Freeze-out eines anisotropen Fluids in hoch-energetischen Schwerionenkollisionen · 2015. 8....

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Universit¨ at Bielefeld Fakult¨ at f¨ ur Physik Freeze-out eines anisotropen Fluids in hoch-energetischen Schwerionenkollisionen Masterarbeit von Steffen Feld 1949520 Betreut von: Prof. Dr. N. Borghini 1. Gutachter: Prof. Dr. N. Borghini 2. Gutachter: C. Lang Bielefeld, Februar 2015

Transcript of Freeze-out eines anisotropen Fluids in hoch-energetischen Schwerionenkollisionen · 2015. 8....

  • Universität Bielefeld

    Fakultät für Physik

    Freeze-out eines anisotropen

    Fluids in hoch-energetischen

    Schwerionenkollisionen

    Masterarbeit von Steffen Feld

    1949520

    Betreut von: Prof. Dr. N. Borghini

    1. Gutachter: Prof. Dr. N. Borghini

    2. Gutachter: C. Lang

    Bielefeld, Februar 2015

  • Zusammenfassung

    In dieser Ausarbeitung, die zur Erlangung des Titels “Master of Science” von mir

    angefertigt wurde, werde ich Ergebnisse präsentieren, die durch die Zusammenarbeit

    in der Forschungsgruppe “Phänomenologie von Schwerionenkollisionen” erreicht wur-

    den.

    Dabei werde ich zuerst eine allgemeine Einführung zum Thema “Schwerionenkolli-

    sionsforschung” geben. Darauf werden einzelne Kapitel folgen, die immer mit einer

    Einführung oder einem Theorieteil zum jeweiligen Schwerpunkt des Kapitels starten.

    Danach, wenn alle Formeln, die benötigt wurden zusammengetragen wurden, werde

    ich stets die Ergebnisse präsentieren.

    Das Thema dieser Arbeit ist die Modellierung eines anisotropen Freeze-out in Schwe-

    rionenkollisionen. Mittels dieses Formalismus möchte ich eine Verbesserung der jetzi-

    gen Formulierung des “kinetischen Freeze-outs” erreichen.

    Vor allem die starke Abhängigkeit physikalischer Observablen von einem Modellie-

    rungsparameter möchte ich abschwächen. Dazu habe ich zu den verschiedenen Stadien

    nach der Kollision Berechnungen angestellt und die Ergebnisse mit denen der derzei-

    tigen Standardberechnung verglichen.

    Zum Schluss dieser Arbeit werde ich erste Observablen, die mit dem Formalismus

    des “anisotropen Freeze-out” berechnet wurden, vorstellen. Dabei handelt es sich um

    das Teilchenspektrum, die kollektiven Flüsse und Korrelationsradien. Darauf folgt das

    Fazit zu der Ausarbeitung. Zuletzt sei noch erwähnt, dass [1] alle in der Arbeit vor-

    gestellten Ergebnisse in kompakterer Form beinhaltet.

    I

  • Inhaltsverzeichnis

    Inhaltsverzeichnis II

    0 Notation 1

    1 Einleitung 2

    1.1 Relativistische Schwerionenkollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

    2 Boltzmanngleichung 9

    2.1 Bemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    2.2 Stochastische Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    2.3 Reduzierte Phasenraumdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    2.4 BBGKY-Hierachie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

    2.5 Boltzmannnäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

    2.6 Boltzmannnäherung unter Berücksichtigung von Kollisionen . . . . . . . . . 16

    2.7 Relativistische Boltzmanngleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

    2.8 Lösungsansätze für die relativistische Boltzmanngleichung . . . . . . . . . . 19

    3 Bezüglich des Impulsraumes anisotrope Verteilung 21

    4 Relativistische Hydrodynamik 23

    4.1 Allgemeine Einleitung zur Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

    4.2 Relativistische Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

    4.3 Von der Boltzmanngleichung zur Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . 29

    4.4 Nützliche Substitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    4.5 Teilchenstrom Nµ massiver Teilchen für die anisotrope Verteilung . . . . . . 31

    4.6 Teilchenstrom Nµ masseloser Teilchen für die anisotrope Verteilung . . . . . 36

    4.7 Energie-Impulstensor Tµν für die anisotrope Verteilung . . . . . . . . . . . . 38

    4.8 Abschluss Hydrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

    5 Kinetischer Freeze-Out 44

    5.1 Allgemeine Einleitung zum Freeze-out des Feuerballs . . . . . . . . . . . . . 44

    5.2 Cooper-Frye-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

    5.3 Teilchenspektrum für die isotrope Maxwell-Boltzmann-Verteilung . . . . . . 46

    5.4 Teilchenspektrum für eine modifizierte anisotrope Verteilungsfunktion . . . 47

    5.5 Teilchenspektren für die anisotrope Verteilungsfunktionen . . . . . . . . . . 51

    5.6 Vergleich des “modifizierten” Teilchenspektrums mit dem anisotropen Teil-

    chenspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

    II

  • 6 Kollektiver Fluss vn 57

    6.1 Theorie und Idee des kollektiven Flusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

    6.2 Berechnung der kollektiven Flüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

    7 HBT- Korrelations-Radien 62

    7.1 Allgemeine Einleitung zur Korrelationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 62

    7.2 Korrelationsfunktion 1. Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

    7.3 Implementierung einer Zeitabhängigkeit in die Korrelationsfunktion . . . . . 65

    7.4 Gauß’scher Ansatz für die Emissionsfunktion S(xµ,~k) . . . . . . . . . . . . 66

    7.5 Ergebnisse der Berechnung der HBT-Radien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

    8 Fazit 71

    A Variablen, Symmetrien, Basen und Skalarprodukte 73

    B Danksagung 80

    C Eigenständigkeitserklärung 81

    Literatur 82

    III

  • IV

  • 0 Notation

    0 Notation

    In dieser Arbeit laufen sämtliche Indizes bestehend aus lateinischen Buchstaben, wie z.B.

    i, j oder k von 1 bis 3, während die Indizes altgriechischer Buchstaben, wie µ, ν oder ρ

    von 0 bis 3 laufen. Außerdem werden in der gesamten Ausarbeitung natürliche Einheiten

    verwendet. Das heißt:

    ~ = c = kB = 1 (0.1)

    Dabei ist mit ~ das reduzierte Plancksche Wirkungsquantum, c die Lichtgeschwindigkeitim Vakuum und kB die Boltzmann-Konstante notiert. Darüber hinaus ist mit gµν der aus

    der speziellen Relativitätstheorie stammende metrische Tensor gemeint, welcher wie folgt

    aufgebaut ist:

    diag(gµν) = (1,−1,−1,−1) (0.2)

    Ortsvierervektoren, wie beispielsweise xµ sind definiert durch:

    xµ =

    (t

    ~x

    ),

    wobei mit ~x der gewöhnliche dreidimensionale Vektor im Ortsraum gemeint ist. Zu beach-

    ten ist, dass hier bereits (0.1) in der 0-ten Komponente zur Verwendung kam.

    Zuletzt sei noch erwähnt, dass ich die Viererableitung wie folgt vermerke:

    ∂µ =∂

    ∂xµ= ∂t + ∂~x

    1

  • 1 Einleitung

    1 Einleitung

    1.1 Relativistische Schwerionenkollisionen

    Zweifelsfrei ist die Entwicklung des Standardmodells der Elementarteilchenphysik eine

    der größten Leistungen der theoretischen Physik in den letzten 99 Jahren der Physikge-

    schichte. Mit Hilfe dieses Modells lassen sich die elektromagnetische, die schwache und die

    starke Wechselwirkung auf der (heute) elementarsten, durch Messung bestätigten, Ebene

    beschreiben. Die Quantenfeld-Theorie bildet das theoretische Gerüst des Standardmo-

    dells. Sie ermöglicht es, Wahrscheinlichkeiten für Wechselwirkungen und Propagationen

    von Teilchen zu berechnen. Das theoretische Modell, welches die fundamentalen Prozesse

    der starken Wechselwirkung quantenfeld-theoretisch beschreibt, ist die Quanten-Chromo-

    Dynamik (QCD). Die Ursprünge dieser Theorie gehen auf die Herren Gell-Mann und

    Zweig zurück, denen es in den 1960’er Jahren gelang, alle zuvor gemessenen Hadronen zu

    klassifizieren. Nach genauerer Betrachtung und einem eingehenden Studium der Algebra

    entdeckten sie, dass sich die große Zahl an Hadronen aus einer verhältnismäßig kleinen

    Anzahl von elementareren Bausteinen zusammensetzen lässt. Unter dieser Annahme pro-

    gnostizierten sie ein bis dato unentdecktes Teilchen. Das darauf entdeckte Teilchen, welches

    alle vorhergesagten Eigenschaften aufwies, galt seitdem als erste Bestätigung der Arbeiten

    Gell-Manns und Zweigs.

    Die elementaren Bausteine, die von Nöten waren, um die bekannten und unbekannten

    Teilchen zu generieren, nannte Gell-Mann “Quarks”. Diese waren zu jener Zeit einzig

    mathematische Objekte. Die Quarks mussten einen halbzahligen Spin aufweisen, um mit

    allen Messungen der Hadronen zu korrespondieren. Da diese Objekte jedoch quanten-

    mechanisch zu behandeln waren, war es auf Grund der Existenz bestimmter Baryonen

    nötig, die Quarks in der Theorie mit einer zusätzlichen Ladung, der sogenannten Farbe,

    zu versehen. Während bei der Gravitation nur eine “Ladung”, die Masse, beteiligt ist und

    die elektromagnetische Wechselwirkung nur durch zwei Ladungs-“Vorzeichen” (+ und -)

    hervorgerufen werden kann, muss für die Ladung der starken Wechselwirkung auf Grund

    des quantenmechanischen Pauli-Prinzips gefordert werden, dass sie drei1 Zustände vor-

    weist. Ein bezüglich der starken Wechselwirkung neutraler Zustand tritt dann ein, wenn

    zum Beispiel alle drei Ladungen nah beieinander liegen. Dieser Zustand gilt als farbneu-

    tral oder weiß, ähnlich wie für das menschliche Auge die Farbe Weiß entsteht, wenn sich

    ein roter, ein grüner und ein blauer Lichtstrahl überlagern. Anders als in der optischen

    Wahrnehmung des Menschen, können die Quarks aber auch sogenannte Antifarben tragen.

    Diese sind nötig, damit man Mesonen, also Teilchen bestehend aus zwei Quarks, generieren

    kann. Alle in unserer Welt zu beobachtenden Teilchen müssen, aufgrund der hohen Stärke

    der starken Wechselwirkung, nach dieser Idee farbneutral sein, was allen physikalischen

    1Beziehungsweise 6 Zustände, wenn man die Antifarben dazu zählt.

    2

  • 1.1 Relativistische Schwerionenkollisionen

    Messungen entspricht.

    Als gegen Ende der 1960’er Jahre Beschleunigerexperimente zur Verfügung standen, die es

    Physikern ermöglichten, die räumliche Struktur von Protonen sehr detailliert aufzulösen,

    sah man sich in der Vermutung bestätigt, dass die bis dato mathematischen Objekte

    Quarks auch in der physikalischen Welt zu finden seien. Die Versuche an den Teilchen-

    beschleunigern firmieren unter dem Namen der “deep-inelastic scattering”, also der tief-

    inelastischen Streuung. Wie der Name schon suggeriert, werden hier auf Grund hoher

    kinetischer Energien Protonen “zerschlagen”, wodurch ein erster Einblick in deren Unter-

    struktur ermöglicht wurde.

    Vor allem die Herren Gross, Politzer und Wilczek leisteten bedeutende Arbeit auf dem

    Gebiet der QCD. Die Elementarteilchen, deren Wechselwirkung mit der QCD beschrieben

    wird, sind zum einen die Quarks als Materieteilchen, sowie die Gluonen, als Austauschteil-

    chen der starken Wechselwirkung. Mathematisch interessant ist die QCD, weil sie durch

    eine nicht-abelsche Eichtheorie beschrieben werden muss. Dies hat unter anderem zur Fol-

    ge, dass die QCD-Eichbosonen, die Gluonen, selbst Ladungen, in Form der Farben tragen.

    Das heißt, die Vermittlungsteilchen der starken Wechselwirkung tragen selbst die Ladung,

    durch die sie hervorgerufen werden. Dieser Tatsache ist eine Fülle von neuen Wechsel-

    wirkungsprozessen geschuldet, wie beispielsweise der Wechselwirkung von zwei oder drei

    Gluonen miteinander. Gross, Politzer und Wilczek wird auch die “Entdeckung” der asym-

    ptotischen Freiheit zugeschrieben. Diese ist von großer Bedeutung für die Erklärung vieler,

    in der starken Wechselwirkung auftretender, Phänomene.

