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VW 24 (PW) Lösungsvorschlag von SR Pöhler 1 Muster eines Widerspruchsbescheids mit Lösungsskizze im Anhang Freie und Hansestadt Hamburg Hamburg, den 09. September 2015 Bezirksamt Hamburg-Nord Bezirksamt Nord, Kümmelstraße 7, 20243 Hamburg Widerspruchsausschuss Aktenzeichen: N/WI213 IGN 50464 Mit Empfangsbekenntnis An die Herren Rechtsanwälte Dr. Walter Wittmund und Hein Claasen Palmaille 38 22767 Hamburg Betreff: Nutzung der Musikanlage in der Gaststätte „Kandahar“ Bezug: Widerspruch vom 13.Juli 2015 gegen den Bescheid vom 12.Juni 2015 Widerspruchsbescheid Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Claasen, in seiner Sitzung vom 09. September 2015 hat der zuständige Widerspruchsausschuss auf den namens und in Vollmacht Ihrer Mandantin Frau Bagharian erhobenen Widerspruch vom 13. Juli 2015 gegen den Bescheid des Bezirksamtes Hamburg-Nord vom 12. Juni 2015 folgendes entschieden: 1. der Bescheid des Bezirksamtes Hamburg-Nord vom 12. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, als dass jetzt nur noch untersagt wird, die Musikanlage in der Gaststätte „Kandahar“ in einer höheren Lautstärke als 25 dB(A) zu betreiben und dass nur ein Zwangsgeld in Höhe von 1000,- € angedroht wird. 2. Im Übrigen wird der Widerspruch zurückgewiesen. 3. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens sind von Ihrer Mandantin und der Freien Hansestadt Hamburg je zur Hälfte zu tragen. 4. Die sofortige Vollziehung wird angeordnet 5. Die Zuziehung eines Rechtsanwaltes wird als notwendig anerkannt.

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Muster eines Widerspruchsbescheids mit Lösungsskizze im Anhang

Freie und Hansestadt Hamburg Hamburg, den 09. September 2015

Bezirksamt Hamburg-Nord Bezirksamt Nord, Kümmelstraße 7, 20243 Hamburg

Widerspruchsausschuss

Aktenzeichen: N/WI213 IGN 50464

Mit Empfangsbekenntnis

An die Herren Rechtsanwälte Dr. Walter Wittmund und Hein Claasen Palmaille 38 22767 Hamburg

Betreff: Nutzung der Musikanlage in der Gaststätte „Kandahar“

Bezug: Widerspruch vom 13.Juli 2015 gegen den Bescheid vom 12.Juni 2015

Widerspruchsbescheid

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Claasen,

in seiner Sitzung vom 09. September 2015 hat der zuständige

Widerspruchsausschuss auf den namens und in Vollmacht Ihrer Mandantin Frau

Bagharian erhobenen Widerspruch vom 13. Juli 2015 gegen den Bescheid des

Bezirksamtes Hamburg-Nord vom 12. Juni 2015 folgendes entschieden:

1. der Bescheid des Bezirksamtes Hamburg-Nord vom 12. Juni 2015 wird

dahingehend abgeändert, als dass jetzt nur noch untersagt wird, die Musikanlage

in der Gaststätte „Kandahar“ in einer höheren Lautstärke als 25 dB(A) zu

betreiben und dass nur ein Zwangsgeld in Höhe von 1000,- € angedroht wird.

2. Im Übrigen wird der Widerspruch zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens sind von Ihrer Mandantin und der Freien

Hansestadt Hamburg je zur Hälfte zu tragen.

4. Die sofortige Vollziehung wird angeordnet

5. Die Zuziehung eines Rechtsanwaltes wird als notwendig anerkannt.

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Gründe

I. Sachverhalt

Mit Ihrem Widerspruch wenden Sie sich gegen den Bescheid des Bezirksamtes

Hamburg-Nord vom 12. Juni 2015, zugestellt am 15. Juni 2015, in dem gegenüber

Ihrer Mandantin Frau Aymée Bagharian mehrere Verfügungen bezogen auf die

Nutzung der Gaststätte „Kandahar“ erlassen worden sind.

Ihre Mandantin betreibt in der Hoheluftchaussee 75, 20253 Hamburg die Gaststätte

„Kandahar“ in einem Mehrfamilienhaus. Die Gaststätte liegt bauplanungsrechtlich in

einem allgemeinen Wohngebiet. Am 25.07.2000 erhielt Ihre Mandantin die Erlaubnis

für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere

Betriebseigentümlichkeit mit der Auflage, Tonwiedergabegeräte und

Musikinstrumente nur in solcher Lautstärke zu benutzen, dass sie außerhalb des

Betriebes nicht störend hörbar sind.

Während in den letzten Jahren keine besonderen Auffälligkeiten zu verzeichnen

waren, kam es seit 2015 zu wiederholten Beschwerden, insbesondere von dem direkt

über der Gaststätte wohnenden Nachbarn. Bei den darauf folgenden Polizeieinsätzen

stellte sich heraus, dass Ihre Mandantin seit Anfang des vorigen Jahres regelmäßig

musikalische Veranstaltungen bis 01.00 Uhr in der Nacht durchführte, die ein

größeres Publikum anzogen.

Hierüber wurde zuletzt am 02. Juni 2015 mit Ihnen und Ihrer Mandantin ein Gespräch

geführt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass der momentane Betrieb nicht der

Erlaubnis entspreche und sich die Situation ändern müsse. Als sich an der Situation

bezüglich der lärmintensiven Veranstaltungen nichts änderte, wurde Ihrer Mandantin

mit dem am 15. Juni 2015 zugestellten Bescheid des Wirtschafts- und

Ordnungsamtes vom 12. Juni 2015 die Auflage erteilt, dass keine Live-Musik oder

Gesangsveranstaltungen mehr durchgeführt werden dürften, ebenso wurde der

Betrieb der Musikanlage untersagt. Hierbei berief sich das Amt auf § 5 Abs. 1 Nr. 3

Gaststättengesetz (GastG). Zudem wurde Ihrer Mandantin für den Fall der

Zuwiderhandlung ein Bußgeld in Höhe von 2000 € angedroht.

Dagegen wendeten Sie sich mit Ihrem Widerspruch vom 13. Juli 2015.

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Zur Begründung tragen sie vor, dass die Ihrer Mandantin erteilte Betriebserlaubnis

vom 25. Juli 2000 das Recht umfasse, Tonwiedergabegeräte und Musikinstrumente

in einer solchen Lautstärke zu verwenden, dass sie außerhalb des Betriebes nicht

störend hörbar sind.

