen und das Part­nerschaftsverhalten differenzieren sich aus und prägen das Identitätsgefühl stärker als die „objektive“ Schichtzugehörigkeit.

3 Vom Vielparteiensystem zum Bipolarismus – und wieder zurück

Es ist nicht ohne Ironie, dass die bisher umfangreichste Bestandsaufnahme des bun­desdeutschen Parteiensystems – das mehrbändige Parteien­Handbuch von Richard Stöss (1983) – zu einer Zeit erschien, als das Parteiensystem seinen höchsten Kon­zentrationsgrad erreicht hatte. Von den 47 Parteien, die in dem Handbuch zumeist sehr ausführlich abgehandelt wurden, spielten in den siebziger Jahren nur noch die vier Bundestagsparteien (CDU, CSU, SPD und →FDP) eine nennenswerte Rolle. Der zusammengenommene Stimmenanteil der sonstigen, nicht­etablierten Kleinparteien blieb marginal. Selbst auf der Länderebene konnte sich keine dieser Parteien durch­setzen oder behaupten, wenn man von der schleswig­holsteinischen Besonderheit des →Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW), den Achtungserfolgen einiger

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linksextremistischer Vertreter in den drei Stadtstaaten eingangs der siebziger Jahre und dem singulären Erfolg des rechtskonservativen „Bundes Freies Deutschland“ bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl 1975 einmal absieht. Dessen Ergebnis (3,4 Pro­zent) blieb das beste Wahlresultat einer „vierten Partei“ in den siebziger Jahren und sollte ab 1979 erst von den Grünen übertroffen werden.

Diese „Hyperstabilität“ der Parteienlandschaft war der Bonner Republik keines­wegs in die Wiege gelegt. Es ist etwas in Vergessenheit geraten, dass das Parteiensystem, das sich mit der ersten Bundestagswahl 1949 herauskristallisierte, noch weitgehend in der Tradition von Weimar stand. Auf der linken Seite war es bei der Spaltung zwi­schen Sozialdemokraten und Kommunisten geblieben, und auf der rechten Seite bil­deten sich eine Reihe von rechtsextremen, regionalistischen und Interessenparteien, so dass insgesamt ein komplexes Vielparteiensystem entstand (Jesse 2001: 63 ff.). Die entscheidenden Bedingungen des Neuanfangs waren damals jedoch bereits gelegt. Sie bestanden erstens in der Machtverschiebung innerhalb der Linken durch den raschen Niedergang der KPD (die im verfassungsgerichtlichen Verbot der Partei 1956 kul­minierte), zweitens in der Überwindung der historischen Spaltung des Liberalismus durch Gründung der FDP und drittens in der Neuerfindung der CDU/CSU als einer überkonfessionell angelegten bürgerlichen Sammlungspartei. Die Überführung des konfessionellen in ein allgemein religiöses Cleavage wurde durch die Bevölkerungs­struktur gewiss erleichtert, die sich in der westdeutschen Bundesrepublik zu etwa gleichen Teilen aus Katholiken und Protestanten zusammensetzte. Dennoch war der Prozess alles andere als ein Selbstgänger. Das Zusammenwachsen der kulturell frem­den Milieus basierte auf einem ausgeklügelten Proporzsystem, dessen Handhabung der Union großes organisatorisches Geschick abverlangte (Bösch 2001:  139 ff.). Zu­sammen mit ihren Erfolgen als Regierungspartei und der 1953 vorgenommenen Wahlrechtsänderung (Einführung der bundesweiten Fünf­Prozent­Sperrklausel) ge­lang es den Christdemokraten auf dieser Basis, alle verbliebenen Konkurrenten im Mitte­Rechts­Lager aufzusaugen. Davon ausgenommen blieb lediglich die FDP, die sich als kirchenferner bzw. antiklerikaler Gegenpol zur CDU/CSU auf der kulturellen Konfliktlinie ihre Existenzberechtigung bewahrte.