    Jene Phänomene, die zum Beispiel weder in der Gravitation, noch in der elektroschwachen

    Wechselwirkung auftreten, machen die QCD zu einem spannenden Forschungsfeld.

    Eines dieser, auch für die Schwerionenkollisionsforschung sehr bedeutenden Phänomene,

    ist das “Confinement”2.

    2Dieser Ausdruck kann mit “Einsperrung” übersetzt werden.

    3

  • 1 Einleitung

    Abbildung 1: Schematische Darstellung des Confinement. Dabei verdeutlicht die Abszisse

    eine zunehmende Dichte, während die, den Dichteintervallen zugeordneten, Graphiken eine

    Vorstellung von der mikroskopischen Gegebenheit vermitteln sollen. Quelle; ipht.cea.fr/

    Pisp/francois.gelis/Physics/2013-orsay1.pdf

    Abbildung 1 vermittelt graphisch und phänomenologisch eine sehr gute Vorstellung vom

    Begriff des Confinement. Beobachtbar in “unserer” Welt, also bei vergleichsweise niedrigen

    Dichten, sind nur farbneutrale Zustände in Form von Hadronen. Diese sind in der Abbil-

    dung links zu finden. Immer drei (oder zwei) Quarks sind fest in einem Teilchen gebunden.

    Mit zunehmender Dichte jedoch verhalten sich die Quarks “freier”. Man kann sich das so

    vorstellen, als ob die Quarks aufgrund ihrer Nähe zu vielen weiteren Quarks nicht mehr di-

    rekt “wissen”, wer ihr Wechselwirkungspartner ist und sich somit freier durch das Medium

    bewegen können. Diese “Freiheit” nimmt mit zunehmender Dichte (in der Abbildung im

    Verlauf von links nach rechts) immer weiter zu. Schließlich bildet sich bei sehr hohen Dich-

    ten ein Medium, in dem die Quarks maximal mobil sind. Dies gilt auch für die Gluonen.

    Das Medium, in welchem sich Quarks und Gluonen und somit die Farbladungen (nahezu)

    frei bewegen können, wird Quark-Gluon-Plasma (QGP) genannt. Dieser Begriff wurde von

    Eduard Shuryak geprägt und steht in Analogie zum elektromagnetischen Plasma, in dem

    sich die elektrischen Ladungsträger frei bewegen können.

    Grundlegend für dieses Phänomen ist, dass die Kopplungsstärke αs eine Abhängigkeit

    von der Energieskala3 aufweist. Diese Abhängigkeit wird in der QCD als “asymptotische

    Freiheit” bezeichnet. Warum man diese Vokabel wählt, verdeutlicht Abbildung 2 gut.

    3, oder aber entsprechend von der Impulsskala.

    4

    ipht.cea.fr/Pisp/francois.gelis/Physics/2013-orsay1.pdfipht.cea.fr/Pisp/francois.gelis/Physics/2013-orsay1.pdf

  • 1.1 Relativistische Schwerionenkollisionen

    Abbildung 2: Darstellung der für αs aus verschiedenen Experimenten ermittelten Wer-

    te in Abhängigkeit der Energieskala Q; Quelle: http://pdg.lbl.gov/2014/reviews/

    rpp2014-rev-qcd.pdf

    Wie man in der Abbildung sieht, nimmt die Kopplungsstärke mit zunehmender Ener-

    gieskala ab. Analog zu Abbildung 1 sind bei sehr hohen Energieskalen die, der starken

    Wechselwirkung unterliegenden, Teilchen schwächer gebunden, da αs kleiner wird. Umge-

    kehrt sind bei niedrigen Energieskalen die Teilchen sehr stark gebunden. Betrachtet man

    nun die in Abbildung 2 verzeichneten Energieeinheiten, so stellt man fest, dass diese sich

    auf sehr hohen Skalen befinden4. Um dieses Verhalten nun besser zu erforschen, liegt es

    auch nahe, starke Wechselwirkungsprozesse in immer größeren Energie- und Impulsberei-

    chen zu beobachten.

    Ein Mittel, diese hohen Energieskalen zu untersuchen, liegt darin, im Universum nach

    Objekten zu suchen, die solche Bedingungen bereitstellen. Ein anderes liegt in der Schwe-

    rionenkollisionsforschung. Durch eine Kollision schwerer und sehr schneller Atomkerne,

    welche der starken Wechselwirkung unterliegen, kann man nämlich experimentell in hohe

    Energiebereiche vordringen und idealerweise noch elementare Prozesse beobachten.

    Ziel der Forschung zu relativistischen Schwerionenkollisionen ist es, zunächst mehr über

    das kollektive Verhalten von Teilchen zu verstehen, die in erster Linie nur der starken

    Wechselwirkung unterliegen. Der zu Grunde liegende Gedanke ist dabei, dass sich Quarks,

    wegen der asymptotischen Freiheit annähernd frei bewegen, wenn sie stark verdichtet sind.

    Diese Verdichtung wird heutzutage experimentell dadurch erreicht, dass zwei Blei- (LHC)

    oder zwei Gold- (RHIC) Kerne mit relativistischen Geschwindigkeiten aufeinander geschos-

    sen werden. Im Kollisionspunkt entsteht dadurch eine sehr hohe Energiedichte, durch die

    sich dann ein Quark-Gluon-Plasma ausbildet.

    4Zum Vergleich: Die Energieskala, auf der sich die Raumtemperatur befindet, liegt bei ca. 0,025 eV,also 1011 Größenordnungen unterhalb des kleinsten geplotteten Wertes.

    5

    http://pdg.lbl.gov/2014/reviews/rpp2014-rev-qcd.pdfhttp://pdg.lbl.gov/2014/reviews/rpp2014-rev-qcd.pdf

  • 1 Einleitung

    Abbildung 3: Graphische Darstellung für eine Schwerionenkollision “von der Seite”. Quelle;

    https://inspirehep.net/record/1256115/files/figs_figure2

    Abbildung 4: Raumzeit-Diagramm der physikalischen Beschreibung des in Schwerionen-

    kollisionen erzeugten Mediums; Quelle: [2][Kapitel 11.10.1, S. 582]

    Abbildung 4 verdeutlicht sehr gut, wie das in der Schwerionenkollision erzeugte Medium

    aus Sicht der theoretischen Physik beschrieben wird, während Abbildung 3 eine Vorstel-

    lung vom “Aussehen” der verschiedenen Phasen vermittelt. Auf den Achsen in Abbildung

    4 sind zum einen eine Raumrichtung x aufgetragen, zum anderen die Zeit t. Die dunklen

    Grenzflächen verdeutlichen die Punkte konstanter Eigenzeit τ , womit wir auch schon bei

    einer weiteren Charakteristik der Schwerionenkollisionsforschung sind. Da die Kerne zum

    Erreichen hoher Energiedichten5 auf über 99% der Lichtgeschwindigkeit c beschleunigt

    werden, ist es unabdingbar, relativistisch zu rechnen. Für mehr Informationen zu den in

    der Schwerionen-Kollisionsforschung üblichen Variablen (und Basen) habe ich der Arbeit

    den Appendix A beigefügt. Zur Kollision im Punkt (0,0) wird ein sich im höchsten Maße im

    Nichtgleichgewicht befindliches Medium aus Quarks und Gluonen erzeugt. Dieses Medium

    wird, je nach zugrunde liegendem physikalischen Modell, auch als Glasma oder Color-Glas-

    5In Schwerionenkollision werden die höchsten von Menschen generierten Temperaturen erreicht.

    6

    https://inspirehep.net/record/1256115/files/figs_figure2

  • 1.1 Relativistische Schwerionenkollisionen

    Kondensat6 bezeichnet. Es hat eine Lebensdauer von der Größenordnung 1fmc .7 Nach dem

    Verstreichen einer Zeitspanne dieser Größenordnung hat sich, nach verschiedenen Berech-

    nungen der theoretischen Physik, im Medium ein lokales Gleichgewicht eingestellt. Das

    heißt, im Medium sind die Gradienten thermodynamischer Felder so weit abgeflacht, dass

    eine dissipative hydrodynamische Beschreibung angesetzt werden kann. Der genaue Zeit-

    punkt, wann dies geschehen kann, wird von verschiedenen mikroskopischen Beschreibungen

    des sich stark im Nichtgleichgewicht befindlichen Mediums mit unterschiedlichen Werten

    vorhergesagt. Eine kurze Zusammenfassung dieser Problematik findet man zum Beispiel

    zu Beginn in [4]. Hier wird auch auf eine Motivation von anisotroper Hydrodynamik ein-

    gegangen. Die Notwendigkeit einer anisotropen hydrodynamischen Beschreibung liegt in

    Ergebnissen von mikroskopischen “Color-Flux”- oder Color-Glass-Kondensat (CGC) Be-

    rechnungen begründet, die für die longitudinale Richtung8 einen höheren Druck Plong

    beziehungsweise eine andere Impulsverteilung plong (CGC) vorhersagen, als für die trans-

    versalen Richtungen. Zusammengefasst kann man sagen, dass mikroskopische Modelle für

    die “Equilibrierung” des Systems für die longitudinale Richtung eine andere Zeitskala vor-

    hersagen als für die transversalen Richtungen. Eine Beschreibung mittels der dissipativen

    Hydrodynamik wie sie von Israel und Stewart konzipiert wurde, setzt jedoch ein isotropes

    Fluid in Gleichgewichtsnähe voraus. Die Anisotropien, zum Beispiel der Drücke, sollen nun

    in der nach etwa 1fmc angesetzten dissipativen hydrodynamischen Beschreibung implemen-

    tiert werden. Somit ist ein, nach dieser kurzen Zeit erfolgter, Übergang der Beschreibung

    des Mediums zu rechtfertigen.

    Ab diesem Zeitpunkt befindet sich das Medium aus Quarks und Gluonen im lokalen Gleich-

    gewicht, das heißt, dass man innerhalb kleiner Volumina schon eine thermodynamische

    Betrachtung ansetzen kann. Somit spricht man ab jetzt auch vom Quark-Gluon-Plasma.

    Zwischen den einzelnen kleinen Volumina weisen die thermodynamischen Felder jedoch

    noch Gradienten auf. Diese werden im Rahmen der dissipativen Hydrodynamik durch in-

    nere Reibungen weiter minimiert. Für die Beschreibung des in Gleichgewichtsnähe befindli-

    chen QGP kommt entweder unter der Annahme eines isotropen Mediums die Formulierung

    der relativistischen, dissipativen Hydrodynamik zweiter Ordnung nach Israel-Stewart (IS),

    oder unter der Annahme eines anisotropen, relativistischen, viskosen Fluids die in [5] aus-

    gearbeitete v(iskose) a(nisotrope) Hydrodynamik (VAHydro) in Frage. In beiden Theorien

    bildet die ideale relativistische Hydrodynamik den Grenzwert, zu dem das System durch

    die fortwährende Verminderung der Gradienten strebt.

    Fällt die Energiedichte und damit auch die Temperatur im Laufe der Expansion weiter

    6Mehr Informationen zu diesem Stadium des Mediums sind zum Beispiel zu finden in [3]71 fm

    c' 10−15m · 3 · 10−8 s

    m= 3 · 10−23s

    8Dabei meint der Begriff longitudinal die Richtung parallel zur Teilchenstrahlachse in Schwerionenkolli-sionen, während der Begriff transversal die zwei senkrecht auf der Strahlachse stehenden Raumrichtungenbeschreibt.

    7

  • 1 Einleitung

    ab, so werden die im Plasma bisher frei beweglichen Quarks und Gluonen zu Hadronen

    “kondensieren”. Es kommt zur Hadronisierung. Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch weiter-

    hin eine hydrodynamische Beschreibung geeignet. Zuerst werden die Quarks und Gluonen

    zu Hadronen kondensieren. Jedoch sind die kinetischen Energien dieser Teilchen noch so

    groß, dass es im Medium immer noch zu inelastischen Stößen kommen kann. Erst wenn

    die kinetischen Energien so weit reduziert sind, dass nur noch elastische Stöße im Medium

    auftreten, kann man von einem ”chemischen Freeze-out“9 sprechen.

    Fällt die Dichte dann noch weiter ab, tritt der “kinetische Freeze-out” ein. Die Hadronen

    werden ab jetzt für die phänomenologische Beschreibung als wechselwirkungsfrei angenom-

    men. Im weiteren Verlauf werde ich, wenn ich vom Freeze-out spreche, diesen kinetischen

    Freeze-out meinen. Dieser wechselwirkungsfreie Zustand ist dann auch jener, in dem die

    Teilchen im Detektor gemessen werden. Diese sind in Schwerionenkollisionen zu einem

    großen Teil π±, π0, p, Λ und Kaonen, also Teilchen die maximal ein strange-Quark bein-

    halten und sonst nur die leichten up- und down-Quarks.