Zudem würde es seit Kriegsende in den Räumen der Gaststätte Musik- und

Gesangsveranstaltungen geben und dagegen sei nie eingeschritten worden. Da die

Veranstaltungen der Vorgänger zudem noch größer gewesen seien, liege ein

Ermessensfehler vor.

Ferner monieren sie, dass es keine Lärmprüfung von Seiten der Behörde gegeben

habe; auch haben sich 19 der 20 Mietparteien des Mehrfamilienhauses nicht

beschwert. Unter Protest gegen die Beweislast bringen sie ein Protokoll der

Schallmessung durch den allgemein als Sachverständigen für Lärmmessungen

vereidigten Dipl.-Ing. Stuve vom 23.Juni 2015 bei. Aus diesem gehe hervor, dass die

Musikanlage bei der Einstellung normalerweise nie den Beurteilungspegel nach der

TA Lärm (25 dB(A)) überschreite. Dieser Wert werde in der einschlägigen

Fachliteratur als „sehr leise“ und „angenehm für Schlafräume während der Nacht“

beschrieben. Zu einem höheren Geräuschpegel komme es nie, da Ihre Mandantin

generell keine höhere Einstellung verwende.

Sie bringen vor, dass durch die Auflage die wirtschaftliche Existenz Ihrer Mandantin

bedroht sei. Deren Kalkulation liege die Erwartung zu Grunde, regelmäßig

Einnahmen aus Musik- und Gesangsveranstaltungen zu erzielen. Ein normaler

Restaurantbetrieb führe dazu, dass der Betrieb aufgegeben werden müsse.

II. Rechtslage

1. Der Widerspruchsausschuss ist für die Entscheidung über Ihren Widerspruchs

gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 3, 185 VwGO sowie § 73 Abs.

2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 7 Abs. 2 des

Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) in

Verbindung mit § 1 der Verordnung über Widerspruchsausschüsse zuständig.

Ihr Widerspruch ist zwar zulässig aber nur teilweise begründet.

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2. Ihr namens und in Vollmacht erhobener Widerspruch ist zulässig.

a.) Er ist insbesondere fristgerecht gemäß § 70 Abs. 1 VwGO innerhalb eines

Monats nach Bekanntgabe erhoben worden, denn der Bescheid vom 12. Juni

2015 wurde Ihnen am 15. Juni 2015 zugestellt. Die Erhebung des Widerspruchs

erfolgte zum 13. Juli 2015 nach den §§ 57 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 BGB.

b.) Ebenso ist er statthaft i. S. des § 68 VwGO, da im o.g. Bescheid bei den

einzelnen Maßnahmen nach Gaststättengesetz und der Gewerbeordnung sowie

des VwVG um die Aufhebung von anfechtbaren Verwaltungsakten i.S.d. § 35

VwVfG gestritten wird. Trotz der Bezeichnung als „Auflage“ in § 5 Abs. 1 GastG

handelt es sich bezüglich der Verbotsverfügung betreffend der

Tanzveranstaltungen und der Musikanlage nicht um Auflagen i.S.d. von

selbstständig anfechtbaren Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt

nach § 36 VwVfG, sondern um die Anfechtung von Hauptregelungen selbst.

Gleiches gilt für die Zwangsgeldandrohung nach §§ 11, 13 VwVG, die ebenso

als anfechtbarer Verwaltungsakt zu qualifizieren ist.

c.) Zudem ist die Widerspruchsbefugnis gegeben, denn es besteht zumindest die

Möglichkeit, dass Ihre Mandantin durch die Verwaltungsentscheidungen analog

§ 42 Abs.2 VwGO in ihrer über Artikel 12 Grundgesetz (GG) geschützten

Berufsfreiheit verletzt worden ist.

3. Ihr Widerspruch gegen die Maßnahmen des Wirtschafts- und Ordnungsamtes der

a.) Untersagung der Live-Musik und Gesangsveranstaltungen,

b.) Untersagung des Betriebs der Musikanlage und

c.) Zwangsgeldandrohung

ist aber nur teilweise begründet.

a.) Die Untersagung der Live-Musik oder Gesangsveranstaltungen findet ihre

Grundlage nicht in der Auflagenbestimmung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, sondern in

der Untersagung der Fortsetzung des aktuell illegalen Betriebes nach § 15 Abs. 2

Gewerbeordnung (GewO) in Verbindung mit § 31 GastG. Dabei handelt es sich

zunächst ausweislich der im Jahr 2000 erteilten Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 1 GaststG

bei dem Betrieb der Gaststätte um ein erlaubnispflichtiges Gaststättengewerbe, so

dass § 35 Abs. 1 GewO als Rechtsgrundlage von Vornherein ausscheidet.1

1 Auch § 17 BImSchG scheidet als Rechtsgrundlage aus, weil diese Norm nur für genehmigungsbedürftige Anlagen

nach dem BImSchG anwendbar ist. Hier geht es aber um ein nach der Gaststättengesetz erlaubnispflichtiges

Gewerbe. Vertretbar mit entsprechender Begründung wäre evtl. § 5 GastG i.V.m. den §§ 22, 24 BImSchG i.V.m. §

3 BImSchG, obwohl es angesichts der existierenden gewerberechtlichen Rechtsgrundlage eher fernliegend wäre.

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Die erforderliche Anhörung im Sinne des § 28 VwVfG ist bereits durch das Gespräch

am 2. Juni 2015 durchgeführt worden.

§ 5 GastG scheidet allerdings wie erwähnt als Rechtsgrundlage für die Untersagung

der Tanzveranstaltungen aus, weil die konkreten Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr.

3 GastG für „schädliche Umwelteinwirkungen“ gegenüber der Nachbarschaft nicht

ansatzweise nachgewiesen worden sind.

Für eine Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG bedarf es einer schädlichen

Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes

(BImSchG). Danach muss es sich um Immissionen handeln, die nach Art, Ausmaß

und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche

Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft (wozu im BImSchG nicht

nur Eigentümer, sondern auch Mieter gehören) herbeizuführen.