Die Ära des stabilen Zweieinhalbparteiensystems währte knapp zwei Jahr zehnte, ehe ausgangs der siebziger Jahre ein neues „postmaterialistisches“ Paradigma die Etablierung der Grünen als vierter Partei nach sich zog (→Bündnis 90/Die Grünen). Charakteristisch für den Wertewandel war zum einen, dass er sich primär an Ein­stellungs­ und Lebensstilmerkmalen festmachte. Zum anderen modifizierte das Um­weltthema, aus dem sich der Gegensatz Materialismus – Postmaterialismus speiste, die bestehenden kulturellen und ökonomischen Konfliktlinien. Als Katalysator für die Umweltbewegung erwies sich die Wirtschaftspolitik des damaligen Bundeskanz­lers Helmut Schmidt, die ganz dem traditionellen Wachstumsdenken verpflichtet blieb. Ob eine ökologisch aufgeschlossenere SPD das Aufkommen der Grünen hät­te verhindern können, ist jedoch fraglich. Dagegen spricht nicht nur der habituelle und ideologische Graben, der beide Seiten damals trennte, sondern auch der Um­

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stand, dass grüne Parteien zeitgleich in vielen anderen westeuropäischen Ländern ent standen.

Dennoch stellte die Etablierung der neuen Partei alles andere als eine Selbstver­ständlichkeit dar. „Der lange Weg der Grünen“ (Klein/Falter 2003) war von vielen Rückschlägen und Häutungsprozessen begleitet. Zunächst eine radikale Protestpar­tei, standen die Neuankömmlinge rasch vor der Frage, ob sie zur Übernahme von Regierungsverantwortung bereit sein würden. Nachdem sie 1983 in den Bundestag eingezogen waren, kam es 1985 zur ersten Koalition mit den Sozialdemokraten auf Landesebene (in Hessen), der zahlreiche weitere rot­grüne Bündnisse folgten. Der Wahlsieg von SPD und Grünen bei der Bundestagswahl 1998 ging auch darauf zurück, dass es letzteren gelungen war, die Freien Demokraten ab Mitte der neunziger Jahre vom angestammten dritten Platz im Parteiensystem zu verdrängen. Diese Position konnten die Grünen während ihrer siebenjährigen Regierungszeit behaupten und in der Oppositionsrolle seit der Bundestagswahl 2009 weiter ausbauen. Die innerpar­teiliche Entwicklung spiegelt die äußeren Erfolge nur zum Teil. Existenzbedrohen­de Gefahren für die Grünen gingen weniger davon aus, dass andere Parteien deren ökologisches Gedankengut übernahmen, als davon, dass die Grünen sich ihrerseits den anderen Parteien annäherten. Dies führte zu harten Auseinandersetzungen zwi­schen „Realpolitikern“ und „Fundamentalisten“, die sie mitunter bis an den Rand des Abgrunds brachten. Seit den neunziger Jahren ist es den Grünen gelungen, diese grundsätzlichen Konflikte hinter sich zu lassen. Die heutigen Flügel der Partei strei­ten nicht mehr über die Notwendigkeit eines pragmatischen Reformansatzes, son­dern nur noch darüber, wie und mit welchen Schwerpunkten dieser zu verfolgen sei. Die „Rechten“ stehen dabei Bündnissen mit Union und FDP aufgeschlossener gegen­über als die „Linken“, die überwiegend auf Koalitionen mit der SPD (und falls nötig: mit der Partei Die Linke) setzen.

Die unverhofft möglich gewordene deutsche Vereinigung bescherte der Bundes­republik 1989/90 eine nochmalige Erweiterung ihres Parteiensystems in Gestalt der postkommunistischen PDS. Auch hier wurde später die These vertreten, dass deren Fortleben hätte verhindert werden können, wenn die Sozialdemokratie bereit gewe­sen wäre, sich in der Wendezeit für die Mitglieder der SED zu öffnen. Tatsächlich hat es eine solche Option jedoch nie gegeben. Nachgetrauert wurde ihr deshalb, weil die PDS entgegen den ursprünglichen Erwartungen aus dem Parteiensystem nicht ver­schwand, sondern – im Gegenteil – ab der zweiten Runde der Wahlen in den neuen Ländern von Erfolg zu Erfolg eilte. Indem sie sich als Interessenvertreterin der Ost­deutschen stilisierte, profitierte die Partei massiv von den materiellen und menta­len Enttäuschungen, die der Vereinigungsprozess hinterließ. Mit der PDS hielt also ein regionalistisches Cleavage in das Parteiensystem Einzug, das durch ökonomische und kulturelle Konflikte gleichermaßen unterfüttert wurde. Ablesen ließ sich das zum einen an der sozialstrukturellen Zusammensetzung der PDS­Wähler in Ostdeutsch­land, unter denen Arbeitslose und Leistungsempfänger keineswegs überrepräsentiert waren. Zum anderen führte das Cleavage zu einem Auseinanderdriften der Parteien­