    Das Ziel einer Beschreibung von Schwerionenkollisionen im Rahmen der theoretischen Phy-

    sik muss es sein, Aussagen und Observable zu formulieren, die man mit den im Detektor

    gemessen Hadronen und deren Energien/Impulsen vergleichen kann.

    Im Kapitel zur Hydrodynamik und dem zum Freeze-out sind weitere Einzelheiten zu den

    betreffenden Stadien der Schwerionenkollisionen zu finden. Eine gut verständliche und

    detaillierte Zusammenfassung, sowie Motivation, über das Gebiet der Schwerionenkollisi-

    onsforschung stellt [6] dar.

    9Für den Begriff des Freeze-out werde ich, auf Grund der Etablierung des Begriffes, keine deutscheÜbersetzung verwenden. Möchte man den Begriff übersetzen, bedeutet er so etwas wie ”Ausfrierung“.

    8

  • 2 Boltzmanngleichung

    2 Boltzmanngleichung

    2.1 Bemerkung

    In diesem Kapitel möchte ich auf die Ideen eingehen, die zur Boltzmanngleichung führen.

    Dabei werde ich mich für die Grundlagen stark am Vorlesungsskript [7], orientieren. Einen

    kürzeren Überblick kann man auch in [2] [Kapitel 2.2.1, S.70 ff] finden. Anzumerken ist,

    dass ich den Formalismus zunächst nicht-relativistisch aufbauen werde, um dann eine

    relativistische Formulierung zu erwähnen beziehungsweise zu motivieren.

    2.2 Stochastische Beschreibung

    Die Boltzmann-Gleichung ist ein sehr universelles Werkzeug, um ein System bestehend aus

    sehr vielen Teilchen, die nur relativ schwach untereinander wechselwirken, zu beschreiben.

    Zur Lösung der Bewegungsgleichungen der Teilchen, oder zum Berechnen physikalischer

    Observablen bedient man sich dem Konzept des Phasenraumes. Dieser besteht aus den

    3-N -Ortskoordinaten {~qi} sowie den 3-N -Impulskoordinaten {~pi} der Teilchen. Der klas-sische Zustand eines Systems kann also ohne Probleme mit einem Punkt in diesem 6-N -

    dimensionalen Phasenraum klassifiziert werden. Dabei beschreibt N immer die Anzahl an

    Teilchen im System.

    Da sich, ohne immensen Rechenaufwand, bei sehr großen Teilchenzahlen N nicht mehr alle

    Teilchenbahnen, oder äquivalent der Verlauf des Systems im Phasenraum, einfach berech-

    nen lassen, geht man zu einer stochastischen Beschreibung des Systems über. Diese wird

    bei wachsender Teilchenzahl sogar immer präziser, weil Fluktuationen mit dem Faktor 1√N

    unterdrückt werden. Statt das System nun präzise durch einen Punkt im Phasenraum zu

    beschreiben, legt man eine Wahrscheinlichkeitverteilung ρN über den Phasenraum. Dabei

    ist die N -Teilchenphasenraumdichte wie folgt definiert:

    ρN ({~qi}, {~pi}) ≥ 0, ∀ ~qi; ~pi (2.1)

    und ∫ ∞−∞

    ρN ({~qi}, {~pi})d3Nq d3Np = 1 (2.2)

    Wie man sieht handelt es sich bei (2.1) und (2.2) um die mathematische Definition einer

    Wahrscheinlichkeitsverteilung ρN ({~qi}, {~pi}).Da ich im Rahmen dieser Arbeit die Dynamik des Quark-Gluonen-Plasmas beschreiben

    werde, liegt es nahe, sich noch einige Gedanken um das Maß des Integrals zu machen.

    Um einen einfachen Übergang der quantenmechanischen Beschreibung zur klassischen Be-

    schreibung zu modellieren, sollte man das Maß, wie in [7][S.26, Formel II.2b] folgenderma-

    9

  • 2 Boltzmanngleichung

    ßen wählen:

    dV =1

    N !

    3N∏i=1

    dqi dpi2π~

    (2.3)

    Damit wird sichergestellt, dass die quantenmechanische Vielteilchen-Beschreibung im Fall

    von N ununterscheidbaren Teilchen für den Limes ~ → 0 in die klassische Beschreibungdes Vielteilchensystems übergeht.

    Mit der Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion ρN ({~qi}, {~pi}) kann man jetzt sämtlichephysikalischen Größen des Systems berechnen. Um den Erwartungswert einer N -Teilchen-

    Observablen ON zu erhalten muss folgendes Integral gelöst werden:

    〈ON 〉 =∫ON ({~qi}, {~pi})ρN ({~qi}, {~pi}) dV (2.4)

    Des Weiteren kann man mit Hilfe der Phasenraumdichten, sowie über die Hamiltonschen

    Bewegungsgleichungen, die Dynamik, also den zeitlichen Verlauf, des Systems berech-

    nen. Eine detaillierte Herleitung dieser Rechnung ist zu finden in [7][S. 27ff]. Für die

    N -Teilchendichten erhält man so die Liouville-Gleichungen. Diese lauten wie folgt:

    ∂ρN∂t

    +

    3N∑i=1

    (∂ρN∂qi

    ∂HN∂pi

    − ∂ρN∂pi

    ∂HN∂qi

    )= 0 (2.5)

    2.3 Reduzierte Phasenraumdichte

    Eigentlich sind sämtliche makroskopischen Observablen in der Physik, die zur Beschrei-

    bung von Vielteilchensystemen herangezogen werden, nicht von den mikroskopischen Zuständen

    aller im System befindlichen Teilchen abhängig. Vielmehr handelt es sich bei vielen die-

    ser Observablen um 1-Teilchen- oder 2-Teilchen-Observablen. Das heißt, sie sind nur

    von einer Phasenraum-Wahrscheinlichkeitsverteilung für ein beziehungsweise zwei Teil-

    chen abhängig. Diese sogenannten reduzierten Phasenraumdichten für j Teilchen können

    aus der N-Teilchenverteilungsfunktion ρN ({~qi}, {~pi}) wie folgt gewonnen werden:

    fj = constN,j

    ∫ρN ({~qi}, {~pi})d6(N−j)V (2.6)

    Wobei constN,j eine Konstante ist, die gewährleistet, dass nach einer weiteren Integration

    über d6jV die Normierung aus Formel (2.2) erfüllt bleibt. Meist wird constN,j jedoch so

    gewählt, dass gilt:

    ∫ ∞−∞

    fj({~qi, ~pi})

    (j∏

    k=1

    d3~qk d3~pk

    )=

    N !

    (N − k)!(2.7)

    10

  • 2.4 BBGKY-Hierachie

    Diese Wahl hat zur Folge, dass die Erwartungswerte von zum Beispiel Einteilchen-Observablen

    nicht mehr wie in Formel (2.4) gebildet werden können, da die Verteilungsfunktionen nicht

    mehr auf 1 normiert sind. Dadurch sind die Erwartungswerte der Einteilchen-Observablen

    jetzt über folgenden Ausdruck zu bestimmen:

    〈O1〉 =∫O1(~q1, ~p1) f1(~q1, ~p1)d

    3~q1 d3~p1∫

    f1(~q1, ~p1)d3~q1 d3~p1(2.8)

    Um im weiteren Verlauf der Arbeit die etablierte Schreibweise verwenden zu können,

    möchte ich folgende Definition vornehmen:

    f1(~q1, ~p1) := fs(~x, ~p)

    Der Index s in der Definition soll verdeutlichen, dass es sich um eine Wahrscheinlichkeits-

    verteilungsfunktion handelt, die in einem stetigen Raum definiert ist.

    2.4 BBGKY-Hierachie

    Für die Transporttheorie ist es von großer Bedeutung, eine Gleichung für den zeitlichen

    und räumlichen Verlauf der reduzierten Einteilchen-Phasenraumdichte fs(~x, ~p) zu erlan-

    gen. Dies genügt, da die meisten physikalischen Messgrößen aus mikroskopischen Ein-

    teilchendichten des Systems hervorgehen. Somit ist man dann in der Lage, nahezu alle

    relevanten Kenngrößen, wie zum Beispiel die Temperatur, die Energiedichte oder die Teil-

    chendichte mit fs(~x, ~p) zu berechnen.

    Um eine solche Bewegungsgleichung zu erhalten, sind nun physikalisch sinnvolle Annah-

    men zu treffen. Die erste Annahme betrifft die in Formel (2.5) auftretende N-Teilchen-

    Hamiltonfunktion HN . Wie in der klassischen Mechanik setzt sich die Hamiltonfunkti-

    on zusammen aus einem kinetischen Term und einem äußeren Potential V (~xi). Da die

    Schwerionenkollisionsforschung einen Zugang zu den Wechselwirkungen der Teilchen im

    Quark-Gluon-Plasma erhalten will, müssen wir eine Annahme treffen, wie der Wechselwir-

    kungsteil der N -Teilchen-Hamiltonfunktion gestaltet werden soll. Hier wählt man, um eine

    noch höhere Komplexität der späteren Gleichungen zu vermeiden, dass sämtliche im Sy-

    stem befindlichen Teilchen nur über 2-Teilchen-Wechselwirkungen wechselwirken können.

    Zudem hängt die Wechselwirkung nur vom relativen Abstand der Teilchen ab und nicht

    etwa vom absoluten Ort. Diese Annahme entspricht der Realität in Systemen, in denen

    mikroskopisch maximal zwei Teilchen kollidieren, also in verdünnten Medien. Die Hamil-

    tonfunktion hat dementsprechend folgende Form:

    HN =

    N∑i=1

    (~p2i

    2mi+ V (~xi)

    )+

    ∑1≤i

  • 2 Boltzmanngleichung

    Dabei stellt die kompliziert anmutende Form der Summationsindizes sicher, dass jede

    Wechselwirkung nur einmal berücksichtigt wird.

    In [7] ist in Kapitel III nun ausführlich ausgeführt, wie man mit der Hamiltonfunktion (2.9)

    zusammen mit Formel (2.5) und der Definition für die Einteilchenerwartungswerte (2.8),

    im Wesentlichen durch das Vertauschen der Integration über die Ortskoordinaten und die

    Impulskoordinaten der (N−1) Teilchen mit der Differentiation aus der Liouville-Gleichung,sukzessiv zur sogenannten BBGKY-Hierachie gelangt. Diese verknüpft die zeitliche und

    orts-, impulsräumliche Entwicklung der Einteilchenphasenraumdichte mit einer Funktion

    der Zweiteilchenphasenraumdichte und trägt ihren Namen aufgrund der Anfangsbuchsta-

    ben von fünf Physikern10, die sich mit der Problematik befasst haben. Als ersten Schritt

    in der Hierachie erhält man:(∂

    ∂t+

    ~p1m1· ~∇~x1 + ~F1 · ~∇~p1

    )f1(t, ~x1, ~p1) (2.10)

    = −∫

    ~K12 · ~∇~p1f2(t, ~x1, ~x2, ~p1, ~p2) d3~x2 d

    3~p2

    Das Auftreten der Zweiteilchendichte liegt begründet im 2-Teilchenwechselwirkungsterm

    W (|~xi− ~xj |) der Hamiltonfunktion (2.9). Würde man also ein System mit einer Hamilton-funktion ohne Zweiteilchenwechselwirkung beschreiben, so ergäbe sich für die rechte Seite

    von (2.10) = 0. Somit wäre die “Hierachie” vollständig.

    Um an eine Lösung für die Einteilchendichte11 f1(t, ~x1, ~p1) zu gelangen, muss man zunächst

    eine Gleichung für die Zweiteilchendichte erarbeiten. Diese erhält man, indem man bei der

    Liouville-Gleichung (2.5) nun nur noch (N − 2)-Teilchen ausintegriert. Das Ergebnis wirddann eine Abhängigkeit von der Drei-Teilchendichte aufweisen. Allgemein wird man nach

    k-Schritten zu folgendem Ausdruck kommen: ∂∂t

    +k∑l=1

    (~plml· ~∇~xl + ~Fl · ~∇~pl

    )+

    ∑1≤i

  • 2.5 Boltzmannnäherung

    von Wechselwirkungen zwischen den k-Teilchen auftreten, werden hier berücksichtigt. Auf

    der rechten Seite von (2.11) treten dann die Wechselwirkungen der k-Teilchen mit den

    restlichen (N − k)-Teilchen auf. Auf diese Weise wird auch klar, warum man eine solcheHierachie erwarten konnte.

    Geschlossen wird das Gleichungssystem dadurch, dass man im letzten Schritt keine Teil-

    chen ausintegriert, sprich das Gleichungssystem wird durch die Liouville-Gleichung (2.5)

    geschlossen, wenn man von Normierungskonstanten absieht. Eine weitere, wichtige Be-

    merkung ist, dass, soweit die Hamiltonfunktion die Wechselwirkungen im System exakt

    beschreibt, das Gleichungssystem frei von Näherungen ist und somit ebenfalls exakt ist.