Hierzu gehören gemäß § 3 Abs. 2 BImSchG auch Geräusche. Wann Geräusche als

schädlich einzustufen sind, ergibt sich aus den Technischen Anleitung zum Schutz

gegen Lärm (TA-Lärm), die auch auf Gaststätten als nicht genehmigungsbedürftige

Anlagen i.S.d. §§ 22 ff. BImschG anwendbar ist (BVerwGE 31, 15, 20). Nach TA-

Lärm Nr. 6.2 sind die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte innerhalb von

Gebäuden für die hier entscheidende Nachtzeit auf 25 dB(A) festgelegt, wobei die

TA-Lärm deren Überschreitung durch kurzzeitige Geräuschspitzen um höchstens 10

dB(A) zulässt. Dass diese Grenzwerte überschritten worden sind, muss die Behörde

darlegen. Hierbei muss sie genau prüfen, inwiefern es zu Auswirkungen bei der

Nachbarschaft kommt. Wenn die eigene Beweis- und auch Amtsermittlungspflicht aus

Personal- oder Geldmangel gescheitert ist, kann sie sich nicht einfach auf eine

Prognose stützen, sondern muss andere Mittel wählen. Unter anderem hätte sie Ihrer

Mandantin die Einholung eines geeigneten Gutachtens auferlegen können, welches

die lärmrechtliche Unbedenklichkeit genau am Einwirkungsort – der Wohnung des die

Beschwerde führenden Mieters – nachweist. Jedenfalls sind die vorgetragenen

Messwerte Ihrer Mandantin bezüglich der Musikanlage selbst durch den von ihr privat

beauftragten Dipl. Ing. Stuve absolut ungeeignet, da sie sich nicht auf die für das

Wohnen bestimmten Räume beziehen.

Indem die Ausgangsbehörde – aus welchen Gründen auch immer – keine derartigen

geeigneten und aussagekräftigen Gutachten vorgelegt oder herangezogen hat, ist sie

ihrer Beweislast nicht nachgekommen.

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Mithin gelten die schädlichen Umwelteinwirkungen nicht als in ausreichender Weise

für eine behördliche Anordnung als nachgewiesen, so dass eine Auflage nicht auf §

5 Abs.1 Nr. 3 GastG gestützt werden kann.

Es liegen aber die Voraussetzungen für eine Verhinderung der Fortsetzung des

Betriebes nach § 15 Abs. 2 GewO in Verbindung mit § 31 GastG vor, denn Ihre

Mandantin betreibt die Gaststätte nicht mehr so, wie es ihrer Betriebsgenehmigung

aus dem Jahr 2000 entsprach. Die Widerspruchsführerin betreibt ein nach § 2 Abs. 1

Satz 1 GastG der Erlaubnispflicht unterliegendes Gaststättengewerbe. Diese

erforderliche Erlaubnis liegt nicht mehr vor, da nach § 3 Abs. 1 GastG die Erlaubnis

nicht nur allgemein, sondern „für eine bestimmte Betriebsart“ zu erteilen ist, die nach

der Art und Weise der Betriebsgestaltung, u.a. nach den Darbietungen, bestimmt

wird. Eine wesentliche Veränderung der ursprünglichen Betriebsgestaltung hat daher

zur Folge, dass der ganze Gaststättenbetrieb – und nicht nur der veränderte Teil der

Betriebsgestaltung – erneut genehmigt werden muss. Dass es sich bei dem

derzeitigen Gaststättenbetrieb "Kandahar" um eine illegale Nutzungsänderung

handelt, ergibt sich schon nach genauer Auswertung des Wortlautes der

Genehmigung aus dem Jahr 2000 im Vergleich zur tatsächlich seit 2015 praktizierten

und auch von Ihnen zugegebenen Nutzung.

Es handelt sich bei der zugegebenen Durchführung von Live-Musik oder

Gesangsveranstaltungen um eine Nutzungsänderung im Sinne des GastG.

Maßgeblich ist dabei immer, welches Gepräge die Gastwirtschaft nach der

Genehmigung hat. Ihre Mandantin hatte 2000 schon vom Wortlaut nach §§ 2,3 GastG

die Genehmigung für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft erhalten. Dies

beinhaltet ausweislich der Auflage in der Genehmigung auch den Gebrauch von

Musikanlagen, allerdings „ohne jegliche Musikdarbietung“ und mit damaligem

Auflagenzusatz, dass Musik "nicht störend hörbar" sein sollte.

Hauptzweck der Gaststätte sollte immer der Verkauf von Speisen und der Ausschank

bleiben, eine Musikanlage soll diesen nur sozialadäquat – danach wohl in sog.

Zimmerlautstärke– unterstützen. Wenn nun aber lärmintensive und darauf

gerichtete Live-Musik oder Gesangsveranstaltungen regelmäßig durchgeführt

werden, so werden diese Hauptzweck. Sie geben der Gastwirtschaft ein anderes

Gepräge und gehen über das einer normalen Schank- und Speisewirtschaft hinaus

(wichtiger Teil des Umsatzes, Stammpublikum).

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Dies wenden Sie auch selber ein, wenn Sie vorbringen, dass es nicht möglich sei, mit

dem reinen Restaurantbetrieb auskömmlich zu arbeiten, sondern es der Live-Musik

oder Gesangsveranstaltungen bedürfe. Das impliziert, dass die Kalkulation Ihrer

Mandantin darauf gerichtet ist, das Gepräge jedenfalls am Wochenende zu ändern.

Nach der Rechtsprechung können aber im Einzelfall nur bis zu zwölf nicht störende

Musikdarbietungen pro Jahr noch durch eine allgemeine Erlaubnis ohne besondere

Betriebseigentümlichkeit gedeckt sein. Diese Anzahl überschreiten Sie bei

mehrfachen wöchentlichen Darbietungen bei Weitem. Ohne eine veränderte

Genehmigung ist der Betrieb aber nicht ohne weiteres möglich, sondern die Behörde

kann nach Vorliegen der festgestellten Voraussetzungen der Norm gemäß § 15 Abs.

2 GewO die Fortführung des Betriebes untersagen. Ein (Teil-)Widerruf nach § 15

Abs. 2 GastG scheitert daran, dass zudem der Rahmen der vorhandenen Erlaubnis

für eine Gaststätte bei einem lauten Tanzbetrieb bei weitem überschritten worden ist

und für die tatsächlich ausgeübte Betriebsart eben keine Erlaubnis vorliegt, die

widerrufen werden könnte.

Hierbei ist die Ausgangsbehörde ermessensfehlerfrei vorgegangen. Ermessensfehler

sind auch nach nochmaliger Überprüfung im Rahmen dieses

Widerspruchsverfahrens nicht ersichtlich.

Es kommt dabei nicht auf die materiell-rechtliche Erlaubnisfähigkeit des Betriebes an,

denn für den Erlass einer Untersagungsverfügung genügt im Interesse des

Nachbarschutzes schon die formelle Rechtswidrigkeit eines Betriebes.

Ihre Mandantin kann sich nicht auf Vertrauens- oder Bestandsschutz berufen, denn

es gibt keinen Vertrauenstatbestand. Ihre Mandantin hatte von Anfang an nur die

Genehmigung für eine Schank- und Speisewirtschaft.