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landschaft: Während die Postkommunisten im Osten zu CDU und SPD aufschließen konnten, blieben sie im Westen mit Stimmenanteilen um die ein Prozent margina­lisiert.

Die Entstehung der gesamtdeutschen Linkspartei bedeutete für die Entwicklung des deutschen Parteiensystems eine weitere Zäsur. Der Übergang von der Vierein­halb­ zur Fünfparteienstruktur wurde möglich, nachdem sich in den alten Ländern 2005 eine Abspaltung von der SPD gebildet hatte und diese mit der ostdeutschen PDS zur Partei „Die Linke“ fusionierte (Spier u. a. 2007). Die Gründung der Wahlalterna­tive →Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) erfolgte aus Protest gegen die von der rot­grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder betriebenen Arbeits­markt­ und Sozialreformen. Ihr lagen also keine neuen Konfliktlinien zugrunde, son­dern die Kritik, dass sich die Herkunftspartei von ihrer traditionellen Position auf der sozialökonomischen Achse zu weit entfernt habe. Symbolhaft markiert wurde dies durch die Person des früheren SPD­Vorsitzenden Oskar Lafontaine, dessen Über­tritt zur WASG eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Partei in den alten Bundesländern darstellte.

Auch nach dem Abgang Lafontaines musste die Linke um ihre Position als fünfte Partei eigentlich nicht fürchten. Das organisatorische Fundament der im Osten bes­tens vernetzten PDS und die neue Aktualität der Verteilungsfragen gaben ihr gute Chancen, auf dem 2009 erreichten Niveau zu verharren. Die gleichzeitige Bedienung des regionalistischen und sozialökonomischen Cleavages versprach eine stabile Wäh­lerkoalition, obwohl die Partei durch die Westausdehnung ihre reine Ost­Identität verlor. Symptomatisch dafür war, dass sich die Wählerzusammensetzung auch in den neuen Ländern in Richtung der sozial benachteiligten Gruppen verschob. Dass das Projekt der gesamtdeutschen Linken nach den Wahlerfolgen, die man im Bund und in den Ländern zwischen 2009 und 2011 erzielte, ins Stocken geriet, lag vor allem an hausgemachten Schwierigkeiten. Die wenig professionell agierenden Landesverbän­de in den alten Ländern, das wechselseitige Misstrauen zwischen der neuen West­ und der alten Ost­Linken und die ständigen Querelen in der Führung vermittelten der Öffentlichkeit den Eindruck, dass die Partei in erster Linie mit sich selbst beschäf­tigt war. Im Westen konnte die Linke deshalb an ihre Anfangserfolge seit 2011 nicht mehr anknüpfen. Dennoch gingen bei der Bundestagswahl 2013 mehr als die Hälfte ihrer Stimmen (in absoluten Zahlen) auf das Konto der alten Bundesländer.