    2.5 Boltzmannnäherung

    Die in Kapitel 2.4 beschriebene Herangehensweise, an Bewegungsgleichungen für ein Sy-

    stem zu gelangen, wird mit hoher Teilchenzahl schnell zu einer sehr aufwendigen Ange-

    legenheit. Daher liegt es nahe, die erarbeitete Hierachie, mit physikalischen Argumen-

    ten untermauert, ab einer bestimmten Ordnung abzubrechen. Dafür gibt es verschiedene

    Möglichkeiten, wie zum Beispiel den Vlasov- oder den Wechselwirkungsfreien Ansatz. Auch

    hier sei für weitere Studien auf [7] [Kapitel III. 2.1.b ff] verwiesen. Ich möchte mich nun

    auf den Boltzmann-Ansatz konzentrieren. Dieser Ansatz wird für den weiteren Verlauf der

    Arbeit von Bedeutung sein, da er der einfachste ist, der zu einer nicht trivialen System-

    beschreibung führt, weil er Wechselwirkungen innerhalb des Systems berücksichtigt.

    Wie bereits als Annahme bei der Wahl der Hamiltonfunktion formuliert, wollen wir unse-

    re Betrachtung auf Systeme lenken, die schwach und klassisch wechselwirken. Wir werden

    somit nur verdünnte Medien beschreiben können, in denen der mittlere Teilchenabstand

    n−13 und die kinetische Energie viel größer sind, als die typische Wechselwirkungsreich-

    weite und die dazugehörige Energie. Dies führt jedoch schnell zu einem Problem, denn

    weil ich explizit an Wechselwirkungen interessiert bin, muss ich mikroskopische Kollisio-

    nen zwischen den Teilchen des Systems “zulassen”. In diesen Kollisionen kann die Vorgabe

    der Teilchenabstände aber nicht erfüllt sein.

    Da das System also nicht ohne Verlust von für uns wichtigen Informationen zu dem ver-

    einfacht werden kann, was man sich ersehnt, muss ich nun die Betrachtungsweise auf das

    System ein wenig “optimieren”.

    Um die meisten quantenmechanischen Phänomene in der Beschreibung des Systems au-

    ßer Acht lassen zu dürfen, diskretisiere ich an dieser Stelle den Ortsraum. Das heißt, ich

    definiere eine kleinste Länge r0, bei der ich die Beschreibung nicht weiter auflösen werde.

    Diese Länge muss größer sein als der typische Abstand zweier Teilchen bei dem sich de-

    ren Wellenfunktionen zu überschneiden drohen. Befinden sich zwei Teilchen im Ortsraum

    näher als r0 aneinander, so kollidieren sie in der Beschreibung. Analog muss auch die

    Zeitskala diskretisiert werden. Das minimale Zeitintervall wird so gewählt, dass die Dauer

    13

  • 2 Boltzmanngleichung

    einer mikroskopischen Kollision nicht unterschritten wird. Wichtig zu erwähnen ist jedoch,

    dass die für Ableitungen und Integrale wichtigen infinitesimalen Raum- und Zeitelemente

    immer so gewählt sind, dass diese auf größeren Skalen leben, als die zuvor durchgeführte

    Diskretisierung.

    Es ist auch zu bedenken, dass die Diskretisierung zwar viele mikroskopische Quanteneffek-

    te erfolgreich verdeckt, aber kollektive quantenmechanische Erscheinungen, wie die Beset-

    zungsstatistik, der die Teilchen gehorchen, müssen weiterhin berücksichtigt werden. Statt

    des Begriffs der Diskretisierung spricht man in der Physik häufig vom “coarse-graining”.

    Als nächstes muss man auf diesem diskretisierten Raum nun eine Verteilungsfunktion de-

    finieren, die ähnlich fungiert wie f1 ,bzw. fs zuvor. Diese Funktion werde ich jedoch nicht

    wie zuvor über einem Ort- und einem Impulsraum definieren, sondern in einem Orts-

    Geschwindigkeitsraum. Solange man physikalische Probleme ohne Vektorpotentialfelder

    behandelt, hängen der Impuls ~p und die Geschwindigkeit ~u wie folgt zusammen:

    ~u =~p

    m

    Die Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion wird nun so definiert, dass der Ausdruck

    f(t, ~x, ~u) d3~x d3~u (2.12)

    die Anzahl der Teilchen am Ort ~x und dessen, dem coarse-graining berücksichtigender

    Umgebung d3~x, mit einer Geschwindigkeit im Intervall d3~u um ~u wiedergibt.

    Unsere Aufgabe ist es nun, eine Art Bilanzrechnung zu erstellen, in der die Zahl der Teil-

    chen in den einzelnen “Phasenraumelementen” verfolgt wird. Für ein Teilchen im System

    kann es, in der Betrachtung, nur zwei Gründe geben, warum es seine Geschwindigkeit

    und somit seinen Platz im Geschwindigkeitsraum, ändert. Der erste Grund liegt in einem

    möglichen äußeren Skalarpotential begründet, wie es zum Beispiel durch ein Gravitations-

    potential hervorgerufen wird. Eine weiterere Ursache für eine Änderung der Geschwindig-

    keit liegt in mikroskopischen Kollisionen. Da ich jedoch nur verdünnte Medien betrachten

    will, reicht es weiterhin aus, nur Zweiteilchenkollisionen zu berücksichtigen, weil Kolli-

    sionen ja als ein lokaler Prozess verstanden werden sollen. Eine weitere Restriktion der

    Betrachtung liegt darin, nur elastische Kollisionen zu betrachten.

    Zunächst liegt es nahe, die Auswirkungen eines äußeren Skalarpotentials auf den Verlauf

    eines Teilchens im Phasenraum zu bearbeiten. Die einzige Veränderung der Trajektorie

    wird also durch eine äußere Kraft ~F hervorgerufen. Die sich zur Zeit t im Volumenelement

    (~x, ~u) befindenden Teilchen werden so nach dem Zeitintervall dt im Volumenelement um(~x+ ~u · dt, ~u+

    ~F

    m· dt

    )(2.13)

    14

  • 2.5 Boltzmannnäherung

    zu finden sein. Dabei bezeichnet m die Masse der Teilchen. Einzig über das neue Volumen

    d3~x′ d3~u′ muss man sich noch Gedanken machen. Dies findet man sehr gut in [8] [Kapitel

    13.2, S. 586f], an dem ich mich jetzt orientieren werde. Für ~x′ gilt aufgrund einer einfachen

    Verschiebung bis zur ersten Ordnung in dt:

    ~x′ = ~x+ ~u · dt (2.14)

    Ebenso gilt für ~u′:

    ~u′ = ~u+~F

    m· dt (2.15)

    Diese beiden Transformationen waren ja bereits im Ausdruck (2.13) beinhaltet. Um die

    Volumenelemente zu bestimmen gilt allgemein:

    d3~x′d3~u′ = J d3~x d3~u (2.16)

    Dabei ist J die Jacobideterminante der Variablentransformation (2.14) und (2.15). Für

    diese gilt:

    J =

    ∣∣∣∣∣∂~x′

    ∂~x∂ ~x′

    ∂~u∂ ~u′

    ∂~x∂ ~u′

    ∂~u

    ∣∣∣∣∣ =∣∣∣∣∣ 1 dt1m∂ ~F∂~x · dt 1

    ∣∣∣∣∣ = 1 +O(dt2) (2.17)Das heißt, das Volumen der Zelle im Orts- Geschwindigkeitsraum wird sich im wechsel-

    wirkungsfreien Fall nicht ändern, wenn man nur die linearen Änderungen mit der Zeit

    berücksichtigt.

    An eine Bewegungsgleichung gelangt man nun durch die Überlegung, dass die Teilchen in

    Abwesenheit von Kollisionen in einem Zeitintervall dt nur von einem Volumenelement in

    ein benachbartes fließen können. Jedoch werden aus einer Nachbarzelle im gleichen Maße

    neue Teilchen einfließen, so dass die Zahl der Teilchen im Volumenelement gleich bleiben

    wird. Es gilt somit:

    f

    (t+ dt, ~x+ ~u · dt,

    ~F

    m· dt

    )d3~x′ d3~u′ = f (t, ~x, ~u) d3~x d3~u (2.18)

    15

  • 2 Boltzmanngleichung

    Wenn man diesen Ausdruck nun gemäß dem Vorgehen oben bis zur ersten Ordnung in dt

    Taylor-entwickelt, erhält man:

    d

    dtf =

    (∂

    ∂t+d~x

    dt· ~∇x +

    ~u

    dt· ~∇u

    )f (2.19)

    =

    (∂

    ∂t+ ~u · ~∇x +

    ~F

    m· ~∇u

    )f

    = 0

    Diese Gleichung ist die Boltzmann-Gleichung ohne (Berücksichtigung von) Kollisionen für

    den Orts- Geschwindigkeitsraum. Mit (2.19) steht uns jetzt, unter den zuvor getroffenen

    Annahmen, eine Bewegungsgleichung für die (diskretisierte) Einteilchenwahrscheinlich-

    keitsdichte zur Verfügung, die es uns erspart, die gesamte BBGKY-Hierachie lösen zu

    müssen.

    Abbildung 5: Grafische Darstellung der Funktion f für den kollisionslosen Fall. Links sieht

    man eine Ortsraumrichtung x, rechts ist die Funktion bezüglich einer Komponente u des

    Geschwindigkeitsraumes dargestellt. Quelle: [2][ S.72, Fig. 2.2]

    Abbildung 5 verdeutlicht graphisch gut, wie sich die Annahme der Wechselwirkungsfrei-

    heit auf das Verhalten der Einteilchenwahrscheinlichkeitsdichtenfunktion auswirkt. Auf

    der linken Seite sieht man, dass sich die geraden Teilchenbahnen im Ortsraum kreuzen.

    Gleichzeitig erkennt man auf der rechten Seite der Abbildung, dass sich die Geschwin-

    digkeit nicht ändert. Das heißt, dass die Teilchen wechselwirkungsfrei sind, da sich bei

    Kreuzung von Teilchenbahnen nicht deren Geschwindigkeiten ändert.

    2.6 Boltzmannnäherung unter Berücksichtigung von Kollisionen

    Wie eingangs schon einmal erwähnt, ist es für die Schwerionenkollisionsforschung ein Ziel,

    Aussagen über Wechselwirkungen im Medium treffen zu können. Somit ist man im Allge-

    16

  • 2.6 Boltzmannnäherung unter Berücksichtigung von Kollisionen

    meinen sehr daran interessiert 2-Teilchenwechselwirkungen in der Beschreibung des Me-

    diums zuzulassen. Unter Berücksichtigung mikroskopischer Kollisionen im Medium ist es

    den Teilchen, wie ein paar Seiten zuvor beschrieben, möglich, einen Punkt im Geschwin-

    digkeitsraum auch auf Grund von Kollisionen verlassen oder erreichen zu können. Dies hat

    zur Folge, dass (2.18) um diese Möglichkeit erweitert werden muss. Es gilt nun wie in [2]:

    f

    (t+ dt, ~x+ ~u · dt,

    ~F

    m· dt

    )d3~x′ d3~u′

    = f (t, ~x, ~u) d3~x d3~u+ Γ(f) d3~x d3~u dt (2.20)

    Dabei ist Γ(f) eine Funktion für die durch Kollisionen hervorgerufene Änderung pro Zei-

    tintervall dt in dem Volumenelement um den Punkt (~x, ~u). Man nennt Γ(f) auch das

    “Kollisionsintegral”. Die Boltzmanngleichung für die Bilanz aus (2.20) wird wie im Ab-

    schnitt zuvor erarbeitet und lautet dementsprechend:(∂

    ∂t+ ~u · ~∇x +

    ~F

    m· ~∇u

    )f = Γ(f) =

    (∂f

    ∂t

    )coll

    (2.21)

    Wobei(∂f∂t

    )coll

    der Kollisionsterm ist. Dieser muss nun von Außen mit Vorgaben für die

    mikroskopischen Kollisionen “gefüttert” werden. Ein sehr naheliegender Schritt ist nun,

    diesen Term noch einmal zu unterteilen. Man definiert:(∂f

    ∂t

    )coll

    =

    (∂f

    ∂t

    )gain

    −(∂f

    ∂t

    )loss

    (2.22)

    Dabei steht der “Gain”-Term für alle durch Kollisionen in das Volumen eingestreuten Teil-

    chen und der “Loss”-Term für alle aus dem Volumenelement heraus gestreuten Teilchen.

    Eine sehr ausführliche Darstellung der Berechnung der Gain und Loss-Terme für elastische

    “2 nach 2”-Kollisionen ist zu finden in [7][Kapitel IV.2.2, S.48 ff].