Ab dem Jahr 2015 hat sie zusätzlich auf eigenes Risiko und ohne ein erforderliches

Genehmigungsverfahren angefangen, lärmintensive Veranstaltungen in der

Gaststätte durchzuführen. Dagegen wurde zwar am Anfang nicht eingeschritten, weil

der Behörde die Abweichung von der bisherigen Erlaubnis nicht bewusst war.

Vertrauen rechtfertigt dies jedoch nicht, denn hierfür bedarf es eines aktiven

Vorgehens der Behörde. Ein bloßes Unterlassen begründet – insbesondere bei

einem Zeitraum von weniger als 2 Jahren – kein Vertrauen.

Wenn sie einwenden, dass auch frühere Betreiber ähnliche Veranstaltungen sogar

größeren Ausmaßes durchführten, so ist das nach Art 3 Abs. 1 GG unbeachtlich.

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Denn zwischen diesen Veranstaltungen und dem Beginn des Gaststättenbetriebs

durch Ihre Mandantin liegen weit mehr als 15 Jahre, in denen jegliches Vertrauen

abgeklungen wäre und sich eine behördliche Praxis ändern darf. Im Übrigen müssen

die jeweils erteilten Erlaubnisse nicht identisch sein. Auch Ihr Einwand, dass es zu

einer Existenzbedrohung kommen könnte, führt nicht dazu, dass das Ermessen

anders ausgeübt werden müsste. Ihre Mandantin hätte ihre Kalkulation anders führen

müssen, denn ihr war bekannt, dass sie eine anderslautende Genehmigung hatte.

Wenn Ihre Mandantin nicht wie eine ordentliche Kauffrau gehandelt hat, so kann das

nicht dazu führen, dass sie unter Missachtung der Rechte der Nachbarschaft zwecks

Steigerung ihrer Gewinne in der Gaststätte unrechtmäßig vorgehen darf.

So ist der grundgesetzlich durch Art. 2 Abs. 2 GG verbürgte Gesundheitsschutz der

Nachbarschaft und das Gebot der Rücksichtnahme im Allgemeinen Wohngebiet nach

§§ 4, 15 BauNVO hier in der Abwägung vorrangig vor einer auch nicht durch Art. 12

GG geschützten schrankenlosen Gewerbeausdehnung.

Dabei ist der Widerspruchsausschuss im Rahmen seiner umfassenden

Prüfungskompetenz sogar in die Erwägung eingetreten, ob nach dem belastenden

Vortrag ihrer Mandantin bezüglich der zwischenzeitlichen Änderung des

Betriebskonzeptes in Richtung Musikdarbietungen sogar eine vollständige

Untersagung der gesamten Betriebsfortführung angezeigt gewesen wäre.

Zugunsten Ihrer Mandantin wurde jedoch im Rahmen des

Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Teiluntersagung für geeignet, erforderlich,

angemessen und damit ausreichend befunden, da in den vergangenen Jahren und

auch gegenwärtig an den meisten Tage der Woche ein

nachbarschutzrechtlich weitgehend problemloser Betrieb als ursprünglich

genehmigter Schank- und Speisewirtschaft festzustellen ist und – ggf. nach

modifiziertem Betriebskonzept – durchführbar erscheint.

Die Behörde hat die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten, so dass die

Untersagung der Musik -und Gesangsdarbietungen insgesamt rechtmäßig ist.

Auch dass die Widerspruchsbehörde sich mit § 15 Abs.2 GewO statt § 5 Abs. 1 Nr. 3

GastG auf eine zusätzliche Rechtsgrundlage stützt macht den Bescheid nicht

rechtswidrig, denn gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes

(VwVfG) kann eine Begründung in zulässiger Weise auch nachträglich gegeben bzw.

gem. §45 Abs 2 VwVfG sogar bis zum Gerichtsverfahren unproblematisch

ausgewechselt oder ausgetauscht werden.

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Dies ist aus verfahrensökonomischen Gründen erst Recht durch die Kompetenz

Widerspruchsbehörde bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens möglich.

b.) Ihr Widerspruch gegen die Untersagung des Betriebs der Musikanlage nach §

5 Abs. 1 Nr. 3 GastG hat dagegen teilweise Erfolg, weil hierfür keine „schädlichen

Umwelteinwirkungen“ im Sinne des Gesetzes festgestellt werden können.

Denn weder diese Norm noch eine andere Vorschriften sind geeignete

Rechtsgrundlagen, auf die eine derartige umfassende Untersagung des üblichen

Betriebes einer Gaststätte mit Musik in Zimmerlautstärke gestützt werden könnte.

Im Gegensatz zu den unter Punkt a) abgehandelten Live-Musik- und

Gesangsveranstaltungen dürften für den Betrieb der Musikanlage aufgrund des

Gutachtens des Dipl.-Ing. Stuve hinreichend verlässliche Messdaten zu

Immissionseinwirkungen, ermittelt nach der TA-Lärm, vorliegen.

Da von der Ausgangsbehörde entsprechende Messungen dem Gaststätteninhaber

ohnehin hätten aufgegeben werden können, bestehen keine

grundsätzlichen Bedenken gegen die Verwertung. Aus dem vorgelegten Gutachten

geht hervor, dass es beim Normalbetrieb der Musikanlage nicht zu einem höheren

Geräuschpegel als 25 dB(A) kommt. Gemäß Nr. 6.2 TA-Lärm ist dies der zulässige

Wert zur Nachtzeit, also in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr (TA-Lärm Nr. 6.4 Satz 1),

und es wurde auch an dem gemäß Nr. 2.3 TA-Lärm maßgeblichen Ort, nämlich in

den Räumen der Widerspruchsführerin, gemessen. Bei maximaler Betriebslautstärke

wird dieser Wert überschritten, dennoch der Wert für die Tageszeit von 35 dB(A)

eingehalten. Zudem steht einer Untersagung auch der Wortlaut der Betriebserlaubnis

entgegen, denn danach ist der Betrieb von Musikanlagen ausdrücklich erlaubt. Dass

Ihre Mandantin den normalen Pegel der Musikanlage überschreitet, ist nicht

ersichtlich, so dass ein Betrieb der Musikanlage im Normal-Betrieb nicht untersagt

werden kann. Eine vollständige Untersagung des Betriebs der Musikanlage würde

zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Wenn die Behörde

sich darauf stützt, dass die Gefahr bestehe, dass durch ein höheres Aufdrehen der