Zum unverhoff ten Profiteur der Schwäche der Linken wurde die →Piratenpartei (Hensel/Klecha/Walter 2013). Beginnend mit der Abgeordnetenhauswahl im Septem­ber 2011 in Berlin, gelang es der erst 2006 gegründeten neuen Gruppierung, vier Mal hintereinander in ein Landesparlament einzuziehen. Der Höhenflug in den Umfra­gen nach den Erfolgen im Saarland, in Schleswig­Holstein und in Nordrhein­West­falen währte jedoch nur kurz. Als Protestpartei hatten die Piraten offenkundig in hohem Maße von der Verunsicherung der Bevölkerung im Zuge der Euro­Krise profitiert. Nachdem sie anfangs darauf vertrauen konnten, dass von ihnen abseits der Netzpolitik keine Antworten auf die anstehenden politischen Probleme erwar­

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tet würden, fiel den Neulingen die Entwicklung gemeinsamer inhaltlicher Positionen sichtlich schwer. Symptomatisch dafür war z. B. die Unfähigkeit, aus der NSA­Ab­höraffäre politischen Nutzen zu ziehen. Die durch das Metathema Partizipation und Transparenz nur lose zusammengehaltenen Piraten verstrickten sich schon bald in heillose innerparteiliche Konflikte. Damit verloren sie auch die Gunst der Medien, die ihren Aufstieg durchaus mit Sympathie begleitet hatten.

Warum es in der Bundesrepublik so lange gedauert hat, dass sich mit der AfD eine rechtspopulistische Partei im Parteiensystem festsetzen konnte, bleibt in gewis­ser Weise eine Rätselfrage (Decker 2012). Fragmentierungstendenzen des rechten La­gers mündeten zwar schon in den achtziger Jahren in eine – bis heute anhaltende – „dritte Welle“ des Rechtsextremismus.4 Auf ihr zogen die 1983 als Abspaltung von der CSU entstandenen →Republikaner (REP) drei Mal, die 1987 gegründete →Deutsche Volksunion (DVU) des Münchener Verlegers Gerhard Frey acht Mal und die →NPD vier Mal in Landesparlamente ein. Von einem Durchbruch auf der nationalen Ebene blieben aber alle genannten Parteien weit entfernt.

Ein Grund für diese Schwäche lag gerade in ihrem Extremismus, der auf viele Wähler abschreckend wirkte und die Entwicklung einer populistischen Strategie der Wähleransprache vereitelte. Allerdings blieb in der Bundesrepublik auch ideologisch gemäßigteren Gruppierungen, die eine solche Strategie ausprobierten, der Erfolg ver­sagt. Weder gelang der Versuch, eine bereits bestehende Partei auf rechtspopulisti­sche Pfade zu führen, den man dem verstorbenen FDP­Politiker Jürgen Möllemann unterstellt hat. Noch waren Neugründungen wie die Hamburger →Statt­Partei, der →Bund Freier Bürger oder die →Schill­Partei in der Lage, ihre Anfangserfolge zu wie­derholen und über die regionale Ebene auszudehnen.5

Aus der vergleichenden Forschung weiß man, dass es in der Regel einer Initial­zündung, eines bestimmten „populistischen Moments“ bedarf, um solche Parteien oder Bewegungen hervorzubringen. Bei der AfD war es die Finanz­ und Eurokrise, die das „Gelegenheitsfenster“ für eine neue EU­kritische Partei öffnete. Deren pro­grammatische Kernforderungen – kontrollierte Auflösung der Währungsunion und Absage an eine weitere Vertiefung des europäischen Integrationsprozesses – eigneten sich bestens, um daran eine breitere rechtspopulistische Plattform anzudocken, die die Gegnerschaft zum Establishment (als Wesenselement des Populismus) mit Anti­Positionen in der Zuwanderungsfrage und anderen Bereichen der Gesellschaftspoli­tik verknüpfte.

Mehrere Umstände kamen der AfD dabei zugute. Erstens konnte sie an verschie­dene Vorgängerorganisationen anschließen, die von der aufgelösten eurokritischen

4 Die erste Welle setzte in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein und reichte bis zum Verbot der Sozia­listischen Reichspartei (SRP) im Jahre 1952. Die zweite Welle hob Mitte der sechziger Jahre an. Sie spülte die 1964 gegründete NPD in sieben Landtage, sollte danach aber rasch abebben.

5 Besonders krass zeigte sich dieses Unvermögen bei der Schill­Partei, die bei der Hamburger Bürger­schaftswahl im September 2001 mit 19,4 Prozent mehr Stimmen erzielt hatte als sämtliche Newcomer vor ihr.