    17

  • 2 Boltzmanngleichung

    Abbildung 6: Grafische Darstellung der Funktion f unter Berücksichtigung von mikrosko-

    pischen Kollisionen. Links sieht man das Verhalten der Funktion bezüglich einer Orts-

    raumrichtung x gegen die Zeit aufgetragen, rechts bezüglich einer Geschwindigkeitsraum-

    richtung u. Quelle: [2][ S.72, Fig. 2.3]

    Abbildung 6 verdeutlicht graphisch, wie sich die Berücksichtigung der Kollisionen auf die

    Entwicklung des Systems auswirkt. Auf der linken Seite der Abbildung verlaufen die Teil-

    chenbahnen nicht mehr konstant in eine Richtung, wie es noch in Abbildung 5 der Fall

    war. Dies ist bereits ein Hinweis darauf, dass mikroskopische Prozesse vorhanden sind.

    Auch der zeitliche Verlauf im Geschwindigkeitsraum ist nun nicht mehr trivial. Die leich-

    ten Schattierungen im Hintergrund deuten den Verlauf der Dichtefunktion f im jeweiligem

    Raum an. An diesem erkennt man schnell, dass die Funktion im Ortsraum mit fortschrei-

    tender Zeit immer unschärfer wird. Auch der Verlauf im Geschwindigkeitsraum verbleibt

    nicht so trivial, wie zuvor.

    2.7 Relativistische Boltzmanngleichung

    Nachdem wir nun im Bereich der klassischen Mechanik die Boltzmanngleichung und die

    Annahmen, die damit verbunden sind kennengelernt haben, ist es jetzt unsere Aufga-

    be, diese Gleichung im Lichte der speziellen Relativitätstheorie zu betrachten. Eine sehr

    ausführliche Behandlung dieses Vorgangs ist im Buch [9] zu finden. Eine komprimiertere

    Herangehensweise, an der ich mich hier orientiere, findet man in [2][Kapitel 2.3.1, S. 90 f],

    wobei dort der metrische Tensor der Form diag(gµν) = (1,−1,−1,−1) Verwendung findet.So wie in Ausdruck (2.18) definiert man wieder eine Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunk-

    tion f im Phasenraum. Für diese soll gelten:∫ ∞−∞

    ∫ ∞−∞

    f d3~x d3~p = N (2.23)

    18

  • 2.8 Lösungsansätze für die relativistische Boltzmanngleichung

    Eine spannende Frage im Rahmen der relativistischen statistischen Physik ist nun, wie sich

    die Wahrscheinlichkeitsverteilung f unter Lorentz-Transformationen verhält. In [2][Kapitel

    2.3.1, S.90] wird gezeigt, dass gilt:

    f ′(~x′, ~p′) = f(~x, ~p) (2.24)

    Dabei ergibt sich das gestrichene System durch eine Lorentz-Transformation aus dem

    Ungestrichenen. Formel (2.24) besagt, dass die Verteilungsfunktion ebenso ein Lorentz-

    Skalar ist, da es sich unter Transformationen nicht ändert, wie das Produkt d3x d3p. Formel

    (2.24) ist in vielerlei Hinsicht beruhigend, signalisiert sie doch, dass die Beschreibung

    des Systems am Ende unabhängig vom Bezugssystem ist. Somit kann man durch die

    Rechenschritte, die bereits im vorherigen Kapitel getätigt wurden, zur relativistischen

    Boltzmanngleichung gelangen, die sich, in Anwesenheit einer äußeren Vierer-Kraft Fµ wie

    folgt darstellt: (pµ

    ∂xµ+m Fµ

    ∂pµ

    )f =

    (∂f

    ∂t

    )coll

    (2.25)

    Im Rahmen dieser Arbeit wird es jedoch keiner äußere Kraft Fµ bedürfen, sodass die im

    weiteren Verlauf verwendete relativistische Boltzmanngleichung folgende Form aufweist:(pµ

    ∂xµ

    )f = pµ∂µf =

    (∂f

    ∂t

    )coll

    (2.26)

    Diese Gleichung wird in dieser Form in vielen Veröffentlichungen verwendet, wie zum

    Beispiel auch in [5].

    2.8 Lösungsansätze für die relativistische Boltzmanngleichung

    Nachdem jetzt die für später wichtige Bewegungsgleichung in Form von (2.26) erarbeitet

    wurde, stellt sich die Frage, wie Lösungen dieser Gleichung aussehen. Eine wichtige Lösung

    der Boltzmanngleichung ist immer die “globale Gleichgewichtslösung”. Sie zeichnet sich

    dadurch aus, dass sie zeitlich konstant ist. Diese Lösung ist für die Physik von Bedeu-

    tung, da für ein System im Gleichgewicht sämtliche thermodynamischen Größen als solche

    definiert sind. Die Gleichgewichts-Verteilungsfunktion der relativistischen Boltzmannglei-

    chung wird zum Beispiel in [9][Kapitel 4 S. 43ff] hergeleitet und lautet für verschwindendes

    chemisches Potential:

    feq(x, p) =C

    2π~e−

    pµuµT (2.27)

    Dabei ist C ein Faktor um mögliche Entartungen der Zustände zu berücksichtigen und

    T die Temperatur. Die beiden Vierer-Vektoren pµ und uµ stehen für den Vierer-Impuls

    19

  • 2 Boltzmanngleichung

    und die Vierer-Geschwindigkeit. Formel (2.27) wird in der Literatur häufig als “Maxwell-

    Jüttner-Verteilung” bezeichnet.

    Wenn man die erst später erwähnte Gleichung (4.2) bedenkt, kann man den Exponenten

    in Formel (2.27) vereinfachen zu pµuµ = Ep. Dann erkennt man, dass (2.27) eine relativi-

    stische Formulierung der klassischen Maxwell-Boltzmann-Statistik ist.

    Wenn zusätzlich zur speziellen Relativitätstheorie auch noch die Quantenstatistik für Fer-

    mionen oder Bosonen berücksichtigt werden muss, erhält man die als Fermi-Dirac-, bzw.

    Bose-Einstein-Statistik bekannten Verteilungen:

    feq,QS =C

    2π~

    (1

    epµuµT − �

    )(2.28)

    Für diesen Ausdruck gilt � = −1 für Fermionen und � = +1 für Bosonen. Wichtig zuerwähnen ist, dass sowohl in Ausdruck (2.27) als auch in Formel (2.28) das chemische

    Potential µ bereits als verschwindend gewählt wurde. Dies wird auch im weiteren Verlauf

    der Arbeit immer der Fall sein.

    Eine abschließende Bemerkung ist noch anzubringen. Während der Herleitung der Boltzmann-

    Gleichung habe ich stets betont, dass die Beschreibung nur für verdünnte Medien gültig

    sei. Nun kann man aber die Frage stellen, warum man das QGP12, in welchem extre-

    me Dichten vorliegen, mittels solch einer Näherung beschreibt. Die Antwort liegt in der

    asymptotischen Freiheit. Diese besagt dass die QCD-Teilchen freier sind, wenn sie nah bei-

    einander liegen. Somit ist in der QCD der Zustand, denn man intuitiv als verdünnt, also

    mit nur wenigen Wechselwirkungen versteht, der, bei dem hohe Dichten und Temperaturen

    herrschen.

    12und das Hadronengas, was ich zusammengenommen als Feuerball bezeichnen werde

    20

  • 3 Bezüglich des Impulsraumes anisotrope Verteilung

    3 Bezüglich des Impulsraumes anisotrope Verteilung

    Für diese Arbeit betrachte ich im weiteren Verlauf die folgende für eine Teilchenart defi-

    nierte, Verteilungsfunktion, welche im lokalen Ruhesystem des Fluides wie folgt formuliert

    wird:

    faniso(xµ, pµ) = C e

    − 1Λ0

    √pµ Ξµν(xµ) pν

    Da das Skalarprodukt im Exponenten der Verteilungsfunktion faniso(xµ, pµ) kommutativ

    sein muss, muss Ξµν symmetrisch sein. Im Allgemeinen lässt sich somit eine Basis finden,

    in welcher der Tensor Ξµν diagonal ist. Somit kann man die Verteilungsfunktion auch

    definieren als:

    faniso(xµ, pµ) = C e

    − 1Λ0

    √m2+Ξ1(xµ)p21+Ξ2(x

    µ)p22+Ξ3(xµ)p23 (3.1)

    Die Anisotropie ist also eine lokale Anisotropie und bezieht sich nicht auf eine äußere Form

    des Mediums. Vielmehr bewirkt die Anisotropie, dass verschiedene “Richtungen” in der

    physikalischen Beschreibung unterschiedlich stark gewichtet werden. Die Richtungen, die

    von den Anisotropien in Definition (3.1) unterschiedlich gewichtet werden, sind solche im

    Impulsraum.

    Der Faktor C stellt dabei eine mögliche Konstante dar. Wichtig für spätere Rechnungen

    ist es zu betonen, dass die Ξi einzig Abhängigkeiten vom Ortsraum aufweisen, aber keine

    solchen vom Impulsraum. In den späteren Rechnungen werde ich die Ξi jedoch lediglich

    als konstante Parameter behandeln. Diese Verteilungs-Funktion wird in dieser Form auch

    in der Veröffentlichung von D. Bazow, U. Heinz und M. Strickland in [5] verwendet. Auch

    die von W. Florkowski et al. in seinen Veröffentlichungen postulierte Art der Anisotropie

    lässt sich aus der obigen Form (3.1) ableiten. Jedoch sei erwähnt, dass ich in späteren

    Rechnungen nicht mehr analytisch mit massiven Teilchen rechnen werde. Dann werde

    ich zum Erlangen analytischer Ergebnisse auf folgende Verteilungsfunktion zurückgreifen

    müssen:

    faniso, m=0(xµ, pµ) = C e

    − 1Λ0

    √Ξ1(xµ)p21+Ξ2(x

    µ)p22+Ξ3(xµ)p23 (3.2)

    Zusätzlich ist anzumerken, dass in dieser Funktion das Phänomen der zuvor erwähnten

    Quantenstatistik der Einfachheit halber nicht berücksichtigt wurde. Das heißt im isotropen

    Grenzfall geht die Verteilungsfunktion in eine Maxwell-Boltzmann-Verteilung13 über und

    nicht in eine Bose-Einstein- oder Fermi-Dirac-Verteilung. Weiterhin ist zu bedenken, dass

    die Größe Λ0 hier ein Parameter ist. Im Allgemeinen kann Λ0 auch eine Ortsabhängigkeit

    13Präziser ausgedrückt geht die Verteilung in das relativistische Pendant der Maxwell-Boltzmann-Verteilung, der Jüttner-Verteilung, über.

    21

  • 3 Bezüglich des Impulsraumes anisotrope Verteilung

    aufweisen, welche ich aber nicht berücksichtigen werde. Im weiteren Verlauf der Arbeit

    werde ich gelegentlich Λ0 als eine “anisotrope Temperatur” bezeichnen14. Dies ist natürlich

    im streng thermodynamischen Sinn falsch. Was ich (und andere) jedoch damit bewirken

    will (wollen), ist darauf hinzuweisen, dass die Aufgabe oder Funktion dieses Parameters

    die ist, die bei Ξi = 1, also verschwindender Anisotropie, die Temperatur T inne hat.

    Eine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Wahl des Koordinatensystems. Hier traf ich die

    Wahl, im “out-side-long”15-System zu arbeiten. Dieses System zeichnet sich dadurch aus,

    dass es für jedes Volumenelement lokal definiert ist. Die long-Koordinate entspricht der

    z-Achse im Laborsystem, die out-Koordinate weist, bezüglich des Mediums, nach Außen,

    ist also vergleichbar mit einer rotierten x-Achse, während die side-Koordinate in die letzte

    verbleibende Raumrichtung weist.

    14Häufig werde ich diese Größe auch nur als “Temperatur” bezeichnen15Dieses System trägt auch den Namen Bertsch-Pratt-Koordinaten.

    22

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    4 Relativistische Hydrodynamik

    4.1 Allgemeine Einleitung zur Hydrodynamik

    Mit Hilfe der Hydrodynamik kann man den räumlichen und zeitlichen Verlauf von makro-

    skopischen Größen, wie zum Beispiel Temperatur, Druck, etc. in einem System bestehend

    aus sehr vielen Teilchen, beschreiben. Die Hydrodynamik ist eine effektive Feldtheorie.

    Das heißt zum Einen, dass mikroskopische Größen über ein geeignetes Volumen gemittelt

    werden (effektiv) und zum Anderen, dass in der Umgebung um jedem Punkt in Raum

    und Zeit einer physikalischen Größe ein Wert zugeordnet werden kann (Feldtheorie). Von

    elementarer Wichtigkeit ist natürlich die Größe des Volumens über das gemittelt wird.