Musikanlage die Gefahr drohe, das Verbot der Livemusik zu umgehen, so greift

dieses Argument nicht so weit, als dass eine totale Untersagung des Betriebs der

Musikanlage darauf gestützt werden könnte. Die Gefahr, dass es durch ein lautes

Aufdrehen der Musikanlage zu einer Umgehung des Verbots von Live-Musik oder

Gesangsveranstaltungen und damit wiederum zu einer andersartigen Nutzung

kommt, ist jedoch, gerade im Hinblick auf das zuletzt vorgetragene Betriebskonzept

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bezüglich des durch die Darbietungen neu gewonnenen Musikpublikums seit 2015

aber auch nicht vollständig von der Hand zu weisen. Im Übrigen fehlt es – wie

eingangs erwähnt- für eine vollständige Untersagung an einer gesetzlichen

Grundlage, denn das Abspielen von Tonträgern stellt sich im Gegensatz zu den

Veranstaltungen als bloße Nebenleistung zum Schankbetrieb dar und ist daher von

der 2000 erteilten Betriebserlaubnis umfasst. Um aber den erwähnten Bedenken zu

begegnen, wird – gestützt auf die TA-Lärm und die Betriebserlaubnis vom 25.Juli

2000 – festgesetzt, dass die Musikanlage in der Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr des

Folgetages nicht mit einer höheren Lautstärke als 25dB(A) benutzt werden darf.

c.) Auch Ihr Widerspruch gegen die Androhung des Zwangsgeldes hat teilweise

Erfolg.

Gemäß §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) darf ein

Zwangsgeld angedroht werden, wenn eine Handlung vom Willen des Pflichtigen

abhängt. Hier können die Gesangsveranstaltungen nur durch Ihre Mandantin

verhindert werden. Da sie dem nicht nachkommen will, ist die Androhung

eines Zwangsgeldes zur Willensbeugung grundsätzlich zulässig.

Allerdings ist das Zwangsgeld zu hoch angesetzt, denn gemäß § 11 Abs. 3 VwVG

darf es nur 1000,– € betragen. Der Bescheid wird daher dahingehend abgeändert, als

dass nur ein Zwangsgeld von 1000,– € angedroht wird.

4. Zudem wird nunmehr in Auswertung des Gesamtgeschehens zur umgehenden

Einhaltung des Lärmschutzes durch den Widerspruchsausschuss die sofortige

Vollziehung der insoweit im Übrigen rechtmäßigen Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Nr.

4 VwGO angeordnet.

Die sofortige Vollziehung steht im besonderen öffentlichen Interesse gemäß § 80

Abs.3 VwGO, wie eine Abwägung der öffentlichen mit den privaten Belangen Ihrer

Mandantin ergeben hat.

Ohne diese Anordnung könnte Ihre Mandantin bei möglichen

Rechtsbehelfen weiterhin Live-Musik oder Gesangsveranstaltungen durchführen und

weiterhin entgegen ihrer Erlaubnis die Gaststätte in einem anderen Gepräge

betreiben. Hierdurch wären dann die Nachbarn mehr als unerheblich belästigt und die

Polizei müsste wiederholt einschreiten. Durch die Anordnung der sofortigen

Vollziehung kann diesen Gesundheitsgefahren in geeigneter Weise zeitnah begegnet

werden.

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Rechtlich schützenswerte Belange Ihrer Mandantin, die dem besonderen öffentlichen

Interesse an der sofortigen Vollziehung entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Durch

die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird Ihre Mandantin schlechter gestellt, als

sie vor Einlegung des Widerspruchs stand. Dies ist jedoch rechtmäßig, denn gemäß

§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sind wir als Widerspruchsausschuss im Rahmen der

umfassenden Entscheidungskompetenz einer Widerspruchsbehörde zur Anordnung

der sofortigen Vollziehung ausdrücklich berechtigt. Durch das Gespräch vom 02. Juni

2015 ist Ihnen und Ihrer Mandantin ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme

gegeben worden, da die sofortige Vollziehung einen Annex zu den damals in

Aussicht gestellten Verwaltungsakten darstellt, ist eine zusätzliche Anhörung im

Sinne des § 28 VwVfG nicht vonnöten.

5. Gemäß § 73 Abs 3 Satz 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG sind

wir dazu berufen, auch über die Kosten zu entscheiden.

Aufgrund des komplizierten Sachverhalts und der rechtlichen Bewertungsfragen im

Gaststättenrecht im Zusammenhang mit dem Immissionsrecht wird die Hinzuziehung

eines Bevollmächtigten im Sinne des § 14 VwVfG für notwendig erklärt (§ 80 Abs. 2

VwVfG).

Die Gesamtkosten sind von uns gemäß § 80 VwVfG aufzuteilen, Ihre Mandantin und

die Freie Hansestadt Hamburg müssen sie je zur Hälfte tragen, denn Ihr Widerspruch

war nur teilweise erfolgreich. Am Grundgedanken des § 155 VwGO orientiert, ergibt

sich daher eine hälftige Teilung der gesamten Kosten.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen den Bescheid des ...kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses

Widerspruchsbescheides...... Klage erhoben werden.

Die Klage ist bei dem Verwaltungsgericht in Hamburg...... schriftlich

einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu

erklären.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Name des Bearbeiters

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Anhang

VW24 (PW) = Lösungsskizze

A. Sachverhalt

- Einleitungssatz: Rechtmäßigkeit von Auflagen/Anordnungen gegenüber der

Gaststätte „Kandahar“ in Hamburg auf Grund von Lärmbeschwerden.

- Darstellung der örtlichen Situation der Gaststätte im Allgemeinen Wohngebiet.

- Vorgeschichte: Entwicklung der Gaststätte seit Anfang 2015, dass die Betreiberin

regelmäßige musikalische Veranstaltungen mit Live-Auftritten bis 01:00 Uhr des

nächsten Tages vor allem am Wochenende durchführt. Lärmbeschwerden der Mieter.

- Verwaltungsverfahren:

1. 25.07.2000: Betriebserlaubnis nach § 2 GastG v.a. ohne Musikdarbietungen.

2. Seit 2015: Beschwerden des Nachbarn, der unmittelbar über der Gaststätte wohnt.

3. 02.06.2015: Erfolglose Gespräche der Behörde mit der Widerspruchsführerin und

ihrem bevollmächtigten Rechtsanwalt über die Lärmproblematik; Hinweis, dass die

aktuellen Nutzungen mit Live-Musik und Gesang nicht der ursprünglichen

Genehmigung aus dem Jahr 2000 entsprechen.

4. 12.06.2015: Anordnung des Wirtschafts- und Ordnungsamtes gemäß § 5 GastG,

dass keine Live- Musik oder Gesangsveranstaltungen mehr stattfinden dürfen, zudem

wird der Betrieb der Musikanlage untersagt, gleichzeitig wird ein Zwangsgeld in Höhe

von 2000 Euro angedroht.

5. 13.07.2015: Widerspruch des bevollmächtigten Rechtsanwalts mit entsprechender

Argumentation der fehlenden Rechtsgrundlagen, des Vertrauensschutzes sowie des

fehlenden Lärmnachweises mit dem Hinweis auf die Lärmverträglichkeit durch

Gutachten eines Ingenieurs sowie die Zerstörung der wirtschaftlichen

Existenzgrundlage.

6. 07.08.2015: Übersendung an das Rechtsamt zur abschließenden Prüfung mit

gegenteiliger Argumentation wegen der erheblichen Lärmproblematik unter Hinweis

auf fehlende Messungen und Kontrollen aus Kostengründen sowie der personellen

Kapazitäten für Kontrollen. Widerspruch soll zurückgewiesen werden.

7. Entscheidung durch den Widerspruchsausschuss des Bezirksamts am 09.09.2015.

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B. Rechtliche Würdigung/Rechtslage der Prüfung nach § 68 VwGO

I. Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde

Bezirksamt Hamburg, hier der Widerspruchsausschuss gemäß den §§ 73 Abs. 1 S. 3,

185 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 7 Abs. 1 AGVwGO sowie § 73 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 7 Abs.

2 AGVwGO, § 1 der Verordnung über Widerspruchsausschüsse.

II. Zulässigkeit des Widerspruchs

Unproblematisch, insbesondere form- und fristgerecht

(§ 70 Abs. 1 VwGO, Zustellung am 15.06.2015).

Widerspruchsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO wegen Art. 12, 2 GG.

III. Begründetheit des Widerspruchs

Der Bescheid enthält drei verschiedene Verwaltungsakte i.S.d. § 35 VwVfG:

Untersagung der Live-Musik und Gesangsveranstaltungen (1.),

Untersagung des Betriebs der Musikanlage (2.),

Die Zwangsgeldandrohung (3.),

die jeweils getrennt nach RGL en auf die Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen sind:

1. Untersagung von Live-Musik und Gesangsveranstaltungen

a) Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG?(Keine Nebenbestimmung nach § 36 VwVfG)

Gaststättengesetz des Bundes = GastG mangels Landesrechts in HH anwendbar.

Die Voraussetzungen der „ schädlichen Umwelteinwirkungen“ des § 5 Abs. 1 Nr. 3

GastG sind laut Sachverhalt nicht nachweisbar. Zwar ist die Anhörung gemäß § 28

Abs. 1 VwVfG durch das Gespräch am 2. Juni 2014 erfolgt, jedoch ist der Nachweis

durch die beweispflichtige Behörde für das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen

gegenüber der Nachbarschaft – aus welchen Gründen auch

immer(Kosteneinsparung?)- nicht einmal ansatzweise geführt worden. Nach § 3 Abs. 1

BImSchG, auf den § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG insbesondere verweist, muss es sich um

Immissionen handeln, die nach Art. Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren,

erhebliche Nachteile oder erheblich Belästigungen für die Allgemeinheit oder die

Nachbarschaft (dazu gehören im BImSchG auch die Mieter im Einwirkungsbereich)

herbeizuführen, wozu nach § 3 Abs. 2 BImSchG auch Geräusche gehören.

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Die insoweit die Beweislast für belastende Maßnahmen tragende Behörde hat in

diesem Zusammenhang kein Gutachten vorgelegt, um die erheblichen Lärmstörungen

als Eingriffsvoraussetzung über § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG nachweisen zu können. Die

aufgeführten Kostenargumente sind insoweit irrelevant, zumal sogar dem Betreiber der

Gaststätte die Nachweisführung der immissionsrechtlichen Unbedenklichkeit seiner

Gaststättennutzung auferlegt werden könnte.

Maßgebend sind die Messwerte nach der TA-Lärm, die auch auf Gaststätten gemäß §

22 BImSchG in ihren Richtwerten innerhalb von Gebäuden zur Nachtzeit auf 25 dB(A)

festgelegt sind. Messungen hat die Behörde – wie dargestellt – nicht durchgeführt.

Ebenso wenig aussagekräftig sind die vorgetragenen Messwerte der

Widerspruchsführerin bezüglich der Musikanlage durch den von ihr beauftragten Dipl.-

Ing. Stuve, da sie sich nicht auf die für das Wohnen bestimmten Räume beziehen.

Gleiches gilt bezogen auf die subjektiv von Nachbarn festgestellten Lärmbelästigungen

im Straßenbereich oder die Wahrnehmungen durch Polizeibeamte.

b) Untersagung der Betriebsfortsetzung =>§ 15 Abs. 2 S. 1 GewO i.V.m. § 31 GastG

aa) Voraussetzungen:

Tatbestandsvoraussetzungen der Untersagung (nicht § 35 Abs. 1 GewO)der

inzwischen nicht mehr vorliegenden Erlaubnis unter Bezugnahme auf die

Betriebserlaubnis aus dem Jahre 2000 ohne Musikdarbietungen.

Erlaubnispflicht der Schank und Speisewirtschaft nach § 2 Abs. 1 GastG.

Umfangreiche Erlaubnisinhalte nach § 3 Abs. 1 GastG geregelt.

Genauer Wortlaut der Erlaubnisart nach aus dem Jahr 2000 („ohne jegliche

Musikdarbietung“) mit damaliger Auflage („nicht störend hörbar“).

Nichtvorliegen der erforderlichen Erlaubnis, da durch Musikveranstaltungen jeden

Samstag und Sonntag der Gesamtbetrieb ein anderes Gepräge aufweist als das einer

normalen bisher genehmigten Schank- und Speisewirtschaft.

Weiteres Indiz ist der erheblich zusätzliche Besucherstrom zu den Musikdarbietungen.

Die Voraussetzungen für eine Untersagung dürften damit grundsätzlich vorliegen.

bb) Die Vorschrift eröffnet jedoch eine Ermessensprüfung:

Zu prüfen sind Ermessensfehler nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO i.V.m. § 31 GastG.

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Formelle Rechtswidrigkeit ist ausreichend, unerheblich sind die eventuellen

Erwägungen hinsichtlich einer materiellen Genehmigungsfähigkeit durch

späteren Bau von Schallschutzvorrichtungen. Auch die behauptete

wirtschaftliche Existenzgefährdung ist nicht entscheidend, da insoweit der

Lärmschutz vorrangig ist.