    Dieses Volumen wird auch (Fluid)-Zelle genannt. Diese Zelle muss groß gegenüber der

    Ausdehnung l der mikroskopischen Teilchen (Elementarteilchen, Atome, Moleküle,...), aus

    denen das System besteht, sein, um die Mittelung über viele Teilchen zu ermöglichen, was

    möglichen Fluktuationen stärker entgegenwirken kann. Jedoch sollte es als punktförmig in-

    terpretierbar sein gegenüber der makroskopischen Skala L, auf welcher das Fluid beschrie-

    ben werden soll (zum Beispiel Flugzeugflügel, Schiff, Fireball,...). Mathematisch formuliert

    soll also gelten:

    l

    L� 1 (4.1)

    Der Bruch lL wird auch Knudsenzahl genannt. Da die Forderung (4.1) der Forderung

    nach einem kontinuierlichen Medium gleicht, gilt die Hydrodynamik als ein Teilgebiet der

    “Mechanik kontinuierlicher Medien”. Dies ist zunächst konzeptionell als Gegenentwurf zu

    dem zu verstehen, was in Kapitel 2 ausgearbeitet wurde, wo wir uns mit einer Modellie-

    rung mikroskopischer Vorgänge etc. beschäftigt haben. Jedoch gibt es eine, von uns später

    genutzte Möglichkeit, von der einen Beschreibungsart (Boltzmanngleichung) zur anderen

    (Hydrodynamik) zu gelangen. Diesen Übergang werde ich später in Kapitel 4.3 vorstellen.

    Die Zelle wird im Rahmen der Hydrodynamik auch als Fluidteilchen bezeichnet.

    Die Hydrodynamik beschreibt allgemein Fluide, dabei handelt es sich aber nicht nur um

    den klassischen Aggregatzustand “flüssig”. Auch das Verhalten von zum Beispiel Gasen

    kann über die Hydrodynamik beschrieben werden. Physikalisch gelten alle Körper als

    Fluid, die sich solange verformen, wie eine Tangentialspannung an ihnen angelegt wird16.

    Im Rahmen der Hydrodynamik muss man Erhaltungssätze für die zuvor über das Fluid-

    element im Ortsraum gemittelten physikalischen Größen formulieren. Hier spielt der Im-

    puls ~p eine bedeutende Rolle. Denn mittels der Forderung nach Impulserhaltung gelangt

    man fast automatisch zu den, seit dem 18. Jahrhundert bekannten Eulergleichungen. Wo-

    bei man zum Erhalten der Eulergleichungen zusätzlich noch die Annahme untereinander

    16vgl: [10]

    23

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    nicht wechselwirkender Fluidteilchen (ideales Fluid) treffen muss. Eine bessere Beschrei-

    bung realer Fluide kann man über die Navier-Stokes-Gleichungen erhalten, wenn man

    zusätzlich einfache Wechselwirkungen zwischen den Fluidelementen berücksichtigt. Hier

    gelangt man aber schon zu einer weiteren, leider typischen, Eigenschaft der Hydrodyna-

    mik. Die aus den Erhaltungssätzen erarbeiteten Differentialgleichungen, sind sehr schnell

    mathematisch sehr kompliziert. Nicht selten sind schon die Navier-Stokes-Gleichungen

    analytisch nicht mehr lösbar.

    Um an ein geschlossenes System von Differentialgleichungen zu gelangen, nutzt man auch

    die Teilchenzahl-, sowie die Energieerhaltung. Ein umfassendes (Standard-)Lehrbuch zur

    Hydrodynamik im Rahmen der theoretischen Physik ist [11].

    Da es in den Schwerionenkollisionen zu sehr hohen Teilchen- und Energiedichten kommt,

    macht eine Betrachtung im Rahmen der klassischen Physik auch phänomenologisch keinen

    Sinn. Von daher ist man gezwungen, die spezielle Relativitätstheorie (siehe z.B. [12][Ka-

    pitel 2 Special Relativity]) mit in die Dynamik der Fluidzellen einzubinden. Im weiteren

    Verlauf dieses Abschnittes folgt nun eine Vorstellung der grundlegenden Ideen der relati-

    vistischen Hydrodynamik.

    4.2 Relativistische Hydrodynamik

    Um an ein geschlossenes System von Differentialgleichungen zu gelangen, die ein relativi-

    stisches Fluid beschreiben, formuliert man zu Beginn, genau wie im nichtrelativistischen

    Fall Erhaltungssätze für physikalische Größen.

    Um den Erhalt der Teilchenzahl im relativistischen Fall auszudrücken, muss man zunächst

    über eine sinnvolle Definition der Teilchendichte nachdenken. Damit die Anzahl der Teil-

    chen in einem Ortsraumvolumenelement lorentzinvariant bleibt, muss man die Längen-

    Kontraktion, die mit einer Lorentztransformation einhergeht, bedenken. Da die Teilchen-

    dichte in der hydrodynamischen Beschreibung nicht bezugssystemabhängig sein soll17,

    dürfen die makroskopischen Größen auch nicht vom Bezugssystem abhängen. Somit defi-

    niert man zu Beginn eine vom Bezugssystem abhängige lokale Nettoteilchendichte:

    N (t, ~r)

    Damit erhält man die lorentzinvariante Netto-Teilchenzahl in einem Volumenelement d3~r

    wie folgt:

    N (t, ~r) d3~r

    17,wie es auch für die Beschreibung mittels der Boltzmanngleichung der Fall war (vgl. Formel (2.24))

    24

  • 4.2 Relativistische Hydrodynamik

    Es handelt sich bei der Netto-Teilchendichte N (t, ~r) also um eine Dichte bezüglich desOrtsraumes. Der Begriff Nettoteilchenzahl soll verdeutlichen, dass es sich bei dieser Größe

    um die Differenz von Teilchen und Antiteilchen handelt. Nur die Betrachtung der Netto-

    teilchenzahl ist physikalisch sinnvoll, da nur diese auch im Rahmen der Quantenfeldtheorie

    erhalten bleibt. Das folgt aus der Tatsache, dass aus hohen Energiedichten prinzipiell wei-

    tere Teilchen-Antiteilchen-Paare erzeugt werden können.

    Die Idee der relativistischen idealen Hydrodynamik ist nun, dass man zu jedem Viererort

    xµ durch eine geeignete Lorentztransformation ein System findet, in dem sich das zu be-

    schreibende Fluidteilchen in Ruhe befindet. Das Ruhesystem für einen Punkt (t, ~r) nennt

    man häufig “lokales Ruhesystem18” (LR). Ist dies erfolgt, beschreibt man die Physik des

    Fluides in diesem Bezugssystem. Die Gleichungen müssen jedoch stets so formuliert wer-

    den, dass sie sich in jedes beliebige Bezugssystem transformieren lassen. Sprich das Trans-

    formationsverhalten sämtlicher Tensoren muss ihrer Stufe entsprechend sein, das heißt

    Skalare müssen lorentzinvariant bleiben, Tensoren erster Stufe, wie z.B. die Geschwindig-

    keit uµ müssen sich wie Vektoren transformieren und so weiter. Im lokalen Ruhesystem

    schreibt man für die Teilchendichte:

    N (t, ~r)LR =: n(t, ~r)

    An dieser Stelle führt man zusätzlich eine lokale Vierer-Geschwindigkeit uµ(t, ~r) ein. Die

    lokale Vierer-Geschwindigkeit hat die Form:

    u0 =dt

    ui =dri

    dτ, ∀ i = 1, 2, 3

    Dabei steht τ für die Eigenzeit. Diese wiederum ist wie folgt definiert:

    τ =√

    1− v2 t

    Die Vierer Geschwindigkeit uµ muss sich per Definition unter Lorentztransformationen

    wie ein Vierervektor verhalten. Sie vereinfacht sich im lokalen Ruhesystem zu:

    uµLR =

    1

    0

    0

    0

    (4.2)

    18In der Literatur findet man häufig auch die englische Bezeichnung: local rest frame

    25

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    Mittels des Skalarfeldes n(t, ~r) und des Vierervektorfeldes uµ kann man jetzt den Netto-

    Teilchenstrom Nµ für ein ideales Fluid folgendermaßen definieren:

    Nµ(t, ~r) = n(t, ~r)uµ(t, ~r) (4.3)

    Aus der Teilchenzahlerhaltung längs der Strömung folgt:

    ∂µNµ = ∂t n(t, ~r) + ∂~r n(t, ~r) ~v(t, ~r) = 0 (4.4)

    Damit haben wir mit Formel (4.4) den ersten Erhaltungssatz der relativistischen idealen

    Hydrodynamik.

    Den zweiten Erhaltungssatz erhält man aus der Forderung nach Energie- und Impulser-

    haltung. Auch hier muss man die effektiv gemittelten Größen so definieren, dass die resul-

    tierenden makroskopischen Größen lorentzinvariant sind. Des Weiteren verbindet man den

    Energiestrom mit dem Impulsstrom zu einem Vierer-Vektor. Allgemein ist der Energie-

    Impulstensor für ein ideales Fluid wie folgt definiert:

    Tµλ = � uµuλ + p ∆µλ (4.5)

    Wobei p für den thermodynamischen Druck und � für die relativistische Energiedichte

    steht. Mit Ausdruck (0.2) und der Definition (4.2) sieht man schnell, dass im lokalen

    Ruhesystem gilt:

    [uµuµ]LR = 1 = uµuµ (4.6)

    Da die 1 ein Skalar ist, welches invariant unter Lorentztransformationen ist, kann man die

    rechte Seite von (4.6) folgern, sprich u2 ist in allen Bezugssystemen immer auf 1 normiert.

    Es bleibt noch zu klären, was ∆µλ aus der Formel (4.5) bedeutet. Formell kann ∆µλ wie

    folgt definiert werden:

    ∆µλ = uµuλ − gµλ

    Wenn man ∆µλ auf uλ anwendet und im vorletzten Schritt (4.6) beachtet, erhält man:

    ∆µλ uλ = [uµuλ − gµλ]uλ

    = uµuλuλ − gµλuλ

    = uµ · 1− uµ

    = 0

    26

  • 4.2 Relativistische Hydrodynamik

    Wie man sieht ist ∆µλ genau so konstruiert, dass das Produkt von ∆µλ mit uλ immer

    verschwindet. Man kann auch recht einfach zeigen, dass (∆µλ)2 = ∆µλ gilt. Somit kann

    man ∆µλ mathematisch als eine orthogonale Projektion in Bezug auf die Geschwindig-

    keitsfelder uµ auffassen.

    Damit ist (4.5) ein symmetrischer Tensor 2. Stufe. Im lokalen Ruhesystem des Fluids hat

    der Energie-Impuls-Tensor folgende Matrixform:

    TµλLR =

    � 0 0 0

    0 p 0 0

    0 0 p 0

    0 0 0 p

    Die Energie- und Impulserhaltung lässt sich nun kompakt schreiben als:

    ∂µTµλ = 0 (4.7)

    Dies ist neben Ausdruck (4.4) ein weiterer Erhaltungssatz. Die beiden Erhaltungssätze

    (4.4) und (4.7) gelten nicht nur im lokalen Ruhesystem, sondern sind so konstruiert, dass

    sie in allen Bezugssystemen gültig sind.

    Trägt man nun zusammen, wie viele Gleichungen uns bereits zur Verfügung stehen, so

    kommt man auf 4 Gleichungen aus der Energieimpulserhaltung (4.7), sowie einer weite-

    ren Gleichung aus (4.4). Diese Gleichungen beruhen auf einem Feld für die relativistische

    Energiedichte �, einem Feld für den Druck p, dem Geschwindigkeitsfeld uµ, sowie der

    Teilchendichte n. Da für uµ bereits die Beziehung (4.6) gilt, beinhaltet das Geschwindig-

    keitsfeld nur drei Freiheitsgrade. Zusammengefasst haben wir also 6 Felder zu bestimmen,

    dies ist aber mit 5 Gleichungen nicht eindeutig zu erreichen. Deshalb ist es notwendig eine

    weitere Gleichung zur Verfügung zu haben.

    Für die ideale relativistische Hydrodynamik, welche wir bisher betrachtet haben, kann

    man eine solche Gleichung, wie in [13, Kapitel 4.2, S. 290] geschehen, mit Hilfe der stati-

    stischen Physik über die Definition der Schallgeschwindigkeit im Medium erhalten. Dabei

    gilt:

    c2s =∂p

    ∂�(4.8)

    Wenn man das Medium nun als ideales relativistisches Gas betrachtet, findet man im

    Rahmen der statistischen Physik die Aussage:

    c2s =1

    3(4.9)

    27

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    Damit gelangt man an die benötigte Gleichung, wenn man Formel (4.9) in Formel (4.8)

    einsetzt.

    Möchte man jedoch das Fluid mit Wechselwirkungen zwischen den Fluidelementen be-

    schreiben, was zu Dissipationen führt, ist die obige Herangehensweise nicht mehr geeignet.