Die vorgetragene langjährige Duldung führt nicht zum Vertrauensschutz, zumal

die Widerspruchsführerin eigenmächtig und ohne behördliches

Genehmigungsverfahren die Ausweitung/Veränderung der Nutzung

durchgeführt hat. (ähnlich Schwarzbau im BauR)

cc) Einschränkungen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz/reformatio in peius?

Nach dem Wortlaut wäre sogar die vollständige Untersagung des ganzen Betriebes

denkbar, dann Erörterung der reformatio in peius durch die Widerspruchsbehörde.

Zu prüfen ist, ob es erforderlich und angemessen sein könnte, lediglich die

Fortsetzung des rechtswidrigen Betriebes zu verhindern (Teiluntersagung).

Lässt sich vom Betriebskonzept her die Untersagung auf einen Teil des ausgeübten

Betriebes (Gaststätte und Ausschank) beschränken, wäre es unverhältnismäßig, mehr

als eine Teiluntersagung auszusprechen.

Dies ist zweifelhaft kann aber umfangreich erörtert werden, da die früher erteilte

Erlaubnis nichts mehr mit dem gegenwärtig geführten Betriebskonzept (Voraussetzung

neuerer Existenzgrundlage laut Anwaltsvortrag) zu tun haben soll. Vertretbar ist es

unter Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes die Teiluntersagung auf jene

Veranstaltungen zu beschränken, die sich außerhalb des Rahmens der bisherigen

Erlaubnis bewegen.

Aber auch ein uneingeschränktes Verbot wäre zu begründen (Argumente

entscheiden).

2. Untersagung des Betriebs der Musikanlage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG

Die Voraussetzungen einer darauf bezogenen Auflage sind nur teilweise erfüllt.

Im Gegensatz zu den Live-Musik- und Gesangsveranstaltungen dürften für den Betrieb

der Musikanlage aufgrund des Gutachtens des Dipl.-Ing. Stuve hinreichend

verlässliche Messdaten zu Immissionseinwirkungen, ermittelt nach den Regeln der TA-

Lärm, vorliegen.

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Da von der Ausgangsbehörde entsprechende Messungen dem Gaststätteninhaber

ohnehin hätten aufgegeben werden können (Michel/Kienzle, GastG, § 31 Rn. 9),

bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen dessen Verwertung. Hiernach wird

bei normaler Betriebslautstärke der Immissionsrichtwert nach TA-Lärm Nr. 6.2 S. 1 für

nachts, also die Zeit von 22:00-6:00 Uhr (vgl. TA-Lärm Nr. 6.4 S. 1) von 25 dB(A) in

den Räumen des Beschwerdeführers eingehalten. Bei maximaler Betriebslautstärke

wird dieser Wert überschritten, dennoch der Wert für die Tageszeit von 35 dB(A)

eingehalten. Die Räume des Beschwerdeführers sind nach TA-Lärm Nr. 2.3 S. 1 der

maßgebliche Immissionsort, da aufgrund ihrer Lage zum Betrieb der

Widersprechenden dort am ehesten eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte zu

erwarten ist.

Dem von der Behörde vorgetragenen Argument, zur Verhinderung einer Umgehung

sei die vollständige Untersagung der Musikanlage notwendig, fehlt es an einer

Rechtsgrundlage. Das Abspielen von Tonträgern stellt sich im Gegensatz zu den

Veranstaltungen von Live-Musik als bloße sozialadäquate Nebenleistung zum

Schankbetrieb dar, der bisher von der Betriebserlaubnis aus dem Jahr 2000 umfasst

ist.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass z.B. der Wegfall der Live-Musik-

Veranstaltungen durch den Einsatz von Tonträgern kompensiert und dadurch zu einer

nicht genehmigten Hauptleistung wie etwa bei einer Diskothek aufgewertet werden

soll. Daher würde § 15 Abs. 2 S. 1 GewO i.V.m. § 31 GastG als Rechtsgrundlage einer

derartigen Untersagungsverfügung ausscheiden, allenfalls mag das Argument der

Umgehungsgefahr insoweit aufzugreifen sein, dass zur Durchsetzung der Auflage die

gesamte Betriebszeit angeordnet wird.

Folglich dürfte dem Widerspruch insoweit teilweise stattzugeben sein. Es dürfte

lediglich untersagt werden, die Betriebslautstärke der Musikanlage in der Zeit von

22:00 Uhr bis 06:00 Uhr über die Einstellung „normal“ hinaus anzuheben.

3. Zwangsgeldandrohung nach VwVG

Rechtsgrundlagen der Zwangsgeldandrohung sind die §§ 13 Abs. 1 S. 1, 11 VwVG.

Die Zuständigkeit liegt beim Bezirksamt als Erlassbehörde (§ 7 Abs. 1 VwVG).

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Fehlerhaft ist allerdings, dass das angedrohte Zwangsgeld mit 2000 Euro zu hoch

bemessen ist. Die Höhe des Zwangsgeldes durfte nach alter und noch geltender

Rechtslage zu § 11 Abs. 3 VwVG höchstens 1000 Euro = 2000 DM betragen.

IV. Nebenentscheidungen

Nebenentscheidungen bestimmen sich nach § 73 Abs. 3 S. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1

S. 1 und Abs. 2 VwVfG.

Die Kosten der Hinzuziehung des Bevollmächtigten als notwendig darf nicht vergessen

werden, da der Widerspruch z.T. erfolgreich ist.

Hiernach ist die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten anzuerkennen,

wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt

der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Beteiligten nach

seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht

zugemutet werden konnte, das Verfahren selbst zu führen. Dies soll bei

komplizierteren Fällen wie dem vorliegenden – wo es nicht nur um einfach

aufzuklärende Sachverhaltsirrtümer geht – in der Regel zu bejahen sein.

Die obergerichtliche Rechtsprechung ist wegen des Gebots der Waffengleichheit

zwischen Behörde und Bürger zur kostenneutralen Selbstkorrektur der Verwaltung

eher weniger großzügig. Vorliegend wird die Zuziehung nach den Gesamtumständen

des Falles trotz des Eigenanteils wegen der eigenmächtigen Nutzungsausdehnung der

Gaststätte als vertretbar eingestuft.

Eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO der

Widerspruchsbehörde ist unter der Voraussetzung des § 80 Abs. 3 VwGO zur

sofortigen Durchsetzung der Verfügung wegen des Lärmschutzes bzw.

Gesundheitsgefahren gut vertretbar.

Nach § 73 Abs. 3 S. 1 VwGO ist der Widerspruchsbescheid mit einer Belehrung über

die Klagemöglichkeit nach § 74 VwGO i.V.m. § 8 VwZG an die Rechtsanwälte der

Widerspruchsführerin zuzustellen.

C. Anmerkungen zur Aufgabenstellung

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I. Zunächst zum Hintergrund:

Der Klausur liegt ein vor dem Verwaltungsgericht Hamburg geführter und durch nicht

veröffentlichtes Urteil entschiedener Rechtsstreit zugrunde (AZ.: 13 VG 933/2003).

Die ursprüngliche Aufgabenstellung zum 2. Staatsexamen im Jahr 2004 war die

Erstellung eines vollständigen Widerspruchsbescheides nach vorgeschaltetem

gutachterlichem Vermerk im Urteilsstil über die Rechtslage.

Vorliegend ist für den Internet Klausuren Kurs 2015 in Abwandlung der

Aufgabenstellung aus dem Jahr 2004 „nur“ der vollständige Widerspruchsbescheid mit

Briefkopf, Sachverhalt und rechtlicher Würdigung anzufertigen.(vgl. KG Skript S. 64 ff)

Dafür ausschlaggebend ist die Überlegung, dass im 2. Staatsexamen gerade nach der

Verwaltungsstation berufsvorbereitend im Unterschied zum Gutachtenstil des 1.

Staatsexamens von der Schwerpunktsetzung sehr viel mehr Wert auf das

berufspraktisch verwertbare Arbeitsergebnis gelegt werden sollte. Das gelingt bei

einem vorher abverlangten Gutachten meistens aus Zeitgründen meist nur teilweise.

Gleiches gilt bezogen auf die Aufgabenstellung und das berufspraktisch

anzustrebende Endergebnis bei der Anfertigung eines Urteils oder Beschlusses, wo

auch kein vorgeschaltetes Gutachten für die Abfassung einer Gerichtsentscheidung

abverlangt wird. Die Anfertigung von Gutachten vor den eigentlichen

Entscheidungsvorschlägen erscheinen auch nicht zwingend, da Erwägungen, die

wegen der Außenwirkung nicht im praktischen Widerspruchsbescheid abgehandelt

werden, wie in der Praxis üblich , in einem ergänzenden internen Vermerk dargestellt

werden können.

Beide Aufgabenvarianten – mit oder ohne Gutachten- sind im Examen denkbar.

II. Zum Erwartungshorizont und Bewertung der Aufgabe selbst:

Die Erfassung des Sachverhaltes auf nicht einmal sechs Seiten Aufgabentext – der

Rest bis Seite 10 sind vor allem Gesetzestexte – kann eher als leicht eingestuft

werden, die rechtliche Würdigung ist allenfalls als mittelschwer einzuschätzen.

Inhaltlich handelt es sich um den Pflichtfachstoff aus dem ersten juristischen

Staatsexamen, wobei das Wirtschaftsverwaltungsrecht dort zum Wahlfach zu zählt.

Bei der berufspraktisch verwertbaren Erstellung eines Widerspruchsbescheides im 2.

Examen mit der materiell rechtlichen Lösung im Zusammenwirken zwischen

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Gaststättenrecht, Gewerberecht und Immissionsrecht können spezielle Kenntnisse der

Bearbeiter nicht zwingend vorausgesetzt werden.

Es geht lediglich darum, nach kurzer und prägnanter Darstellung des Sachverhaltes

das rechtliche Problembewusstsein und die Argumentationsfähigkeit unter Beweis zu

stellen. Materiell geht es, wie oben aufgeführt, um die Prüfung eines

Untersagungsbescheides im Gaststätten- und Gewerberecht. Der Fall beleuchtet

Probleme hinsichtlich des ausreichenden Nachweises einer schädlichen

Umwelteinwirkung durch Geräusche, des Umfangs einer erlaubten Betriebsart im

Gaststättengewerbe, der richtigen Rechtsgrundlage für Maßnahmen beim Wechsel der

Betriebsart, der Verhältnismäßigkeit einer Teiluntersagung sowie der Abgrenzung der

untersagten Betätigungen vom Umfang der erteilten Erlaubnis.

Wichtig war es dabei bei der inhaltlichen Prüfung, die abgedruckten Rechtsvorschriften

der Hansestadt Hamburg sowie der TA-Lärm bei der Falllösung unter

Berücksichtigung des Vermerks zur Bearbeitung heranzuziehen und Schritt für Schritt

die einzelnen drei von der Behörde verfügten Maßnahmen durchzuprüfen, ohne

allerdings die Strukturzusammenhänge und Möglichkeiten der Anwendung der

übergeordneten Normen aus dem Gaststättengesetz, des

Bundesimmissionsschutzgesetzes und besonders der Gewerbeordnung (letztlich §§

31 GastG i.V. m. § 15 Abs. 2 GewO ) aus dem Auge zu verlieren.

Insgesamt ist die Klausur auch vom Seitenumfang eine faire Aufgabenstellung, die aus

Prüfer – und AG Leitersicht als Pflichtfachklausur des 2. Examens im Öffentlichen

Recht auch ohne besondere Spezialkenntnisse relativ gut zu lösen ist.

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D. Vorschlag zur Gewichtung und Bewertungskriterien der Lösung 100 % 18/18

1. Briefkopf, Tenor und Sachverhalt 16,67% 3/18

2. Rechtliche Würdigung

→ Zuständigkeit 5,56% 1/18

→ Zulässigkeit 5,56% 1/18

→ Begründetheit

a) Untersagung von Live-Musik und Gesangsveranstaltungen

- Prüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG/TA-Lärm 11,1%

2/18

- Prüfung des § 15 Abs. 2 S. 1 GewO i.V.m. § 31 GastG 11,1% 2/18

- Nichtvorliegen der Erlaubnis 5,56% 1/18

- Ermessensprüfung 11,1%

2/18

b) Untersagung des Betriebs der Musikanlage

- Prüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG/TA-Lärm 16,67%

3/18

c) Zwangsgeldandrohung 5,56% 1/18

→ Nebenentscheidungen

- Notwendigerklärung der Hinzuziehung des Bevollmächtigten 5,56% 1/18

- Anordnung der sofortigen Vollziehung 5,56% 1/18

Die Prozentzahlen und Punkte dienen als grobe und unverbindliche Orientierung im

Rahmen des im Einzelfall zustehenden Beurteilungsspielraumes. Zudem gibt es

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Bonus/ Malus Abweichungen bis zu einer Note bei guter oder unzureichender Form

oder/ und juristischer Argumentation