    Neben einer “Optimierung” der Ausdrücke des Teilchenstroms (4.3) und des Energieim-

    pulstensors (4.5), welche noch relativ intuitiv sind, stellt auch das Finden einer neuen

    Zustandsgleichung ein Problem dar. Im Folgenden will ich noch kurz vorstellen, wie man

    weiter vorgehen kann, um das Gleichungssystem wieder schließen zu können.

    Das Skalarfeld des Druckes öffnet das Fenster in einen weiteren Bereich der Physik, nämlich

    der Thermodynamik. Aus der Thermodynamik kennt man die thermodynamischen Poten-

    tiale Entropie S und innere Energie E. Diese hängen wie folgt zusammen:

    E = TS − pV + µN (4.10)

    Wobei T die Temperatur, V das Volumen, N die Teilchenzahl und µ das chemische Poten-

    tial bezeichnet. Dividiert man (4.10) durch das Volumen, so erhält man:

    � = Ts− p+ µn (4.11)

    Hierbei bezeichnen s und n die Entropie- bzw. die Teilchendichte. Nun ersetzt man die

    Energiedichte � in (4.5) durch den in (4.11) erarbeiteten Ausdruck:

    Tµλ = (Ts− p+ µn)uµuλ + p ∆µλ

    Mit der Definition von ∆µλ folgt:

    Tµλ = (Ts− p+ p+ µn)uµuλ − p gµλ

    = −p gµλ + (Ts+ µn)uµuλ

    Nun ziehen wir eine Vierergeschwindigkeit hinter die Entropie- bzw. Teilchendichte und

    erhalten somit einen Ausdruck für die mit dieser Größe verknüpften Ströme.

    Tµλ = −pgµλ + [T (suµ) + µ(nuµ)]uλ

    Mit Zuhilfenahme der Gibbs-Duhem-Gleichung und Formel (4.4), sowie der Definition von

    Skalarprodukten für Vierer-Vektoren, kann man nun zeigen, dass für ideale Fluide gilt:

    ∂µ [suµ] = 0 (4.12)

    28

  • 4.3 Von der Boltzmanngleichung zur Hydrodynamik

    Der Beweis ist in [10, IV.1.4a S. 25 f] zu finden. Dort wird auch bewiesen, dass die Entropie

    pro Teilchen bei idealen Fluiden längs der Strömung erhalten bleibt.

    Man kann sagen, dass wir zwar mit Ausdruck (4.12) eine neue Erhaltungsgleichung zur

    Verfügung haben, aber wir dafür auch ein neues skalares Feld einführen mussten. Jedoch

    erkennt man an Formel (4.11), dass dieses neue Feld über die Thermodynamik komplett

    aus den bereits genutzten Feldern berechnet werden kann und somit eigentlich kein neues

    Feld darstellt, sondern nur eine Folgerung aus den bestehenden Feldern und der Thermo-

    dynamik ist.

    Ein Buch, welches sich im großen Umfang mit den verschiedenen Problemen und Verbesse-

    rungen der relativistischen Hydrodynamik vor allem auch in höheren Ordnungen befasst,

    ist [2]. Im nun folgenden Kapitel werde ich die physikalischen Objekte Nµ und Tµν aus

    Gleichung (4.7) und (4.4) mit Inhalt füllen. Im Rahmen dieser Arbeit werde ich diese

    Tensoren mit Hilfe der mikroskopischen 1-Teilchen-Verteilungsfunktionen aufbauen. Wie

    dies technisch vonstatten geht, wird im folgenden Kapitel vorgestellt.

    4.3 Von der Boltzmanngleichung zur Hydrodynamik

    In diesem Abschnitt werde ich eine elegante Möglichkeit vorstellen, wie man mit Hil-

    fe der mikroskopischen (und statistischen) Einteilchen-Verteilungsfunktion, welche in der

    Boltzmanngleichung ja die zentrale Rolle spielt, zu der effektiven Beschreibung des Ma-

    kroskopischen, der Hydrodynamik, gelangen kann. Dabei orientiert sich das Kapitel an

    den ausführlicheren Ausarbeitungen [2][Kapitel 2.3.2, S. 91f, sowie Kapitel 2.2.3, S.78ff]

    und [7][Kapitel IV.5, S.61], wobei die beiden letzten Quellenangaben den nichtrelativisti-

    schen Fall betrachten.

    Ich werde zunächst die Idee am klassischen Beispiel skizzieren und diese dann kurz in den

    relativistischen Fall “übersetzen”.

    Wie in der Physik üblich muss man geeignete Erhaltungssätze formulieren, um auf diesen

    eine Dynamik zu formulieren. Daher liegt es nahe, sich auf eine zunächst nicht genau-

    er spezifizierte, physikalische Größe Ψ zu konzentrieren, die in allen in Kapitel 2 zuge-

    lassenen mikroskopischen Kollisionen erhalten ist19. Zur Erinnerung sei gesagt, dass in

    gesamten Kapitel 2 einzig elastische Zwei-nach-Zwei-Kollisionen zugelassen wurden. Für

    diese Prozesse könnte Ψ somit zum Beispiel als kinetischer Impuls oder als die Ruhemasse

    verstanden werden. Für eine solche Größe Ψ soll gelten:∫ ∞−∞

    Γ(f) Ψ d3u = 0 (4.13)

    Ein kurzer Beweis für Gleichung (4.13) ist zu finden in [7][Kapitel IV.3.1.a, S.52]. Die

    Formel (4.13) ist das zentrale Element in der Herleitung der Hydrodynamik. Dabei steht

    19Ψ wird als Kollisionsinvariante bezeichnet.

    29

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    Γ(f) für das bereits in Formel (2.20) und Formel (2.21) beinhaltete Kollisionsintegral,

    welches die Änderungsrate der Teilchenzahl in einem Volumenelement um (~x, ~u) aufgrund

    von Kollisionen angibt. Um die Bedeutung der obigen Definition besser verdeutlichen zu

    können, setzt man in Formel (4.13) für Γ(f) die linke Seite der Boltzmanngleichung (2.21)

    ein und erhält:

    0 =

    ∫ ∞−∞

    Ψ

    (∂

    ∂t+ ~u · ~∇x +

    ~F

    m· ~∇u

    )f(~x, ~u) d3~u (4.14)

    Wenn die Größe Ψ in mikroskopischen Kollisionen erhalten bleibt, so muss sie über die

    gesamte Entwicklung des Systems erhalten sein. Die Integration über den Geschwindig-

    keitsraum ist notwendig, da die Kollisionen die Dichten in diesem Raum verschieben. All-

    gemein kann eine makroskopischer Fluss ~φ einer Erhaltungsgröße Ψ im Ortsraum definiert

    werden über:

    ~φ(Ψ) =

    ∫ ∞−∞

    f(~x, ~u) Ψ ~u d3~u (4.15)

    Durch eine geschickte Wahl von Ψ können wir mit Hilfe des Ausdrucks (4.15) die Gleichun-

    gen der Hydrodynamik erhalten. Setzt man für Ψ die Teilchenruhemasse m ein, so gelangt

    man zur Teilchenzahl-Erhaltung. Ähnliches gilt, wenn man die Erhaltung der kinetischen

    Energie betrachtet. Setzt man daher für Ψ die vektorielle Größe des kinetischen Impulses ~p

    ein, so erhält man eine Gleichung für die Impulsentwicklung, wobei man dann einen Tensor

    zweiter Stufe generiert. Alle Rechnungen dazu sind zu finden in [7][Kapitel:IV.5.1.a-c, S.

    62 f].

    Interessant für die meine Ausarbeitung ist nun die relativistische Formulierung vom Aus-

    druck (4.15). Diese ist für den Orts-Impulsraum in [2][Kapitel 2.3.2, S. 91 Formel 2.90]

    folgendermaßen definiert:

    φµ α1...αk(G) =

    ∫d3p

    p0Gα1...αk pµ f(xµ, pµ) (4.16)

    Dabei ist Gα1...αk der den Strom erzeugende Tensor20. Um nun einen Ausdruck für den

    Netto-Teilchenzahl-Strom Nµ zu erhalten, muss zum Einen gefordert werden, dass k = 0,

    da der Teilchenstrom ein Vierer-Vektor ist, zum Anderen setzt man für G den Einheitsten-

    sor ein: G = 1. Als Resultat erhält man das erste Moment der Verteilungsfunktion, welches

    als Netto-Teilchenzahl-(Dichte)- Strom identifiziert werden kann. In Formeln ausgedrückt

    bedeutet das:

    Nµ :=

    ∫d3p

    p0pµ f(xµ, pµ) (4.17)

    20Somit ist Gα1...αk das relativistische Pendant zu Ψ.

    30

  • 4.4 Nützliche Substitutionen

    Analog erhält man für k = 1 und G = pν das zweite Moment, welches als Energie-Impuls-

    (Dichte)-Tensor identifiziert werden kann:

    Tµν :=

    ∫d3p

    p0pµ pν f(xµ, pµ) (4.18)

    Natürlich kann man auf diese Weise auch höhere Momente der Verteilungsfunktion be-

    rechnen, jedoch gibt es im Rahmen dieser Ausarbeitung keinen weiteren Nutzen für diese

    Konstrukte.

    Mit Hilfe der beiden Definitionen (4.17) und (4.18) werde ich nun die aus der Verteilungs-

    funktion (3.2) folgende Hydrodynamik vorstellen.

    4.4 Nützliche Substitutionen

    Bevor ich zu den Berechnungen für die verschiedenen Momente komme, möchte ich ein

    paar sehr nützliche Substitutionen vorstellen, die mir dann eine bessere, weil kompaktere,

    Darstellung der Rechnungen ermöglichen:

    qo =

    √ΞooΛ20

    pout (4.19)

    ⇒ dpout =Λ0√Ξoo

    dqo

    Ähnlich gilt dann auch:

    qs =

    √ΞssΛ20

    pside (4.20)

    ⇒ dpside =Λ0√Ξss

    dqs

    ,sowie

    ql =

    √ΞllΛ20

    plong (4.21)

    ⇒ dplong =Λ0√Ξll

    dql

    4.5 Teilchenstrom Nµ massiver Teilchen für die anisotrope Verteilung

    Nun haben wir alle Bausteine zusammen, um zu berechnen, wie die Hydrodynamik aus-

    sieht, die aus der postulierten Verteilungsfunktion folgt. Mit der Verteilung (3.1) ergibt

    31

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    sich für Nµ im lokalen Ruhesystem nach Gleichung (4.17) nun folgendes:

    N0 =

    ∫ ∞−∞

    d3p

    p0p0 faniso(x

    µ, pµ) (4.22)

    =

    ∫ ∞−∞

    d3p C e− 1

    Λ0

    √m2+Ξoop2out+Ξssp

    2side+Ξllp

    2long

    setzt man nun die Substitutionen (4.19) bis (4.21) ein, führt das zu:

    N0 =

    ∫ ∞−∞

    dqo

    ∫ ∞−∞

    dqs

    ∫ ∞−∞

    dqlΛ30C√

    ΞooΞssΞlle−√m2

    Λ20+q2o+q

    2s+q

    2l

    (4.23)

    =Λ30C√

    ΞooΞssΞll

    ∫ ∞−∞

    dql

    ∫ 2π0

    dφp

    ∫ ∞0

    dq q e−√m2

    Λ20+q2+q2l

    Wobei im zweiten Schritt von (4.23) in Zylinderkoordinaten gewechselt wurde. Führt man

    jetzt die Integrale über den Winkel φp und die Radialkomponente q aus, gelangt man zu:

    N0 =2π Λ30 C√ΞooΞssΞll

    ∫ ∞−∞

    dql

    [−e−√m2

    Λ20+q2l +q

    2(√

    m2

    Λ20+ q2l + q

    2 + 1

    )]q=∞q=0

    (4.24)

    =2π Λ30 C√ΞooΞssΞll

    ∫ ∞−∞

    dql

    (√m2

    Λ20+ q2l + 1

    )e−√m2

    Λ20+q2l

    An dieser Stelle möchte ich eine weitere Substitution vorstellen:

    ql =

    √m2

    Λ20sinh(ul) (4.25)

    ⇒ dql =

    √m2

    Λ20cosh(ul) dul

    Unter Verwendung dieser Substitution erhält man nun:

    N0 =2π Λ30 C√ΞooΞssΞll

    (∫ ∞−∞

    dulm

    Λ0cosh(ul) e

    −√m2

    Λ20[1+sinh2(ul)]

    (4.26)

    +

    ∫ ∞−∞

    dulm2

    Λ20cosh2(ul) e

    −√m2

    Λ20[1+sinh2(ul)]

    )

    Für die Hyperbolischen Funktionen gilt allgemein die hier nützliche Beziehung:

    cosh2(x)− sinh2(x) = 1

    ⇔ 1 + sinh2(x) = cosh2(x) (4.27)

    32

  • 4.5 Teilchenstrom Nµ massiver Teilchen für die anisotrope Verteilung

    Somit können die Exponentialfunktionen vereinfacht werden21. Auch die Integralgrenzen

    können modifiziert werden. Insgesamt führt dies zu folgendem Ausdruck:

    N0 =4π Λ20 C m√

    ΞooΞssΞll

    (∫ ∞0

    [cosh(ul) e

    − mΛ0

    cosh(ul) +m

    Λ0cosh2(ul) e

    − mΛ0

    cosh(ul)]dul

    )Vergleicht man den ersten Term nun mit der Definition einer “Modifizierten Besselfunkti-

    on”, welche wie folgt lautet:

    Kα(x) =

    ∫ ∞0

    e−x cosh(t)cosh(αt) dt (4.28)

    ,so kann man diesen als eine solche identifizieren. Des Weiteren kann der zweiten Term

    mit folgender Überlegung umgeformt werden:

    cosh2(u) =1

    4(eu + e−u) · (eu + e−u) (4.29)

    =1

    4(e2u + e−2u + 2)

    =1

    2(cosh(2u) + 1)

    Man erhält dadurch:

    N0 =4π Λ20 C m√

    ΞooΞssΞll

    [K1

    (m

    Λ0

    )+ (4.30)

    m

    2Λ0

    (∫ ∞0

    dul cosh(2ul) e− m

    Λ0cosh(ul) +

    ∫ ∞0

    dul e− m

    Λ0cosh(ul)

    )]Auch hier lassen sich wieder modifizierte Besselfunktionen, wie in Formel (4.28) definiert,

    identifizieren. Somit ergibt sich:

    N0 =4π Λ20 C m√

    ΞooΞssΞll

    [K1

    (m

    Λ0

    )+

    m

    2Λ0

    (K2

    (m

    Λ0

    )+K0

    (m

    Λ0

    ))](4.31)

    Dies lässt sich weiter umschreiben zu:

    N0 =2π Λ0 C m

    2

    √ΞooΞssΞll

    [2Λ0m

    K1

    (m

    Λ0

    )+K2

    (m

    Λ0

    )+K0

    (m

    Λ0

    )](4.32)

    Verwendet man nun die Regressionsformel für modifizierte Besselfunktionen, welche zum

    Beispiel in [2][Kapitel 2.4.2 S.111, Formel (2.189)] zu finden sind:

    Kn+1(x) = Kn−1(x) +2n

    xKn(x) , (4.33)

    21In der Tat wurde (4.27) bereits zuvor genutzt, um den 2. Summanden zu vereinfachen.

    33

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    wobei in unserem Fall gilt: n = 1 und x = mΛ0 , so haben wir das folgende kompakte

    Ergebnis erarbeitet:

    N0 =4π Λ0 C m

    2

    √ΞooΞssΞll

    K2

    (m

    Λ0

    )(4.34)

    Vergleicht man das Ergebnis (4.34) mit dem Ergebnis für eine isotrope Verteilung, wie es

    zum Beispiel in [2][Kapitel 2.4.2 S.110, Formel(2.182)] nachzulesen ist22 oder in [3][Ka-

    pitel 8.7.1 S. 141]23, oder auch in [14][Kapitel III, S.9 Ausdruck (28)], so findet man als

    Veränderung, dass die Wurzel mit den Anisotropiefaktoren Ξii zusätzlich als Faktor auf-

    tritt. Es lässt sich also schreiben:

    N0(Λ0,Ξi) = nanisotrop(Λ0,Ξi) =

    1√ΞooΞssΞll

    nisotrop(T ) (4.35)

    Somit ist auch Formel (12) aus [15], eine Veröffentlichung, auf die ich später noch eingehen

    möchte, bestätigt. Auch für das Kapitel 5.4 ist die Struktur von Formel (4.35) Inspiration

    für eine Vereinfachung eines Problems. An jener Stelle werde ich aber mehr dazu schrei-

    ben.

    Neben der Teilchendichte N0 = n sind auch die räumlichen Komponenten des Teilchen-

    Viererstroms von Bedeutung. Daher werde ich nun die Rechnungen für die weiteren Ein-

    träge präsentieren.

    N side := N s =

    ∫ ∞−∞

    d3~p

    p0pside e

    − 1Λ0

    √m2+Ξoo p2out+Ξss p

    2side+Ξll p

    2long (4.36)

    Wie ersichtlich ist, ist N s eine in pside ungerade Funktion, da Ξss keine Abhängigkeit von

    pside aufweist. Zudem wird die Funktion von −∞ bis ∞ integriert. Daher muss N side ausSymmetriegründen verschwinden.

    N s = 0 (4.37)

    Gleiches gilt auch für die beiden verbleibenden Einträge des Teilchenstromtensors.

    Nout :=

    ∫ ∞−∞

    d3~p

    p0pout e

    − 1Λ0

    √m2+Ξoo p2out+Ξss p

    2side+Ξll p

    2long = 0 (4.38)

    sowie

    N long :=

    ∫ ∞−∞

    d3~p

    p0plong e

    − 1Λ0

    √m2+Ξoo p2out+Ξss p

    2side+Ξll p

    2long = 0 (4.39)

    22Wobei in der obigen Betrachtung gilt α = 0 und.23Hier jedoch mit µ = 0 und T = Λ0 .

    34

  • 4.5 Teilchenstrom Nµ massiver Teilchen für die anisotrope Verteilung

    Damit habe ich an dieser Stelle alle Komponenten von Nµ für massive Teilchen berechnet

    und kann nun dazu übergehen, die Ergebnisse graphisch aufzuarbeiten.

    Da für die räumlichen Komponenten des Teilchenstromtensors verschwindende Beiträge

    ermittelt wurden, stelle ich hier nur eine graphische Darstellung für die 0-Komponente des

    Teilchenstromes Nµ vor, wie sie in Formel (4.34) bestimmt wurde. Dabei habe ich, zum

    einen um die Ergebnisse mit [5] vergleichen zu können, zum anderen um den Plot besser

    darstellen zu können, folgende Wahl für Ξii getroffen:

    Ξii = 1 + ξi (4.40)

    Des Weiteren haben ich exemplarisch nur eine Anisotropie in die “out”-Richtung angenom-

    men, d.h. ξlong = ξside = 0. Dies hat drei Gründe, zum Einen reicht es so, zweidimensionale

    Plots zu generieren, zum Anderen wird in den Ausarbeitungen von Florkowski et al. auch

    nur von einer Anisotropie24, aus den bereits erwähnten Gründen, ausgegangen. Der dritte

    Grund, speziell für die Wahl der “out”-Richtung als die Ausgezeichnete, wird später in

    der Diskussion der von uns beabsichtigten Physik geliefert.

    Betrachtet man die Funktion aus (3.2), sowie die Definition der Teilchendichte nun mit

    diesen obigen Vorgaben so stellt man fest, dass gelten muss:

    N0 ∈ R⇔ ξo > −1, ξs > −1, ξl > −1 (4.41)

    Diese Aussage ist dem Sachverhalt geschuldet, dass die Teilchendichte als physikalische

    Observable stets reel-wertig sein muss. Dies lässt sich nur erreichen, wenn bereits der

    Exponent in Ausdruck (3.2) reel ist. Das Ergebnis für die Teilchendichte n, bestehend aus

    Pionen mit einer Masse von 140 MeV, sieht geplottet auf die Anisotropie ξout wie folgt

    aus:

    24Wobei diese Anisotropie in die long- bzw. z- Richtung gewählt wird. Dazu aber später mehr.

    35

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    Abbildung 7: Zu sehen ist die Abhängigkeit der Teilchendichte n vom Anisotropiepara-

    meter ξout für Teilchen der Masse 140 MeV bei einer Anisotropietemperatur Λ0 von 150

    MeV. Zum einen numerisch berechnet aus dem Ausdruck (4.22) mit nur einer Anisotropie

    (rote Punkte), zum anderen, wie vorgestellt, analytisch berechnet (schwarze Linie).

    Wie man in Abbildung 7 erkennt, ist die Teilchendichte für ein kleines, insbesondere nega-

    tives ξout höher, als für ein großes. Es lässt sich zusätzlich sagen, dass je stärker der Aniso-

    tropieparameter ins Negative gesetzt wird, ohne dabei die Bedingung (4.41) zu verletzen,

    desto weiter ist das System vom “Gleichgewicht” entfernt. Eine weitere Beobachtung ist,

    dass die Sensitivität der Teilchendichte gegenüber einer kleinen Änderung des Anisotropie-

    Parameters ξ im Negativen viel stärker ausgeprägt ist, als im positiven Wertebereich des

    Parameters.

    Die Parameter für die Masse m und die Temperatur Λ0 habe ich so gewählt, um die

    Bedingungen in einem Fluid zu generieren, die kurz vor dem Ende der Gültigkeit der

    Hydrodynamik herrschen.

    4.6 Teilchenstrom Nµ masseloser Teilchen für die anisotrope Verteilung

    Um das Ergebnis aus [16] für die Teilchendichte n zu verifizieren, berechne ich noch die

    Teilchendichte, die aus der Verteilungsfunktion (3.2) für masselose Teilchen resultiert.

    36

  • 4.6 Teilchenstrom Nµ masseloser Teilchen für die anisotrope Verteilung

    Dabei wiederhole ich exakt die selbe Rechnung wie oben noch einmal:

    n = N0 =

    ∫ ∞−∞

    C d3p

    p0p0 e

    − 1Λ0

    √p2outΞoo+p

    2sideΞss+p

    2longΞlong (4.42)

    =C Λ30√

    ΞooΞssΞll

    ∫ ∞−∞

    d3q e−√q2o+q

    2s+q

    2l

    =C Λ30√

    ΞooΞssΞll

    ∫ 2π0

    dφq

    ∫ π0dθq sin(θq)

    ∫ ∞0

    dq q2 e−q

    =4π C Λ30√ΞooΞssΞll

    ∫ ∞0

    dq q2 e−q

    =8π C Λ30√ΞooΞssΞll

    Am Ergebnis von Formel (4.42) fällt sofort auf, dass sie eine Abhängigkeit von der Tem-

    peratur Λ0 zur dritten Potenz aufweist und somit vom vorherigen, massiven Fall ab-

    weicht. Vergleicht man jetzt das Endergebnis aus der gerade erarbeiteten Formel (4.42)

    mit [16][S.4, Formel (37)], so stellt man fest, dass diese übereinstimmen25. Auch der in

    Formel (4.35) gefundene Zusammenhang zwischen den Teilchendichten im isotropen Fall

    und denen im anisotropen Fall kann wiedergefunden werden.

    Unter Verwendung der anisotropen Verteilungsfunktion masseloser Teilchen (3.2) habe ich

    für die resultierende Teilchendichte n folgende graphische Darstellung erstellt:

    Abbildung 8: Zu sehen ist die Abhängigkeit der Teilchendichte von einem Anisotropiepa-

    rameter ξout bei einer anisotropen Temperatur Λ0 von 150 MeV. Zum einen numerisch

    berechnet mit nur einer Anisotropie (rote Punkte), zum anderen, wie vorgestellt, analy-

    tisch berechnet (4.42) (schwarze Linie).

    Auch hier wurde, wie im vorherigen Kapitel, nur eine Anisotropieparameter ξ ungleich

    Null gesetzt. Wie auch schon in Abbildung 7 zu sehen war, steigt die Teilchendichte für

    25Wobei als Übersetzung gilt: Λ0 = λ.

    37

  • 4 Relativistische Hydrodynamik

    kleinere Anisotropieparameter immer stärker an.

    4.7 Energie-Impulstensor T µν für die anisotrope Verteilung

    Um nun die Einträge des Energie-Impuls-Tensors zu bestimmen, bediene ich mich an den

    beiden zuvor ausgearbeiteten Formeln (3.1) sowie (4.18). Bevor ich jetzt jedoch einfach

    alle 16 Einträge des Tensors berechne, macht es Sinn, noch einmal einen Blick auf die Sym-

    metrien des Tensors zu werfen. Dabei wird spätestens durch Betrachten des Ausdrucks für

    das zweite Moment (4.18) schnell deutlich, dass Tµν symmetrisch bezüglich der Vertau-

    schung von µ und ν ist.

    Für die T 0i-Komponenten, also die Energieflussdichten, gilt per Definition:

    T 0i =

    ∫ ∞−∞

    d3p

    p0p0 pi e

    − 1Λ0

    √m2+Ξop2out+Ξsp

    2side+Ξlp

    2long (4.43)

    Dabei durchläuft i die räumlichen Komponenten. Es gilt also: i = long, side, out. Wie

    bereits im Kapitel zuvor, ist Formel (4.43) hier bezüglich der Impulse von −∞ bis ∞ zuintegrieren. Schnell kann man jedoch sehen, dass der Integrand eine in pi antisymmetrische

    Funktion ist, folg